Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 25.06.2010, Az.: 2 STR 454/09
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte verfolgt mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision die Aufhebung des Urteils und seine Freisprechung. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Strafzumessung. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg, das der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte ist ein für den Fachbereich des Medizinrechts, insbesondere auf Palliativmedizin spezialisierter Rechtsanwalt. Er beriet seit 2006 die beiden Kinder der 1931 geborenen E. K., nämlich die ursprünglich Mitangeklagte G. und deren inzwischen verstorbenen Bruder P. K.
Frau K. lag seit Oktober 2002 nach einer Hirnblutung im Wachkoma. Sie war seither nicht ansprechbar und wurde in einem Altenheim in B. H. gepflegt und über einen Zugang in der Bauchdecke, eine sog. PEG-Sonde, künstlich ernährt. Frau K., der nach einer Fraktur im Jahr 2006 der linke Arm amputiert worden war, war im Dezember 2007 bei einer Größe von 1,59 m auf ein Gewicht von 40 kg abgemagert. Eine Besserung ihres Gesundheitszustands war nicht mehr zu erwarten.
Nachdem schon ihr Vater im Jahr 2002 eine Hirnblutung ohne schwerwiegende gesundheitliche Folgen erlitten hatte, hatte Frau G. ihre Mutter Ende September 2002 befragt, wie sie und ihr Bruder sich verhalten sollten, falls Frau K. etwas zustoßen sollte. Diese hatte darauf u.a. erwidert, falls sie bewusstlos werde und sich nicht mehr äußern könne, wolle sie keine lebensverlängernden Maßnahmen in Form künstlicher Ernährung und Beatmung, sie wolle nicht an irgendwelche "Schläuche" angeschlossen werden.
Zunächst war für Frau K. deren Ehemann als Betreuer bestellt und später zu dessen Unterstützung eine Berufsbetreuung eingerichtet worden. Die Berufsbetreuerin nahm seit Ende 2005 die Betreuung allein wahr, nachdem der Ehemann der Betreuten verstorben war. Frau G. teilte der Berufsbetreuerin im März 2006 mit, dass sie und ihr Bruder den Wunsch hätten, dass die Magensonde entfernt würde, damit ihre Mutter in Würde sterben könne. Hierbei berichtete Frau G. auch von dem mit ihrer Mutter im September 2002 geführten Gespräch, dessen Inhalt diese trotz der Bitte der Tochter, die Angelegenheit mit ihrem Ehemann zu besprechen und sodann schriftlich zu fixieren, nicht schriftlich niedergelegt hatte. Die Berufsbetreuerin lehnte die Entfernung der Magensonde unter Hinweis auf den ihr nicht bekannten mutmaßlichen Willen der Betreuten ab und blieb auch auf mehrere Interventionen des inzwischen mandatierten Angeklagten bei ihrer Ablehnung.
Der Angeklagte bemühte sich in der Folgezeit zusammen mit Frau G. und deren Bruder um die Einstellung der künstlichen Ernährung. Auf seinen Antrag wurden beide Kinder im August 2007 zu Betreuern ihrer Mutter bestellt. Der behandelnde Hausarzt unterstützte das Vorhaben der Betreuer, weil aus seiner Sicht eine medizinische Indikation zur Fortsetzung der künstlichen Ernährung nicht mehr gegeben war. Die Bemühungen stießen aber auf Widerstand bei Heimleitung und -personal. Nachdem auch eine ausdrückliche Anordnung des Arztes zur Einstellung der künstlichen Ernährung vom Pflegepersonal nicht befolgt worden war, schlug die Heimleiterin schließlich einen Kompromiss vor. Um den moralischen Vorstellungen aller Beteiligten gerecht zu werden, sollte sich das Personal nur noch um die Pflegetätigkeiten im engeren Sinn kümmern, während Frau G. und Herr K. selbst die Ernährung über die Sonde einstellen, die erforderliche Palliativversorgung durchführen und ihrer Mutter im Sterben beistehen sollten. Nach Rücksprache mit dem Angeklagten erklärten sich Frau G. und Herr K. hiermit einverstanden. Demgemäß beendete Frau G. am 20. Dezember 2007 die Nahrungszufuhr über die Sonde und begann, auch die Flüssigkeitszufuhr zu reduzieren.
