Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 11.08.1955, Az.: 1 STR 91/55
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Alfred H. gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 15. Juni 1954 werden verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft werden der Staatskasse auferlegt. Der Angeklagte H. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Entscheidungsgründe
Die Angeklagten H. und S. hatten vor der Währungsreform eine offene Handelsgesellschaft unter der Firma "K. Werbe- und Wirtschaftskontor H. & Co" gegründet, deren Geschäftsbetrieb in Handelsvertretungen bestand und gute Einnahmen erzielte. Da das Geschäft nach der Geldumstellung sehr zurückging, beschlossen sie, eine Werbezeitschrift her auszugeben. Die B. finanzierte das Unternehmen zunächst, stellte dann aber völlig unzureichende Geldmittel und diese meist auch zu spät zur Verfügung. Infolgedessen konnten von der Zeitschrift, die monatlich erscheinen sollte, im Jahre 1948 nur drei Hefte veröffentlicht werden. Ende 1948 war die Gesellschaft bei der B. mit 16.400 DM verschuldet. Um ihr Geld zu retten, veranlaßte die Bank die beiden Angeklagten, einen Flüchtlingsproduktivkredit zu beantragen, der im Mai 1949 in Höhe von 19.500 DM bewilligt wurde. Da H. inzwischen den Offenbarungseid geleistet hatte, wurde auf Anregung der Bank eine neue Gesellschaft gegründet, in der H. nicht mehr als Gesellschafter in Erscheinung trat. An seiner Stelle wurde seine Ehefrau Gesellschafterin, H. selbst wurde Angestellter der Gesellschaft und zugleich Generalbevollmächtigter seiner Frau. Er war gleichwohl weiter die Seele des Geschäfts. Zur Sicherung ihres Kredits ließ sich die B. in dem "Mantelzessionsvertrag" vom 3. Juni 1949 von der Gesellschaft alle Ansprüche aus der Lieferung der Zeitschrift, die künftig eingehenden Bezugsgebühren und sämtliche Einkünfte aus Anzeigen abtreten. Diese Forderungsabtretung umfaßte alle Einnahmequellen der Gesellschaft. Den Gesellschaftern selbst verblieb nach dem Vertrag nicht eine DM zu ihrer freien Verfügung. Sonstige nennenswerte Vermögensstücke waren nicht vorhanden. Auch für die kleinsten Ausgaben wie Porto usw. mußten die Gesellschafter erst das Geld von der ...bank erbitten. Größtenteils befriedigte diese die Gläubiger der Gesellschaft selbst. Dabei stand es in ihrem Belieben, ob sie Rechnungen der Gesellschaft begleichen wollte oder nicht. Auch jeden Pfennig für den persönlichen Lebensbedarf mußten sich die Angeklagten von der B. erbitten. Dabei handhabte diese die Bestimmungen des Vertrages sehr engherzig. Nicht selten wurden die Angeklagten mit ihrer Bitte um Freigabe dringend notwendiger Beträge für ihren persönlichen und geschäftlichen Bedarf abgewiesen. Die Mittel aus dem vom Staat gewährten Flüchtlingskredit wurden auch weiterhin nur zögernd und verspätet zur Verfügung gestellt. Aus diesem Grunde kam es zu mehreren Verfehlungen der beiden Angeklagten.
1.Die Gesellschafter, die zusätzlich noch die Verpflichtung übernommen hatten, bei keinem anderen Geldinstitut ein Konto zu unterhalten, meldeten wegen der mit der B. gemachten Erfahrungen ihre bereits bestehenden Konten bei anderen Banken nicht ab; der Angeklagte H. veranlaßte auch eine Reihe von Beziehern der Zeitschrift, den Bezugspreis auf solche Konten einzuzahlen. Dabei handelte es sich um geringfügige Summen, die von H. und "zum geringsten Teil" von S. meist in Beträgen von 3-10 DM abgehoben wurden, um die dringendsten geschäftlichen Auslagen und den notwendigsten persönlichen Bedarf bestreiten zu können. Am 16. September 1949 eröffnete H. bei der Volksbank F. ein persönliches Konto und ließ sich einen Kredit von 1.000 DM einräumen. Dieses Geld benötigte er noch zur Herausgabe des Septemberheftes, weil das von der ...bank zur Verfügung gestellte Geld nicht ausreichte. Auch auf dieses Konto ließ er in geringem Umfang Beiträge von Abonnenten einzahlen. Als die ...bank von dem Konto bei der Volksbank F. Kenntnis erhielt, gestattete sie dessen Weiterführung höchstens in Höhe von 100 DM, "um eine Kreditschädigung des Unternehmens bei den Beziehern durch abermaliges Umdirigieren der Bezugsgelder zu vermeiden".
Von der insoweit erhobenen Anklage der Untreue zum Nachteil der B. sind die Angeklagten H. und S. freigesprochen worden.
