Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 14.10.1952, Az.: 2 STR 339/52
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts in Hamburg vom 19. Februar 1952 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
In Nummer 18 vom 14. Oktober 1951 des 1. Jahrgangs der Wochenzeitung "Deutsche Opposition" erschien ein von dem Angeklagten verfasster Artikel mit der Ãberschrift: "Gralshüter der Demokratie" und dem Untertitel: "Das Problem der Rechtsunsicherheit, Korruption und Verrat in der Bundesrepublik". Nach Hinweis auf "Korruptionsaffären" hiess es: "Diese geistige und sittliche Anarchie ist auf folgende Kardinalfaktoren zurückzuführen: 1. ... 2. ... 3. auf die Erhebung von Eidbruch und Verrat zur sittlichen Tat im Rahmen der neudeutschen Staatsschöpfung".
Die Nummer 19 vom 21. Oktober 1951 enthielt einen weiteren Artikel, den der Angeklagte zwar nicht verfasst, den er aber redigiert hatte, mit der Ãberschrift: "Um ein neues Geschichtsbild". In diesem hiess es u.a.: "Wie eine frisch gestrichene Coca-Cola-Bude neben einem ausgebrannten, aber immer noch riesigen, im Grunde unverwüstlichen Bau aus 1200-jähriger deutscher Reichsgeschichte - so steht im deutschen Volksbewusstsein das Bonner Staatsgebilde neben dem von Ãbermacht zu Boden gedrückten Reiche".
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Verächtlichmachung der Bundesrepublik Deutschland in zwei Fällen verurteilt und die Auflagen der Nummer 18 und 19 der Zeitung eingezogen.
Entscheidungsgründe
Seine Revision rügt als Verfahrensmangel Verletzung der Aufklärungspflicht und fehlerhafte Anwendung des sachlichen Rechts. Sie ist unbegründet.
Zutreffend geht die Strafkammer bei der Würdigung der Veröffentlichungen davon aus, wie sie auf einen unbefangenen und unverbildeten Leser wirken und von ihm verstanden werden konnten (RGSt 65, 185, 189). Die Folgerung, ein solcher Leser werde die angegebene Stelle in dem Artikel vom 14. Oktober 1951 nur dahin verstehen, dass die "neudeutsche Staatsschöpfung", also die Bundesrepublik, auf die Erhebung von Eidbruch und Verrat zur sittlichen Tat begründet sei, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Keinen Rechtsirrtum zeigt auch die Annahme, dass durch diese Behauptung die Bundesrepublik verächtlich gemacht wird. Durch die Ungeheuerlichkeit des Vorwurfs wird sie als mit einem solchen Makel behaftet und auf unsittlichen Grundsätzen aufgebaut hingestellt, dass sie der Achtung der Staatsbürger unwert erscheinen muss. Das Vorbringen der Revision, diese Ausführungen hätten die Bundesrepublik nur vor der Gefahr schützen sollen, die darin liege, dass Eidbruch und Verrat zur sittlichen Tat erhoben und mit der neudeutschen Staatsschöpfung in Verbindung gebracht würden, ist neu und daher unbeachtlich.
Die Strafkammer hat nun zwar in das Urteil nicht den ganzen Wortlaut des in der Hauptverhandlung verlesenen Artikels aufgenommen. Wie sich jedoch aus den Ausführungen ergibt, hat sie nicht nur die beanstandete Stelle allein gewürdigt, sondern zu ihrer Auslegung den ganzen Artikel herangezogen. Im übrigen ist der Wortlaut der fraglichen Stelle so klar, dass er in einer Zweifel ausschliessenden Weise den verletzenden und herabsitzenden Charakter erkennbar macht.
Keinen Rechtsfehler zeigen auch die Ausführungen, dass die angeführte Stelle des zweiten Artikels in Nummer 19 einen Vergleich der Bundesrepublik mit einer "frisch gestrichenen Coca-Cola-Bude" enthalte und darin ein Verächtlichmachen liege. Das Vorbringen der Revision, der Angeklagte habe keine Gleichsetzung, sondern eine Verhältnisgleichung zum Ausdruck gebracht, ist richtig. Das Urteil trägt dem auch Rechnung. Es sieht rechtlich einwandfrei den Kernpunkt des Vergleichs in der dem Wort "Bude" anhaftenden Minderwertigkeit und Unfertigkeit, sowie in dem Vorwurf der unwürdigen Abhängigkeit der Bundesrepublik vom amerikanischen Kapitalismus (siehe auch RG 61, 151).
Der Ansicht, ein Verächtlichmachen im Sinne des § 96 StGB liege nur vor, wenn das Angriffsobjekt als den Anforderungen der Sittlichkeit nicht entsprechend hingestellt werde (LG Bremen MDR 51 S 757), kann nicht beigestimmt werden. Während in §§ 131, 186, 187 StGB, auf die sich diese Ansicht stützt, der Ausdruck "Verächtlichmachen" nur in Beziehung zum Behaupten oder Verbreiten von Tatsachen gesetzt ist, umfasst er in § 96 StGB gleich dem früheren § 5 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 25. März 1930 Ãusserungen jeder Art, auch solche von Werturteilen und formal herabsetzenden Kundgebungen. Schon sprachlich bedeutet Verächtlichmachen, etwas als verachtungswert hinstellen. Es muss demnach genügen, dass die Bundesrepublik als der Achtung der Staatsbürger unwert bezeichnet und als unwürdig hingestellt wird, sei es, weil sie mit einem sittlichen Makel behaftet sei oder die Achtung aus einem anderen Grunde nicht verdiene (RGSt 65, 185, 190; Stenglein; Strafrechtliche Nebengesetze Bd. II S 890; Cohn-Schäfer-Wichards, Republikschutzgesetz 1930 § 5 C 1).
Die Meinung, nur eine ernstliche Gefährdung des Staates in seiner verfassungsmässigen Ordnung könne die Anwendung des § 96 StGB rechtfertigen (MDR 51 S 758), findet im Gesetz keine Stütze. Dass die Vorschrift im Abschnitt der Staatsgefährdung eingefügt ist, besagt nicht, dass sie nur eine solche Beschimpfung oder Verächtlichmachung erfassen will, die den Bestand des Staates und seiner Verfassung tatsächlich gefährdet. Dies ergibt sich auch aus den §§ 95 Abs. 1, 96 Abs. 2 StGB. Das Gesetz setzt vielmehr nur voraus, dass die Ãusserung die Bundesrepublik in der bezeichneten Art und Weise angreift und sieht bereits in der Erfüllung dieser Tatbestände eine Gefahr. Im übrigen vermag der verfassungsmässigen Ordnung auch gerade die häufige Wiederholung von herabsetzenden Angriffen dadurch gefährlich zu werden, dass sie schliesslich bei der Bevölkerung allgemein den Eindruck hervorruft, die Bundesrepublik sei achtungswert.
Auch der innere Tatbestand ist in beiden Fällen gegeben. Das Urteil stellt fest, dass der Angeklagte bei beiden Veröffentlichungen auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Journalist sich voll bewusst war, die von ihm gewählten Worte würden auf einen unbefangenen Leser als ein Verächtlichmachen der Bundesrepublik und verhetzend wirken. Es stellt weiter fest, dass der Angeklagte aus einer feindseligen Einstellung gegen die Bundesrepublik heraus handelte, in der Absicht, gegen sie zu hetzen. Die Annahme, er habe böswillig gehandelt, begegnet hiernach keinen rechtlichen Bedenken (RGSt 66, 139).
Den zweiten Artikel hat der Angeklagte zwar nicht selbst verfasst, er hat ihn jedoch redigiert und damit als Mittäter gehandelt.
Die Revision trägt noch vor, das Gericht habe das böswillige Handeln festgestellt unter Verletzung seiner nach § 244 Abs. 2 StPO gegebenen Aufklärungspflicht, da es nicht die weiteren zur Verfügung gestellten Nummern der Zeitung zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht habe. Da die Rüge jedoch nicht die Tatsachen angibt, über die die Strafkammer noch Beweis hätte erheben sollen, ist sie unzulässig. Zudem war die Strafkammer schon zur Ãberzeugung gelangt, der Angeklagte habe böswillig gehandelt. Es bestand daher kein Anlass für sie, von Amts wegen weitere Beweise zu erheben.
Die Anordnung der Einziehung zeigt keinen Rechtsfehler.