Am nächsten Tag wies die Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens jedoch die Heimleitung an, die künstliche Ernährung umgehend wieder aufzunehmen. Frau G. und Herrn K. wurde ein Hausverbot für den Fall angedroht, dass sie sich hiermit nicht einverstanden erklären sollten. Darauf erteilte der Angeklagte ihnen am gleichen Tag telefonisch den Rat, den Schlauch der Sonde unmittelbar über der Bauchdecke zu durchtrennen, weil gegen die rechtswidrige Fortsetzung der Sondenernährung durch das Heim ein effektiver Rechtsschutz nicht kurzfristig zu erlangen sei. Nach seiner Einschätzung der Rechtslage werde keine Klinik eigenmächtig eine neue Sonde einsetzen, so dass Frau K. würde sterben können. Frau G. folgte diesem Rat und schnitt Minuten später mit Unterstützung ihres Bruders den Schlauch durch. Nachdem das Pflegepersonal dies bereits nach einigen weiteren Minuten entdeckt und die Heimleitung die Polizei eingeschaltet hatte, wurde Frau K. auf Anordnung eines Staatsanwalts gegen den Willen ihrer Kinder in ein Krankenhaus gebracht, wo ihr eine neue PEG-Sonde gelegt und die künstliche Ernährung wieder aufgenommen wurde. Sie starb dort am 5. Januar 2008 eines natürlichen Todes auf Grund ihrer Erkrankungen.
Das Landgericht hat das Handeln des Angeklagten am 21. Dezember 2007 als einen gemeinschaftlich mit Frau G. begangenen versuchten Totschlag durch aktives Tun gewürdigt, der weder durch eine mutmaßliche Einwilligung der Frau K. noch nach den Grundsätzen der Nothilfe oder des rechtfertigenden Notstandes gerechtfertigt sei. Auch auf einen entschuldigenden Notstand könne sich der Angeklagte nicht berufen. Soweit er sich im Erlaubnisirrtum befunden habe, sei dieser für ihn als einschlägig spezialisierten Rechtsanwalt vermeidbar gewesen.
Die Mitangeklagte G. hat das Landgericht freigesprochen, weil sie sich angesichts des Rechtsrats des Angeklagten in einem unvermeidbaren Erlaubnisirrtum befunden und deshalb ohne Schuld gehandelt habe.
I. Die Revision des Angeklagten
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des Angeklagten. Die Annahme des Landgerichts, das Verhalten des Angeklagten P. und das ihm nach § 25 Abs. 2 StGB zurechenbare, auf seinen Rat hin erfolgte Durchtrennen des Versorgungsschlauchs der PEG-Sonde durch die frühere Mitangeklagte G. seien als versuchter Totschlag weder durch Einwilligung noch auf Grund des Eingreifens sonstiger Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt, hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Eine ausdrückliche rechtliche Würdigung des Geschehens, welches den der Verurteilung zugrunde gelegten Tathandlungen vorausging, hat das Landgericht nicht vorgenommen. Seine Ansicht, dass die vom Heimbetreiber beabsichtigte Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung gegen den Willen der Betreuer und des behandelnden Arztes ein rechtswidriger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen gewesen wäre, setzt jedoch voraus, dass die vorausgehende Beendigung der Ernährung rechtmäßig war. Davon ist das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen.
