Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 27.02.2014, Az.: 1 STR 367/13
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat die Angeklagten sowie den Mitangeklagten P. und die nicht revidierenden Mitangeklagten B. und Su. jeweils wegen versuchten Totschlags in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt. Es hat folgende Strafen verhängt: gegen den Angeklagten Öz. eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, gegen den Angeklagten K. eine solche von fünf Jahren, gegen den Angeklagten Er. eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten Be. eine Einheitsjugendstrafe von dieser Dauer, gegen die Angeklagten O. und C. jeweils eine Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie gegen den Angeklagten Ka. eine Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten Y. eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren; gegen den nicht revidierenden Angeklagten B. eine Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren und neun Monaten sowie gegen den Angeklagten Su. eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Der Angeklagte P., über dessen Revision der Senat mit gesondertem Beschluss vom heutigen Tage entschieden hat, ist zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt worden.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren überwiegend allein auf die Sachrüge gestützten Revisionen.
Die Rechtsmittel haben lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Umfang Erfolg. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung nur insoweit nicht stand, als die Angeklagten tateinheitlich neben dem versuchten Totschlag zu Lasten des Nebenklägers A. auch wegen Totschlagsversuchen zum Nachteil der Nebenkläger Ay. und Ö. verurteilt worden sind. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB in diesen beiden Fällen rechtsfehlerhaft verneint.
Die weitergehenden Rechtsmittel sind aus den Gründen der jeweiligen Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarten u.a. die Angeklagten Öz., K., Er., Y. sowie der Mitangeklagte M., bei denen es sich wie bei den übrigen Mitangeklagten um Mitglieder des Stuttgarter "Chapters" der Gruppierung "Black Jackets" handelt, einen Überfall auf Angehörige der rivalisierenden Gruppe "La Fraternidad". Mit dem Überfall sollte ein massiver Gegenschlag gegen Mitglieder von "La Fraternidad" geführt werden, um vorherige Übergriffe auf Angehörige der "Black Jackets" zu rächen und die Auflösung der "La Fraternidad" zu erzwingen. Als Angriffsziel wurde der Schulhof der W. schule in E. ausgewählt. Den Angehörigen der "Black Jackets" war bekannt, dass sich am Tatabend Mitglieder der "La Fraternidad" dort aufhalten würden. Bei den Planungen des Überfalls war unter den daran beteiligten "Black Jackets" verabredet worden, mit möglichst vielen Angreifern unter Einsatz von Schlagwerkzeugen auf die zu Überfallenden einzuschlagen. Absprachen dahingehend, lediglich so zuzuschlagen, dass niemand ins Krankenhaus komme, nicht auf die Köpfe zu schlagen oder nicht (weiter) gegen bereits am Boden Liegende vorzugehen, wurden nicht getroffen. Welches Maß an Gewalt angewendet werden würde, sollte vielmehr jedem Tatbeteiligten selbst überlassen bleiben (UA S. 92).
Nach dem Abschluss der Planungsgespräche wurden weitere Angehörige der Stuttgarter "Black Jackets" für die Beteiligung an dem Überfall gewonnen. Insgesamt begaben sich die 21 Angeklagten mit wenigstens sieben Fahrzeugen auf den Weg von S. nach E. Spätestens im Zeitpunkt des Aufbruchs nach E. war - mit Ausnahme von zwei nicht wegen Totschlagsversuchs verurteilten Mitangeklagten - allen Angeklagten bekannt, dass den Mitgliedern der "La Fraternidad" durch einen gemeinsamen tätlichen Angriff unter Einsatz von Schlagwerkzeugen die Stärke, Entschlossenheit und Überlegenheit der "Black Jackets" demonstriert und die Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden Gruppe endgültig beendet werden sollten. Alle Angeklagten waren mit diesem Angriff einverstanden und zur Mitwirkung daran bereit. Absprachen über Begrenzungen der anzuwendenden Gewalt wurden weiterhin nicht getroffen (UA S. 96 und 97).
