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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 02.07.2008, Az.: 1 STR 174/08

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen schweren Raubes (Fall A) und Anstiftung zur schweren räuberischen Erpressung (Fall B) zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat hinsichtlich Fall B im Umfang des Beschlusstenors Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Folgendes ist - soweit im Rahmen der Revision von Bedeutung - zu Fall B festgestellt:

Gegen Ende 2006 war Gesprächsthema zumindest zwischen dem Angeklagten I. sowie den Mitangeklagten K. und Z., Raubüberfälle in A. zu begehen. Es entwickelte sich die Idee, den Marktleiter des dortigen Penny-Markts zu überfallen, um die Einnahmen vorausgegangener Tage zu entwenden. Die Tat sollte an einem der Warenanlieferungstage in den frühen Morgenstunden vor Öffnung des Markts begangen werden, weil der Marktleiter zu diesen Zeiten allein im Markt war, um einen Diebstahl der angelieferten Waren zu verhindern. Der Angeklagte I. sowie die Mitangeklagten K. und Z. brachten in Erfahrung, dass die Tageseinnahmen nicht an jedem Tag von einem Geldtransportunternehmen abgeholt wurden. Nachdem sie noch den Mitangeklagten W. gewonnen und mit diesem zunächst einen Raubüberfall auf einen Tankstellenbetreiber in A. (Fall A) begangen hatten, kamen sie überein, dass der Überfall auf den Marktleiter am 29. Januar 2007 - unter Beteiligung und "Regie" des Angeklagten I. - stattfinden solle.

Die vier Angeklagten trafen sich am 29. Januar 2007 zur Tatausführung, verschätzten sich jedoch in der Zeit und fuhren unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Der Angeklagte I. war an den darauf folgenden Tagen verhindert, weil er an seiner Arbeitsstelle Frühschicht hatte. Die Mitangeklagten beschlossen, den Plan in Unkenntnis des Angeklagten I. zu nutzen und nur die Rollen neu zu verteilen. Der Mitangeklagte K. übernahm dessen Tatbeitrag (Steuerung des Fluchtfahrzeugs), und als vierten (Ersatz-)Mann gewannen sie den Mitangeklagten H. Zunächst war der Angeklagte I. "planender Kopf" der Gruppe gewesen; auch diese Rolle wurde nunmehr vom Mitangeklagten K. übernommen. Noch bestand zwischen den Mitangeklagten K., Z., W. und H. Einigkeit, dass der Angeklagte I. an der Tatbeute beteiligt werden solle.

Am frühen Morgen des 31. Januar 2007 besprachen die Mitangeklagten im Fluchtfahrzeug, wie der Überfall konkret ablaufen solle. Anschließend führten sie die Tat aus, indem sie den Marktleiter im Marktinneren überwältigten und mit einer ungeladenen Schreckschusspistole zur Öffnung des Tresors und zur Übergabe des vorrätigen Wechselgeldes (insgesamt 1.529,50 €) zwangen. Auf Betreiben des Mitangeklagten H. nahmen sie anschließend davon Abstand, den Angeklagten I. an der Tatbeute zu beteiligen. Dieser erfuhr jedoch aus der Zeitung von dem Überfall, stellte den Mitangeklagten Z. zur Rede, verlangte seinen Beuteanteil und ohrfeigte ihn, woraufhin dieser dem Angeklagten I. 300,- € übergab.

2. Die Kammer hat die Beteiligung des Angeklagten I. als Anstiftung zur - von den Mitangeklagten mittäterschaftlich begangenen - schweren räuberischen Erpressung gewertet. Insoweit ist im Urteil - lediglich - ausgeführt, der Angeklagte I. habe "keine konkrete Tatherrschaft, aber ein eigenes Tatinteresse bei dem Überfall" gehabt.

Die Revision macht geltend, dass eine Anstiftung ausscheide, weil die Angeklagten den Tatentschluss gemeinsam gefasst hätten und nicht vom Angeklagten I. hierzu bestimmt worden seien. Sie meint, bei ihm läge vielmehr Beihilfe vor, und begehrt eine entsprechende Abänderung des Schuldspruchs.

