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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 05.02.2014, Az.: 1 STR 422/13

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat die Angeklagten K., S. und A. jeweils wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren (Angeklagte K. und A.) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (Angeklagter S.) verurteilt und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in Österreich erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.

Hiergegen haben die Angeklagten Revision eingelegt, mit der sie jeweils die Verletzung materiellen Rechts rügen; die Angeklagten K. und S. erheben auch Verfahrensrügen.

Die Rechtsmittel der Angeklagten haben mit der Sachrüge jeweils vollen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.

1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelten die Angeklagten über die von ihnen geführte Su. GmbH mit Computerbauteilen. Diese bezogen sie über die Initiatoren eines auf die "planmäßige Nichtabführung der Umsatzsteuer" gerichteten Hinterziehungssystems. Diese Initiatoren waren der bereits verurteilte Zeuge O. sowie der gesondert Verfolgte B. O. und B. hatten die Ware aus dem Ausland beschafft und (in näher bezeichneter Weise, UA S. 15) "direkt an die Su. GmbH angeliefert" (UA S. 26). Die der Su. GmbH in diesem Zusammenhang erteilten Rechnungen waren demgegenüber auf die M. GmbH bzw. auf die E. GmbH ausgestellt. Bei diesen Firmen handelte es sich um wirtschaftlich inaktive, formal von Strohleuten vertretene, tatsächlich aber von O. und B. sowie dem Zeugen Ei. beherrschte Firmen. O. und B. hatten diese Firmen "zwischengeschaltet", um die wahren Lieferwege und die im Vorfeld stattgefundene Umsatzsteuerhinterziehung zu verschleiern. Diese Umsatzsteuerhinterziehung bestand darin, dass weitere - ebenfalls von O. und B. gesteuerte - inländische Firmen (jedenfalls nach Papierlage) die Computerbauteile von in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässigen Firmen erwarben und rechnungsmäßig unter Ausweis von Umsatzsteuer an die M. GmbH bzw. die E. GmbH weiterverkauften, die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer jedoch "planmäßig" nicht an die Finanzbehörden abführten.

b) Aufgrund einer Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su. GmbH vom 27. April 2005 wussten die Angeklagten, dass gegen O. und B. ein Ermittlungsverfahren anhängig war (UA S. 26). Anlässlich dieser Durchsuchung wurde den Angeklagten die Funktionsweise eines Umsatzsteuerkarussells und der Verdacht gegen O., mit der M. GmbH ein solches Umsatzsteuerkarussell zu betreiben, erläutert. Danach brachen die Einkäufe bei der M. GmbH und der E. GmbH weg; die letzte der Su. GmbH in diesem Zusammenhang erteilte Rechnung datierte vom 26. April 2005.

c) In der am 10. April 2006 für das Jahr 2004 und der am 22. Februar 2007 für das Jahr 2005 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung der Su. GmbH machten die Angeklagten aus den Einkäufen bei den Firmen M. GmbH und der E. GmbH die jeweils ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend. Diese Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf rund 850.000 Euro (Jahr 2004) und 1.330.000 Euro (Jahr 2005).

2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2004 und 2005 jeweils als Taten der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet.

Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und der E. GmbH sei ungerechtfertigt, weil, was den Angeklagten bekannt gewesen sei, sich die Su. GmbH an einem "Umsatzsteuerkarussell" beteiligt habe und nicht die in den Rechnungen genannten Firmen, sondern O. und B. die tatsächlichen Lieferanten der Su. GmbH gewesen seien.

Dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärungen die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und E. GmbH zumindest billigend in Kauf genommen hätten, folge bereits daraus, dass die Angeklagten anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su. GmbH, also noch vor Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen, von dem Ermittlungsverfahren gegen O. und B. und von deren auf Hinterziehung von Umsatzsteuer angelegten System erfuhren. Damit, so das Landgericht, war bei allen Angeklagten nach der Durchsuchung am 27. April 2005 dolus eventualis gegeben (UA S. 32).

Das Urteil hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung nicht. Zum einen ist die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH bzw. der E. GmbH nicht rechtsfehlerfrei begründet (nachfolgend unter 1.). Zum anderen kann den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden, ob jeweils Tatvollendung oder nur Versuch vorliegt (nachfolgend unter 2.).

1. Die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagten in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Su. GmbH gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht haben, indem sie die in den Rechnungen der Firmen M. GmbH und E. GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machten, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Dass sich die Angeklagten mit den Warenbezügen von den Firmen M. GmbH und E. GmbH an einem von O. und B. initiierten "Umsatzsteuerkarussell" beteiligten, genügt für sich genommen nicht, um die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) zu begründen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht derjenige, der in Umsatzsteuererklärungen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer geltend macht, unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er sich mit dem der Rechnung zu Grunde liegenden Erwerb an einem in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogenen Umsatz beteiligte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, NJW 2011, 1616), denn aus solchen Erwerben steht ihm kein Vorsteuerabzugsrecht zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges von der Einbeziehung in die "Mehrwertsteuerhinterziehung" wusste oder hätte wissen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13 mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Bei nachträglicher - also nach Leistungsbezug eintretender - "Bösgläubigkeit" bleibt das Vorsteuerabzugsrecht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG hingegen unberührt (vgl. BGH aaO).

