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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 02.10.2013, Az.: 1 STR 386/13

Entscheidungsgründe

1. Die Rüge, das Tatgericht habe gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dadurch verstoßen, dass dem Verteidiger des Angeklagten trotz Nachfrage die Teilnahme an einem mit anderen Verfahrensbeteiligten im Dienstzimmer des Vorsitzenden geführten Gespräch über eine Abtrennung des Verfahrens gegen mehrere Mitangeklagte verweigert worden war, ist jedenfalls unbegründet.

Weder der Grundsatz des fairen Verfahrens noch sonstige Regelungen des Verfassungs- oder des Strafverfahrensrechts verbieten dem Tatgericht, das Verfahren betreffende Gespräche mit den Verfahrensbeteiligten zunächst getrennt zu führen. Selbst bei der Vorbereitung einer - hier ohnehin nicht vorliegenden - möglichen verfahrensbeendenden Absprache dienenden Gesprächen sind derartige Vorgespräche nicht ausgeschlossen (BT-Drucks. 16/12310 S. 9 und 12; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1065 [Rn. 82]). Wie sich aus der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ergibt, setzt das Gesetz in Bezug auf verfahrensbeendende Absprachen die Möglichkeit solcher Vorgespräche sogar voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen eine eventuelle Verständigung betreffende Vorgespräche nicht stets mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten zugleich geführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Allerdings bedarf es bei der Sondierung der Chancen für eine solche Absprache betreffende Gespräche der anschließenden Information sämtlicher Verfahrensbeteiligter in öffentlicher Hauptverhandlung über den Inhalt, den Verlauf und die Ergebnisse der außerhalb dieser geführten Gespräche (BGH aaO). Diesen Anforderungen hat das Tatgericht entsprochen. Wie sich aus der diesbezüglichen dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer ergibt, hat dieser in öffentlicher Hauptverhandlung über das mit dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern der Mitangeklagten geführte Gespräch unterrichtet. Danach hat die Strafkammer die von Seiten der Mitangeklagten angeregte Verfahrensabtrennung nicht erwogen. Aus der dienstlichen Stellungnahme der (beisitzenden) Richterin am Landgericht Dr. E. vom 2. November 2012 lässt sich ergänzend über den Inhalt des Gesprächs entnehmen, dass das Gespräch im Dienstzimmer des Vorsitzenden sich darauf beschränkte, den Verteidigern der Mitangeklagten mitzuteilen, die Kammer verneine die von diesen angeregte Möglichkeit der Verfahrenstrennung. Diesen Gesprächsinhalt habe der Vorsitzende anschließend in der Hauptverhandlung mitgeteilt (zu nicht den gesetzlichen Regelungen über die Verständigung unterfallenden Gesprächen über die Organisation und Durchführung des Verfahrens vgl. BVerfG aaO, NJW 2013, 1058, 1065 [Rn. 84]).

2. Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO wegen der Ablehnung von Befangenheitsanträgen gegen die drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die entsprechenden Anträge sind rechtsfehlerfrei abgelehnt worden. Selbst wenn der Ausschluss des Verteidigers des Angeklagten von dem außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräch über eine Verfahrenstrennung ursprünglich geeignet gewesen sein sollte, berechtigtes Misstrauen gegen die Unbefangenheit der abgelehnten Richter zu begründen, wäre dieses durch den Inhalt von deren dienstlicher Erklärungen über das Gespräch sowie durch die Mitteilung des Vorsitzenden darüber in öffentlicher Hauptverhandlung ausgeräumt worden (vgl. zu der entsprechenden Bedeutung dienstlicher Stellungnahmen BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701; und vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72). Danach war klargestellt, dass die Strafkammer die seitens der Mitangeklagten angeregte Verfahrenstrennung von vornherein nicht erwogen hat. Vom maßgeblichen Standpunkt eines vernünftigen Ablehnenden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschluss vom 7. August 2012 - 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350) war daher kein Grund für Zweifel an der Unbefangenheit der Richter mehr gegeben.

3. Die Rügen, der Vorsitzende sei entgegen § 29 StPO nach (weiteren) gegen ihn gestellten Befangenheitsanträgen vor einer Entscheidung darüber mit Zeugenvernehmungen fortgefahren und habe trotz einer entsprechenden Beanstandung keine Entscheidung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO herbeigeführt, bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

a) Soweit die Verletzung von § 29 StPO geltend gemacht wird, genügt die Rüge nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Zwar lässt sich der Revisionsbegründung noch die erforderliche (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 272/01, NStZ 2002, 429, 430 mwN) Beanstandung (§ 238 Abs. 2 StPO) der Fortsetzung der Zeugenvernehmung entnehmen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 22. August 2013 jedoch zutreffend aufgezeigt hat, teilt die Revision weder die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 3. Oktober 2012 noch den Beschluss der Strafkammer vom 8. Oktober 2012 mit. Beides wäre aber erforderlich gewesen, um dem Senat die Überprüfung zu ermöglichen, ob der Vorsitzende unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Spielraums (BGH aaO) die Unaufschiebbarkeit im Sinne von § 29 Abs. 1 StPO fehlerhaft beurteilt hat. Im Übrigen mangelt es an Tatsachenvortrag zu den Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 StPO. Wie die Revision selbst vorträgt, hat sie die beiden hier maßgeblichen Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden während laufender Hauptverhandlung gestellt. Das Fortfahren mit Zeugenvernehmungen kann daher auch durch § 29 Abs. 2 Satz 1 StPO gestattet gewesen sein.

b) Mit der Rüge der Verletzung von § 238 Abs. 2 StPO dringt die Revision ebenfalls nicht durch. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob das Unterbleiben einer Entscheidung des Gerichts trotz einer Beanstandung gemäß § 238 Abs. 2 StPO als solches einer Revision zum Erfolg verhelfen kann. Falls überhaupt, kann dies allenfalls dann in Frage kommen, wenn der Rechtsmittelführer durch den Fehler im Beanstandungsverfahren in seinem weiteren Prozessverhalten beschränkt worden ist (vgl. SK-StPO/Frister, 4. Aufl., § 238 Rn. 53 mwN). Dafür ist hier nichts ersichtlich, zumal die beiden Zeugen, auf deren Vernehmung sich die Beanstandung bezog, ausweislich der Sitzungsniederschrift nach ihren Aussagen im allseitigen Einvernehmen entlassen worden sind.