Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 03.11.2011, Az.: 2 STR 302/11
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Begünstigung in zwei Fällen und wegen Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es dem Angeklagten für die Dauer von vier Jahren verboten, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben sowie als angestellter oder selbständiger Rechtsassessor oder in sonstiger Weise rechtsberatend tätig zu sein, soweit diese Tätigkeit mit einem persönlichen Kontakt mit Mandanten verbunden ist. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg; das Urteil war lediglich um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen.
Zu den Begünstigungstaten in den Fällen II. 1 und 3 hat das Landgericht Folgendes festgestellt: Der gesondert verfolgte P. fasste im Frühjahr 2008 den Entschluss, in betrügerischer Absicht über eine GmbH nicht existierende Solarmodule gegen Vorkasse zu verkaufen und die so erzielten Beträge für sich zu vereinnahmen. Er zahlte vorab 50.000 an den gesondert verfolgten Pu., der hierfür einen Scheingeschäftsführer und einen Firmenmantel beschaffen sollte. Pu. gewann zu diesem Zweck den arbeitslosen O. und sorgte dafür, dass dieser als Geschäftsführer der M. Haustechnik GmbH, einer reinen Briefkastenfirma, eingetragen wurde. Als Entgelt stellte Pu. O. einen Betrag von 30.000 bis 50.000 in Aussicht und zahlte vorab 15.000 an diesen. In der Zeit von Ende Juni bis 11. August 2008 nahm die M. Haustechnik GmbH Vorkassengelder in Höhe von über 1,5 Mio. ein, ohne die bestellten Solarmodule zu liefern.
Ende Juli/Anfang August 2008 wandte sich Pu. an den als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten, da er Bargeld von über 65.000 in der Schweiz "verstecken" wollte. Darunter befand sich u.a. der von P. erhaltene Tatlohn in Höhe von 35.000 (50.000 abzüglich der an O. gezahlten 15.000 ) aus den Betrugsgeschäften im Kontext der M. Haustechnik GmbH, den Pu. bei sich zu Hause aufbewahrt hatte. Der Angeklagte, dem die Herkunft der 35.000 bekannt war, begab sich am 19. August 2008 mit Pu. in die Schweiz und bereitete mit Unterstützung eines ihm bekannten Wirtschaftsprüfers die Gründung der N. Holding AG vor. Auf Anraten des Angeklagten eröffnete Pu. in der Schweiz ein Konto, zahlte das bei sich geführte Bargeld ein und überwies das Geld auf ein Konto der N. Holding AG als Stammkapital (Fall II. 1).
Im November 2008 ließ O. dem gesondert verfolgten Pu. über den Angeklagten ausrichten, dieser schulde ihm für seine Tätigkeit als "Strohmann" der Firma M. Haustechnik GmbH noch 35.000 . Pu. übergab dem Angeklagten daraufhin 1.000 als Anzahlung für O. . Hiervon händigte der Angeklagte O. 500 aus und behielt den Rest mit Wissen des O. als Entlohnung für seine anwaltliche Tätigkeit für sich. Zudem stellte er O. im Auftrag des Pu. als Tatentlohnung eine lebenslange monatliche Zahlung von 1.000 in Aussicht, um diesen so in Abhängigkeit von Pu. zu halten und von der Preisgabe der Straftaten des Pu. gegenüber den Ermittlungsbehörden abzuhalten. O. lehnte dies jedoch ab (Fall II. 3).
Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten in den Fällen II. 1 und 3 als Begünstigung in zwei Fällen gewertet, wobei es im Fall II. 3 zwei tateinheitlich begangene Fälle angenommen hat.
