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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 22.09.1992, Az.: 1 STR 456/92

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 24. Januar 1992 mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf aufgehoben.

Die Verfolgung wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf die rechtlichen Gesichtspunkte des schweren Raubes (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und der gefährlichen Körperverletzung (§ 223 a StGB) beschränkt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Entscheidungsgründe

1.Das Landgericht hat die Angeklagte B. wegen schweren Raubs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und die Angeklagte N. wegen schweren Raubs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zum Tatgeschehen zugrunde:

a)Am 17. April 1991 gelang es der Angeklagten N. gemeinsam mit einer unbekannt gebliebenen Mittäterin, den 56 Jahre alten Schreinermeister Adolf Sch., den sie im Münchner Hofbräuhaus kennengelernt hatten, durch die vorgespiegelte Bereitschaft zur Vornahme sexueller Handlungen zu veranlassen, sie in seine Wohnung mitzunehmen. Vorgefaßter Absicht gemäß gelang es ihnen, unbemerkt eine Tablette "Rohypnol" - ein Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, das Bewußtseinsbeeinträchtigungen auslöst - in eine Tasse Kaffee zu geben. Sch. verlor die Besinnung, nachdem er von dem Kaffee getrunken hatte, und wachte erst am nächsten Tag um 16.00 Uhr wieder auf. Er hatte sich auf nicht mehr feststellbare Weise eine Kopfplatzwunde, einen Nasenbeinbruch und Ellenbogenverletzungen zugezogen. Er war eine Woche lang krankgeschrieben. Die Angeklagte und ihre Mittäterin hatten Sch. derweil eine Reihe von Wertgegenständen entwendet.

b)In ähnlicher Weise gingen beide Angeklagte am 24. April 1991 zum Nachteil des Bankmanagers K. vor, den sie vor einer Hotelbar angesprochen hatten. Sie veranlaßten K., sie zunächst in die Bar und dann in sein Hotelzimmer mitzunehmen, und gaben ihm unbemerkt eine Tablette "Rohypnol" ins Bier. Auch K. verlor das Bewußtsein und erwachte erst am nächsten Tag gegen 15.30 Uhr; auch er hatte sich Schrammen am Kopf zugezogen. Die Angeklagten hatten ihm verschiedene Gegenstände im Wert von über 10.000 DM entwendet.

2.Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten Revision eingelegt. Das auf die Sachrüge gestützte, auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg, weil die Strafkammer die Angeklagten nicht auch gemäß §§ 223, 223 a StGB schuldig gesprochen hat.

Soweit die Angeklagten zugleich weitere Straftatbestände erfüllt haben könnten - §§ 250 Abs. 1 Nr. 4, 239 StGB -, hat der Senat die Strafverfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO beschränkt.

Die Strafkammer hat von einem Schuldspruch wegen Körperverletzung abgesehen, weil die Angeklagten nur gewollt hätten, daß die Geschädigten "eine angemessene Zeit" schlafen, um derweil die Gegenstände wegnehmen zu können, und weder vorausgesehen hätten, daß die Geschädigten "unphysiologisch lange" schlafen würden, noch daß sie sich nach dem Erwachen benommen fühlen, noch daß sie sich auf sonstige Weise verletzen könnten. Ein Körperverletzungserfolg sei ihnen nicht zurechenbar.

a)Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil der Körperverletzungserfolg nicht (erst) in dem langen Schlaf oder den von der Strafkammer weiter genannten Verletzungen liegt; nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt das Verabfolgen bewußtseinstrübender Mittel schon dann eine Körperverletzung dar, wenn es den Betroffenen in einen Zustand versetzt, bei dem das Bewußtsein verloren geht (vgl. BGH NJW 1970, 519; BGH bei Dallinger MDR 1972, 386; BGH bei Holtz MDR 1981, 631; Urt. vom 18. Januar 1983 - 1 StR 757/82; Beschl. vom 24. Juni 1992 - 2 StR 195/92). Dies war hier der Fall.

b)Es war auch vom Vorsatz der Angeklagten umfaßt, daß dieser Zustand bei den Geschädigten eintrat, da der Wegnahmeplan auf dem Bewußtseinsverlust der Geschädigten aufbaute.

c)Das unbemerkte Beibringen eines in ein Getränk gemischten Betäubungsmittels erfüllt nicht nur die Voraussetzungen von § 223 StGB, sondern auch die von § 223 a StGB, da ein hinterlistiger Überfall vorliegt (BGH, Beschl. vom

24. Juni 1992 - 2 StR 195/92).

3.Einer Änderung des Schuldspruchs durch den Senat steht § 265 StPO entgegen.

Da §§ 223, 223 a StGB (gegebenenfalls) in Tateinheit zu dem - für sich genommenen rechtsfehlerfrei angenommenen - schweren Raub gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB stehen, muß der Schuldspruch insgesamt aufgehoben werden (vgl. BGHSt 21, 256, 258) [BGH 26.05.1967 - 2 StR 129/67].

Durchgreifende Rechtsfehler hinsichtlich der Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf sind dagegen nicht erkennbar. Diese können daher bestehen bleiben.