Bei dem Eintreffen in E. in der Nähe der W. schule verließ die ganz überwiegende Zahl der Angeklagten ihre Fahrzeuge, viele von ihnen bewaffneten sich mit Schlagwerkzeugen, einige vermummten sich. Allen Angeklagten war dabei bewusst, dass bei dem unmittelbar bevorstehenden Angriff wahllos auf die sich im Schulhof aufhaltenden Personen eingeschlagen werden würde und dabei auch die Köpfe der Angegriffenen nicht ausgespart werden würden. Alle erkannten, dass bei dieser Art des Vorgehens ein oder mehrere Opfer zu Tode kommen könnten. Eine Gruppe unter den beteiligten Angehörigen der Stuttgarter "Black Jackets", darunter die Angeklagten, wollte durch das abgesprochene schonungslose Vorgehen die Auflösung der "La Fraternidad" erzwingen oder diese jedenfalls dauerhaft von Übergriffen auf Mitglieder der "Black Jackets" abhalten. Dieser Teil der Angeklagten ging davon aus, das angestrebte Ziel lediglich dann erreichen zu können, wenn die Angegriffenen in Angst und Schrecken versetzt würden, was wiederum einen lebensgefährlichen Angriff erforderlich mache. Die erkannte Möglichkeit des Todes eines oder mehrerer Opfer nahmen sie dabei billigend in Kauf (UA S. 102 und 103).
Die Gruppe der Angeklagten sowie weitere tatbeteiligte Mitglieder der "Black Jackets" stürmten anschließend den Hof der W. schule. Der Geschädigte A., bei dem es sich nicht um einen Angehörigen der "La Fraternidad" handelte, bemerkte die Angreifer und versuchte durch einen der vier Ausgänge des Hofs zu entkommen. Dabei kam er jedoch zu Fall. Auf den am Boden liegenden Nebenkläger schlugen mindestens vier Angreifer mit Schlagwerkzeugen ein. Wenigstens einer der Angreifer versetzte A. mit einer Eisenstange mindestens drei massive Schläge auf den Kopf, die zu einer Zertrümmerung des Schädels führten. Nachdem die Angreifer die dadurch entstandenen gravierenden Verletzungen wahrgenommen hatten, ließen sie von ihm ab. Irgendwelche Bemühungen, um das Leben des Nebenklägers zu retten, unternahmen die Angreifer nicht (UA S. 109). Der Nebenkläger, dessen Leben durch eine Notoperation gerettet werden konnte, erlitt schwerste und lebensgefährliche Verletzungen, u.a. ein schweres Schädelhirntrauma und eine Mehrfragmentfraktur des Schädeldachs. Aufgrund der erlittenen Verletzungen kam es zu einer massiven Schwellung des Gehirns und einem Austreten von Hirnmasse. Durch die Einwirkungen auf den Schädel sind rund ein Drittel der Gehirnsubstanz seiner rechten Gehirnhälfte abgestorben. Der Nebenkläger ist zu 100 % erwerbsunfähig; eine maßgebliche Besserung seines Zustandes ist nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu erwarten.
Ebenso wie der Nebenkläger A. bemerkten auch die Nebenkläger Ay. und Ö. den Angriff auf den Schulhof; beide versuchten ebenfalls zu fliehen. Bei dieser Flucht stürzte Ö. zu Boden, kam auf dem Rücken zu liegen und wurde daraufhin von vier bis fünf Angreifern umringt. Diese schlugen mit Schlagstöcken auf ihn ein. Zwei der Angreifer schlugen mit kräftigen Ausholbewegungen mittels Schlagstöcken auf den Kopf des Nebenklägers. Weitere Schläge richteten sich gegen die Arme, die er sich schützend vor das Gesicht gehalten hatte, und die Beine. Er erlitt u.a. mehrere Kopfplatzwunden im Stirnbereich und eine weitere solche Wunde im Bereich des Hinterkopfes. Der Nebenkläger Ay. wurde bereits während seiner Flucht von mehreren der angreifenden Angeklagten geschlagen. Als er zu Fall kam, umringten ihn ebenfalls mehrere Angeklagte, die mit Schlagwerkzeugen gegen ihn vorgingen. Die Schläge richteten sich auch gegen den Kopf, den der Nebenkläger mit seinen Händen zu schützen versuchte. Einige der Schläge trafen den Hinterkopf, bevor es dem Nebenkläger gelang, aufzustehen und zu flüchten. Ay. erlitt u.a. drei Kopfplatzwunden am Hinterkopf, einen Nasenbeinbruch sowie zahlreiche Hämatome an unterschiedlichen Partien des Oberkörpers.
Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass "die Angreifer", nachdem sie in der beschriebenen Weise gegen die Nebenkläger Ay. und Ö. vorgegangen waren, "von weiteren Verletzungshandlungen absahen, da sie ihr Ziel der Rache und Machtdemonstration aufgrund der zugefügten Verletzungen und Demütigungen bereits als erreicht ansahen." (UA S. 105).
1. Das Tatgericht hat auf der Grundlage dieser Feststellungen einen Rücktritt vom versuchten Totschlag gemäß § 24 Abs. 2 StGB für alle wegen Totschlagsversuchs in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilten Angeklagten mit der Begründung verneint, keiner der Angeklagten habe Bemühungen zur Rettung des Nebenklägers A. unternommen. Das Absehen von weiteren Gewaltanwendungen gegen die beiden anderen Nebenkläger genüge nicht, weil der Totschlagsversuch zu Lasten von A. beendet war und die Mittäter durch bloße Untätigkeit die Vollendung der Tat im Ganzen nicht mehr verhindern konnten (UA S. 544).
2. Diese Begründung trägt die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 2 StGB nicht, soweit die Angeklagten sowie die nicht revidierenden Mitangeklagten B. und Su. auch wegen Totschlagsversuchs in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil der Nebenkläger Ay. und Ö. verurteilt worden ist.
Das Landgericht ist zwar angesichts des festgestellten mehraktigen Gesamtgeschehens mit dem von bedingtem Tötungsvorsatz getragenen Vorgehen der Angeklagten sowie der Nichtrevidenten B. und Su. rechtsfehlerfrei von natürlicher Handlungseinheit ausgegangen. Es hat zudem der Höchstpersönlichkeit des jeweils angegriffenen Rechtsguts Leben der drei Nebenkläger durch die Annahme versuchten Totschlags in drei tateinheitlichen Fällen Rechnung getragen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 2012 - 5 StR 54/12, NStZ 2012, 562; siehe auch Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 4 StR 401/13, in NStZ 2014, 85 f. nur teilw. abgedruckt). Diese konkurrenzrechtliche Bewertung ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch gemäß § 24 StGB für jedes der im Versuchsstadium stecken gebliebene Tötungsverbrechen gesondert zu prüfen sind (BGH, aaO, NStZ 2012, 562). Das Landgericht konnte daher nicht mit dem für den Totschlagsversuch zu Lasten A. rechtsfehlerfreien Begründung, mangels auf Vollendungsverhinderung abzielender Aktivitäten fehle es an einem Rücktritt vom (beendeten) Versuch, jeweils einen strafbefreienden Rücktritt von den Totschlagsversuchen zu Lasten der Nebenkläger Ay. und Ö. ausschließen.
3. Auf der Grundlage der vom Landgericht ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen zu den versuchten Tötungsverbrechen zum Nachteil der geschädigten Nebenkläger Ay. und Ö. sind für die Angeklagten jeweils die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Totschlagsversuch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB gegeben.