a) Bereits mit Urteil vom 13. September 1994 (1 StR 357/94 = BGHSt 40, 257, 261) hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs über einen Fall des Abbruchs der künstlichen Ernährung bei einer irreversibel schwerst hirngeschädigten, entscheidungsunfähigen Patientin im Zusammenwirken von deren zum Pfleger bestellten Sohn und dem behandelnden Arzt entschieden. Da die Grunderkrankung - wie im vorliegenden Fall - noch keinen unmittelbar zum Tod führenden Verlauf genommen hatte, lag, wie der 1. Strafsenat festgestellt hat, kein Fall der so genannten "passiven Sterbehilfe" nach den Kriterien der damaligen "Richtlinien für die Sterbehilfe" der Deutschen Ärztekammer vor (vgl. Deutsches Ärzteblatt 1993 B-1791 f.). Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof erkannt, "dass angesichts der besonderen Umstände des hier gegebenen Grenzfalls ausnahmsweise ein zulässiges Sterbenlassen durch Abbruch einer ärztlichen Behandlung oder Maßnahme nicht von vornherein ausgeschlossen (sei), sofern der Patient mit dem Abbruch mutmaßlich einverstanden ist. Denn auch in dieser Situation ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu achten, gegen dessen Willen eine ärztliche Behandlung grundsätzlich weder eingeleitet noch fortgesetzt werden darf" (BGHSt 40, 257, 262).
In seinem Beschluss vom 17. März 2003 (XII ZB 2/03 - BGHZ 154, 205 = NJW 2003, 1588), der den Fall eines an einem apallischen Syndrom leidenden Patienten betraf, hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs allerdings entschieden, das Unterlassen lebenserhaltender oder -verlängernder Maßnahmen bei einem einwilligungsunfähigen Patienten setze voraus, dass dies dessen tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen entspreche und dass die Grunderkrankung einen "irreversibel tödlichen Verlauf" angenommen habe. Hieraus ist in der Literatur vielfach abgeleitet worden, zwischen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehe in der Frage der Zulässigkeit so genannter "passiver Sterbehilfe" eine Divergenz (vgl. etwa Höfling/Rixen JZ 2003, 884, 885 ff.; Ingelfinger JZ 2006, 821; Otto NJW 2006, 2217, 2218 f.; Saliger MedR 2004, 237, 240 f.; Sternberg-Lieben in FS für Eser (2005) S. 1185, 1198 ff.; Verrel, Gutachten zum 66. DJT, 2006, C 43 ff.). Diese Ansicht bestand auch fort, nachdem der XII. Zivilsenat in einem Kostenbeschluss vom 8. Juni 2005 (XII ZR 177/03 - BGHZ 163, 195 = NJW 2005, 2385) entschieden hatte, ein Heimbetreiber sei zur Fortsetzung einer künstlichen Ernährung bei einem entscheidungsunfähigen, an einem apallischen Syndrom leidenden Patienten gegen dessen durch den Betreuer verbindlich geäußerten Willen nicht berechtigt und das Vormundschaftsgericht zu einer Entscheidung nicht berufen, wenn Betreuer und Arzt sich übereinstimmend gegen eine weitere künstliche Ernährung entschieden hatten; der Eintritt in eine mutmaßlich unmittelbar zum Tod führende Phase der Grunderkrankung war danach nicht vorausgesetzt.
Die hierdurch in der öffentlichen Wahrnehmung entstandene Unsicherheit über Voraussetzungen und Reichweite der Erlaubnis, eine lebenserhaltende medizinische Behandlung auf Grund des Patientenwillens zu beenden, ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2286) jedenfalls insoweit beseitigt worden (näher dazu unten), als es nach § 1901a Abs. 3 BGB nicht (mehr) auf Art und Stadium der Erkrankung ankommt.