2.Als Anfang 1950 keine Mittel vorhanden waren, um die Zeitschrift, die nunmehr 1.500 Bezieher aufzuweisen hatte, weiter erscheinen lassen zu können, vereinbarte H. mit dem Herausgeber einer anderen gleichartigen Werbezeitschrift, Nikolaus B. in P., daß dieser dem Verlag K. vorübergehend monatlich 1.000-1.200 Stück seiner Zeitschrift zur Verfügung stellen sollte, die mit überklebter Titelbezeichnung an die Bezieher der Zeitschrift der Angeklagten versandt wurden. Der zwischen beiden Verlagen aufzuteilende Verkaufspreis sollte auf ein Sonderkonto bei der B. geleitet werden, um den Anteil des M. Verlages (B.) sicherzustellen. Im Einverständnis mit S. forderte H. jedoch die Bezieher bei Lieferung des vierten Ersatzhefts durch beigelegte Schreiben auf, das Bezugsgeld an ihn persönlich zu schicken. Den Streifbandbeziehern legte H. Postanweisungen bei, die teils auf ihn selbst, teils auf S. lauteten. Die Kunden befolgten diese Anweisungen auch zum Teil. Die Höhe der so vertragswidrig von den Angeklagten vereinnahmten Gelder betrug 200-400 DM.
Wegen dieses Verhaltens sind die Angeklagten H. und S. der gemeinschaftlichen Untreue zum Nachteil des M. verlages für schuldig befunden worden.
3.Der Verleger B. hatte für ein weiteres Heft einen Vorschuß von 1.000 DM verlangt und erhalten. Er gab dann aber die für den K.-Verlag benötigten Stücke nicht in Druck. Als H. dies erfuhr, schrieb er B. einen Brief, in welchem er ihm mit Strafanzeige und Schadensersatzklage drohte; auch kündigte er ihm an, daß er die Öffentlichkeit sowie verschiedene namentlich bezeichneten Behörden und Verbände von diesem vertragswidrigen Vorgehen unterrichten werde. Dadurch wollte er B. zur Weiterlieferung veranlassen.
Deshalb hat das Landgericht den Angeklagten H. wegen versuchter Nötigung verurteilt.
4.Die Buchführung oblag nach dem Gesellschaftsvertrag dem Angeklagten S., der aber nicht imstande war, die Bücher ordentlich zu führen. Er verlor bald jedes Interesse an dem Unternehmen und war bestrebt, von ihm loszukommen. Um die Buchführung kümmerte er sich nicht mehr. H. auf dessen Schultern die ganze Last des Betriebes lag, hatte keine Zeit dazu. Eine Zeitlang erledigte seine Tochter diese Arbeiten, schließlich wurde die Buchführung ganz eingestellt. H. führte nur noch ein Kassabuch. Ab Ende 1949 wurde auch keine Bilanz mehr aufgestellt. Am 21. Oktober 1950 wurde der Konkurs eröffnet, aber am 2. Dezember 1950 mangels Masse eingestellt, da die ...bank auf Grund des Vertrages vom 3. Juni 1949 sämtliche Aussenstände für sich in Anspruch nahm und sonstiges Vermögen nicht vorhanden war.
Wegen dieser Versäumung der Buchführungspflicht hat das Landgericht S. wegen einfachen Bankrotts nach § 240 Nr. 3 der Konkursordnung, H. wegen Beihilfe zu diesem Vergehen verurteilt.
5.Schließlich ist H. noch eines fortgesetzten Betruges für schuldig befunden worden, weil er eine Reihe von Mitarbeitern und Lieferanten durch Vortäuschung des Zahlungswillens und der Zahlungsfähigkeit des Verlages zu Leistungen von Bildmaterial und Papier veranlaßte, für die sie keine Bezahlung erhielten.
Die Staatsanwaltschaft ficht das Urteil an, soweit die Angeklagten H. und S. von dem Vergehen der Untreue zum Schaden der B. freigesprochen worden sind und H. nur der Beihilfe zum einfachen Bankrott verurteilt worden ist. H. begehrt seine Freisprechung.
Die Beschwerdeführer beanstanden das Verfahren, ohne diese Rüge jedoch auszuführen, und machen Verletzung des sachlichen Rechts geltend.
Die Revisionen sind nicht begründet.
I.Die Revision der Staatsanwaltschaft.