a) Nach dem Wortlaut der genannten Vorschrift wird wegen eines von mehreren Beteiligten begangenen Versuchs nicht bestraft, wer die Vollendung der Tat verhindert. Dafür bedarf es grundsätzlich ebenso wie bei dem Rücktritt des Alleintäters vom beendeten Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB) einer Mitursächlichkeit des Zurücktretens für das Ausbleiben der Tatvollendung (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, NStZ-RR 2012, 167, 168). Nach der im Ergebnis einhelligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfasst der Rücktritt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB aber auch solche Konstellationen, in denen die Tatbeteiligten den Rücktritt einvernehmlich durchführen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; Beschlüsse vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, NStZ 1989, 317, 318; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, NStZ-RR 2012, 167, 168; im Ergebnis ebenso BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2003 - 4 StR 410/02, StraFo 2003, 207; vom 11. Januar 2011 - 1 StR 537/10, NStZ 2011, 337, 338). Dafür genügt es, dass die Tatbeteiligten einvernehmlich nicht weiterhandelten, obwohl sie dies hätten tun können (BGH jeweils aaO, StraFo 2003, 207; NStZ 2011, 337, 338; NStZ-RR 2012, 167, 168).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die an den Tötungstaten zu Lasten der Nebenkläger Ay. und Ö. beteiligten Angeklagten einvernehmlich von beiden Totschlagsversuchen gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB zurückgetreten. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass "die Angreifer" nach dem Ende der Schläge und Tritte gegen die beiden Nebenkläger von weiteren Verletzungshandlungen absahen, weil sie die von ihnen verfolgten Ziele, sich zu rächen und ihre Macht zu demonstrieren, aufgrund der u.a. diesen beiden Nebenklägern zugefügten Verletzungen und Demütigungen bereits als erreicht ansahen (UA S. 105).
Auch wenn damit ein ausdrückliches Einvernehmen aller an den Totschlagsdelikten beteiligten Angeklagten, trotz Möglichkeit auf weiteres gewalttätiges Vorgehen gegen die erkennbar nicht gravierend verletzten Nebenkläger zu verzichten, nicht festgestellt ist, liegen die Voraussetzungen eines einvernehmlichen Rücktritts von beiden Versuchstaten vor. Im Gesamtzusammenhang des festgestellten dynamischen, durch das Vorgehen in mehreren Gruppen gekennzeichneten Geschehens genügt eine durch sämtliche Angreifer stillschweigend getroffene Übereinkunft, von weiteren Gewalthandlungen abzusehen, den Anforderungen einvernehmlichen Nichtweiterhandelns beim strafbefreienden Rücktritt von dem durch mehrere Tatbeteiligte begangenen Versuch.
Dass die Angeklagten ihre außertatbestandlichen Handlungsziele, Rache und Machtdemonstration, bereits aufgrund des vorherigen Vorgehens erreicht hatten, steht dem Rücktritt nicht entgegen (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 9 mwN).
Da das Landgericht Furcht vor der Ergreifung durch die Polizei als Motiv für das Absehen von weiteren Gewalthandlungen ausgeschlossen und dieses vielmehr in dem Erreichen der im vorstehenden Absatz genannten Ziele gesehen hat, erfolgte der Rücktritt auch freiwillig.
c) Der Senat hat daher auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen die Verurteilungen der Angeklagten wegen der zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fälle des Totschlagsversuchs zu Lasten der Nebenkläger Ay. und Ö. entfallen lassen und die Schuldsprüche entsprechend geändert.
Der Aufhebung der Strafaussprüche bedurfte es dennoch nicht. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht gegen die Angeklagten jeweils eine niedrigere Strafe verhängt hätte oder bei den zu Jugendstrafe bzw. Einheitsjugendstrafe verurteilten Angeklagten gar zu einer anderen jugendstrafrechtlichen Sanktion gelangt wäre, wenn es die beiden entfallenen, tateinheitlich zusammentreffenden Totschlagsversuche nicht berücksichtigt hätte.
1. Das Landgericht hat hinsichtlich der Angeklagten Öz., K., Er., Be., O., C. und Ka. die Jugendstrafen jeweils auf den Anordnungsgrund der "Schwere der Schuld" gemäß § 17 Abs. 2 JGG gestützt. Es zudem für alle genannten Angeklagten zugrunde gelegt, dass der hohe Unrechtsgehalt der Tat sich bei ihnen auch in vorwerfbarer persönlicher Schuld niedergeschlagen hat. Damit hat es ohne Rechtsfehler den äußeren Unrechtsgehalt der Tat bzw. der Taten lediglich insoweit zum Ausgangspunkt für die Beurteilung des jugendspezifisch zu bestimmenden Schuldgehalts gemacht, als sich aus ihm Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe seiner Schuld gewinnen lassen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 23. März 2010 - 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290, 291; Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 353/11, NStZ 2012, 164; weit. Nachw. bei Radtke in Münchener Kommentar zum StGB, Band 6, 2. Aufl., 2013, JGG § 17 Rn. 64).