b) Allerdings war, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, die Beendigung der künstlichen Ernährung durch Unterlassen bzw. Reduzierung der Zufuhr kalorienhaltiger Flüssigkeit durch die frühere Mitangeklagte und ihren Bruder schon auf der Grundlage des zur Tatzeit geltenden Rechts zulässig, denn die anerkannten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Behandlungsabbruch durch so genannte "passive Sterbehilfe" lagen vor. Dabei kam es hier nicht auf einen - im Einzelfall möglicherweise schwer feststellbaren (vgl. BGHSt 40, 257, 260 f.) - mutmaßlichen Willen der Betroffenen an, da ihr wirklicher, vor Eintritt ihrer Einwilligungsunfähigkeit ausdrücklich geäußerter Wille zweifelsfrei festgestellt war. Zwischen den Betreuern und dem behandelnden Arzt bestand überdies Einvernehmen, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung dem Willen der Patientin entsprach. Unter diesen Voraussetzungen durfte die Fortsetzung der künstlichen Ernährung unterlassen werden, ohne dass eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich oder veranlasst gewesen wäre.
c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht daher angenommen, dass die von der Heimleitung angekündigte Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung einen rechtswidrigen Angriff gegen die körperliche Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Patientin dargestellt hätte. Nach der schon zur Tatzeit ganz herrschenden Rechtsauffassung verliehen weder der Heimvertrag noch die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) der Heimleitung oder dem Pflegepersonal das Recht, sich über das Selbstbestimmungsrecht von Patienten hinwegzusetzen und eigenmächtig in deren verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf körperliche Unversehrtheit einzugreifen (vgl. BGHZ 163, 195, 200; Dirksen GesR 2004, 124, 128; Höfling JZ 2006, 145, 146; Hufen NJW 2001, 849, 853; ders. ZRP 2003, 248, 252; Ingelfinger JZ 2006, 821, 829; Lipp FamRZ 2004, 317, 324; Müller DNotZ 2005, 927, 928 f.; Sternberg-Lieben in FS für Eser (2005) S. 1185, 1203; Uhlenbruck NJW 2003, 1710, 1711 f.; Verrel, Gutachten zum 66. DJT, 2006, C 41 ff.; Wagenitz FamRZ 2005, 669, 670 f.; anders noch OLG München NJW 2003, 1743, 1745; LG Traunstein NJW-RR 2003, 221, 224).
2. Zutreffend hat das Landgericht die Frage verneint, ob die der Verurteilung zugrunde gelegten Handlungen des Angeklagten und der früheren Mitangeklagten, mit denen die rechtswidrige Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung und der hierin liegende Angriff auf die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht verhindert werden sollten, schon nach den Regeln der Nothilfe (§ 32 StGB) gerechtfertigt waren. Zwar lag, wie sich aus Vorstehendem ergibt, eine Notwehrlage im Sinne von § 32 StGB vor, welche den Angeklagten und die Betreuerin zur Nothilfe gem. § 32 Abs. 2 StGB berechtigt hätte. Die Verteidigungshandlungen richteten sich hier aber nicht oder nicht allein gegen Rechtsgüter des Angreifers (Sachbeschädigung durch Zerschneiden des Schlauchs), sondern vor allem gegen ein höchstrangiges, anderes Rechtsgut der Angegriffenen selbst. Der Eingriff in das Rechtsgut Leben der angegriffenen Person kann aber ersichtlich nicht durch Nothilfe gegen einen Angriff auf das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht derselben Person gerechtfertigt sein. Er bedurfte als selbständige Rechtsgutsverletzung vielmehr einer eigenen, von der Nothilfelage unabhängigen Legitimation.
Auch eine Rechtfertigung aus dem Gesichtspunkt des Notstands gem. § 34 StGB scheidet, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend gesehen hat, vorliegend schon deshalb aus, weil sich der Eingriff des Angeklagten hier gegen das höchstrangige Rechtsgut (Leben) derjenigen Person richtete, welcher die gegenwärtige Gefahr (für die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Selbstbestimmungsrechts) im Sinne von § 34 StGB drohte (a.A. Otto, Gutachten zum 56. DJT, 1986, D 44 ff.; Merkel ZStW Bd. 107 (1995) S. 454, 570 f.; ders., Früheuthanasie (2000) S. 523 ff.; Neumann NK-StGB vor § 211 Rn. 127; H. Schneider in MüKo-StGB vor §§ 211 ff. Rn. 111 f.; Chr. Schneider, Tun und Unterlassen beim Abbruch lebenserhaltender medizinischer Behandlung 1998 S. 242 ff.). Eine Entschuldigung gem. § 35 StGB oder aus dem Gesichtspunkt des "übergesetzlichen" Notstands scheidet ebenfalls aus.