Indem das Landgericht die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und E. GmbH mit der Beteiligung der Angeklagten an einem "Umsatzsteuerkarussell" verneint und sich hierbei maßgeblich auf die Erwägung gestützt hat, den Angeklagten sei im Rahmen der Durchsuchung vom 27. April 2005 der Tatverdacht gegen O. und B. in näher bezeichneter Weise erläutert worden, hat es demnach auf einen rechtlich unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt.

Die Durchsuchung vom 27. April 2005 erfolgte zwar zeitlich gesehen vor Abgabe der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerjahreserklärungen. Sämtliche hier in Rede stehenden Warenlieferungen waren aber zuvor, zuletzt einen Tag vor der Durchsuchung, in Rechnung gestellt worden. Die Erkenntnisse über O. und B. hatten die Angeklagten also - davon geht die Kammer jedenfalls zugunsten der Angeklagten aus - erst erlangt, als sie die in den Rechnungen aufgeführten Computerbauteile bereits für die Su. GmbH bezogen hatten. Diese Erkenntnisse durften daher für die Versagung des Vorsteuerabzugs nicht herangezogen werden.

Eine frühere Kenntnis der Angeklagten lässt sich auch dem Urteil in seiner Gesamtheit nicht hinreichend sicher entnehmen. Das Landgericht war zwar "davon überzeugt", dass die Angeklagten schon vor der genannten Durchsuchung von O. s "Umsatzsteuerkarussell bzw. betrügerischen Handelsketten" gewusst hätten. Das Landgericht hat aber keine Feststellungen darüber getroffen, ab wann dieses Wissen bei jedem der Angeklagten genau vorgelegen hat.

Ebenso wenig ist nachvollziehbar dargelegt, worauf das Landgericht insoweit seine Überzeugung stützt.

b) Auch soweit das Landgericht ergänzend das Vorsteuerabzugsrecht mit der Begründung verneint hat, die in den Rechnungen genannten M. GmbH bzw. E. GmbH als von O. und B. "zwischengeschaltete" Firmen seien nicht die "wahren Lieferanten" der Su. GmbH gewesen, ist dies nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht war offenbar der Ansicht, dass diese Firmen wegen ihrer Eigenschaft als "Strohmannfirmen" nicht als Leistende im Sinne des Umsatzsteuergesetzes angesehen werden könnten. Dies trifft indes so nicht zu.

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208).

Auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BFH aaO; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN). Dementsprechend können dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen sein, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmannes tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN).

"Vorgeschobene" Strohmanngeschäfte zwischen einem "Strohmann" und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich (wie auch zivilrechtlich) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (zu den Maßstäben vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, wistra 2013, 314; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4).

Gemessen daran fehlt es im angefochtenen Urteil an ausreichenden Feststellungen für die Annahme des Landgerichts, nicht die in den Rechnungen genannten Firmen M. GmbH und E. GmbH, sondern O. und B. seien die "wahren" Lieferanten der Su. GmbH gewesen. Die bloße Feststellung, dass O. und B. diese Firmen - sei es auch zum Zwecke der Hinterziehung von Umsatzsteuer - "zwischengeschaltet" hatten, genügt für sich genommen jedenfalls nicht. Vielmehr kam es auch auf die Sicht der Leistungsempfängerin Su. GmbH bzw. der für sie handelnden Angeklagten an. Dass aber die vertraglichen Beziehungen auch aus Sicht der Angeklagten nur zum Schein mit den Firmen M. GmbH und E. GmbH eingegangen bzw. abgewickelt wurden, diese Firmen also auch aus Sicht der Angeklagten in Wahrheit keine Rechte und Pflichten aus den Lieferungen an die Su. GmbH übernehmen wollten, verstand sich vorliegend nicht von selbst und hätte daher näherer Erörterung bedurft.

2. Das angefochtene Urteil war auch deshalb aufzuheben, weil ihm die für die Beurteilung der Frage, ob Tatvollendung oder nur Versuch gegeben ist, maßgeblichen Umstände nicht entnommen werden können. Die Urteilsgründe enthalten zwar Feststellungen zur Höhe der in den Umsatzsteuerjahreserklärungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Mangels Feststellungen zu weiteren Angaben in den Erklärungen kann der Senat aber nicht nachprüfen, ob die (unrichtigen) Steueranmeldungen zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Su. GmbH geführt haben. Hiervon hängt aber die Frage der Tatvollendung ab (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3).

3. Die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen hat der Senat ebenfalls aufgehoben (§ 353 Abs. 2 StPO), zum einen, weil sie auf der Grundlage einer fehlerhaften Rechtsansicht getroffen wurden und zum anderen vor allem, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, neue widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

Die Sache war daher insgesamt zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kam nicht in Betracht, da nicht auszuschließen ist, dass Feststellungen getroffen werden können, die erneut zu einer Verurteilung der Angeklagten führen.