Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 11.06.1965, Az.: 2 STR 187/65
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts in Duisburg vom 7. Dezember 1964 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Entscheidungsgründe
Die Strafkammer hatte den Angeklagten durch Urteil vom 6. März 1963 wegen schwerer Freiheitsberaubung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilte Dieses Urteil wurde vom erkennenden Senat aufgehoben. Nunmehr ist der Angeklagte wegen Beihilfe zur schweren Freiheitsberaubung zu einer Gefängnisstrafe von einen Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Seine Revision hat keinen Erfolg.
1.)Der Angeklagte hat die Beihilfe zur Freiheitsberaubung des Zeugen Sc., der erst 1953 aus dem russischen Straflager entlassen wurde, im Jahre 1947 geleistet. Der Senat war bei seiner früheren Entscheidung gemäß der bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, daß die Strafverfolgung auch dann, wenn nur Beihilfe zur schweren Freiheitsberaubung vorliegen sollte, nicht verjährt ist, obwohl die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete richterliche Handlung erst im Jahre 1960 vorgenommen wurde und die Verjährungsfrist gemäß § 67 Abs. 1 StGB zehn Jahre beträgt. Anlaß zur Erörterung der Verjährung bietet jedoch die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Stuttgart NJW 1962, 2311, das die Verjährungsfrist für den Gehilfen mit dem Augenblick beginnen läßt, bis zu dem er an der Haupttat der Freiheitsberaubung mitgewirkt hat. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
In der Regel beginnt die Verjährung für den Anstifter und Gehilfen erst dann, wenn die Haupttat beendet ist (vgl. HGSt 5, 282, 286; 65, 361; RG DJ 1936, 1125; BGH Urteil vom 11. Februar 1958 - 5 StH 535/57 -, vom 20. Oktober 1961 - 2 StH 370/60 - S. 27; Schönke-Schröder 12. Aufl. § 67 Randn. 8; Jagusch LK 8. Aufl. § 67 Anm. 1 b, hh). Die Freiheitsberaubung ist kein Zustandsdelikt, sondern eine Dauerstraftat, die erst zum Abschluß gelangt, wenn die Freiheitsentziehung wieder aufgehoben wird (RGSt 25, 147, 149; Schönke-Schröder § 239 Randn. 12; A. Schäfer LK 80 Aufl. § 239 Anm. 6; vgl. BGHSt 1, 391 ff).
Von der Regel, daß die Verjährung der Strafverfolgung gegen den Gehilfen mit der Beendigung der Haupttat beginnt, sind allerdings Ausnahmen zugelassen worden. Das Reichsgericht hat eine solche für die Strafverfolgung des Gehilfen bei fortgesetzter Tat des Haupttäters angenommen, wenn die Beihilfe und der Vorsatz des Gehilfen sich nicht auf die gesamte fortgesetzte Tat des Haupttäters sondern nur auf einzelne bestimmte Teile dieser Fortsetzungstat erstrecken und die Gehilfentätigkeit schon vor Beendigung der Haupttat aufhört. Eine Ausnahme hat es auch für die Beihilfe zu einer Dauerstraftat, die eine echte Unterlassungstat ist, anerkannt (RGSt 65, 361 ff; ebenso Jagusch LK 8. Aufl. § 67 Anm. 1 b, hh; OLG Stuttgart NJW 1962, 2311 [OLG Stuttgart 14.09.1962 - 2 Ws 290/61]). Für den ersten Fall hat sich der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dieser Rechtsprechung angeschlossen (Urteil von 11. Februar 1958 - 5 StR 535/57). Auch der erkennende Senat tritt ihr insoweit bei. Ob dasselbe gilt, wenn die Beihilfe zu einer Dauerstraftat, die echtes Unterlassungsdelikt ist, geleistet wird, oder wenn die Förderung durch positives Tun sich zeitlich nur für einen Teil der Freiheitsentziehung auswirkt, kann dahingestellt bleiben; denn der Angeklagte hat bewußt durch positives Tun die Freiheitsberaubung in ihrer vollen Auswirkung durch die falsche Aussage vor den russichen Richtern gefördert, wie zur Sachbeschwerde noch erörtert wird.