3. Eine Rechtfertigung für die Tötungshandlung konnte sich daher hier allein aus dem von den Kindern der Frau K. als deren Betreuern geltend gemachten Willen der Betroffenen, also ihrer Einwilligung ergeben, die künstliche Ernährung abzubrechen und ihre Fortsetzung oder Wiederaufnahme zu unterlassen.
Im Unterschied zu den bislang vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen weist der vorliegende die Besonderheit auf, dass die die Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung verhindernde, direkt auf die Lebensbeendigung abzielende Handlung der früheren Mitangeklagten, die dem Angeklagten vom Landgericht rechtsfehlerfrei als eigene Handlung gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet worden ist, nach den allgemeinen Regeln nicht als Unterlassen, sondern als aktives Tun anzusehen ist. Für diesen Fall ist eine Rechtfertigung direkt lebensbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der "Sterbehilfe" von der Rechtsprechung bisher nicht anerkannt worden. Hieran hält der Senat, auch im Hinblick auf die durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2286) geänderte zivilrechtliche Rechtslage, nicht fest.
a) Der Gesetzgeber hat den betreuungsrechtlichen Rahmen einer am Patientenwillen orientierten Behandlungsbegrenzung durch Gesetz vom 29. Juli 2009 - so genanntes Patientenverfügungsgesetz - (BGBl I 2286) festgelegt. Das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz hatte vor allem auch zum Ziel, Rechts- und Verhaltenssicherheit zu schaffen (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/13314 S. 3 f. und 7 f.). Maßstäbe für die gesetzliche Neuordnung waren zum einen das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Person, welches das Recht zur Ablehnung medizinischer Behandlungen und gegebenenfalls auch lebensverlängernder Maßnahmen ohne Rücksicht auf ihre Erforderlichkeit einschließt, zum anderen der ebenfalls von der Verfassung gebotene Schutz des menschlichen Lebens, der unter anderem in den strafrechtlichen Normen der §§ 212, 216 StGB seinen Ausdruck findet.
In Abwägung dieser Grundsätze hat der Gesetzgeber des Dritten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes nach umfassenden Beratungen und Anhörungen unter Einbeziehung einer Vielzahl von Erkenntnissen und Meinungen unterschiedlichster Art entschieden, dass der tatsächliche oder mutmaßliche, etwa in konkreten Behandlungswünschen zum Ausdruck gekommene Wille eines aktuell einwilligungsunfähigen Patienten unabhängig von Art und Stadium seiner Erkrankung verbindlich sein und den Betreuer sowie den behandelnden Arzt binden soll (§ 1901a Abs. 3 BGB; vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 16/8442 S. 11 f.; Diederichsen in Palandt BGB 69. Aufl. § 1901a Rn. 16 ff. u. 29). Eine betreuungsgerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit für Entscheidungen über die Vornahme, das Unterlassen oder den Abbruch medizinischer Maßnahmen ist auf Fälle von Meinungsdivergenzen zwischen Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigtem über den Willen des nicht selbst äußerungsfähigen Patienten oder über die medizinische Indikation von Maßnahmen beschränkt (§ 1904 Abs. 2 und 4 BGB). Die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB enthalten zudem betreuungsrechtliche Verfahrensregeln zur Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Betreuten (vgl. dazu Diederichsen aaO Rn. 4 ff. u. 21 ff.; Diehn/Rebhan NJW 2010, 326; Höfling NJW 2009, 2849, 2850 f.).