1.Gegen die Freisprechung der Angeklagten H. und S., soweit ihnen Untreue zum Nachteil der B. zur Last gelegt wird, bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es kann dahingestellt bleiben, ob der "Mantelzessionsvertrag" vom 3. Juni 1949 gemäß § 138 BGB nichtig ist. Diesen Vertrag hat die ...bank mit der Gesellschaft, nicht mit dem Angeklagten H. persönlich geschlossen. Unter den gegebenen Umständen und im Hinblick auf die Verhandlungen, die der Kreditgewährung der ...bank an die Gesellschaft zugrundelagen, war jedenfalls auch der Angeklagte H. der Bank gegenüber verpflichtet, die von dieser hergegebenen Mittel für den Betrieb zu verwenden und ihr die eingehenden Kundengelder zukommen zu lassen. Durch seine Hand gingen auf Grund des Einverständnisses der Bank die der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Beträge und bei ihm lag die Entscheidung darüber, in welcher Weise sie im einzelnen verwendet werden sollten. Er hatte für die Erfüllung der Pflichten der Gesellschaft zu sorgen. Daraus ergab sich auch für ihn persönlich, der trotz der Umwandlung der Gesellschaft im Einverständnis aller Beteiligten die "Seele des Betriebes" blieb, eine Treuepflicht gegenüber der Bank im Sinne des § 266 StGB. Daß er rechtlich nur Angestellter der Gesellschaft und Generalbevollmächtigter seiner Frau als Gesellschafterin der offenen Handelsgesellschaft war, steht der Annahme eines Treueverhältnisses, das ihn zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Bank verpflichtete, grundsätzlich nicht entgegen (BGHSt 2, 324 [BGH 06.05.1952 - 1 StR 60/52]). Aus den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich aber, daß er nicht zum Nachteil der Bank gehandelt hat. Die Beträge, die er den Vereinbarungen vom 3. Juni 1949 zuwider der Verfügungsgewalt der ...bank entzog, ließ er zum ganz überwiegenden Teil in den Betrieb fließen, auf dessen Gedeihen es der Bank gerade ankam, weil sie aus den Einkünften des Betriebes die gewährten Kredite zurückerhalten wollte. Die zum eigenen Unterhalt entnommenen Beträge beschränkten sich nach den getroffenen Feststellungen auf das Notwendigste und hätten den Beschwerdeführern von der Bank mindestens im gleichen Umfange gewährt werden müssen.
Zu Recht hat ferner das Landgericht den Angeklagten Alfred H. nur wegen Beihilfe zum einfachen Bankrott verurteilt. Schuldner im Sinne der §§ 239, 240 KO sind bei einer offenen Handelsgesellschaft die Gesellschafter (vgl. RGSt 46, 77, 78). H. war nicht Gesellschafter. Selbst wenn er die "Seele des Geschäfts" war und die "ganze Last des Gewerbebetriebes auf seinen Schultern ruhte", wenn er ferner als Generalbevollmächtigter seiner Ehefrau die ihr als Gesellschafterin obliegenden Pflichten zu erfüllen hatte, so wurde er damit weder Gesellschafter noch Schuldner der Gläubiger der Gesellschaft. Daß die Aufnahme der Aloisia H. als Gesellschafterin an Stelle ihres Ehemanns bei der Umwandlung der Gesellschaft wirklich gewollt war, hat das Landgericht rechtlich unangreifbar und im Einklang mit seinen sonstigen tatsächlichen Feststellungen dargelegt. Der als Gesellschafter ausscheidende Angeklagte H. sah in dem Eintritt seiner Ehefrau in die Gesellschaft sogar ihre Sicherstellung im Falle seines Ablebens, was den wirksamen Erwerb der Rechtsstellung einer Gesellschafterin durch seine Frau voraussetzte. Wenn die Staatsbank der Frau B. auch versicherte, sie brauche sich um den Betrieb nicht zu kümmern und "sei für ihn nicht verantwortlich", so muß das im Zusammenhang mit der Erteilung der Generalvollmacht an den Ehemann verstanden werden. Der Tatrichter war rechtlich nicht genötigt, hieraus zu schliessen, daß die ...bank nur eine scheinbare Umwandlung der Gesellschaft veranlaßte, während in Wirklichkeit im Widerspruch zu der nach aussen in die Erscheinung tretenden Sachlage rechtlich alles beim alten blieb. Daher ist dieser Fall nicht dem in der Entscheidung BGH 2 StR 248/53 vom 28. August 1953 abgeurteilten Sachverhalt gleichzustellen, in welchem der Angeklagte mit dem Firmeninhaber in einem tatsächlichen Gesellschaftsverhältnis zusammenlebte und wirkte. Im Einklang mit den Grundsätzen der Entscheidung RGSt 31, 407, 409 f hat das Landgericht den Angeklagten Alfred H. daher zutreffend nicht wegen in Mittäterschaft begangenen einfachen Bankrotts, sondern wegen Beihilfe zu diesem Vergehen verurteilt. Es liegt darin auch kein Widerspruch zu dem Freispruch der Gesellschafterin Aloisia H.. Dieser ist jedenfalls aus subjektiven Gründen gerechtfertigt, weil diese Angeklagte, wie das Landgericht rechtsirrtumsfrei dargelegt hat, von den Direktoren der ...bank dahin belehrt worden war, daß sie sich um nichts zu kümmern brauche, für sie handele ihr Ehemann, sie selbst sei nicht verantwortlich.
II.Revision des Angeklagten Alfred H..
Die Verurteilung des Beschwerdeführers läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch. Da auch die Strafzumessungsgründe durchgreifenden Bedenken nicht unterliegen, ist diese Revision ebenfalls als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
Der Oberbundesanwalt hat die Revision der Staatsanwaltschaft mit ihrem Sachantrage vertreten.