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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 08.04.1997, Az.: 1 STR 65/97

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. August 1996, soweit es die Angeklagten T. und K. betrifft, im Ausspruch über die in den Fällen II 1 und II 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie die jeweils verhängte Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie den Angeklagten K. wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen verbotenen Gegenstand (nach dem Waffengesetz) jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dem Angeklagten T. hat die Strafkammer unter Einziehung seines Führerscheins die Fahrerlaubnis entzogen, und sie hat eine Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, soweit es sich gegen die Annahme verminderter Schuldfähigkeit richtet, hat teilweise Erfolg.

I.Der Schuldspruch hält der Nachprüfung stand. Das gilt auch für die Verurteilung der Angeklagten im Fall II 2 der Urteilsgründe:

Nach den hierzu getroffenen Feststellungen kaufte der Angeklagte T. Mitte Oktober 1995 nach Vereinbarung mit K. für den gemeinsamen Eigenverbrauch bei einer Lieferantin in L. 150 g Amphetaminzubereitung mit einem Baseanteil von mindestens 10 % und brachte das Rauschgift nach N. in die Wohnung des Angeklagten K.. Dort vermischten sie gemeinsam die genannte Menge mit einem Rest von mindestens 60 g aus 100 g Amphetaminzubereitung. Diese Menge, von der nicht festgestellt werden konnte, daß sie einen Wirkstoffgehalt von 10 g Amphetaminbase erreichte, hatte T. bei derselben Lieferantin für den gemeinsamen Verbrauch gekauft und ebenfalls in die Wohnung des Angeklagten K. verbracht. Nach dem Erwerb der 150 g verfügten die Angeklagten somit in der erwähnten Wohnung über 210 g Amphetaminzubereitung für den Eigenverbrauch.

Zutreffend ist die Auffassung des Landgerichts, der gleichzeitige Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bilde hier als Verbrechen einen einheitlichen Tatbestand (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), in dem die beiden Erwerbshandlungen aufgehen (vgl. auch BGH NStZ 1994, 548).

II.Der Rechtsfolgenausspruch kann nur zum Teil bestehen bleiben.

1.Mit Recht rügt die Revision, daß das Landgericht im Fall II 1 der Urteilsgründe dem Angeklagten T. und im Fall II 2 der Urteilsgründe beiden Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB zugebilligt hat.

Nach den Feststellungen war durch erheblichen Amphetaminkonsum bei den Angeklagten eine Amphetaminabhängigkeit entstanden. Nach Ansicht der sachverständig beratenen Strafkammer "kann für die Beschaffung zur Sicherstellung des Eigenkonsums bei erhaltener Einsichtsfähigkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit aus Angst vor der im wesentlichen psychischen Entzugsproblematik nicht ausgeschlossen werden". Dieser Schluß ist nicht gerechtfertigt:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln für sich allein noch nicht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Diese Folge ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, zum Beispiel wenn langjähriger Betäubungsmittelkonsum zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt (vgl. BGH JR 1987, 206 m. zust. Anm. Blau sowie BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 12). Derartige Umstände haben den Urteilsgründen zufolge bei keinem der Angeklagten vorgelegen. Sie waren, abgesehen von ihrem Amphetaminkonsum, sozial eingeordnet und weder geistig noch körperlich beeinträchtigt.

Allerdings ist die Anwendung des § 21 StGB bei Beschaffungsdelikten eines Rauschgiftabhängigen nicht in jedem Fall davon abhängig, daß er zur Tatzeit unter akuten körperlichen Entzugserscheinungen gelitten hat. Es ist vielmehr nicht ausgeschlossen, daß die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm ("grausamst") erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen erheblich beeinträchtigt, wie dies die Rechtsprechung für Fälle der Abhängigkeit von Heroin angenommen hat (BGHR a.a.O. BtM-Auswirkungen 5, 7; vgl. auch 11, 12). Ob bei Abhängigkeit von Amphetamin vergleichbare Entzugserscheinungen wie bei Heroinkonsum auftreten können und gegebenenfalls eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Täters in Betracht kommt, ist eine Frage, die der Tatrichter nach dem dargelegten Maßstab zu entscheiden hat. Mit diesem Problem setzt sich das angefochtene Urteil weder allgemein noch in bezug auf die Angeklagten hinreichend auseinander. Bei Amphetamin sind die Suchtfolgen nicht ohne weiteres so schwer wie bei Heroin (vgl. BGHSt 33, 169, 171). Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte K., "um seine Leistungsfähigkeit zu steigern", ab Frühjahr 1994 zwei- bis dreimal in der Woche und erst seit Sommer 1995 täglich Amphetamin, während der Angeklagte T. überhaupt erst im Juli 1995 mit diesem Rauschgift in Berührung kam; beide wurden bereits am 18. Dezember 1995 festgenommen. Bei der gegebenen Sachlage genügt die vom Landgericht angestellte Erwägung, bei der Beschaffung von Amphetamin zur Sicherstellung des Eigenbedarfs der Angeklagten habe die Angst vor einer Entzugsproblematik eine wesentliche Rolle gespielt, nicht, um die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zu rechtfertigen.

Insoweit bedarf die Sache erneuter Prüfung.

Auf diesem Mangel kann der Ausspruch über die in den angeführten Fällen verhängten Einzelstrafen beruhen. Sie haben deshalb keinen Bestand. Ihr Wegfall führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die jeweils verhängte Gesamtstrafe.

2.Der Ausspruch über die im Fall II 3 der Urteilsgründe jeweils verhängte Einsatzstrafe (bei T. von einem Jahr und sechs Monaten sowie bei K. von einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe) ist nicht zu beanstanden und bleibt deshalb bestehen.

In diesem Fall, in dem es um den Erwerb von 500 g Amphetaminzubereitung zum gewinnbringenden Weiterverkauf geht, hat die Strafkammer in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu Recht eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit der Angeklagten verneint.

Auch sonst weist die Bemessung der jeweils verhängten Strafe weder zugunsten der Angeklagten noch, was gemäß § 301 StPO zu prüfen war, zu ihren Lasten einen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Zwar ist die Strafkammer hinsichtlich des Angeklagten Kunz, der in diesem Fall ein Würgegerät mit sich führte, bei § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG von einer zu niedrigen Mindeststrafe ausgegangen: Diese beträgt nicht, wie das Landgericht annimmt, zwei, sondern fünf Jahre Freiheitsstrafe. Doch hat sich dieser Fehler, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht ausgewirkt, weil die Strafkammer insoweit die Vorschrift des § 31 BtMG angewandt und die Strafe nach § 49 Abs. 2 StGB gemildert hat.

3.Schließlich ist die hinsichtlich des Angeklagten T. getroffene Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtsfehlerfrei begründet.