Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 10.11.2009, Az.: 1 STR 283/09
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 20 Fällen, wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen und wegen Betrugs in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 66.186,59 Euro angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Urteils.
1) Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte faktischer Geschäftsführer der Firma Ay. GmbH. Geschäftsgegenstand der Gesellschaft war die Durchführung von Baustahlarmierungsund Bewehrungsarbeiten. Die Gesellschaft beschäftigte mehrere Arbeitnehmer, für die die vorgeschriebenen Meldungen nach § 28f Abs. 3, § 28a SGB IV und nach § 41a EStG abgegeben wurden, daneben aber auch zwischen November 2005 und Juni 2007 eine Vielzahl nicht näher individualisierbarer Arbeitnehmer, ohne diese Arbeitsverhältnisse den zuständigen Sozialversicherungsträgern und dem zuständigen Finanzamt zu melden. Möglicherweise wurden auch an Arbeitnehmer, die ordnungsgemäß gemeldet waren, zusätzlich zu dem Lohn, der angemeldet und für den Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt wurden, weitere Schwarzlohnzahlungen geleistet. Zur Verschleierung der Schwarzlohnzahlungen ließ der Angeklagte Rechnungen der Firma A. Bau an die Ay. GmbH in der Buchhaltung einbuchen, die sich auf einen Gesamtbetrag von 402.263,12 Euro beliefen. Diesen Rechnungen lagen keine tatsächlich erbrachten Leistungen der Rechnungsstellerin zu Grunde. Sie dienten lediglich dem Zweck, die Ausgaben des Unternehmens für Schwarzlohnzahlungen "abzudecken".
Durch die pflichtwidrig unterlassenen Meldungen an die Sozialversicherungsträger wurden Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 937.125,25 Euro vorenthalten. Lohnsteuer wurde in Höhe von insgesamt 177.341,18 Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 10.491,66 Euro hinterzogen.
Darüber hinaus ließ der Angeklagte gegenüber der BG Bau - Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft für die Beitragsjahre 2005 und 2006 jeweils bewusst pflichtwidrig zu niedrige Lohnnachweise zur Bemessung der Umlagebeträge für die gesetzliche Unfallversicherung abgeben, was zur Folge hatte, dass die Umlage nicht in voller Höhe berechnet wurde und der Berufsgenossenschaft ein Schaden in Höhe von 38.910,69 Euro entstand.
2) Der Angeklagte hat die Taten dem Grunde nach eingeräumt. Er bezifferte die von ihm veranlassten Lohnzahlungen, für die keine Sozialversicherungsbeiträge und Steuern angemeldet und abgeführt wurden, auf etwa 20.000 bis 30.000 Euro pro Monat.
Dieser Einlassung ist die Strafkammer nicht gefolgt. Sie hat vielmehr die Lohnsummen, hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten und Steuern hinterzogen worden waren, geschätzt, da die Buchhaltung der Ay. GmbH manipuliert sei, so dass sie nicht als verlässliche Quelle für die Bestimmung der tatsächlich gezahlten Schwarzlöhne herangezogen werden könne.
Die der Schadensberechnung zu Grunde gelegten Lohnsummen errechnete das Landgericht daher auf der Grundlage einer branchenüblichen Lohnquote von 66,66 % bezogen auf die um anerkannte Subunternehmerleistungen bereinigten monatlichen Nettoumsätze. Die so ermittelten Lohnsummen wurden für die Berechnung der vorenthaltenen Renten-, Kranken-, Arbeitslosenund Pflegeversicherungsbeiträge nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf ein Bruttogehalt hochgerechnet. Auf der Grundlage dieser fiktiven Bruttolohnsumme wurden die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge errechnet, von denen in einem letzten Schritt die Sozialversicherungsbeiträge, die für die angemeldeten Arbeitsverhältnisse gezahlt worden waren, abgezogen wurden. Für die Berechnung der hinterzogenen Steuern und die vorenthaltenen Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung erfolgte demgegenüber keine Hochrechnung der geschätzten Lohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV.
Der festgestellte Schuldumfang hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung aus zwei Gründen nicht stand: Die Voraussetzungen für die Schätzung der Schwarzlohnsumme waren vorliegend nicht gegeben (dazu nachfolgend 1.).