b) Diese Neuregelung entfaltet auch für das Strafrecht Wirkung. Allerdings bleiben die Regelungen der §§ 212, 216 StGB von den Vorschriften des Betreuungsrechts unberührt, welche schon nach ihrem Wortlaut eine Vielzahl weit darüber hinaus reichender Fallgestaltungen betreffen und auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht etwa strafrechts-spezifische Regeln für die Abgrenzung erlaubter Sterbehilfe von verbotener Tötung enthalten (vgl. BT-Drucks. 16/8442 S. 7 f. u. 9). Im Übrigen ergibt sich schon aus dem grundsätzlich schrankenlosen und die unterschiedlichsten betreuungsrechtlichen Fallgestaltungen erfassenden Wortlaut des § 1901a BGB selbst, dass die Frage einer strafrechtlichen Rechtfertigung von Tötungshandlungen nicht nur als zivilrechtsakzessorisches Problem behandelt werden kann. Wo die Grenze einer rechtfertigenden Einwilligung verläuft und der Bereich strafbarer Tötung auf Verlangen beginnt, ist, ebenso wie die Frage nach der Reichweite einer eine Körperverletzung rechtfertigenden Einwilligung (§ 228 StGB), eine strafrechtsspezifische Frage, über die im Lichte der Verfassungsordnung und mit Blick auf die Regelungen anderer Rechtsbereiche, jedoch im Grundsatz autonom nach materiell strafrechtlichen Kriterien zu entscheiden ist (ebenso Verrel, Gutachten zum 66. DJT, (2006) C 34 ff. und 57 ff.; vgl. auch AE-Sterbebegleitung GA 2005, 533, 564; a.A. Lipp FamRZ 2004, 317; Neumann/Saliger HRRS 2006, 280, 284; offengelassen für das frühere Betreuungsrecht von Bernsmann ZRP 1996, 87, 90). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte diese Grenze durch die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB nicht verschoben werden (BT-Drucks. 16/8442 S. 9). Die §§ 1901a ff. BGB enthalten aber auch eine verfahrensrechtliche Absicherung für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts von Patienten, die selbst zu einer Willensäußerung nicht (mehr) in der Lage sind. Sie sollen gewährleisten, dass deren Wille über den Zeitpunkt des Eintritts von Einwilligungsunfähigkeit hinaus gilt und beachtet wird. Diese Neuregelung, die ausdrücklich mit dem Ziel der Orientierungssicherheit für alle Beteiligten geschaffen wurde, muss unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung (vgl. Reus JZ 2010, 80, 83 f.) bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von kausal lebensbeendenden Handlungen berücksichtigt werden.
4. Das Landgericht hat eine Rechtfertigung des Angeklagten und der Mittäterin durch Einwilligung der betroffenen Patientin abgelehnt, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen einer nach bisherigem Recht zulässigen so genannten passiven Sterbehilfe durch Unterlassen der weiteren künstlichen Ernährung nicht vorgelegen haben; es hat das Durchtrennen des Schlauchs der PEG-Sonde als aktives Handeln gewertet und deshalb der Einwilligung der Patientin eine rechtfertigende Wirkung abgesprochen.
