Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 19.05.2010, Az.: 2 STR 278/09
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten V. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, den Angeklagten L. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung,
Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, die Angeklagten Va. und K. jeweils wegen versuchten Totschlags ("durch Unterlassen") in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung ("durch Unterlassen"), zu Jugendstrafen von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben in dem in der Urteilsformel genannten Umfang Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet.
1. Der Verurteilung liegt eine Rache- und "Bestrafungs"-Aktion vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit der Beteiligten zu verschiedenen "Cliquen" in einem als sozialer Brennpunkt bekannten Stadtteil Kö. s am 25. April 2006 zugrunde.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beschlossen die damals 18 und 17 Jahre alten Angeklagten V. und L., dem Nebenkläger S. oder einem seiner Freunde einen "Denkzettel zu verpassen", weil sie sich - aus unterschiedlichen, eher belanglosen Anlässen - von diesen "beleidigt" und nicht genügend respektiert fühlten. Zur Unterstützung versicherten sie sich der Mithilfe der ebenfalls 17jährigen Angeklagten Va. und K.
Auf Vorschlag des Angeklagten Va. fuhren die Angeklagten, die den PKW des Vaters des Angeklagten V. nutzten, zur Wohnung von Va. und holten dort eine mit Gasmunition geladene Schreckschusspistole. V. und L. holten dann aus dem Keller der Familie V. eine MotorradAbdeckplane und aus dem Keller der Familie L. zwei Seile, einen Hammer, einen Benzinkanister und eine Tüte. Sodann holten sie Va. und K. ab; gemeinsam fuhren die Angeklagten zu einem Waldstück, das sie als Tatort vorgesehen hatten. Auf der Fahrt dorthin hielten sie an einer Tankstelle an, betankten das Fahrzeug und füllten in den Kanister etwa drei Liter Benzin; für die Tankkosten legten die Angeklagten das Geld zusammen. Allen Beteiligten war bekannt, dass die genannten Gegenstände mitgeführt wurden und dass sie zur Umsetzung des Plans eingesetzt werden sollten. Was genau insoweit zwischen den Angeklagten abgesprochen wurde, konnte das Landgericht nicht feststellen.
Die Angeklagten parkten das Fahrzeug am Waldrand und brachten die genannten Gegenstände zur Vorbereitung der Tat zu dem im Wald gelegenen späteren Tatort. V. fuhr dann allein in die Stadt zurück, um entweder den später Geschädigten, den Jugendlichen S., oder seinen Freund P. zu suchen und unter einem Vorwand zum Tatort zu bringen. Er traf schließlich auf S., gab vor, mit diesem etwas besprechen zu wollen, und brachte ihn zu dem Waldstück. Dort wurde S. von dem Angeklagten V. mit der Pistole bedroht, die er für eine scharfe Waffe hielt, von K. mit Gewalt aus dem Fahrzeug gezogen und in den Wald zum Tatort geführt. Dort zwang man ihn unter Drohungen, sich nackt auszuziehen und auf die Motorradplane zu legen. Die Angeklagten schlugen die Plane teilweise über den Körper des Tatopfers und banden sie mit Seilen locker zusammen. Der Geschädigte war extrem verängstigt und flehte die Angeklagten an, sie sollten ihm nichts tun; man könne sich doch einigen. Hierauf entgegnete V., es gebe nichts zu einigen.
L. holte nun den Benzinkanister aus dem Kofferraum des PKW und übergab ihn V. Dieser goss Benzin über den Körper des Geschädigten vom Hals bis zu den Füßen sowie über die Plane; sodann goss er eine vom Geschädigten wegführende Benzinspur auf den Boden. Ob während dieses Vorgangs Va. und K. riefen, V. soll aufhören, vermochte das Landgericht nicht sicher festzustellen, aber auch nicht auszuschließen. Auf Aufforderung des V. holte L. ein Feuerzeug herbei und übergab es an V. Dabei war ihm bewusst, dass V. beabsichtigte, das Opfer anzuzünden. V. bückte sich nun und setzte die Benzinspur in Brand. Dabei wollte er, dass der Geschädigte in Brand geriet; er hielt dessen Tod für möglich und nahm ihn billigend in Kauf. Er wusste, dass der Geschädigte schwere Verbrennungen erleiden würde, die zu dauerhaften Entstellungen führen würden.