Zudem enthalten die Rechenschritte bei der Berechnung der Hinterziehungsbeträge Rechtsfehler (dazu nachfolgend 2.).
1. Die Voraussetzungen für die Schätzung der Schwarzlohnsumme waren vorliegend nicht gegeben; deshalb ist die darauf aufbauende Beweiswürdigung nicht tragfähig.
Die Strafkammer hat die Höhe der Schwarzlöhne unter Heranziehung einer branchenüblichen Lohnquote geschätzt. Eine solche Schätzung ist dem Tatrichter zwar grundsätzlich gestattet. Hier hat das Landgericht allerdings betriebswirtschaftliche Parameter festgestellt, mittels derer die Möglichkeit bestand, die Höhe der Schwarzlöhne konkret - also tatsachenfundiert und den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend - zu berechnen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf der Grundlage einer tatsachenfundierten Berechnung der Schuldumfang nennenswert geringer ausgefallen wäre. Dies gilt auch deshalb, weil die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten ohne ausreichende Erörterung für widerlegt hält, er habe monatliche Schwarzlohnzahlungen in einer Größenordnung zwischen 20.000 und 30.000 Euro geleistet.
a) Die Schätzung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge ist dem Tatrichter freilich grundsätzlich gestattet.
aa) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass tatgerichtliche Feststellungen auf tragfähige Schätzgrundlagen gestützt werden dürfen (BVerfG - Kammer -, Beschl. vom 20. März 2007 - 2 BvR 162/07). Die für die Anwendung und Durchführung einer Schätzung maßgeblichen Kriterien sind:
- Für eine annähernd genaue Berechnung fehlen aussagekräftige Beweismittel; bei Vermögensdelikten im Rahmen eines Unternehmens sind das namentlich Belege und Aufzeichnungen.
- Die Parameter der Schätzgrundlage müssen tragfähig sein.
- Die Schätzung kann auch aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, etwa dann, wenn eine exakte Berechnung einen unangemessenen Aufklärungsaufwand erfordert und bei exakter Berechnung für den Schuldumfang nur vernachlässigbare Abweichungen zu erwarten sind.
- Im Rahmen der Gesamtwürdigung des Schätzergebnisses ist der Zweifelssatz zu beachten.
- Die Grundlagen der Schätzung müssen im tatrichterlichen Urteil für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargestellt werden.
Nach diesen Grundsätzen kann - und muss auch sehr häufig - bei Betäubungsmitteldelikten die Wirkstoffkonzentration anhand bestimmter Kriterien geschätzt werden (BGH, Beschl. vom 1. Oktober 2008 - 2 StR 360/08). Die Schätzung kann etwa anhand repräsentativer Stichproben erfolgen, auch um einen unverhältnismäßigen Untersuchungsaufwand zu vermeiden (BGH StV 2008, 9). Gerade dann, wenn sich solche Feststellungen bei angemessenem Aufklärungsaufwand nicht treffen lassen, darf das Tatgericht eine an den Umständen des Falles orientierte Schätzung unter Beachtung des Zweifelssatzes vornehmen (BGH NStZ 2002, 438, 439).
Eine Schätzung hat die Rechtsprechung auch bei Serientaten gebilligt, wenn zwar der strafbare Gesamtschaden feststeht, die Verteilung dieses Schadens auf Einzelakte sich aber einer genauen Feststellung entzieht. Danach ist es bei einem strafbaren Gesamtverhalten, das zahlreiche serienmäßig begangene Taten umfasst, zulässig, einen rechnerisch ermittelten Teil des Gesamtgeschehens bestimmten strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen im Wege der Schätzung zuzuordnen, wobei die Feststellung der Zahl der Einzelakte und die Verteilung des Gesamtschadens auf diese unter Beachtung des Zweifelssatzes zu erfolgen hat (BGH aaO).
