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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 25.07.2012, Az.: 2 StR 154/12

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 3. November 2011 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in 14 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 80,- € verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte seit 1990 Geschäftsführer der heutigen kommunalen Wohnungsgesellschaft O. mbH ('K. ') in H. , die die Vermietung und Verwaltung von Immobilien zum Gegenstand hatte. Die Ehefrau des Angeklagten und der Zeuge G. waren ab 1994 Gesellschafter und Geschäftsführer der R. 1 GmbH, die den An-/Verkauf und die Montage von Bauelementen sowie Baureparaturen durchführte. Die K. arbeitete von Beginn an eng mit der R. GmbH zusammen; bei Fenster- und Trockenbauarbeiten erhielt diese fast ausnahmslos die von der K. zu vergebenden Aufträge. Als sich die Auftragslage für die R. GmbH im Jahr 2005 verschlechterte, entschlossen sich die Ehefrau des Angeklagten und der Zeuge G. unter Beteiligung des Angeklagten, bei Ausschreibungen der K. den Wettbewerb dadurch zu unterlaufen, dass neben einem Angebot der R. GmbH nur fingierte Angebote abgegeben werden sollten. In Umsetzung dieses Plans sorgte der Angeklagte in der Zeit von Februar 2006 bis März 2008 bei vierzehn beschränkten Ausschreibungen mit einem Auftragswert zwischen ca. 7.000 € und 200.000 € dafür, dass neben der R. GmbH nur die Handwerker L. und Go. in den Bieterkreis aufgenommen wurden. Zu Recht ging er dabei davon aus, dass beide kein eigenes Interesse an einem Auftrag der K. hatten. Der Zeuge G. ließ die von der Ehefrau des Angeklagten für die beiden Scheinbieter ausgepreisten Leistungsverzeichnisse von L. und Go. unterschreiben und abstempeln. Das von der R. GmbH abgegebene Angebot lag jeweils unter dem der beiden vermeintlichen Mitbieter, weshalb die R. GmbH in neun der vierzehn verfahrensgegenständlichen Fällen den Zuschlag erhielt (Fälle II. 1-9), während es in fünf Fällen (Fälle II. 10-15) nicht mehr zu einer Auftragserteilung kam.

II.

Die Verurteilung wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen in 14 Fällen hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Insbesondere hat das Landgericht die zwischen dem Angeklagten, seiner Ehefrau und dem Zeugen G. getroffenen Absprachen zutreffend als vom Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfasst angesehen. Dieser setzt bei einer Ausschreibung über Waren oder gewerbliche Leistungen die Abgabe eines Angebots voraus, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Rechtswidrig ist eine Absprache, wenn sie gegen das GWB verstößt (BGHSt 49, 201, 205). Gemäß § 1 GWB in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung (BGBl I 1954 und 2114) sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken, verboten. Nach § 1 GWB in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung galt dies nur, soweit die Unternehmen miteinander im Wettbewerb standen. Erfasst waren demnach nur horizontale Absprachen zwischen Unternehmern, nicht aber vertikale Absprachen zwischen einem Anbieter und dem Veranstalter (BGHSt 49, 201, 204 ff.; bestätigend Senat NStZ 2006, 687). Durch die Novellierung sind nunmehr neben horizontalen auch vertikale Absprachen erfasst (BT-Drs. 15/3640 S. 44). Zutreffend nimmt daher inzwischen die ganz herrschende Lehre an, dass dem Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB aufgrund der kartellrechtsakzessorischen Ausgestaltung jetzt auch vertikale Absprachen unterfallen (Fischer StGB 59. Aufl. § 298 Rn. 9; Tiedemann in LK StGB 12. Aufl. § 298 Rn. 13; Hohmann in MünchKomm-StGB § 298 Rn. 84; Bosch in SSW § 298 Rn. 18; Heine in Schönke/Schröder StGB § 298 Rn. 11; Wiesmann, Die Strafbarkeit gemäß § 298 StGB S. 132; Wunderlich, Die Akzessorietät des § 298 StGB zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) S. 227; a.A. Dannecker in NK StGB 3. Aufl. § 298 Rn. 21). Ungeachtet der hier ebenfalls bestehenden horizontalen Absprachen zwischen den Bieterfirmen R. , L. und Go. hat das Landgericht 4 danach zu Recht angenommen, dass die zwischen dem auf Seiten der K. stehenden Angeklagten und der R. GmbH vorgenommenen vertikalen Absprachen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen.

2. Zutreffend hat das Landgericht ferner das Handeln des Angeklagten als täterschaftliche Begehung des § 298 Abs. 1 StGB gewertet. Ob nur Kartellmitglieder Täter des § 298 StGB sein können, hat der Bundesgerichtshof bisher offen gelassen (BGHSt 49, 201, 208). In der Literatur wird diese Frage im Ausgangspunkt kontrovers diskutiert. Die herrschende Lehre nimmt an, dass Nicht-Kartellmitglieder, insbesondere Personen auf Seiten des Veranstalters, als Täter des § 298 StGB in Betracht kommen (Fischer aaO Rn. 17b; Grützner, Die Sanktionierung von Submissionsabsprachen S. 534 f.; Joecks Studienkommentar StGB 9. Aufl. § 298 Rn. 5; König JR 1997, 397, 402; Kosche, Strafrechtliche Bekämpfung wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen - § 298 StGB S. 160; Maurach/Schröder/Maiwald Strafrecht BT Teilband 2 9. Aufl. § 68 Rn. 6; Mitsch Strafrecht BT II Teilband 2 § 3 Rn. 207; Otto Strafrecht BT 61/148; Bosch aaO Rn. 18; Heine aaO Rn. 17; Rudolphi in SK-StGB 6. Aufl. (50. Lfg. April 2000) § 298 Rn. 10). Die Gegenansicht geht im Grundsatz zwar nur von der Möglichkeit einer Teilnahmestrafbarkeit von Nicht-Kartellmitgliedern aus (Böse in Graf/Jäger/Wittig Wirtschafts- und Steuerstrafrecht § 298 Rn. 24; Greeve Korruptionsdelikte in der Praxis Rn. 387; ders. in Greeve/Leipold, Handbuch des Baustrafrechts § 10 Rn. 100; Momsen in Heintschel-Heinegg StGB § 298 Rn. 17; Lackner/Kühl StGB 27. Aufl. § 298 Rn. 6; Tiedemann aaO § 298 Rn. 47; Hohmann aaO Rn. 105 f.; Dannecker aaO Rn. 63; ders. JZ 2005, 49, 52), hält teilweise jedoch auch deren Täterschaft für möglich (Dannecker aaO Rn. 64a; Hohmann aaO 107; so wohl auch Tiedemann aaO Rn. 47).

Der Senat vertritt jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation der Beteiligung eines Veranstalters an einer auf einer Absprache beruhenden Angebotsabgabe die Auffassung, dass zumindest seit der Neuregelung von § 1 GWB auch dieser den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB täterschaftlich verwirklichen kann. Dessen Wortlaut steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Es handelt sich nicht um ein Sonderdelikt (Dannecker aaO Rn. 18; Fischer aaO Rn. 17; Heine aaO Rn. 17; Hohmann aaO Rn. 99; Lackner/Kühl aaO Rn. 6; Tiedemann aaO Rn. 13; aA Böse aaO Rn. 4); Täter kann daher nicht nur derjenige sein, der selbst ein Angebot abgibt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen, müssen sich vielmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die Abgabe des Submissionsangebots im Sinne des § 25 StGB zurechenbar ist; ansonsten würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck - Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Kartellrecht und Strafrecht - unterlaufen. Auch teleologische Überlegungen sprechen für eine Täterstellung des auf Veranstalterseite Handelnden. Rechtsgut der Straftaten gegen den Wettbewerb sind zunächst der freie Wettbewerb (Fischer aaO vor § 298 Rn. 6; Lackner/Kühl aaO Rn. 1; Tiedemann aaO Rn. 6), daneben nach herrschender Meinung aber auch Vermögensinteressen des Veranstalters (Bannenberg in Dölling/Duttge/Rössner StGB 2. Aufl. § 298 Rn. 4; Fischer aaO § 298 Rn. 2; Heine aaO Vorbem. §§ 298 ff. Rn. 3; Kindhäuser LPK-StGB 4. Aufl. § 298 Rn. 1; Mitsch § 3 Rn. 196). Beide Rechtsgüter sind hier betroffen, da die Beteiligung einer Person auf Seiten des Veranstalters an den Absprachen mit den Bieterunternehmen den Wettbewerb durch gezielte Einflussnahme zugunsten eines Bieters einseitig verzerrt und zudem das Vermögen des Veranstalters gefährdet. 6 3. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.

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