Die Revision des Angeklagten I. hat teilweise Erfolg, weil er sich nicht wegen Anstiftung zur, sondern wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung nach § 253 Abs. 1, 2, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht hat.

Entgegen der Bewertung durch das Landgericht liegt Anstiftung schon deswegen nicht vor, weil der Angeklagte I. die Mitangeklagten nicht zu der schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 26 StGB "bestimmt" hat (nachfolgend 1). Im Übrigen scheidet auch eine Beteiligung als Mittäter - ebenso wie eine solche als Gehilfe - aus; denn nach der Vorstellung des Angeklagten I. begingen die Mitangeklagten nicht die Tat gemäß dem gemeinsamen Tatplan, sondern eine andere Tat (nachfolgend 2).

1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte I. nicht Anstifter.

Feststellungen, die die Annahme tragen, er habe den Tatentschluss bei den Mitangeklagten erst hervorgerufen, sind nicht getroffen worden. Vielmehr entwickelten die Angeklagten die Idee eines Raubüberfalls auf den Marktleiter des Penny-Markts gemeinsam. Die Informationen für den Tatplan stammten nicht allein vom Angeklagten I., sondern auch von Mitangeklagten, so etwa, was das Wissen um das Abholen der Tageseinnahmen bei dem Supermarkt durch ein Geldtransportunternehmen anbelangt. Den Entschluss zur Tatausführung am 29. Januar 2007, die noch im Vorbereitungsstadium abgebrochen wurde, fassten die Angeklagten ebenfalls gemeinsam.

Der Angeklagte I. zeigte zwar im Vorbereitungsstadium die höchste Planungskompetenz in der Tätergruppe und war dementsprechend "zunächst" deren "planender Kopf" (UA S. 29). Aus den Urteilsgründen ergibt sich allerdings, dass die Planung einzelne Modalitäten der Verwirklichung eines dem Grunde nach feststehenden Tatentschlusses betraf. Dem entspricht es, dass die Mitangeklagten nach dem 29. Januar 2007 "beschlossen, I. s fortbestehenden und von diesem nicht zurückgenommenen Plan für den Überfall zu nutzen und nur die Rollen neu zu verteilen" (UA S. 18), wobei auch die Rolle des "planenden Kopfes" vom Mitangeklagten K. übernommen wurde (UA S. 29). Dementsprechend wurden im Fluchtfahrzeug in Abwesenheit des Angeklagten I. einzelne Modalitäten der Tatausführung weiter präzisiert, indem der konkrete Ablauf des Überfalls besprochen wurde.

2. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, wäre eine Tatbeteiligung des Angeklagten I. im Grundsatz als Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB zu qualifizieren (nachfolgend a). Allerdings begingen die Mitangeklagten, indem sie sich einseitig von dem gemeinschaftlich gefassten Tatentschluss lösten und den Marktleiter ohne Wissen und Wollen des Angeklagten I. überfielen, nicht die mittäterschaftlich geplante Tat, vielmehr eine andere Tat (nachfolgend b).

a) Wäre die Tat gemäß dem gemeinsamen Tatplan ausgeführt worden, wäre der Angeklagte I. daran als Mittäter beteiligt gewesen, selbst wenn von Vornherein nicht geplant gewesen wäre, dass er im Ausführungsstadium mitwirken sollte. Insoweit gilt: Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungsoder Unterstützungshandlung beschränken kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2002, 74, 75 m.w.N.).

b) Mittäterschaft scheidet hier freilich aus, da die ausgeführte Tat wesentlich ebenso von der Vorstellung des Angeklagten I. wie vom gemeinsamen Tatplan abweicht: Die Tat wurde absprachewidrig zu einem anderen Zeitpunkt in anderer Besetzung mit anderer Rollenverteilung der Ausführenden begangen.

