Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 05.05.1987, Az.: 1 STR 97/87
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 28. November 1986 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat nur hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.
I.Der Angeklagte quartierte sich als Demonstrant gegen die Wiederaufbereitungsanlage in W. in der Scheune der Eheleute Wi. ein. Diese waren selbst Gegner der Wiederaufbereitungsanlage und gestatteten noch anderen Demonstranten, in ihrer Scheune zu übernachten. Der Ehemann stellte dem Angeklagten auch noch sein Mofa zur Verfügung und händigte ihm Schlüssel und Versicherungsschein aus.
Nachdem der Angeklagte in der Nacht zum 23. Juni 1986 mit den Eheleuten Wi. aus W. zurückgekehrt war, entschloà er sich, seine Gastgeber zu bestehlen und mit dem Mofa nach Hamburg zu fahren. Er schlich sich deshalb in deren Schlafzimmer und entwendete dort 520 DM sowie Schmuckgegenstände. Beides steckte er in seine GesäÃtasche und begab sich wieder in die Scheune.
Der Angeklagte war noch mit dem Packen seines Rucksacks beschäftigt, als Frau Wi. das Fehlen des Geldes bemerkte. Sie hatte sofort den Angeklagten in Verdacht und stellte ihn deswegen in der Scheune zur Rede. Als sie den Angeklagten, der den Diebstahl bestritt, anflehte, ihr das Geld herauszugeben, warf er seinen Rucksack zu Boden und schlug ihr mit der Hand ins Gesicht. Er wollte sich den Besitz der gestohlenen Sachen erhalten und mit dem Mofa, das er sich in der Scheune zurechtgestellt hatte, wegfahren. Um seine Flucht zu verhindern, trat ihm die Zeugin Wi. erneut in den Weg, worauf der Angeklagte wiederum tätlich zu werden drohte. Auf ihre Hilferufe eilten zwei junge Männer herbei, die den Angeklagten überwältigten und bis zum Eintreffen der Polizei festhielten.
II.Das Landgericht hat den Angeklagten zu Recht wegen räuberischen Diebstahls gemäà § 252 StGB verurteilt. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Täter "bei" einem Diebstahl betroffen, wenn der Diebstahl zwar vollendet, aber noch nicht beendet ist (BGHSt 22, 227, 230 [BGH 23.08.1968 - 4 StR 310/68];  28, 224; Beschl. vom 11. Dezember 1986 - 4 StR 676/86). Die Beendigung des Diebstahls ist der letzte mögliche Zeitpunkt, bis zu dem ein räuberischer Diebstahl begangen werden kann.
1.Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte, als er gegen die Zeugin Wi. Gewalt anwandte, den Diebstahl des Geldes und des Schmucks vollendet, denn er hatte die Gegenstände im Schlafzimmer der Eheleute Wi. an sich genommen und in die Tasche gesteckt und damit eigenen Gewahrsam an ihnen begründet (vgl. BGHSt 16, 271;  20, 194;  23, 254;  BGH NJW 1975, 320 [BGH 06.11.1974 - 3 StR 200/74]). Da der Angeklagte im nachfolgenden Verlauf die Gewalt somit nicht mehr zur Begründung der eigenen Sachherrschaft, wie es für den Tatbestand des Raubes Voraussetzung ist, sondern zu deren Aufrechterhaltung angewandt hat, kommt eine Verurteilung wegen versuchten Raubes nicht in Betracht. Die Annahme der Revision, die Gewalt des Angeklagten habe lediglich seine Flucht ermöglichen sollen, nicht aber der Beutesicherung gedient, findet in den Urteilsfeststellungen keine Stütze. Die Strafkammer stellt ausdrücklich fest, daà der Angeklagte, als er der Zeugin Wi. ins Gesicht schlug, "sich im Besitz des gestohlenen Geldes und Schmuckes erhalten wollte" (S. 5 UA). Soweit die Revision weiter geltend macht, die Handlung des Angeklagten sei lediglich als Reflex zu werten, ist ihr Vortrag unbeachtlich, da sie sich damit von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen entfernt.
2.Der Diebstahl war zur Zeit der Nötigungshandlung des Angeklagten noch nicht beendet.