Hinsichtlich der für das Schuldausmaß bedeutsamen inneren Einstellung der Angeklagten hat das Tatgericht unter näherer Darlegung zu jedem einzelnen Angeklagten u.a. auf das Ausmaß des Zugehörigkeitsgefühls zu den "Black Jackets" und daraus abgeleitet auf die Art und den Grad des Interesses an der Zerschlagung der konkurrierenden Gruppierung "La Fraternidad" abgestellt. Darüber hinaus hat es zur Bestimmung des Schuldumfangs rechtsfehlerfrei jeweils berücksichtigt, in welchem Ausmaß die Angeklagten vor dem Hintergrund ihrer individuellen familiären Situation auf Rückhalt in der Gruppe und Anerkennung durch die anderen Gruppenmitglieder angewiesen waren. Der Wegfall von zwei tateinheitlich begangenen Totschlagsversuchen würde sich auf den derart bestimmten Schweregrad der Schuld nach dem rechtlichen Ausgangspunkt des Tatgerichts nicht auswirken.
Gleiches gilt auch für die Bestimmung des Unrechtsgehalts, soweit diesem nach dem vorgenannten Maßstab Bedeutung für das Ausmaß der Schuld zukommt. Das Landgericht hat für diesen vor allem die sehr schweren Verletzungen des Nebenklägers A., aber auch die Verletzungen der Nebenkläger Ay. und Ö. als ausschlaggebend erachtet. Zudem hat es auf die Vielzahl der beteiligten Täter, die Begehung der Tat auf einem öffentlichen Platz durch maskierte Täter sowie die generalstabsmäßige Planung der Tat abgestellt (UA S. 548 f.). Für keinen dieser Umstände kommt es entscheidend darauf an, ob die Delikte zu Lasten der Geschädigten Ay. und Ö. allein als gefährliche Körperverletzung oder zudem tateinheitlich als versuchter Totschlag gewertet wurden.
Der Senat kann demnach ausschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung bei einem der Angeklagten nicht zu einer Jugendstrafe gelangt wäre.
2. Ebenso vermag der Senat die Verhängung jeweils niedrigerer Jugendstrafen bei Wegfall der zwei tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuche ausschließen. Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler bei der Strafzumessung von § 18 Abs. 2 JGG ausgegangen und hat sich bei der Bemessung von dem Erziehungsgedanken leiten lassen, ohne den auch bei Verhängung von Jugendstrafe gebotenen gerechten Schuldausgleich (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 4 StR 182/96, NStZ 1996, 496 mwN) zu vernachlässigen. Es hat für jeden Angeklagten unter Würdigung der konkreten Tatbeteiligung, eventueller früherer Straffälligkeit sowie der daraus für den individuellen Schuldgehalt zu ziehenden Schlüsse geprüft, ob bei Anwendung von allgemeinem Strafrecht bzgl. der versuchten Totschlagsversuche der Strafrahmen des § 213 StGB und ob hinsichtlich der schweren Körperverletzung derjenige von § 226 Abs. 3 StGB anzuwenden wäre. In diese Erwägungen hat es für alle genannten Angeklagten gesondert einbezogen, ob neben § 23 Abs. 2 StGB weitere vertypte Milderungsgründe wie etwa diejenigen aus § 46a und § 46b StGB zu berücksichtigen wären, wenn allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre. In rechtsfehlerfreier Weise hat es die Voraussetzungen eines minderschweren Falls gemäß § 213 StGB lediglich für die Angeklagten P. und Ka. im Hinblick auf die für sie individuell maßgeblichen Strafzumessungsgesichtspunkte angenommen. Die Notwendigkeit erzieherischer Einwirkung hat es zudem bei allen genannten Angeklagten gesondert in Bedacht genommen. Keine der vorstehend genannten rechtsfehlerfreien Erwägungen wird durch den geänderten Schuldspruch beeinflusst.