Darüber hinaus hatte der Angeklagte I. weder Kenntnis von der Tatbegehung noch rechnete er auch nur damit; er ging vielmehr davon aus, dass sein Tatbeitrag noch nicht ausreiche und der Tatplan nicht ohne weitere Mitwirkungshandlungen seinerseits verwirklicht werde (vgl. auch Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 24 Rdn. 82; Vogler in LK 11. Aufl. § 24 Rdn. 164). Er hatte die Tatausführung noch nicht aus den Händen gegeben. Die konkrete Tat entsprach auch nicht dem Willen des Angeklagten I. Vielmehr wollte er auch im Ausführungsstadium mitwirken. Dementsprechend stellte er, als "er aus der Zeitung erfahren hatte, dass 'sein' Überfall ohne seine Beteiligung ausgeführt worden war, Z. zur Rede ... und verlangte seinen Beuteanteil" (UA S. 20).

In dem in diesem Sinne definierten fehlenden Wissen und Wollen unterscheiden sich Fälle der vorliegenden Art von verwandten Fallkonstellationen, die der Bundesgerichtshof bereits entschieden und dabei Mittäterschaft - zumindest im Grundsatz - bejaht hat. Das gilt vor allem für Fälle, in denen ein "Hintermann" die Planung einer Tat (mit-)beherrscht, diese aber anschließend aus den Händen gibt und dabei das genaue Vorgehen bei der Tatausführung und den hierfür geeigneten Zeitpunkt dem Ermessen seines Mittäters überlässt (vgl. BGH NStZ 2003, 253, 254; NStZ-RR 2004, 40, 41; ferner Fischer, StGB 55. Aufl. § 25 Rdn. 12a). In derartigen Fällen umfasst der gemeinschaftlich gefasste Tatentschluss das Vorgehen insoweit nur im Allgemeinen und räumt einzelnen Mittätern in der Art der Ausführung Freiheiten ein (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 25 Rdn. 205 m.w.N.). In der völligen Unkenntnis des Angeklagten I. von der Tatbegehung unterscheidet sich der hiesige Fall aber auch von Fällen, in denen ein Mittäter im Vorbereitungsstadium von der Tatausführung Abstand nimmt, er allerdings - etwa wegen fehlgeschlagener Umstimmungsversuche - weiß oder zumindest damit rechnet, dass andere Mittäter (gegebenenfalls) seinen Tatbeitrag ersetzen und die Tat gleichwohl ohne ihn ausführen (vgl. BGHSt 28, 346; BGH NStZ 1994, 29; 1999, 449).

Aus den genannten Gründen kann der Angeklagte I. ebenso wenig als Gehilfe nach § 27 StGB belangt werden.

3. Da der Angeklagte I. also weder Täter noch Teilnehmer der ausgeführten - wesentlich anderen - Tat ist, hat er sich hinsichtlich der ursprünglich geplanten Tat wegen Verbrechensverabredung nach § 30 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.

Der Senat ändert den Schuldspruch im Fall B analog § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte I. der Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung schuldig ist. Dass sich dieser bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes wirksamer als geschehen hätte verteidigen können, schließt der Senat aus. Das gilt umso mehr, als die Revision beantragt hat, "den Schuldspruch auf Beihilfe um(zu)stellen", was zu einem identischen Strafrahmen geführt hätte. Des Weiteren schließt der Senat aus, dass die Bemessung der Einzelstrafe für die Tat im Fall A, welche die gesetzliche Mindeststrafe nicht erheblich übersteigt, von dem Wertungsfehler beeinflusst ist. Soweit das Urteil im Strafausspruch aufgehoben wird, können die zugehörigen Feststellungen gleichwohl bestehen bleiben.

Da sich das Verfahren nunmehr allein gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer. Diese wird bei der Strafzumessung strafschärfend auch die - wenngleich nicht von der Vorstellung des Angeklagten I. umfassten, so doch - vorwerfbaren Folgen der Verbrechensverabredung zu berücksichtigen haben (vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 372 m.w.N.), nämlich die Tatbegehung durch die vier Mitangeklagten.