zurück zur Übersicht

Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 08.11.1966, Az.: 1 StR 450/66

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit beabsichtigten schweren Folgen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 224, 225, 223 a, 73 StGB) zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des förmlichen und des sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel bleibt im wesentlichen erfolglos.

I.Die Verfahrensrügen

1.Soweit der Angeklagte mit der Behauptung, daß die zur Übertragung der Aussage des Zeugen Professor M. (USA) zugezogene Dolmetscherin zur richtigen Übersetzung nicht imstande gewesen sei, eine Verfahrensrüge erheben will, kann er damit nicht durchdringen. Die Auswahl des Dolmetschers obliegt dem Tatrichter. Ihm steht auch die Beurteilung darüber zu, ob der Dolmetscher seiner Aufgabe gewachsen ist. Hält er den zugezogenen Dolmetscher für geeignet, so ist diese Ermessensentscheidung in der Revision regelmäßig nicht nachprüfbar, jedenfalls nicht auf die bloße allgemeine Behauptung, daß der Dolmetscher unsicher gewesen und zu einer richtigen Übersetzung teilweise nicht in der Lage gewesen sei (vgl. RGSt 76, 177).

2.Die Revision rügt, daß die Strafkammer den Arzt nicht vernommen hat, der die Verletzte behandelt hatte und daß sie keinen Sachverständigen darüber gehört hat, wie die Narben im Gesicht der Verletzten voraussichtlich weiter sich verändern würden. Auch diese Rüge kann keinen Erfolg haben.

Über den Zustand der Verletzten unmittelbar nach der Tat hat sich die Strafkammer in anderer Weise unterrichtet. Daß sie dies auf unzulässige Weise getan hätte, ist nicht gerügt. Da die Hauptverhandlung sechs Monate nach der Verletzung stattfand, kann es nicht beanstandet werden, daß die Strafkammer ohne Beiziehung eines Sachverständigen davon ausgeht, die nun feststellbaren Narben im Gesicht der Verletzten würden sich in absehbarer Zeit nicht mehr wesentlich verändern. Die besonderen Umstände des Falles drängten nicht dazu, hierüber einen Sachverständigen zu hören.

3.Die Angriffe des Angeklagten gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts können im Revisionsverfahren nicht beachtet werden (§ 337 StPO).

II.Die Sachrüge

1.Die Annahme des Landgerichts, daß die Verletzte infolge der ihr zugefügten Verwundungen in erheblicher Weise dauernd entstellt ist, ist nach den Feststellungen rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Person ist dann in erheblicher Weise entstellt, wenn ihre Gesamterscheinung wesentlich beeinträchtigt ist. Das kann auch der Fall sein, wenn von Verletzungen störende Narben im Gesicht zurückgeblieben sind. Ob die Entstellung dadurch erheblich ist, ist im wesentlichen Tatfrage. Die Ausführungen des Landgerichts hierüber lassen keinen Rechtsirrtum erkennen.

Bei der Frage, ob die Entstellung eine dauernde ist, hat das Landgericht zutreffend die Möglichkeit außer Betracht gelassen, daß die Entstellung durch eine kosmetische Operation vielleicht gemindert werden könnte. Die Verletzte denkt nicht daran, sich einer solchen nicht ganz risikofreien Operation zu unterziehen, sie hat auch nicht die Mittel dafür. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Tatrichter eine solche spätere Möglichkeit berücksichtigen müßte, wenn die Schönheitsoperation mit Sicherheit durchgeführt werden würde (vgl. hierzu auch BGHSt 17, 161 und Wegner NJW 1966, 1849).

Die Absicht des Angeklagten, seine Frau durch die Messerschnitte dauernd erheblich zu entstellen, ist einwandfrei festgestellt. Widersprüche sind insoweit in den Ausführungen des Landgerichts nicht enthalten.

2.Nicht bestehen bleiben kann jedoch, wie die Revision zutreffend geltend macht, die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Angeklagte hat zwar seine Frau mittels eines Messers verletzt, so daß an sich auch der Tatbestand des § 223 a StGB erfüllt ist. Indessen tritt dieses Vergehen gegenüber dem Verbrechen des § 224 StGB - erst recht gegenüber dem des § 225 StGB - zurück, Es steht nach der bisherigen einhelligen Rechtsprechung, die überwiegend auch vom Schrifttum gebilligt wird, zu diesen Verbrechen in Gesetzeskonkurrenz (RGSt 26, 312, 313;  63, 423, 424; OGHSt 1, 113; LK 8. Aufl. Anm, 4, Kohlrausch/Lange Anm. VII, Schwarz/Dreher Anm, 2 je zu § 223 a StGB, Welzel, Deutsches Strafrecht 8. Aufl. S. 252; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz im Strafrecht, S. 218; Schmitt, ZStW Bd. 75 S. 43, 50).

Der vom Landgericht unter Bezugnahme auf Schönke/Schröder (StGB 12, Aufl. Vorbem. vor § 223 StGB Rdnr, 2 und § 223 a StGB Anm. Rdnr. 14) vertretenen Gegenmeinung, wonach Tateinheit zwischen § 223 a und den §§ 224,225 StGB bestehen soll, vermag der Senat nicht zu folgen. Der erst nachträglich in das Gesetz eingefügte § 223 a StGB sollte die Lücke zwischen der einfachen und der schweren Körperverletzung ausfüllen und die Fälle erfassen, in denen zwar kein schwerer Erfolg eingetreten, die Tat aber wegen der Art ihrer Ausführung besonders gefährlich ist. Das Bedürfnis zur Anwendung dieser Vorschrift entfällt, wenn ein schwerer Erfolg eingetreten ist, woraus sich regelnmäßig ohnehin die Gefährlichkeit der Tat ergibt. Im übrigen wird der schwere Erfolg der Körperverletzung nach §§ 224, 225 StGB in aller Regel durch eine der in § 223 a StGB aufgeführten Begehungsweisen herbeigeführt. Der Unrechtsgehalt des § 223 a StGB fällt neben dem der §§ 224, 225 StGB auch nicht ins Gewicht. Die bisherige Ansicht der Rechtsprechung, daß § 223 a StGB durch die §§ 224, 225 StGB aufgezehrt wird, erscheint sonach zutreffend. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. Mai 1966 - 5 Str 206/66 - steht dem nicht entgegen, da sie nur Tateinheit zwischen versuchten Verbrechen nach §§ 224, 225 StGB und § 223 a StGB bejaht. Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung muß daher hier entfallen.

Der Wegfall dieser Verurteilung hat auf den Strafausspruch keinen Einfluß, da das Landgericht auf die Mindeststrafe des § 225 StGB erkannt hat.

Da das Rechtsmittel im wesentlichen erfolglos bleibt, besteht für die Ermäßigung der Gerichtsgebühr (§ 473 Abs. 1 StPO) kein Anlaß.