3. In Bezug auf den zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilten Angeklagten Y. schließt der Senat ebenfalls aus, dass das Tatgericht zu einer niedrigeren Einzelstrafe und zu einer geringeren Gesamtstrafe gelangt wäre, wenn es lediglich von einem tateinheitlich neben den Körperverletzungsdelikten verwirklichten Totschlagsversuch ausgegangen wäre. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB einen minderschweren Fall des (versuchten) Totschlags verneint und den gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen von § 212 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Auf diese Strafrahmenwahl wirkt sich die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung nicht aus. Innerhalb dieses Strafrahmens hat das Tatgericht den hohen Unrechtsgehalt der Tat berücksichtigt, den es - wie der Senat in seinem den Mitangeklagten P. betreffenden Beschluss vom heutigen Tage näher ausgeführt hat - gerade nicht als durch das Vorliegen mehrerer tateinheitlicher Totschlagsversuche geprägt erachtet hat. Die übrigen vom Tatgericht als bestimmend genannten Strafzumessungsgründe betreffen das Bewährungsversagen des Angeklagten und seine konkrete Rolle bei der Ausführung der Tat (u.a. Kontakt zu dem als Späher eingesetzten Mitangeklagten I.; Teilnahme bereits an der Planungsbesprechung im Clubhaus; Einweisung der Tatbeteiligten in die Fahrzeuge). Keine dieser Erwägungen zur konkreten Strafbemessung nimmt Bezug auf die vom Tatgericht rechtsfehlerhaft angenommene mehrfache Verwirklichung des versuchten Totschlags. Auswirkungen auf die Höhe der Einzelstrafe sind daher ausgeschlossen.
Die Bildung der Gesamtstrafe ist ebenfalls ohne Rechtsfehler erfolgt.
1. Die Änderung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten B. und Su. zu erstrecken. Da diese ebenfalls u.a. wegen versuchten Totschlags in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt worden sind, betrifft sie der aufgezeigte materiellrechtliche Fehler in gleicher Weise.
2. Auswirkungen auf die Auswahl der jugendstrafrechtlichen Sanktion (Jugendstrafe) bei dem Angeklagten B. sowie solche auf die Höhe der verhängten Jugend- bzw. Freiheitsstrafe - letztere hinsichtlich des Angeklagten Su. - kann der Senat aus den vorstehend für die Revisionsführer genannten entsprechenden Gründen ausschließen.
Bei dem Angeklagten Su. hat das Tatgericht innerhalb des rechtsfehlerfrei doppelt (§ 23 Abs. 2, § 46b StGB) gemilderten Strafrahmens von § 212 Abs. 1 StGB dessen konkrete Tatbeteiligung (Teilnahme an der Planungsbesprechung; Fahrer; eigenhändige Ausführung von Schlägen gegen Opfer mit einem Schlagstock) gewürdigt. Die Verwirklichung von drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen des versuchten Totschlags war kein bestimmender Strafzumessungsfaktor.
Hinsichtlich des Angeklagten B. hat das Landgericht im Rahmen der Bemessung der Jugendstrafe rechtlich unbedenklich bestimmend auch auf den Umstand abgestellt, dass dieser wenigstens einen der massiven Schläge ausgeführt hat, die die schweren Verletzungen des Nebenklägers A. verursacht haben. Das betrifft die materiellrechtliche Bewertung der Gewalthandlungen zum Nachteil der Nebenkläger Ay. und Ö. nicht.
3. Die Erstreckung ist auch dann vorzunehmen, wenn sich die Schuldspruchberichtigung wie hier nicht auf den Rechtsfolgenausspruch auswirkt (Senat, Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 385/03 und vom 6. Mai 2013 - 1 StR 178/13 mwN).
Die Revisionen haben lediglich in so geringem Umfang Erfolg, dass es nicht unbillig ist, die Beschwerdeführer mit den jeweiligen gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).