Va., der zunächst auf die Benzinspur getreten war, sprang zurück, als V. diese anzündete. Auch die Angeklagten Va. und K. erkannten, dass der Geschädigte in Brand geraten und in Folge der dadurch erlittenen Verletzungen sterben könnte; dies nahmen sie billigend in Kauf. Sie nahmen als sicher an, dass der Geschädigte schwere, dauerhafte Entstellungen durch Brandverletzungen erleiden würde.
Der Geschädigte S. geriet, wie beabsichtigt, sogleich in Brand, insbesondere am Rücken und Gesäß, an den Beinen und am linken Arm. In Panik befreite er sich aus der nur lose zusammengebundenen Plane, lief schreiend umher, warf sich schließlich auf den Boden und wälzte sich hin und her. Hierdurch gelang es ihm, den größten Teil der Flammen zu löschen. Va. und K. sprangen nun hinzu und löschten die letzten Flammen.
Der Geschädigte stand nun auf und zog sich auf Geheiß V. s wieder an. Alle begaben sich zum Fahrzeug; der Geschädigte setzte sich auf den Rücksitz zwischen Va. und L., beim Einsteigen musste ihm Va. helfen. Auf der Fahrt in die Stadt stöhnte er vor Schmerzen. V. sagte zu ihm, er könne sich bei Va. und K. bedanken; er, V., hätte ihn brennen lassen. Er verlangte von S. die Bestätigung, dass er es ihm und seinen Freunden nun "gezeigt" habe. Weiterhin verlangte er von ihm die Zusicherung, von nun an 400 Euro pro Woche als "Schutzgeld" an ihn zu zahlen. Während der Unterhaltung schlug er nervös und aggressiv mit der Pistole auf das Armaturenbrett ein. Schließlich drohte er dem Geschädigten noch, dieser werde getötet, wenn er die Schutzgeldzahlung nicht erbringe oder wenn er von den Geschehnissen erzähle.
Die Angeklagten ließen den Geschädigten schließlich in unmittelbarer Nähe eines Kiosk aussteigen, an dem ihn V. zuvor getroffen hatte und an dem sich ein Cousin des Geschädigten noch immer aufhielt. Dieser brachte ihn, da es ihm zunehmend schlecht ging, in ein nahe gelegenes Krankenhaus; von dort wurde er sofort in ein Spezialkrankenhaus verlegt, wo er intensivmedizinisch behandelt wurde.
Die Verletzungen des Geschädigten waren unmittelbar lebensbedrohlich. Etwa 40 % seiner Körperoberfläche waren stark verbrannt. Er musste vielfach operiert werden und wurde zunächst etwa zwei Monate stationär behandelt. Er hat ein lang dauerndes schweres Durchgangssyndrom erlitten, das auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht gänzlich ausgeheilt war. Er ist durch starke Verbrennungsnarben dauerhaft entstellt, leidet unter Nervenschädigungen sowie verschiedenen Folgewirkungen des Ausfalls der Hautfunktionen.
Der Angeklagte L. hat zur Wiedergutmachung einen Betrag von 1.000 Euro an den Geschädigten gezahlt, der Angeklagte V. einen Betrag von 500 Euro. Der Geschädigte und seine Familie haben keine Bereitschaft gezeigt, mit den Familien der Angeklagten in Kontakt zu treten.
b) Das Landgericht hat aufgrund dieser Feststellungen angenommen, die Angeklagten V. und L. hätten sich des versuchten Totschlags in Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht. Der Angeklagte L. müsse sich die Tathandlungen des Angeklagten V. zurechnen lassen. Ein Rücktritt vom Versuch des Totschlags liege nicht vor, denn betreffend den Angeklagten V. seien "nicht einmal rudimentäre Rücktrittsbemühungen erkennbar" (UA S. 84). L. habe sich an den Hilfsbemühungen der Angeklagten Va. und K. nicht beteiligt. Er habe keine Anstrengungen unternommen, um den Geschädigten ärztlicher Hilfe zuzuführen (UA S. 85). Darüber hinaus seien die Angeklagten V. und L. der wissentlichen schweren Körperverletzung gem. § 226 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB schuldig.
Die Angeklagten Va. und K. hat das Landgericht jeweils des versuchten Totschlags durch Unterlassen für schuldig befunden. Eine Garantenstellung dieser Angeklagten habe sich durch die Mitwirkung an der Tatvorbereitung ergeben. Es sei erforderlich und ihnen möglich gewesen, den Angeklagten V. am Anzünden des Geschädigten zu hindern. Mittäterschaft liege nicht vor, da kein gemeinsamer Tatplan gegeben sei (UA S. 86).
Ein Rücktritt vom Versuch sei auch bei diesen Angeklagten nicht gegeben. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorgelegen habe, weil das Tatopfer die Flammen weitgehend selbst gelöscht habe. Jedenfalls liege ein beendeter Versuch vor, denn die Angeklagten hätten "alles Erforderliche getan, um den Tod des Geschädigten herbeizuführen. Weitere Handlungen waren nicht erforderlich" (UA S. 89 f.). Die Angeklagten "konnten ihre Augen nicht davon verschließen", dass der Geschädigte schwere Verbrennungen erlitten hatte (UA S. 90). Ein Rücktritt scheide aus, denn "ein strafbefreiender Rücktritt (erfordere) naturgemäß, dass es letztlich der Täter selber ist, der für die Rettung des Opfers willentlich zumindest mitursächlich ist" (UA S. 91). Den Angeklagten sei es aber nicht darum gegangen, "das Opfer um jeden Preis zu retten" (ebd.).
Auch die Angeklagten Va. und K. hat das Landgericht darüber hinaus jeweils der (wissentlichen) schweren Körperverletzung durch Unterlassen für schuldig befunden, den Angeklagten V. überdies der versuchten schweren räuberischen Erpressung in der Qualifikationsform des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB (UA S. 92). Alle Angeklagten hat es auch der tateinheitlich begangenen Nötigung und der Freiheitsberaubung für schuldig befunden.
2. Alle Revisionen sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich des objektiven Geschehensablaufs sowie gegen die Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung wenden. Hinsichtlich der Angeklagten V. und L. enthalten auch die Verurteilungen wegen versuchten Totschlags keine durchgreifenden Rechtsfehler, so dass sich die Revisionen insoweit im Ergebnis als unbegründet erweisen. Dagegen hat die Verurteilung der Angeklagten Va. und K. wegen versuchten Totschlags keinen Bestand.
a) Soweit das Landgericht bei allen Angeklagten bedingten Tötungsvorsatz festgestellt hat, begegnet dies im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei Vornahme offenkundig äußerst gefährlicher Gewalthandlungen das Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang so fern liegen, dass sich die Annahme bedingten Vorsatzes aufdrängt und eine nähere Erörterung in den Urteilsgründen nicht erforderlich ist. So lag es hier. Auch unter Berücksichtigung des Alters sowie des Bildungs- und Kenntnisstands der Angeklagten drängte sich die Lebensgefährlichkeit des Übergießens einer (zudem noch entkleideten und gefesselten) Person mit mehreren Litern Benzin und des Entzündens in einem solchen Maß auf, dass die Einlassung, auf einen "glücklichen Ausgang" oder gar darauf vertraut zu haben, es werde "nichts passieren", vom Tatrichter ohne Rechtsfehler als gänzlich fern liegend angesehen werden konnte (vgl. UA S. 70). Hinsichtlich des Angeklagten V. war insoweit auch seine nachträgliche Äußerung gegenüber dem Nebenkläger zu berücksichtigen, dieser könne sich (für sein Überleben) bei Va. und K. bedanken; hieraus erschließt sich unmittelbar, dass der Angeklagte die Todesgefahr zutreffend erkannt und ihre Verwirklichung jedenfalls in Kauf genommen hatte. Das gilt entsprechend auch für den Angeklagten L.
Bei den Angeklagten Va. und K. hat das Landgericht zwar den Umstand nicht ausdrücklich gewürdigt, dass diese Angeklagten möglicherweise versuchten, V. vom Inbrandsetzen der Benzinspur durch Zurufe abzuhalten; hieraus konnte geschlossen werden, dass sie zu diesem Zeitpunkt den Taterfolg nicht billigten. Im Ergebnis begegnet es aber keinen durchgreifenden Bedenken, wenn das Landgericht, soweit erkennbar, insoweit auf den Zeitpunkt unmittelbar nach diesen (halbherzigen) Bemühungen abgestellt hat. Denn als V. und L. trotz der Intervention der Angeklagten Va. und K. ihre Tathandlungen fortsetzten und diese es unterließen, dem wirksam entgegenzutreten, hatten sie die Möglichkeit schwerer und unter Umständen tödlicher Verletzungen erkannt. Dass der Tatrichter aus ihrer Untätigkeit auf ein billigendes Inkaufnehmen zu diesem Zeitpunkt geschlossen hat, ist eine mögliche, nicht rechtsfehlerhafte Schlussfolgerung. Soweit die Urteilsgründe eher auf Kriterien der Fahrlässigkeit abzustellen scheinen - etwa Erwägungen, ob die Angeklagten auf einen glücklichen Ausgang vertrauen "durften", was sich ihnen aufdrängen "musste", usw. (vgl. UA S. 71) -, handelt es sich dabei nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nur um Unklarheiten der Formulierung.
b) Die Erwägungen des Landgerichts zu einem möglichen Rücktritt vom Versuch sind nicht frei von Rechtsfehlern. Diese wirken sich allerdings für die Angeklagten unterschiedlich aus. Eine sich nach den Feststellungen aufdrängende Differenzierung zwischen den beiden Angeklagten V. und L. einerseits, die das Tötungsdelikt durch aktives Tun versucht haben, und den Angeklagten Va. und K. andererseits, die das Landgericht jeweils als Nebentäter durch Unterlassen angesehen hat, hat der Tatrichter zu Unrecht nicht vorgenommen. Die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts gem. § 24 StGB hat das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei erkannt.
aa) Die Erwägung, die Angeklagten V. und L. seien vom Versuch des Totschlags nicht zurückgetreten, weil V. "nicht einmal rudimentäre Rücktrittsbemühungen" habe erkennen lassen und sich L. nicht an den Rettungsversuchen von Va. und K. beteiligt habe (UA S. 84 f.), geht von einem falschen Ausgangspunkt aus. Auf Rücktrittsbemühungen im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 StGB kommt es nicht an, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (ständ. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 227; 44, 91, 94; BGH NStZ-RR 2006, 168; Fischer StGB 57. Aufl. § 24 Rn. 7 f. m.w.Nachw.). Das ist der Fall, wenn der Täter nach seiner letzten auf den Taterfolg gerichteten Ausführungshandlung erkennt, dass der Erfolg nicht eingetreten ist und mit nahe liegenden Mitteln ohne wesentliche Änderung des Tatplans und Begründung einer neuen Kausalkette auch nicht mehr verwirklicht werden kann. Für die Beurteilung kommt es daher im Ausgangspunkt auf die Sicht des Täters nach der (objektiv erfolglosen) Tathandlung an. Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. BGHSt 42, 158, 162; BGH NStZ 1989, 317, 318; Lilie/Albrecht in LK 12. Aufl., § 24 Rn. 400; Rudolphi in SK § 24 Rn. 27 d; Kudlich in SSW § 24 Rn. 57; Fischer aaO § 24 Rn. 40).
Auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts war hier hinsichtlich der Angeklagten V. und L. ein Fehlschlag des Versuchs gegeben. Ein Tatvorsatz dieser Angeklagter war jedenfalls in dem Moment gegeben, als der Angeklagte V. mit aktiver Unterstützung des Angeklagten L. dazu ansetzte, die Benzinspur und damit den Geschädigten in Brand zu setzen. Denn als in diesem Moment die weiteren Angeklagten Va. und K. darauf verzichteten, dem Handeln der beiden anderen Angeklagten ernsthaft und Erfolg versprechend entgegen zu treten, konnte V. zu Recht davon ausgehen, dass eine konkludente Billigung dieser Handlung und ihrer möglichen Folgen vorlag.
Dies änderte sich aber, nachdem der Geschädigte tatsächlich in Brand geraten war. Auch wenn nach den Feststellungen des Landgerichts die Angeklagten Va. und K. nur "die letzten Flammen" löschten, nachdem der Geschädigte brennend durch den Wald gelaufen, dann "zurückgekehrt" war und sich auf dem Boden wälzte, war doch für alle Beteiligten offensichtlich, dass ein zuvor durch Stillhalten zum Ausdruck gebrachtes Einverständnis dieser Angeklagten mit der möglichen Tötung des Geschädigten nicht mehr fortbestand. Dass er dies zutreffend erkannte, brachte auch die spätere Äußerung V. s zum Ausdruck, der Nebenkläger könne sich bei Va. und K. (für sein Überleben) bedanken. Die Angeklagten V. und L. konnten daher, wenn sie mit der Tötung des Geschädigten hätten fortfahren wollen, auf die Unterstützung der beiden anderen Täter nicht mehr rechnen; sie hätten daher, um den Erfolg - etwa durch Einsatz anderer Tatmittel - noch herbeizuführen, einen ganz neuen, abweichenden Tatplan entwickeln und umsetzen müssen, wobei sie unter Umständen mit Widerstand von Seiten der Mitangeklagten hätten rechnen müssen. Aus Sicht dieser beiden Täter stellte sich die bedingt vorsätzlich versuchte Tötung des Geschädigten daher als (endgültig) fehlgeschlagen im Rechtssinn dar. Auf eine Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch oder auf die Kausalität oder Ernsthaftigkeit späterer zur Rettung des Geschädigten führenden Handlungen kam es danach nicht mehr an.
Die Verurteilung dieser beiden Angeklagten wegen versuchten Tötungsdelikts erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend. Dass die Angeklagten nicht wegen versuchten Mordes - Verwirklichung der Mordmerkmale der Grausamkeit und der sonstigen niedrigen Beweggründe - verurteilt worden sind, beschwert sie nicht.
bb) Anders stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der Angeklagten Va. und K. dar. Auf der Grundlage seiner Feststellungen, insbesondere auch der Annahme, dass ein gemeinsamer Tatplan aller Angeklagten nicht festgestellt werden konnte, hat das Landgericht diese Angeklagten zutreffend nicht als Mittäter, sondern jeweils als Nebentäter eines versuchten Tötungsdelikts angesehen, das sie - als aufgrund vorangegangenen rechtswidrig gefahrbegründenden Tuns Garantenpflichtige - jeweils durch Unterlassen begangen haben. Für die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts kam es für sie daher nicht auf die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2, sondern auf die des § 24 Abs. 1 StGB an.
Für die Angeklagten Va. und K. lag nach dem Löschen des Brandes kein Fehlschlag des Versuchs vor. Die Feststellung, sie hätten nur "die letzten Flammen" gelöscht, ändert nichts daran, dass diese Angeklagten jedenfalls aktiv eingriffen und durch Löschen von Flammen den Erfolgseintritt verhinderten. Nach dem Ersticken des Brandes bestand für sie kein ersichtlicher Grund anzunehmen, sie könnten den ursprünglich in Kauf genommenen Taterfolg nicht mehr - im Zusammenwirken mit den anderen Angeklagten - herbeiführen. Die Frage, ob der Versuch fehlgeschlagen sei, konnte daher auch hier nicht offen gelassen werden (vgl. UA S. 89).
In einem zweiten Schritt kam es für die Frage, ob von den Tätern "Rücktrittsbemühungen" zu erwarten waren, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem (§ 24 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 StGB) und beendetem (§ 24 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2 StGB) Versuch an. Für die Abgrenzung ist nach ständiger Rechtsprechung und ganz h.M. auf den sog. "Rücktrittshorizont", also auf die subjektive Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten auf den Erfolg abzielenden Ausführungshandlung abzustellen (vgl. etwa BGH NStZ 2005, 263, 264); dieser ist unabhängig vom Tatplan (BGHSt 35, 92) und bedarf stets konkreter Feststellungen durch den Tatrichter (BGH StV 2003, 213 f.; vgl. Fischer aaO § 24 Rn. 15 ff. m.zahlr.Nachweisen zur Rspr.).
Das Landgericht hat zur Frage, ob ein beendeter Versuch vorgelegen habe, ausgeführt: "Va. und K. war bewusst, dass der Geschädigte in Lebensgefahr gerät, sobald V. das Benzin anzünden würde. Das aber haben sie zugelassen und damit alles Erforderliche getan, um den Tod des Geschädigten (...) herbeizuführen" (UA S. 89). Diese Erwägung stellt rechtsfehlerhaft nicht auf den Rücktrittshorizont ab, sondern folgt der früher vertretenen, vom Bundesgerichtshof aber seit langem aufgegebenen sog. "Tatplantheorie" und gelangt daher zu unzutreffenden Ergebnissen. Soweit das Landgericht im Folgenden wieder auf den Rücktrittshorizont abzustellen scheint, bleibt unklar, ob es die Situation beim Löschen der Flammen (UA S. 90) oder beim Absetzen in der Stadt (UA S. 91) prüft. Verfehlt ist die Annahme, die Anwendung des § 24 StGB setze "naturgemäß" voraus, dass der Täter selbst für die Rettung des Opfers ursächlich oder mitursächlich werde (UA S. 91). Dies gilt allenfalls beim beendeten Versuch, dessen Vorliegen das Landgericht nicht tragfähig begründet hat; es setzt im Übrigen entgegen der Annahme des Landgerichts auch nicht voraus, dass es dem Täter darauf ankommt, "das Opfer um jeden Preis zu retten" (vgl. BGHSt 48, 147 ff.).
Hier sprach etwa der Umstand, dass der Geschädigte nach dem Löschen der Flammen aufstand, sich selbst anzog und zum Fahrzeug ging und mit den Tätern in die Stadt zurückfuhr, ersichtlich gegen die Annahme, er werde infolge der Verbrennungen alsbald sterben. Dem steht nicht entgegen, dass er in erkennbar schlechter körperlicher Verfassung war und über Schmerzen klagte. Eine dramatische Verschlechterung trat - für Verbrennungsverletzungen typisch - nach den Feststellungen nicht sogleich, sondern erst ein, als die Angeklagten den Geschädigten bereits wieder abgesetzt hatten. Von vertieften Kenntnissen über typische Verläufe und spezifische Gefahren von Verbrennungsverletzungen konnte bei den jugendlichen und nur gering gebildeten Angeklagten nicht ausgegangen werden.
Gegen das Vorliegen eines beendeten Versuchs sprach - in der Rückschau - indiziell auch der Umstand, dass V. vom Geschädigten während des Zurückfahrens die Zusicherung verlangte, "von nun an wöchentlich" ein Schutzgeld zu zahlen und die Tat nicht anzuzeigen; überdies die Bestätigung, dass er es ihm und seiner Clique nun "gezeigt" habe. Es liegt auf der Hand, dass die Annahme, der Geschädigte werde versterben, sich nur schwer mit der Absicht vereinbaren lässt, von ihm dauerhaft Schutzgeld zu erpressen. Schließlich war auch die Tatsache, dass V. von dem Geschädigten verlangte, dieser solle sich bei den Mitangeklagten Va. und K. bedanken, denn er - V. - hätte ihn brennen lassen (das heißt: ihn nicht gerettet), ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Angeklagten schon zu dem Zeitpunkt, als sie sich entschlossen, den Nebenkläger in die Stadt zurück zu fahren, nicht mehr von der Möglichkeit seines Todes ausgingen. Während dies für die Angeklagten V. und L. aufgrund des bei ihnen gegebenen Fehlschlags des Versuchs für den Schuldspruch aber ohne Bedeutung ist - sie gaben nicht die Fortführung des (fehlgeschlagenen) Versuchs auf, sondern sahen (nur) von einer neuen Tat ab -, war aus Sicht der Angeklagten Va. und K. jeweils ein unbeendeter Versuch gegeben. Von diesem sind sie freiwillig und daher strafbefreiend zurück getreten.
Zum selben Ergebnis würde man im Übrigen auch dann gelangen, wenn man von diesen Angeklagten - wovon das Landgericht offenbar ausgegangen ist - positive Rettungsbemühungen verlangen würde. Denn dass die Angeklagten zunächst durch das (endgültige) Löschen des Brandes, sodann durch die Rückfahrt des Tatopfers in die Stadt "in unmittelbare Nähe" des Kiosk, an welchem der Geschädigte weitere Hilfe erlangte, kausal zur Erfolgsverhinderung beigetragen haben, steht außer Frage.
Die Verurteilung der Angeklagten Va. und K. wegen versuchten Tötungsdelikts erweist sich daher als rechtsfehlerhaft. Auf der Grundlage der insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen erscheint es ausgeschlossen, dass ein neuer Tatrichter zur Annahme eines Versuchs gelangen würde. Der Senat hat den Schuldspruch daher insoweit geändert.
3. Die Verurteilung aller vier Angeklagter wegen wissentlich schwerer Körperverletzung gem. § 226 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Var. 1 StGB ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Angeklagten V. und L. begegnet die Annahme von Wissentlichkeit keinen Bedenken. Das gilt selbst unter Berücksichtigung der von den Revisionen geltend gemachten jugendtypischen Verkennungen und eingeschränkten Kenntnisse über den Verlauf von Brandverletzungen. Dass ein Mensch, den man - in nacktem und teilweise gefesseltem Zustand - vom Hals bis zu den Füßen mit drei Litern Benzin übergießt und anzündet, schwere Verbrennungen mit dauerhaften, entstellenden Brandnarben erleiden wird, drängt sich auch dem Laien in einem solchen Maße auf und ist auch im sozialen Umfeld der Angeklagten als Allgemeinwissen derart verbreitet, dass das Landgericht für die Glaubhaftigkeit der Einlassung der Angeklagten, sie hätten mit einem solchen Ausgang nicht gerechnet, zu Recht keinen ernsthaften Anhaltspunkt gesehen hat.
Hinsichtlich der Angeklagten Va. und K. ist eine positive Kenntnis der zu erwartenden Verletzungsfolgen vom Landgericht nicht ausdrücklich festgestellt; der Tatrichter hat sie aber, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, ersichtlich als gegeben angesehen. Der Annahme von Wissentlichkeit auch bei diesen Angeklagten steht auch nicht entgegen, dass sie nach den Feststellungen möglicherweise versuchten, den Angeklagten V. vom Anzünden des Benzins durch Zurufe abzuhalten. Für das kognitive Element ihres Vorsatzes war dies von vornherein ohne Aussagekraft; im Gegenteil konnte es eher darauf hindeuten, dass ihnen die hohe Gefährlichkeit der Handlung gegenwärtig war. Aber auch dem voluntativen Vorsatzelement stand ein halbherzig durchgeführter Versuch, die anderen Täter zum Einhalten zu bewegen, nicht entgegen. Eine bloße innere Abkehr oder Distanzierung von einem als sicher erkannten Taterfolg vermag den (direkten) Tatvorsatz nicht aufzuheben.
4. Hinsichtlich der Angeklagten Va. und K. führt dies zur Änderung des Schuldspruchs, zur Aufhebung des Strafausspruchs und zur Zurückverweisung. Auch unter Berücksichtigung des im Jugendstrafrecht geltenden Erziehungsgrundsatzes lässt sich nicht ganz ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer für die Angeklagten noch günstigeren Rechtsfolge gelangt wäre.
Angesichts des Umstands, dass die Tat nunmehr schon sechs Jahre zurückliegt und das erste Urteil vor drei Jahren ergangen ist, bedarf die Sache nun besonders beschleunigter Behandlung. Der Justiz zuzurechnende Verzögerungen wird der neue Tatrichter zu kompensieren haben.
5. Die Revisionen der Angeklagten V. und L. waren als unbegründet zu verwerfen. Hinsichtlich dieser Angeklagten hatte der Senat jedoch die Nachteile auszugleichen, die sie durch die unangemessen lange, gegen Art. 6 Abs. 1 MRK verstoßende Dauer des Revisionsverfahrens erlitten haben; eine Verzögerung jedenfalls von sechs Monaten war auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Bearbeitungszeit vermeidbar und der Justiz zuzurechnen.
In Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten "Vollstreckungslösung" hat der Senat erkannt, dass von der gegen den Angeklagten V. verhängten Jugendstrafe und der gegen den Angeklagten L. verhängten Freiheitsstrafe jeweils ein Monat als vollstreckt anzusehen sind. Die kompensierende Anwendung des Vollstreckungsmodells ist auch bei Verhängung von Jugendstrafe grundsätzlich zulässig (vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. November 2008 - 3 StR 336/08, StV 2009, 80), jedenfalls wenn sie auf das Vorliegen besonders schwerer Schuld gem. § 17 Abs. 2 JGG gestützt ist.