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist hinsichtlich der Begünstigung des O. im Fall II. 3 begründet; einer Änderung des Schuldspruchs bedarf es insoweit nicht, da das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung zweier Begünstigungstaten im Tenor nicht zum Ausdruck gebracht hatte. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zutreffend hat das Landgericht das Handeln des Angeklagten in den Fällen II. 1 und 3 als Begünstigung in zwei Fällen, jeweils begangen zugunsten des Pu., gewertet.
a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Fall II. 1 den Tatlohn in Höhe von 35.000 , den Pu. für seine Beteiligung an dem Betrug erhielt, als "Vorteil der Tat" im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB angesehen hat. Die Begünstigung (§ 257 StGB) verlangt, dass der Täter einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, diesem die Vorteile der Tat zu sichern. Nach dem Wortlaut der Strafnorm sind umfassend "Vorteile der Tat" erfasst. Er unterscheidet nicht zwischen Vorteilen "für" und "aus" der Tat, sondern beinhaltet jeglichen Vorteil, der sich im Zusammenhang mit der Tatbegehung ergibt. Nicht erforderlich ist danach, dass dieser "aus" der Tat resultiert. Gemessen hieran sind "Vorteile der Tat" nicht nur die Früchte der Vortat, hier also die von den Kunden der M. Haustechnik GmbH betrügerisch erlangten Gelder. Einen Vorteil im Sinne des § 257 StGB stellt vielmehr auch der (vorab) an einen Tatbeteiligten - wie vorliegend von P. an Pu. - gezahlte Tatlohn dar. Dem steht nicht entgegen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einschränkend verlangt wird, dass der Vorteil unmittelbar durch die Vortat erlangt ist (BGH, Urteil vom 16. Juni 1971 - 2 StR 191/71, BGHSt 24, 166, 168; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 117; BGH, Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 256/86, NStZ 1987, 22). Das Unmittelbarkeitserfordernis dient dazu, Ersatzvorteile (Vorteilssurrogate) auszuklammern (Walter in LK 12. Aufl. § 257 Rn. 31). Bei der Entlohnung für die Tatbeteiligung handelt es sich jedoch nicht um einen derartigen Ersatzvorteil; vielmehr ist auch der Tatlohn ein unmittelbarer "Vorteil der Tat" (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 3 StR 448/99, NStZ 2000, 259).
Dieses Ergebnis steht auch mit der Bestimmung des Rechtsguts der Begünstigung durch den Bundesgerichtshof in Einklang. Danach liegt das Wesen der Begünstigung in der Hemmung der Rechtspflege, die dadurch bewirkt wird, dass der Täter die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes verhindert, der sonst durch ein Eingreifen des Verletzten oder von Organen des Staates gegen den Vortäter wiederhergestellt werden könnte. Der Täter der Begünstigung beseitigt oder mindert die Möglichkeit, die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens durch ein Einschreiten gegen den Vortäter zu erreichen, das diesem den durch die Vortat erlangtem Vorteil wieder entziehen würde (st. Rspr., vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 16. November 1993 - 3 StR 458/93, NStZ 1994, 187, 188). Dieses trifft auch auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation zu. Der Täter der Begünstigung, der - wie hier - dem Vortäter den Tatlohn sichert, mindert die Möglichkeiten des durch die Vortat Geschädigten, im Wege des zivilrechtlichen Schadensersatzes - etwa gemäß §§ 823 ff. BGB - oder der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung gemäß § 73 StGB Schadenswiedergutmachung zu erlangen.
Die Vortat war auch - wie § 257 dies verlangt - zum Zeitpunkt des Hilfeleistens bereits begangen (vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 257 Rn. 4; Cramer in MünchKomm-StGB § 257 Rn. 7) und hatte dem Vortäter Vorteile erbracht. Der Angeklagte hat Pu. im Fall II. 1 die Vorteile der Tat in Höhe von 35.000 gesichert, indem er ihm am 19. August 2008 die Möglichkeit eröffnet hat, in der Schweiz die N. Holding AG zu gründen und die Summe dort als Stammeinlage einzubringen. Zum Zeitpunkt des Hilfeleistens des Angeklagten am 19. August 2008 waren die Betrugsstraftaten im Zusammenhang mit der M. Haustechnik GmbH, die in der Zeit von Ende Juni bis 11. August 2008 erfolgten, bereits begangen.
b) Im Fall II. 3 hat das Landgericht rechtlich bedenkenfrei eine Begünstigung des Pu. angenommen. Für diesen lag der Vorteil im Sinne des § 257 StGB ebenso wie im Fall II. 1 in dem vorab gezahlten Tatlohn von 35.000 .
Diese hat der Angeklagte - worauf die Strafkammer zutreffend abstellt - gesichert, indem er O. im Auftrag des Pu. 500 als erste Anzahlung auf den O. versprochenen (weiteren) Tatlohn übergeben hat. Durch die (zusätzliche) Verweisung des O. auf eine ratenweise Zahlung des Tatlohns sollte dieser in Abhängigkeit von Pu. gehalten und daran gehindert werden, die Straftaten des Pu. sowie den Verbleib der 35.000 gegenüber den Ermittlungsbehörden zu offenbaren.
2. Dagegen begegnet die - lediglich aus den Urteilsgründen, nicht jedoch aus dem Tenor ersichtliche - Annahme einer tateinheitlich verwirklichten Begünstigung zugunsten des O. im Fall II. 3 rechtlichen Bedenken. Soweit das Landgericht als Vorteil der Tat im Sinne des § 257 StGB das Versprechen des Pu. gegenüber O. angesehen hat, diesem für die Beteiligung an den Betrügereien im Kontext der M. Haustechnik GmbH einen Tatlohn von insgesamt 30.000 bis 50.000 zu zahlen, ist dies rechtlich unzutreffend. Zwar ist ein Vorteil im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB nicht nur ein Vermögensvorteil, sondern kann jede wirtschaftliche, rechtliche oder tatsächliche Besserstellung für den Täter sein (vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 257 Rn. 6; Walter in LK 12. Aufl. § 257 Rn. 25; Cramer in MünchKomm-StGB § 257 Rn. 10; Altenhain in NK-StGB 3. Aufl. § 257 Rn. 16). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch - wie unter II. 1 a) ausgeführt - Voraussetzung der Begünstigung, dass der Täter der Begünstigung gegenüber dem Verletzten der Vortat die Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung beseitigt oder mindert, die durch die Entziehung der erlangten Vorteile möglich wäre. Eine solche Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung ist bei der bloßen Aussicht auf Erlangung eines versprochenen Tatlohns jedoch nicht gegeben, da es sich nicht um einen entziehbaren Vorteil handelt. Ein solches Zahlungsversprechen ist gemäß § 134 BGB nichtig, führt zu keiner - auch nur wirtschaftlichen - Besserstellung und stellt daher keinen relevanten Tatvorteil im Sinne des § 257 StGB dar.
3. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne die Annahme einer tateinheitlich verwirklichten Begünstigung zugunsten des O. im Fall II. 3 eine niedrigere Einzelstrafe als die verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt hätte. Das Landgericht hat im Fall II. 3 die tateinheitlich angenommene Begünstigung zugunsten des O. nur eingeschränkt strafmildernd gewertet (UA S. 88) und die gleiche - moderate - Einzelstrafe verhängt wie im Fall II. 1.
4. Das Urteil war um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen. Nach Übersendung der Akten an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 28. Juni 2010 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Bis zur Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision am 19. Mai 2011 ist das Verfahren ohne sachlichen Grund nicht gefördert worden. Durch das Versäumnis ist eine der Justiz anzulastende, unangemessene Verfahrensverzögerung von etwa elf Monaten eingetreten. Diesen Umstand hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Verfahrensverzögerung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist und der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte (st. Rspr., vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 18. November 2008 - 1 StR 568/08, NStZ-RR 2009, 92).
Über die Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208, 209). Auf der Grundlage der Vollstreckungslösung (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, NJW 2008, 860) stellt der Senat fest, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.