zurück zur Übersicht

Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 05.09.2012, Az.: 2 STR 242/12

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Mordes in Tateinheit mit Diebstahl und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt, den Angeklagten Ö. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen und mit Diebstahl, wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Betruges zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten und den Angeklagten K. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen und mit Diebstahl sowie wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und drei Monaten.

1. Die Schuldsprüche und Strafaussprüche enthalten im Ergebnis keine die Angeklagten belastenden Rechtsfehler. Die Revisionen der Angeklagten waren daher gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Zu erörtern ist nur Folgendes im Hinblick auf Fall 3 der Urteilsgründe:

Nach den Feststellungen kamen die zur Tatzeit 15-jährigen Angeklagten überein, den 45-jährigen obdachlosen Straßenmusiker, auf dessen Lagerplatz im Kurpark Wiesbaden sie am Abend des Tattags gegen 23.00 Uhr aufmerksam geworden waren, tätlich anzugreifen. Zuvor hatten sie den mit ca. 3,3 Promille Blutalkohol stark betrunkenen Geschädigten angesprochen und mit ihm in zunächst friedlicher Stimmung eine Zigarette geraucht. Es ging den Angeklagten darum, den Geschädigten zu verletzen und zusammenzuschlagen, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren und weil sie Freude daran hatten.

Die Angeklagten handelten dabei nach einem zwischen ihnen bei anderen Taten vereinbarten und üblichen Muster. Danach schlugen und traten die Angeklagten jeweils überraschend auf das Tatopfer ein, wobei vorher eine bestimmte Reihenfolge der Täter vereinbart wurde. Gegenüber dem Geschädigten V. ging es ihnen angesichts seiner augenscheinlichen Mittellosigkeit nicht um die Erlangung von Vermögensgegenständen, sondern allein um das mutwillige Zusammenschlagen des Opfers.

Die Angeklagten vereinbarten, dass der Angeklagte Ö. als erster zuschlagen solle. Sodann trat dieser dem Geschädigten völlig überraschend und unvermittelt seitlich in das Gesicht, so dass der am Boden sitzende Geschädigte nach hinten umfiel. Als er wieder in eine aufrechte Position gelangt war, trat der Angeklagte K. ihm mit dem Spann seines Fußes in das Gesicht. Der Geschädigte fiel nach hinten um und blieb reglos liegen; er blutete leicht aus der Nase.

Nun trat der Angeklagte H. an das Tatopfer heran und trat dem bewusstlos am Boden liegenden Geschädigten mit zwei Stampftritten in das Gesicht, wobei er den Tod des Opfers billigend in Kauf nahm. Ö. zog ihn von dem Geschädigten weg und fragte "Bist Du verrückt? Willst Du den etwa umbringen? Komm, wir gehen!" Gleichwohl trat der Angeklagte H. nochmals wuchtig von oben in das Gesicht des Tatopfers; er äußerte: "Das fühlt sich an wie Knete." Er hatte Spaß an dieser Ausübung von Gewalt und war von dem Gefühl der Macht über das Leben des Geschädigten fasziniert.

Alle drei Angeklagte trugen bei der Tat Sportschuhe.

Den Angeklagten war klar, dass der Geschädigte schwer verletzt war und sterben könne. Sie erkannten, dass das Tatopfer dringend ärztliche Hilfe benötigte, unterließen aber das Herbeirufen von Hilfe. Ob das Opfer sterben würde, war ihnen gleichgültig. Sie nahmen aufgrund eines neuen Tatentschlusses die Bauchtasche des Geschädigten mit 190 € Inhalt an sich und entfernten sich aus dem Park.

Durch die Tritte der Angeklagten Ö. und K. war der Geschädigte vermutlich bewusstlos geworden und lag hilflos auf dem Rücken. Da er nach dem Tritt des Angeklagten K. im Mund- oder Nasenraum blutete, bestand eine (abstrakte) Gefahr, dass er durch Einatmen von Blut zu Tode kommen konnte. Durch die Tritte des Angeklagten H. wurde der Gesichtsschädel des Tatopfers sodann weitgehend zerstört und zertrümmert.

Der Geschädigte verstarb jedenfalls vor 0.10 Uhr durch Blutaspiration nach multiplen Gesichtsfrakturen, die durch die Tritte des Angeklagten H. herbeigeführt wurden. Er hätte bereits an den ersten Tritten sterben können. Ob er durch Herbeirufen eines Notarztes zum Zeitpunkt des Weggehens der Angeklagten hätte gerettet werden können, konnte nicht sicher festgestellt werden.

2. Die Verurteilung des Angeklagten H. wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen ist rechtsfehlerfrei. Dass das Landgericht rechtsfehlerhaft das Mordmerkmal der Heimtücke abgelehnt hat (UA S. 71), beschwert den Angeklagten nicht. Heimtücke lag hier vor, denn schon die ersten, mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführten Tritte der Angeklagten Ö. und K. erfolgten heimtückisch und gingen in unmittelbarem Fortgang des gemeinschaftlichen Handelns in die mit Tötungsvorsatz ausgeführten Tritte des Angeklagten H. über (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 37 mwN). Auch das Fehlen der Prüfung des Mordmerkmals der Mordlust beschwert den Angeklagten nicht.

3. Auch die Zurechnung der Todesfolge gegenüber den Angeklagten Ö. und K. ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Unzutreffend ist allerdings die Erwägung des Landgerichts, ihnen sei die schwere Folge im Sinne von § 227 StGB deshalb zuzurechnen, weil schon ihre eigenen Tritte die (abstrakte) Gefahr einer Aspiration von Blut zur Folge gehabt hätten. Eine solche Gefahr hat das Landgericht aber nicht positiv festgestellt, sondern in Anlehnung an den Sachverständigen nur als Möglichkeit bezeichnet.

Die zum Tod führenden Exzesshandlungen des Angeklagten H. erfüllen aber, obgleich sie mit einem neuen, auf Tötung gerichteten Vorsatz dieses Angeklagten ausgeführt wurden, den für eine Zurechnung gemäß § 227 StGB erforderlichen spezifischen Unrechtszusammenhang. Denn es handelte sich insoweit nicht um die Eröffnung einer neuen Kausalkette aufgrund vorsätzlichen Dazwischentretens einer dritten Person (vgl. dazu Fischer aaO § 227 Rn. 5a f.); vielmehr hielt sich der Angeklagte H. mit seinen Handlungen jedenfalls im Grundsatz genau an den zuvor vereinbarten, von allen Angeklagten gebilligten Tatplan. Dieser bestand darin, dass jeder der drei Angeklagten das Tatopfer - in vorab vereinbarter Reihenfolge - durch Tritte massiv misshandeln und verletzen sollte. Hiervon ist der Angeklagte H. nicht in einer den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Weise abgewichen. Dass er in der Intensität seiner Handlungen und in seinem Vorsatz exzessiv über das Vereinbarte hinausging, haben sich die beiden Mitangeklagten jedenfalls im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfs zurechnen zu lassen. Ihre Verantwortlichkeit für die Todesfolge ergibt sich daher bereits aus der gemeinsamen Tatplanung; hinsichtlich des Exzesses von H. traf sie Fahrlässigkeit (§ 18 StGB).

4. Dass die Angeklagten Ö. und K. nur wegen versuchten Totschlags durch Unterlassen und nicht wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen verurteilt worden sind, beschwert sie nicht. Hinsichtlich des Angeklagten H. hat das Landgericht das Unterlassungsdelikt nicht geprüft. Dies erweist sich als im Ergebnis zutreffend, denn das Unterlassen der Hilfeleistung tritt gegenüber dem zuvor mit Tötungsvorsatz ausgeführten aktiven Delikt aus Konkurrenzgründen zurück.

5. Die Beurteilung der Konkurrenzen durch das Landgericht ist zum Teil widersprüchlich und nicht rechtsfehlerfrei. So hat das Landgericht abweichend vom Urteilstenor in den Urteilsgründen ausgeführt, der Diebstahl stehe in Tateinheit mit dem aktiven Tötungsdelikt und mit dem Unterlassungsdelikt. Dies kann im Hinblick auf die Verhängung von Einheitsjugendstrafen im Ergebnis dahinstehen und beschwert die Angeklagten jedenfalls nicht.