Steht bei Vermögensstraftaten nach der Überzeugung des Tatrichters ein strafbares Verhalten des Täters fest, so kann auch hier die Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen. Ein solches Verfahren ist stets zulässig, wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen. Die Schätzung ist dann sogar unumgänglich, wenn über die kriminellen Geschäfte keine Belege oder Aufzeichnungen vorhanden sind. In Fällen dieser Art hat der Tatrichter einen als erwiesen angesehenen Mindestschuldumfang festzustellen (BGH StV 2004, 578; NStZ 1999, 581).
bb) Dieselben Grundsätze gelten für die Schätzung von Bemessungsgrundlagen bei der Berechnung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge. Auch hier muss nach der Überzeugung des Tatgerichts ein strafbares Verhalten des Täters feststehen. Steht die Strafbarkeit fest, kommt eine Schätzung des Schuldumfangs namentlich dann in Betracht, wenn mangels entsprechender Buchführung des Angeklagten eine konkrete Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht vorgenommen werden kann (vgl. BGHSt 40, 374, 376; NStZ 2001, 599, 600; wistra 2007, 220 f., jew. m.w.N.). Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen muss zudem nach steuerrechtlichen Grundsätzen in sich schlüssig sein. Das ist namentlich dann der Fall, wenn ihre Ergebnisse hinsichtlich aller Bemessungsgrundlagen wirtschaftlich vernünftig und möglich sind (BGH wistra 1992, 147; NStZ 1999, 581, BFH BStBl II 1986, 226).
Das Tatgericht darf dabei durchaus auch Schätzungen des Finanzamts oder der Steuerfahndungsstellen übernehmen. Freilich muss erkennbar sein, dass es diese eigenständig überprüft und sich von ihrer Richtigkeit auch unter Berücksichtigung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) überzeugt hat (BGH wistra 1984, 182).
Liegen keine hinreichend verlässlichen Anknüpfungstatsachen für die nähere Bestimmung der Bemessungsgrundlagen vor, kann eine durchschnittliche, an Wahrscheinlichkeitskriterien ausgerichtete Schätzung erfolgen (BGH wistra 1992, 147). Bei der Entscheidung, welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird, kommt dem Tatgericht ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH wistra 1992, 147). Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich dann darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist.
cc) Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen zur Berechnung hinterzogener Lohnsteuer und vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge ist die Schätzung der Lohnsumme unter Anwendung eines Prozentsatzes bezogen auf den Nettoumsatz eines Unternehmens danach dann zulässig, wenn keine anderweitig verlässlichen Beweismittel zur Verfügung stehen oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und ohne nennenswerten zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu beschaffen sind. Für die Schätzung der Lohnsumme gilt danach:
Das Tatgericht darf eine branchenübliche Lohnquote - und zwar eine Nettolohnquote - des jeweils verfahrensgegenständlichen Gewerbes ermitteln und diese als Schätzgrundlage der weiteren Berechnung zugrunde legen. Im Bereich des lohnintensiven Baugewerbes kann das Tatgericht bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen in Form der Schwarzarbeit grundsätzlich zwei Drittel des Nettoumsatzes als Lohnsumme - und zwar als Nettolohnsumme - veranschlagen (Senat NJW 2009, 528, 529). Die gegen eine Nettolohnquote von 60 % und mehr erhobenen Einwände (Röthlein wistra 2009, 107, 113; Joecks JZ 2009, 526, 531) hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht für berechtigt. Aus dem Umstand, dass bei legalen Beschäftigungsverhältnissen erfahrungsgemäß eine Bruttolohnquote von zwei Dritteln des Nettoumsatzes angenommen wird und dort folglich deren Nettolohnquote niedriger ist, lässt sich nämlich nicht herleiten, dass auch bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen die Nettolohnquote unter zwei Dritteln des Nettoumsatzes liegen müsse. Das würde der unterschiedlichen Kostenstruktur von legalen und illegalen Beschäftigungsverhältnissen nicht gerecht.