Daher beginnt auch die Verjährungsfrist für seine Gehilfentätigkeit erst mit der Beendigung der Haupttat. Es besteht kein Anlaß, von der Regel, die sich aus dem Grundsatz der Akzessorietät ergibt, für die Dauerstraftat, die durch positives Tun bewußt für die ganze Tat begangen wird, abzuweichen. Bei der Beihilfe zu Einzelakten der Fortsetzungstat ist die Ausnahme nur deswegen berechtigt, weil die Fortsetzungstat eine auf dem Gesamtvorsatz beruhende rechtliche Einheit ist. Erstrecken sich Förderung und Vorsatz des Gehilfen lediglich auf einen Einzelakt, so ist er auch nur insoweit verantwortlich; folgerichtig beginnt für ihn die Verjährungsfrist mit der Beendigung dieses Einzelakts. Um eine solche rechtliche Einheit handelt es sich bei der Dauerstraftat nicht. Es muß also jedenfalls dann bei der Regel bleiben, wenn sich bei der Freiheitsberaubung der Wille des Gehilfen auf die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung erstreckt. Das Oberlandesgericht Stuttgart will in der angegebenen Entscheidung für diese Fälle darauf abstellen, ob der Gehilfe später noch einen Einfluß auf die Behandlung des Gefangenen ausgeübt hat oder auf die Freilassung hatte hinwirken können, dies aber unterlassen hat. Der Senat kann dieser Auffassung nicht beipflichten; denn auf eine derartige Einwirkung oder Einwirkungsmöglichkeit vor Beendigung der Haupttat kommt es auch sonst für den Beginn der Verjährungsfrist nicht an.
Als Schlumbohm 1953 entlassen wurde, endete die Haupttat. Erst mit der Entlassung begann also auch für den Angeklagten die Verjährungsfrist gemäß § 67 Abs. 4 StGB, ohne daß es darauf ankommt, ob die Dauer der Freiheitsberaubung über eine Woche gemäß § 239 Abs. 2 StGB ein Tatbestandsmerkmal oder eine besondere Folge im Sinne des § 56 StGB ist (vgl. dazu BGHSt 10, 306). Danach hat die richterliche Handlung im Jahre 1960 die Verjährung rechtzeitig unterbrochen.
2.)Die Einzelausführungen der Revision sind unbegründete Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die Strafkammer festgestellt, daß der Angeklagte vor dem Militärgericht bewußt falsch gegen Schlumbohn ausgesagt hat. Die Feststellungen und Schlußfolgerungen der Strafkammer sind rechtlich einwandfrei. Daß die Aussage vor der NKWD, in der der Angeklagte die Vorwürfe gegen Schlumbohm wahrheitswidrig bestätigt hatte, in russischer Sprache verlesen worden ist, bedeutet nicht, daß er diese in russischer Sprache schriftlich niedergelegt hatte. Die Überzeugung davon, daß er sich des Inhalts der früheren Aussage bei der Vernehmung vor dem Militärgericht bewußt war und trotzdem die falsche Aussage bestätigte, hat die Strafkammer im Wege freier Beweiswürdigung gewonnen. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken, zumal da der Angeklagte schon 1945 die russische Sprache mindestens soweit beherrschte, daß er sich verständigen konnte (UA S. 3), und ein Dolmetscher - wenn auch nur mit unzureichenden Deutschkenntnissen - bei der Verhandlung vor dem Militärgericht mitgewirkt hatte.
Nach den ausdrücklichen Feststellungen im Urteil hat die falsche Aussage mindestens dazu beigetragen, daß das Urteil in der Form, wie geschehen, ergangen ist. Das war Beihilfe, auch wenn es sich nur um ein Scheinverfahren gehandelt haben sollte; denn dann hat der Angeklagte dazu geholfen, daß die Dichter den Schein des Rechts für sich in Anspruch nehmen konnten. Damit wurde die Freiheitsberaubung erleichtert. Die innere Tatseite ist auch hinsichtlich der Dauer der Freiheitsentziehung einwandfrei festgestellt. Mit dem Vorbringen, daß der Angeklagte selbst von den Russen der Teilnahme an Massenerschießungen beschuldigt worden sei und sich deshalb in einer Zwangslage befunden habe, trägt der Beschwerdeführer neue Tatsachen vor, die das Revisionsgericht nicht berücksichtigen kann. Die Behauptung, daß Sc. tatsächlich Sabotage getrieben habe, steht in Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen.