Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 22.02.1967, Az.: 2 STR 35/67
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Wuppertal vom 3. Oktober 1966 aufgehoben. Der Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.
Entscheidungsgründe
Der Angeklagte, dem die Fahrerlaubnis bereits zweimal auf Lebenszeit entzogen worden war, stand wieder unter der Anklage, in Wuppertal ohne Führerschein gefahren zu sein. Aus der Untersuchungshaft hatte er seine Frau gebeten, seinem Verteidiger die Anschrift von vier Zeugen mitzuteilen, die bekunden sollten, daß er mit ihnen zur Tatzeit in der Gaststätte O. in W. gezecht habe (was nach den Feststellungen der Wahrheit entsprach).
Frau L. teilte dem Angeklagten mit, daß diese Zeugen nur gegen Geld zur Aussage bereit seien, daß sie aber Ersatz gefunden habe. Von sich aus nannte sie am 1. Juni 1964 dem Verteidiger den Zeugen Lu., der damals als Kraftfahrer bei dem Angeklagten beschäftigt war und bezeugen wollte, mit ihm in Düsseldorf gewesen zu sein. Der Anwalt beantragte noch an demselben Tag bei Gericht, den Zeugen zu diesem Thema zu laden. In Wahrheit war auch Lu. mit dem Angeklagten an dem Abend in der Gaststätte O. in W. zusammen gewesen. Am 3. Juni 1964 - fünf Tage vor der Haupt Verhandlung - besuchte Frau L. den Angeklagten im Gefängnis und erzählte ihm, Lu. sei der Ersatzzeuge, der bekunden werde, mit ihm in D. gewesen zu sein. Der Angeklagte erwiderte lediglich, das verstehe er nicht, da er doch nicht in D. gewesen sei. "Im übrigen" stimmte er der Benennung Lu. als Zeuge bei. Es war ihm auch lieb, daß Lu. zu seinen Gunsten unter Eid falsch auszusagen und so ein sicheres Alibi zu liefern bereit war. Er tat nichts, um die Ladung des Zeugen zurückzuziehen. Er tat auch in der Hauptverhandlung nichts, um die falsche Aussage zu verhindern und ließ es untätig geschehen, daß Lu. seine falsche Aussage beeidete.
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Meineid, begangen durch Nichtverhinderung der falschen Aussage (Unterlassung), verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Nach den Feststellungen scheidet Beihilfe durch tätiges Handeln wie auch durch Unterlassen pflichtgebotenen Tuns aus.
1.)Der Angeklagte hat weder vor noch in der Hauptverhandlung etwas getan, was unmittelbar oder mittelbar als Förderung des Meineids des Zeugen Lu. angesehen werden könnte; er hat nicht äußere Umstände günstiger gestaltet noch dem Meineid entgegenstehende Hindernisse beseitigt oder ferngehalten. Zwar hat er seiner Ehefrau gegenüber sein Einverständnis mit der Benennung Lu. als Zeugen zu erkennen gegeben. Aber diese bloße Billigung eines von einem anderen bereits unternommenen Schrittes kann nicht als Förderung des späteren Meineids durch tätiges Handeln gelten. Daß dem Angeklagten die Falschaussage lieb war, weil sie ein sicheres Alibi erbrachte, ist dafür bedeutungslos. Es kam insoweit auch nicht darauf an, daß Lu. selbst annahm, der Angeklagte sei mit der Falschaussage einverstanden; denn es ist nicht festgestellt, daß der Angeklagte diese Annahme bewußt durch tätiges Handeln herbeigeführt habe.
Schließlich wäre es nicht möglich, das Nichteingreifen des Angeklagten in der Hauptverhandlung als schlüssige, den Zeugen bestärkende Handlung anzusehen. Insoweit kann auf die Entscheidung BGHSt 4, 327, 329 [BGH 20.08.1953 - 1 StR 88/53] verwiesen werden. Eine Beihilfe durch positives Tun scheidet nach allem aus, wie die Strafkammer mit Recht angenommen hat.
2.)Aber auch eine Beihilfe durch Unterlassen pflichtgebotenen Tuns liegt nicht vor.
Die Strafkammer gründet die Rechtspflicht des Angeklagten, gegen die Falschaussage und den Meineid des Zeugen Lu. einzuschreiten, auf sein vorausgegangenes, nach ihrer Ansicht gefahrschaffendes Verhalten. Der Angeklagte habe bei dem Besuche seiner Frau durch seine "Reaktion" auf die Schilderung des von ihr Veranlaßten, nämlich durch die Kundgabe seines Einverständnisses mit der Benennung des Zeugen, diesen in eine besondere, dem Prozeß nicht mehr eigentümliche Gefahr der Falschaussage gebracht. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
Das nachträgliche bloße Einverständnis eines Angeklagten mit der Benennung eines zum Meineid bereiten Zeugen setzt diesen Zeugen im Strafprozeß keiner gesteigerten, nicht prozeßeigentümlichen Gefahr der Falschaussage und des Meineids aus. Eine Garantenstellung wird dadurch allein für den Angeklagten nicht begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Meineidsbeihilfe durch Unterlassen müssen vielmehr besondere, vom Angeklagten zu vertretende Umstände hinzukommen, um überhaupt eine Gefahrenlage im angedeuteten Sinne für den betreffenden Zeugen annehmen zu können, aus der sich dann die Rechtspflicht zur Verhinderung der Tat entnehmen ließe (vgl. BGHSt 17, 321, 323) [BGH 06.04.1962 - 4 StR 32/62]. Konkrete Umstände dieser Art sind nach der Sachverhaltsschilderung hier nicht gegeben. Die Einverständniserklärung gegenüber der Ehefrau, nachdem diese den Zeugen von sich aus benannt hatte, ist kein solcher Umstand. Lu. war entweder von vornherein Frau L. zuliebe bereit, falsch auszusagen oder war von Frau L. bereits dazu bestimmt worden. Seine Annahme, der Angeklagte sei mit seiner Falschaussage einverstanden, ist auch für die Beurteilung der hier zu entscheidenden Frage unerheblich.
Da von einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, und da auch sonst eine Grundlage für eine Pflicht des Angeklagten, gegen den Meineid einzuschreiten, nicht ersichtlich ist, war der Angeklagte aus Rechtsgründen freizusprechen.
Es bestand kein Anlaß, die notwendigen Auslagen des Angeklagten für seine Verteidigung der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO, § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft).