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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 28.09.1966, Az.: 2 STR 203/66

Tenor

Die Revision des Vormundes des Angeklagten, Rechtsanwalt Siegfried H. in D., gegen das Urteil des Landgerichts in Düsseldorf vom 26. Januar 1966 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen; jedoch haftet er nur mit dem Vermögen des Angeklagten.

Entscheidungsgründe

Die Strafkammer hat den Angeklagten von dem Vorwurf, sich in zwei Fällen des Betruges im Rückfall schuldig gemacht zu haben, wegen möglicher Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen, jedoch seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet. Die vom Vormund des Angeklagten im eigenen Namen eingelegte Revision, die sich gegen die Anordnung der Unterbringung richtet, hat keinen Erfolg.

Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe dadurch, daß er einen Kraftdroschkenfahrer um 14 DM Fahrgeld und eine Kellnerin um die Zeche von 5,10 DM geprellt habe, in zwei Fällen den Tatbestand des Betruges im Rückfall verwirklicht, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die nach Anhörung von zwei Sachverständigen getroffene Feststellung, daß bei dem Angeklagten in beiden Fällen infolge von Geistesschwäche, die auf einer alkoholtoxisch bedingten Persönlichkeitsänderung beruht, mit Sicherheit die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB im Hinblick auf die zusätzlichen Wirkungen des beide Male genossenen Alkohols möglicherweise diejenigen des § 51 Abs. 1 StGB vorgelegen haben. Zu § 51 Abs. 2 StGB heißt es allerdings im Urteil, daß auch die Fähigkeit des Angeklagten, das Unerlaubte seiner Handlungen einzusehen, erheblich vermindert gewesen sei. Das läßt auf die irrige Meinung schließen, erheblich herabgesetzte Einsichtsfähigkeit rechtfertige die Anwendung dieser Vorschrift auch dann, wenn sie nicht das Fehlen der Einsicht zur Folge hatte (vgl. BGHSt 21, 27). Indessen lassen die Urteilsausführungen keinen Zweifel, daß die Zurechnungsfähigkeit jedenfalls deshalb erheblich vermindert war, weil das Hemmungsvermögen infolge der Geistesschwäche erheblich eingeschränkt war. Daß die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet werden darf, wenn mit Sicherheit die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB vorliegen, der Angeklagte aber nicht bestraft werden kann, weil die Zurechnungsfähigkeit möglicherweise ganz fehlt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGHSt 18, 167).

Auch die sonstigen Voraussetzungen des § 42 b StGB sind erfüllt.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, der Angeklagte sei nach dem Unterbringungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in eine Heilanstalt eingewiesen worden, trifft nach den Urteilsgründen nicht zu. Danach befindet er sich auf Anordnung des Vormundes in dem Rheinischen Landeskrankenhaus Langenfeld. Es bedarf daher keiner Stellungnahme des Senats zu den Entscheidungen BGHSt 12, 50 und 17, 123.

Die für eine Anordnung nach § 42 b StGB in der Rechtsprechung (BGHSt 20, 232) geforderte Verhältnismäßigkeit zwischen der Maßnahme und den ihr zugrunde liegenden Taten ist gewahrt. Der Fall liegt anders als der damals entschiedene, in dem der Beschuldigte nur zwei Notbetrugstaten begangen hatte; hier stehen zwei Fälle von Betrug im Rückfall in Frage.

Die besonderen Umstände rechtfertigen auch die Ansicht der Strafkammer, daß der Angeklagte eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Davon kann allerdings nicht gesprochen werden, wenn von einem geistig erkrankten Täter in Zukunft nur Belästigungen einzelner oder der Allgemeinheit zu befürchten sind. Es müssen nicht unerhebliche Angriffe auf strafrechtlich geschützte Güter zu erwarten sein. Zu den strafbaren Handlungen, die als bloße Belästigungen zu werten sind, hat der Bundesgerichtshof wiederholt auch kleine Zechprellereien gerechnet (vgl. die in LM Nr. 12 zu § 42 b StGB erwähnte Entscheidung des erkennenden Senats 2 StR 325/54 sowie Urteile vom 3. September 1957 - 5 StR 340/57 - und vom 18. August 1961 - 4 StR 290/61 -). Wie bereits der 1. Strafsenat im Urteil vom 20. Oktober 1964 - 1 StR 319/64 - dargelegt hat, ist damit indessen nicht ausgesprochen, daß bei Zechprellereien die Anwendung des § 42 b StGB niemals in Betracht komme. Die Rechtsprechung hat vielmehr stets anerkannt, daß auch der Hang zu kleinen Betrügereien die Gefährlichkeit des Täters begründen kann (HGSt 68, 98; RG DJ 1938, 1156; BGH Urteil vom 12. Dezember 1961 - 5 StR 509/61 -; vgl. auch BGHSt 1, 94, 102) [BGH 04.04.1951 - 1 StR 54/51]. Maßgebend ist die Gestaltung des Einzelfalles. Der Angeklagte ist nach den Urteilsfeststellungen seit 1956 außer wegen Hausfriedensbruchs, Widerstandes und Volltrunkenheit sechsmal wegen Betruges bestraft worden. Diesen Bestrafungen lagen zum Teil zahlreiche Zechprellereien sowie mehrere gegenüber Taxifahrern verübte Betrugstaten zugrunde. Der Angeklagte hat ferner noch weitere Zechprellereien begangen, die nicht abgeurteilt worden sind, und zwar in einem Fall noch nach den Taten, die Gegenstand des jetzigen Verfahrens sind. In Verbindung mit diesen Taten ergibt sich daraus die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der unheilbar dem Alkohol verfallene Angeklagte, wenn er dazu Gelegenheit hätte, auch in Zukunft fortgesetzt Betrügereien ähnlicher Art, darunter nicht nur solche ganz geringen Umfangs, begehen und dadurch den Rechtsfrieden erheblich stören, also die öffentliche Sicherheit gefährden würde. Von dieser Erwartung ist ersichtlich auch die Strafkammer ausgegangen.

Was schließlich die Notwendigkeit der angeordneten Maßnahme angeht, so hat die Strafkammer bedenkenfrei dargelegt, daß jedenfalls für die Dauer nur eine Maßnahme nach § 42 b StGB und nicht schon eine vom Vormund angeordnete Unterbringung, bei der Entlassung und Unterbrechung in dessen Ermessen stehen, der Allgemeinheit den erforderlichen Schutz bietet. Mit Recht hat sie hierbei insbesondere darauf hingewiesen, daß der Vormund wechseln kann. Eine freiwillige Unterbringung kann im übrigen nur im Einverständnis mit der Anstaltsleitung erfolgen und ist damit auch von deren Ermessen abhängig.