Der illegal tätige Unternehmer wendet nämlich, anders als der legal tätige Unternehmer, außer den Nettolohnzahlungen keine nennenswerten anderweitigen Kosten auf, vor allem keine Lohnneben- und zusatzkosten sowie Fixkosten, die bei einem legal tätigen Unternehmen anfallen. Das hat zur Folge, dass bei ihm - anders als beim legal tätigen Unternehmer - ein wesentlich größerer Teil des Nettoumsatzes auf Nettolohnzahlungen an seine Arbeitnehmer entfällt, so dass seine Nettolohnquote deutlich höher liegt. Im Vergleich zu einem legal tätigen Unternehmen kann das illegal tätige Unternehmen seine Kosten anders kalkulieren:
- Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass der illegal tätige Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer keine höheren Nettolöhne als am Markt üblich zahlt; dies gilt auch im Vergleich mit legal tätigen Unternehmen.
- Der Einsatz nicht gemeldeter Arbeitnehmer bzw. die nicht vollständige Meldung gezahlter Löhne ermöglicht dem illegal tätigen Unternehmer, seine Leistungen günstiger als seine legal tätigen Mitbewerber anzubieten. Dies führt - wenn beide dieselbe Zahl von Arbeitern für denselben Auftrag einsetzen würden - zu einem niedrigeren Angebot und damit zu einem geringeren Umsatz.
- Wollten hingegen beide Unternehmen denselben Nettoumsatz erzielen, dann könnte der illegal tätige Unternehmer für denselben Auftrag - bei gleicher Nettolohnsumme - mehr Arbeiter einsetzen, mithin den Auftrag schneller ausführen (günstigerer Zeitfaktor).
- Weil der illegal tätige Unternehmer den Auftrag schneller ausführen kann, bedeutet das zugleich, dass er einen höheren Umsatz erwirtschaften kann, wenn er die größere Zahl von zudem "billigeren" Arbeitern genauso lange arbeiten lässt, wie der legal tätige Unternehmer.
Deswegen hält der Senat eine Schätzung des Tatgerichts, das die Nettolohnsumme bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen mit zwei Dritteln des Nettoumsatzes bemisst, für wirtschaftlich vernünftig und möglich.
Dies entspricht auch den Erfahrungen des Senats aus vergleichbaren Verfahren, wo aufgrund tatsachenfundierter Berechnungen Schwarzlöhne konkret festgestellt wurden, die sich auf mehr als 60 % des Nettoumsatzes belaufen (vgl. Senat, Beschl. vom 29. Oktober 2009 - 1 StR 501/09).
Der Senat hat auch bedacht, dass sich der Unternehmer der illegalen Beschäftigung bedient, um seine Gewinne zu maximieren. Dabei erscheint allerdings schon zweifelhaft, ob er aber am Markt tatsächlich signifikant höhere Gewinne erzielt als ein legal tätiges Unternehmen. Denn gerade im Baugewerbe konkurriert er häufig nicht nur mit legal tätigen, sondern auch mit anderen, gleichfalls illegal tätigen Unternehmen, was sich auf die von ihm erzielbaren Preise und damit seine Gewinnspanne auswirkt. Aber selbst wenn die Gewinnspanne illegal tätiger Unternehmen höher wäre, kann dieser Faktor in Fällen der vorliegenden Art in der Regel bei der Schätzung der Nettolohnquote in Höhe von zwei Dritteln des Nettoumsatzes vernachlässigt werden, denn es erscheint kaum vorstellbar, dass der Gewinn illegal tätiger Unternehmen auch nur annähernd ein Drittel des Nettoumsatzes ausmacht.
b) Bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme darf allerdings nicht vorschnell auf eine Schätzung der Lohnquote in Form eines Anteils an der Nettolohnsumme ausgewichen werden, wenn eine tatsachenfundierte Berechnung anhand der bereits vorliegenden und der erhebbaren Beweismittel möglich erscheint. Die zuverlässige Klärung, ob eine für die Berechnung verlässliche Tatsachengrundlage beschafft werden kann, ist dabei auch und besonders Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Deshalb wäre es verfehlt und würde die Hauptverhandlung mit unnötigem Aufklärungsaufwand belasten, wenn die Ermittlungsbehörden sich darauf beschränkten, die Lohnquote zu schätzen, ohne zuvor ausermittelt zu haben, ob eine tatsachenfundierte Berechnung möglich ist.
aa) Beweismittel, anhand derer die Ermittlung des Nettoumsatzes und der konkrete Umfang der erbrachten Arbeiten möglich ist, sind im Baugewerbe insbesondere die Ausgangsrechnungen auf der Grundlage von Einheitspreisen.
Vollständig erfasste Ausgangsrechnungen können ein aussagekräftiges Indiz zur Ermittlung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden sein. Die so ermittelten Arbeitsstunden dienen dann ihrerseits als Grundlage für die Berechnung des geleisteten Schwarzlohns, indem sie mit den gezahlten Stundenlöhnen multipliziert werden. Soweit sich keine Anhaltspunkte für die tatsächlich gezahlten Löhne ergeben, kann die Höhe des gezahlten Nettostundenlohns geschätzt werden. Hierbei können branchenübliche oder tarifvertragliche Stundenlöhne zugrunde gelegt werden. Wegen des dort geltenden Zuflussprinzips (vgl. insoweit Senat NJW 2009, 528, 530) sind namentlich im Hinblick auf die Berechnung der hinterzogenen Lohnsteuer dabei Nettolöhne anzusetzen.
bb) Die so gewonnenen Ergebnisse sind anhand anderer Betriebszahlen, soweit solche vorliegen, auf ihre Zuverlässigkeit zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für die - mitunter in der Buchhaltung erfassten - Abdeckrechnungen, die der Unternehmer, der Arbeitnehmer gegen Zahlung von Schwarzlöhnen beschäftigt, sich bei anderen Unternehmen besorgt. Denn die Abdeckrechnungen dienen vornehmlich der buchhalterischen Verschleierung der Bargeldentnahmen, die erforderlich sind, um die Schwarzlöhne auszuzahlen. Sie können daher belastbare Erkenntnisquellen für die Höhe der geleisteten Schwarzlöhne sein.
cc) Soweit sich weitere Unterlagen in der Buchhaltung des jeweils betroffenen Unternehmens finden, sind auch diese mit in Bedacht zu nehmen. Selbst wenn in der Buchhaltung Manipulationen vorgenommen wurden, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, die vorhandenen Unternehmensunterlagen für sich allein oder in der Gesamtschau im Rahmen einer tatsachenfundierten Schätzung zu verwenden, um im konkreten Einzelfall das der Wirklichkeit am ehesten entsprechende Ergebnis zu erreichen.
c) Im vorliegenden Fall sind Umstände festgestellt, anhand derer es möglich erscheint, die Höhe der gezahlten Schwarzlöhne tatsachenfundiert zu berechnen. Deshalb lagen die Voraussetzungen für eine Schätzung der Schwarzlohnsumme nicht vor, so dass sich Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft erweist.
aa) Die Strafkammer stellt fest, dass in der Buchhaltung der Ay. GmbH Schwarzlohnzahlungen verdeckt und verschleiert wurden, indem Eingangsrechnungen der Firma A. Bau in der Gesamthöhe von mehr als 400.000 Euro gebucht wurden. Hierbei handelt es sich um Scheinrechnungen, denen keine tatsächlich erbrachten Leistungen zu Grunde lagen und die vielmehr ausschließlich dazu dienten, die Ausgaben für die Zahlung von Schwarzlöhnen abzudecken.
Das wäre Anlass gewesen, zu prüfen, ob diese Zahlen eine tatsachenfundierte Grundlage für die Schwarzlohnberechnung sein konnten. Allein der insoweit nicht näher ausgeführte Hinweis, die Buchhaltung sei manipuliert, macht die Prüfung - gerade mit Blick auf die Einlassung des Angeklagten - hier nicht entbehrlich.
bb) Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Höhe der Abdeckrechnungen mit der von der Strafkammer für widerlegt erachteten Einlassung des Angeklagten in Einklang gebracht werden kann. Diese ging dahin, für die monatlichen Schwarzlohnzahlungen im Tatzeitraum - von 20 Monaten - monatlich zwischen 20.000 bis 30.000 Euro aufgewandt zu haben. Zwar erscheint es durchaus möglich, dass der Angeklagte damit nur den Umfang zugestanden hat, der wegen der objektiven Beweislage in Form der Abdeckrechnungen ohnehin nicht zu bestreiten war, und dass der tatsächliche Umsatz höher war, wofür die manipulierte Buchhaltung sprechen könnte. Das hätte aber einer näheren Erörterung bedurft.
cc) Eine solche Erörterung war hier auch deshalb angezeigt, weil weitere Feststellungen getroffen wurden, die für Würdigung der Einlassung des Angeklagten von Bedeutung sind. Denn aus der Bruttolohnsumme, die sich aus den festgestellten Sozialversicherungsbeiträgen ergibt, die von der Ay. GmbH angemeldet und abgeführt wurden, und der auf eine Bruttolohnsumme hochgerechneten Schwarzlohnzahlungen, die der Angeklagte eingestanden hat, ergibt sich eine Gesamtbruttolohnsumme, die nahezu zwei Drittel des Nettoumsatzes der Gesellschaft im Tatzeitraum ausmacht. Dieser Umstand lässt es als möglich erscheinen, dass der Angeklagte Schwarzlohnzahlungen in Höhe des in seinem Unternehmen üblicherweise gezahlten Nettolohns leistete.
dd) Da sich die Strafkammer trotz dieser Umstände, die eine tatsachenfundierte Schätzung orientiert an den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls als möglich erscheinen lassen, einer pauschalen, an Durchschnittswerten orientierten Schätzung bedient hat, erweist sich das Urteil als rechtsfehlerhaft. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dies zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, weil die pauschale Schätzung zu nennenswert höheren Hinterziehungsbeträgen geführt haben kann.
2. Unabhängig davon wurden zu Lasten des Angeklagten bei der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge auch Teile des Lohns, für den Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren, von der Hochrechnung auf einen Bruttolohn erfasst. Auch dies erweist sich zum Nachteil des Angeklagten als rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht hat bei der Ermittlung der Schwarzlohnsumme, die gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf eine Bruttolohnsumme hochzurechnen ist (vgl. Senat NJW 2009, 528, 529 ff.), auch Lohnzahlungen berücksichtigt, die den zuständigen Stellen gemeldet und für die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Zwar ist eine Hochrechnung der Schwarzlohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auch dann zulässig, wenn ein Unternehmer lediglich teilweise Schwarzlohnzahlungen leistet (Senat, Beschl. vom 7. Oktober 2009 - 1 StR 320/09). Insoweit kann aber nur die Lohnsumme hochgerechnet werden, die nicht angemeldet und für die daher auch keine Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt wurden. Demgegenüber darf der Teil der Lohnsumme, der gemeldet und für den Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer abgeführt worden waren, bei der Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht miteinbezogen werden. Dies würde im Ergebnis zu einer doppelten Hinzurechnung von Arbeitnehmeranteilen und Lohnsteuer zum Nettogehalt führen. Der Abzug der tatsächlich gezahlten Sozialversicherungsbeiträge gleicht dies nicht aus. Der gemeldete Bruttolohn ist daher von der im Wege der Schätzung gewonnenen Lohnsumme abzuziehen. Insoweit ist zu beachten, ob es sich bei der im Wege der Schätzung gewonnenen Lohnsumme um eine Brutto- oder Nettolohnsumme handelt. Abhängig davon wird der Lohnsummenteil, für den Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer gezahlt worden waren, netto oder brutto abzuziehen sein.
Auf diesem Berechnungsfehler beruht das Urteil auch, da das Landgericht den Schuldumfang zum Nachteil des Angeklagten fehlerhaft bestimmt hat.
Wenngleich auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten ausgeschlossen werden kann, dass es in den Einzelfällen nicht zur Hinterziehung von Steuern und dem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen kam, ist hier auch der Schuldspruch aufzuheben, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Denn soweit die Schadensberechnung auf der Grundlage einer auf pauschalen, an Durchschnittswerten orientierten Schätzung der Bemessungsgrundlagen erfolgt, ist jedenfalls in einzelnen Beitragsmonaten möglich, dass zumindest Sozialversicherungsbeiträge nicht vorenthalten wurden.
Keinen Bestand hat auch die Anordnung des Verfalls von Wertersatz.
Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:
"1. Das Landgericht hat in Höhe gesicherter Vermögenswerte den Verfall von Wertersatz angeordnet, da Gläubiger 'auf diese' keinen Anspruch hätten.
2. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen der §§ 73 Abs. 1 bis 3, 73a StGB ausreichend dargelegt sind, steht dem Verfall (von Wertersatz) § 73 Abs. 1 S. 2 StGB entgegen. Verletzter i.S.d. Vorschrift kann auch eine juristische Person öffentlichen Rechts einschließlich des Fiskus sein (Fischer StGB 56. Aufl. § 73 Rn. 21; BGH NStZ 2001, 155; Harms/Jäger NStZ 2001, 181). Es ist (bislang) nicht erkennbar, warum der Fiskus, die Krankenkasse und die Berufsgenossenschaften den Angeklagten nicht in Anspruch nehmen können (§§ 72 AO, 823 Abs. 2 BGB; vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 266a Rn. 2)."
Dem schließt sich der Senat an.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Auch soweit Beiträge, die an die BG Bau-Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft für die Beitragsjahre 2005 und 2006 abzuführen waren, dadurch verkürzt wurden, dass jeweils bewusst pflichtwidrig zu niedrige Lohnnachweise zur Bemessung der Umlagebeträge für die gesetzliche Unfallversicherung abgegeben wurden, ist der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB verwirklicht. Denn bei den Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung i.S.v. § 150 Abs. 1 SGB VII handelt es sich um Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 266a Rdn. 19). § 266a Abs. 2 StGB verdrängt als die speziellere Norm § 263 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 236; wistra 2008, 180).
Das bei der Bemessung der Beiträge an die BG Bau nach § 153 SGB VII zu Grunde zu legende Arbeitsentgelt bestimmt sich nach § 14 SGB IV (Marschner in BeckOK SGB VII § 153). Demnach kann auch insoweit eine Hochrechnung des im Wege der Schätzung ermittelten Nettoschwarzlohns nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV erfolgen.
2. Für die Strafzumessung gilt:
Es ist ein bestimmender Strafschärfungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), wenn in Fällen der vorliegenden Art ein Arbeitgeber nach Gesetz buchungs- oder aufzeichnungspflichtige Vorgänge nicht oder nicht richtig verbucht oder verbuchen lässt, d.h. Lohnunterlagen nicht oder unrichtig führt. Denn der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer illegal beschäftigt, verwirklicht dadurch neben den Straftaten nach § 266a StGB, § 370 AO Ordnungswidrigkeitentatbestände. So führt er die nach § 28f SGB IV erforderlichen Lohnunterlagen nicht (Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 3a SGB IV; siehe auch § 5 Abs. 1 Nr. 6 AEntG). Daneben kommen Ordnungswidrigkeiten nach § 379 AO in Betracht.
Wenngleich die Ordnungswidrigkeiten regelmäßig durch die verwirklichten Straftatbestände verdrängt (§ 21 Abs. 1 OWiG) oder im Hinblick auf die Straferwartung von der Verfolgung ausgenommen werden, kann bei der Strafzumessung - nach entsprechendem Hinweis an den Angeklagten - strafschärfend berücksichtigt werden, dass zur Ermöglichung und Verschleierung der Straftaten Ordnungswidrigkeiten begangen wurden (vgl. BGHSt 23, 342, 345). Der Strafschärfungsgrund kann sich bei der Strafzumessung innerhalb des gefundenen Strafrahmens, aber auch schon bei der Strafrahmenwahl auswirken.
Für die Strafrahmenwahl gilt: Sowohl § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB als auch § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO nennen als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall eine fortgesetzte Verkürzung unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege. Eine bewusste und nachhaltige Manipulation von Lohnunterlagen - unter Verstoß gegen gesetzliche Aufzeichnungspflichten - zum Zwecke der Verschleierung von Schwarzarbeit mag zwar zumeist das benannte Regelbeispiel nicht erfüllen (vgl. BGH StV 2005, 213), legt aber gleichwohl bei unternehmerischer Tätigkeit mit namhaften Hinterziehungsbeträgen die Annahme eines unbenannten Regelbeispiels des besonders schweren Falles nahe.