Nach der Rechtsprechung ist ein Diebstahl erst abgeschlossen und damit beendet, wenn der Täter den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen gefestigt und gesichert hat (BGHSt 4, 132, 133; 8, 390, 391; 20, 194, 196; 28, 224, 229). Teilweise ist von einem "in Sicherheit bringen" (BGHSt 3, 40, 44; BGH VRS 13, 350) oder von einer "endgültigen Sicherung der Beute" (BGH, Urt. vom 8. Oktober 1975 - 2 StR 404/75) die Rede. Wann eine ausreichende Sicherung erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In einem Fall hat der Bundesgerichtshof einen Diebstahl bis zum Verbringen der Beute in ein 400 bis 500 m entferntes Versteck noch nicht als beendet angesehen, weil das Stehlgut noch nicht an seinen Bestimmungsort geschafft sei (BGHSt 4, 132; ebenso RG HRR 1938, 633; vgl. auch Kühl, Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts, S. 94 ff.; Hruschka GA 1968, 193, 204). Ob das Verbringen an den Bestimmungsort allgemein als Kriterium für die Beendigung des Diebstahls - ohne Rücksicht auf die Eigenart der Beute - geeignet ist, kann offen bleiben.
Jedenfalls wird ein Diebstahl in der Regel noch nicht als beendet angesehen werden können, solange der Täter seine Absicht, sich alsbald mit der Beute zu entfernen, noch nicht verwirklicht hat, sondern sich, wie hier, noch auf dem Anwesen des Bestohlenen, also in seinem unmittelbaren räumlichen Herrschaftsbereich befindet. In einem solchen Fall muà der Dieb in besonderem MaÃe damit rechnen, daà ihm die Beute von dem Bestohlenen im Wege der Nacheile wieder streitig gemacht wird. Solange er einem erhöhte Risiko ausgesetzt ist, die Beute wieder zu verlieren, kann von einer ausreichenden Sicherung des eben erst begründeten Gewahrsams keine Rede sein. Er ist vielmehr, will er sich im Besitz des gestohlenen Gutes erhalten, darauf angewiesen, dem Rückerlangungsbegehren des Bestohlenen mit Nötigungsmitteln entgegenzutreten (ebenso Seier, NJW 1981, 2152, 2156) [BVerwG 24.10.1980 - 4 C 81/77].
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof einen Diebstahl in solchen Fällen noch nicht als beendet angesehen, in denen sich der Täter aus dem Haus, aus dem er gestohlen hatte, oder aus seiner unmittelbaren Umgebung noch nicht entfernt hatte (BGHSt 19, 323, 324 [BGH 30.06.1964 - 1 StR 193/64];  20, 194, 196). Im gleichen Sinne hat er den Tatbestand des § 252 StGB im Falle eines Diebstahls aus einem Selbstbedienungsladen bejaht, eine Beendigung des Diebstahls also verneint, in dem der Täter der nacheilenden Kassiererin auf dem Parkplatz vor dem Geschäft einen Schlag ins Gesicht versetzt hatte, um sich im Besitz des Diebesgutes zu erhalten (Urt. vom 22. August 1984 - 3 StR 203/84; vgl. auch Urt. vom 25. März 1954 - 3 StR 493/53 - bei Pfeiffer/Maul/Schulte, StGB § 49 Rdn. 6).
Aus den gleichen Gründen sieht der Senat auch im vorliegenden Fall den Diebstahl noch nicht als beendet an. Der Angeklagte wollte die Zeugin Wi. in der Scheune ihres Anwesens mit Gewalt davon abhalten, ihm die Beute wieder abzunehmen. Der Umstand, daà der Angeklagte das Geld und den Schmuck in seine Hosentasche gesteckt hatte, ist dabei ohne Bedeutung. Die Frage, inwieweit der Träger seinen Gewahrsam bereits gesichert hat, mag zwar auch davon abhängen, ob er schwere oder leicht transportable Gegenstände entwendet hat. Jedoch ist das Verwahren des Stehlgutes in den eigenen Taschen kein entscheidendes Kriterium für die Beendigung des Diebstahls, solange sich der Täter noch auf dem Gelände des bisherigen Gewahrsamsinhabers befindet; denn auch in einem solchen Fall ist er einem besonderen Risiko, die Beute wieder abgenommen zu bekommen, ausgesetzt. Dementsprechend hat der erkennende Senat einen noch nicht beendeten Diebstahl in einem Fall angenommen, in dem eine Dirne die dem Tatopfer in einem Pkw entwendete Geldbörse eingesteckt und nach dem Aussteigen ihrem Zuhälter übergeben hatte, den der Bestohlene alsdann am Verlassen des Parkplatzes hindern wollte (Urt. vom 18. April 1967 - 1 StR 105/67 - bei Dallinger MDR 1967, 726).
Der Beschluà des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Dezember 1986 - 4 StR 676/86, auf den sich der Generalbundesanwalt für seine gegenteilige Auffassung beruft, steht dieser Entscheidung schon deshalb nicht entgegen, weil die Frage der Beendigung des Diebstahls dort als nicht entscheidungserheblich ausdrücklich offengelassen worden ist.
3.Der Umstand allein, daà der Diebstahl noch nicht beendet war, rechtfertigt freilich noch nicht die Annahme, der Angeklagte sei auf frischer Tat betroffen worden. Denn der Täter wird bei einem Diebstahl nur dann auf frischer Tat betroffen, wenn er noch in unmittelbarer Nähe des Tatorts und alsbald nach der Tatausführung wahrgenommen wird, also noch ein enger örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Tat gegeben ist (BGHSt 9, 255;  28, 224). Dieser Zusammenhang ist hier vorhanden. Die Urteilsfeststellungen sind dahin zu verstehen, daà zwischen dem Diebstahl und seiner Entdeckung sowie der anschlieÃenden Verfolgung des Angeklagten nur ein verhältnismäÃig kurzer Zeitraum lag, denn der Angeklagte hatte die gestohlenen Sachen unmittelbar nach dem Diebstahl in die Scheune gebracht und packte, als er gestellt wurde, gerade seinen Rucksack, mit dem er auf dem Mofa entfliehen wollte.
Die Tatsache, daà die Zeugin Wi. den Angeklagten nicht unmittelbar bei der Vortat wahrgenommen hat, sondern in ihm anschlieÃend nur den Täter vermutete, steht dem Betroffensein auf frischer Tat nicht entgegen. Es genügt, wenn der Täter, wie hier, während der Nacheile in Tatortnähe aufgespürt wird (BGHSt 9, 255;  28, 224).
Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vorsätzlicher Körperverletzung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Körperverletzung als Mittel der Gewaltanwendung ist nicht notwendig im Tatbestand des räuberischen Diebstahls enthalten, da nicht jede Gewaltanwendung in einer körperlichen MiÃhandlung oder Gesundheitsbeschädigung besteht (BGH VRS 21, 113).
Die vom Angeklagten angewandte Gewalt diente freilich nicht nur der Erhaltung des Besitzes an den bereits gestohlenen Sachen, sondern auch der Wegnahme des Mofas, mit dem der Angeklagte nach H. fahren wollte. Insofern hat er sich neben dem räuberischen Diebstahl tateinheitlich auch des versuchten Raubes schuldig gemacht (vgl. OGHSt 2, 323). Daà der Angeklagte deswegen nicht verurteilt worden ist, beschwert ihn jedoch nicht.
III.Der Strafausspruch kann hingegen keinen Bestand haben.
Die Strafkammer hat unter anderem wegen der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe dem Strafrahmen des § 249 Abs. 2 StGB entnommen. Unter Bezugnahme auf § 50 StGB hat es sodann ausgeführt, bei der Bemessung der Strafe müsse "die verminderte Schuldfähigkeit gemäà § 21 StGB auÃer Betracht bleiben" (S. 18 UA). Diese Fassung läÃt besorgen, daà sich die Strafkammer von einer unzutreffenden Rechtsauffassung hat leiten lassen. § 50 StGB verbietet nur die nochmalige Herabsetzung des Strafrahmens, nicht aber die Berücksichtigung der für die Annahme eines minder schweren Falles maÃgebenden Umstände bei der Bemessung der Strafe innerhalb des geminderten Strafrahmens (BGH StV 1985, 54). Die Strafkammer war daher nicht gehindert, die die verminderte Schuldfähigkeit konkretisierenden Umstände bei der eigentlicher Strafzumessung nochmals zu berücksichtigen (BGH NStZ 1984, 548 Dies hat sie möglicherweise verkannt.