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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 24.09.2014, Az.: 2 STR 160/14

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

1. a) Nach den Feststellungen lebte der Angeklagte seit 2004 wegen wiederholter verbaler und körperlicher Auseinandersetzungen gegenüber seiner Ehefrau räumlich von ihr und den drei gemeinsamen Kindern getrennt. Der Angeklagte besuchte seine Familie nur noch sporadisch. Er fühlte sich ausgegrenzt und gedemütigt, weil ihm nach seiner Ansicht nicht der notwendige Respekt entgegenbracht wurde.

Als der Angeklagte erfuhr, dass erneut ein Türkeiurlaub seiner Familie bevorstand, war er darüber verärgert, dass er - wie schon zuvor - darüber nicht informiert worden war. Er wollte deshalb seine Ehefrau, das spätere Tatopfer, zur Rede stellen und ihr eine Lektion erteilen. Er nahm zwei Küchenmesser mit, die er gegenüber seiner Ehefrau "zumindest" (UA S. 8) als Drohmittel einsetzten wollte.

Nachdem der Angeklagte unter einem Vorwand seinen Sohn zum Einkaufen weggeschickt hatte und nunmehr mit seiner Ehefrau allein in der Wohnung war, begab er sich - mit bedingtem Tötungsvorsatz - ohne vorherige Ankündigung und wortlos mit jeweils einem Messer in einer Hand in die Küche, in der seine Ehefrau vor dem Spültisch ein Backblech spülte. "Die Ehefrau sah den Angeklagten in dem Türrahmen der Küchentür stehen und in die Küche herein treten. Sie sah ihm in die Augen, in der festen Erwartung, nun wieder Vorhalte gemacht zu bekommen und nunmehr in ein Streitgespräch mit ihrem Mann verwickelt zu werden. Sie wollte dem aus dem Weg gehen, stellte deswegen ihr Backblech in die Spüle hinein, trat ein bis zwei Schritte auf ihren Ehemann zu, um die Küche zu verlassen, wobei sie nicht bemerkte, da sie ihm nach wie vor in die Augen schaute, dass ihr Ehemann die beiden Messer in den Händen hielt. In dieser Situation versah sie sich insoweit keinerlei Angriffs ihres Ehemanns. Der Angeklagte, der erkannte, dass seine Frau - wie von ihm erwartet - arglos und deswegen auch wehrlos war, nutzte dies aus und - ohne mit ihr ein Wort zu wechseln - versetzte er seiner Ehefrau daraufhin einen ersten Stich in den Bauch und einen zweiten Stich in den Oberkörper" (UA S. 11).

Die Geschädigte sank zu Boden, woraufhin der Angeklagte ihr eine Vielzahl weiterer Messerstiche "wahllos auf den Körper" (UA S. 11) versetzte. Der zwischenzeitlich zurückgekehrte gemeinsame Sohn trat dem Angeklagten gegen den Kopf und "packte ihn von der Mutter weg" (UA S. 12). Durch eine anschließende Notoperation wurde die Geschädigte gerettet.

b) Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht ausgeführt, der Vorsatz bezüglich der heimtückischen Begehung der Tat ergebe sich daraus, "dass der Angeklagte ohne Vorankündigung und ohne dass zuvor irgendein Streitgespräch oder überhaupt eine Kommunikation mit der Ehefrau stattgefunden hätte, mit den Messern aus dem Wohnzimmer in die Küche der Wohnung gegangen ist, wobei die Ehefrau gerade dabei war, ein Backblech zu spülen. [...] In diesem Moment war daher die Ehefrau des Angeklagten, die sich keinerlei Angriffes durch den Angeklagten versah, völlig arglos und infolge dessen auch wehrlos. Dies wusste der Angeklagte, der zuvor sogar seinen Sohn [...] aus der Wohnung geschickt hatte, um insoweit ungestört die Situation ausnutzen zu können. Er ging wortlos aus dem Wohnzimmer in die Küche und begann sofort und völlig unvermittelt seinen Angriff auf die Ehefrau, die die Messer, weil sie dem Angeklagten zunächst nur in die Augen schaute, überhaupt nicht bemerkt hatte. Er wollte insoweit diese Geschehen bewusst ausnutzen und seine Ehefrau, die mit Küchenarbeiten beschäftigt war, überraschen" (UA S. 27).

2. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist insbesondere die Beweiswürdigung zum Ausnutzungsbewusstsein nicht lückenhaft.

a) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt; wesentlich ist, dass der Mörder sein keinen Angriff erwartendes, mithin argloses Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist. Bei einem offen feindseligen Angriff ist erforderlich, dass dem Opfer wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff keine Möglichkeit der Abwehr verblieben ist (vgl. etwa BGH, Urteile vom 15. September 2011 - 3 StR 223/11, NStZ 2012, 35; vom 28. August 2014 - 5 StR 332/14, beide mwN). Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 438/12, NStZ 2013, 232, 233; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 211 Rdn. 34, 44, jeweils mwN).

b) Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte habe auch mit entsprechendem Ausnutzungsbewusstsein gehandelt, ausreichend belegt. Die gezogenen Schlussfolgerungen sind möglich, zwingend brauchen sie nicht zu sein.

Der Angeklagte, der mit den beiden Küchenmessern bewaffnet im Wohnzimmer saß, und sich "endgültig" entschlossen hatte, "die Lage auszunutzen und auf seine Ehefrau [...] einzustechen, um sie zu bestrafen" (UA S. 10), wollte dafür ungestört sein und hatte deswegen auch seinen Sohn unter einem Vorwand weggeschickt, um "freie Bahn für einen überraschenden ‚Angriff' auf seine Ehefrau haben zu können" (UA S. 10). Er betrat mit bedingtem Tötungsvorsatz die Küche, in der seine Frau gerade spülte. Dass die Geschädigte auf den Angeklagten "ein bis zwei Schritte" zutrat, ändert nichts daran, dass der Angeklagte - wie von ihm geplant - die mit Küchenarbeiten beschäftigte Geschädigte in der Küche überraschte (UA S. 27) und dieses von ihm herbeigeführte Überraschungsmoment ausnutzen wollte. Es ist deswegen auch unerheblich, ob die Geschädigte unmittelbar vor dem Angriff noch die Messer in den Händen des Angeklagten wahrgenommen und ob der Angeklagte die möglicherweise eingeschränkte Wahrnehmung der Geschädigten erkannt hat. Eine Möglichkeit zur Abwehr verblieb ihr nicht, worauf es dem Angeklagten nach seinem Tatplan gerade ankam.

Dass das Ausnutzungsbewusstsein auch nicht aufgrund affektiver Anspannung des Angeklagten gefehlt hat (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 3 StR 326/11, NStZ 2012, 270, 271; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 117/14 mwN), hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei festgestellt (UA S. 27).