a) Diese Ansicht entspricht der bisher in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung, wonach zwischen (unter bestimmten Bedingungen) erlaubter "passiver" und "indirekter" sowie stets verbotener "aktiver" Sterbehilfe zu unterscheiden sei (vgl. hierzu allgemein: Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. Vorbem. §§ 211 ff. Rn. 21 ff.; Fischer StGB 57. Aufl. vor §§ 211-216 Rn. 16 ff.; Otto NJW 2006, 2214 ff.; Roxin in Roxin/ Schroth Handbuch des Medizinstrafrechts 4. Aufl. S. 83 ff.; Chr. Schneider, Tun und Unterlassen beim Abbruch lebenserhaltender medizinischer Behandlung, 1998 S. 33 ff.; H. Schneider in MüKo-StGB vor §§ 211 ff. Rn. 88 ff.; Schöch in FS für Hirsch (1999) S. 693 ff.; Schreiber NStZ 2006, 473, 474 ff.; Schroth GA 2006, 549 ff.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis 4. Aufl. (2008) S. 336, Rn. 275 ff., alle mwN; vgl. auch Sterbehilfe und Sterbebegleitung, Bericht der Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz v. 23. April 2004 S. 64 ff.). Das bloße Einstellen künstlicher Ernährung ist danach schon wegen seines äußeren Erscheinungsbildes, jedenfalls aber nach dem Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens, nicht als aktives Tun, sondern als Unterlassen und damit als "passives" Verhalten angesehen worden (BGHSt 40, 257, 265 f.; vgl. dazu auch Coeppicus FPR 2007, 63; Eser aaO Rn. 27 ff.; Fischer aaO Rn. 19 ff.; Rn. 92 u. 104 ff.; Helgerth JR 1995, 338, 339; Kutzer NStZ 1994, 110, 113 f.; ders. FPR 2007, 59, 62; Merkel ZStW Bd. 107 (1995), 545, 554; H. Schneider aaO; Schöch NStZ 1995, 153, 154; Schroth GA 2006, 549, 550 ff.; Verrel, Gutachten zum 66. DJT, 2006, C 13 ff. u. C 56 f.; Vogel MDR 1995, 337, 338 f.; Weigend in LK 12. Aufl. § 13 Rn. 8; jew. mwN; grundlegend dazu schon Geilen, "Euthanasie" und Selbstbestimmung, 1975, S. 22 ff.). Eine zulässige "passive Sterbehilfe" setzt auf der Grundlage dieser Differenzierung nach bisher herrschender Meinung deshalb stets ein Unterlassen im Rechtssinn (§ 13 StGB) voraus; aktives Handeln im natürlichen Sinne soll danach stets als rechtswidriges Tötungsdelikt im Sinne der §§ 212, 216 StGB strafbar sein (vgl. Helgerth JR 1995, 338, 339).
b) An diesem an den äußeren Erscheinungsformen von Tun und Unterlassen orientierten Kriterium für die Abgrenzung zwischen gerechtfertigter und rechtswidriger Herbeiführung des Todes mit Einwilligung oder mutmaßlicher Einwilligung des betroffenen Patienten hält der Senat nicht fest.
aa) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich in der Vergangenheit selbst auch nicht durchgängig hieran orientiert, denn ein pflichtwidriges Unterlassen kann den Tatbestand des § 216 StGB ebenfalls erfüllen (BGHSt 13, 162, 166; 32, 367, 371). Schon dies zeigt, dass die Kriterien für die Abgrenzung zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten nicht allein in der äußerlichen Handlungsqualität gefunden werden können. Zwar unterscheidet das Gesetz zwischen dem pflichtwidrigen Unterlassen einer erfolgsabwendenden Handlung und dem aktiv erfolgsverursachenden Tun grundsätzlich wertungsmäßig, da es in § 13 Abs. 2 StGB für den Fall der Erfolgsverursachung durch Unterlassen eine fakultative Strafmilderung bereit hält (vgl. Kargl GA 1999, 459 ff.; Ulsenheimer aaO S. 336). Diese generelle Differenzierung lässt jedoch gleichzeitig die Möglichkeit offen, Tun und Unterlassen wertungsmäßig gleich zu gewichten und damit auch gleich zu behandeln, wenn der zugrunde liegende Lebenssachverhalt dies erfordert.
bb) Die Grenze zwischen erlaubter Sterbehilfe und einer nach den §§ 212, 216 StGB strafbaren Tötung kann nicht sinnvoll nach Maßgabe einer naturalistischen Unterscheidung von aktivem und passivem Handeln bestimmt werden. Die Umdeutung der erlebten Wirklichkeit in eine dieser widersprechende normative Wertung, nämlich eines tatsächlich aktiven Verhaltens, etwa beim Abschalten eines Beatmungsgeräts, in ein "normativ verstandenes Unterlassen" - mit dem Ziel, dieses Verhalten als "passive Sterbehilfe" rechtlich legitimieren zu können - ist in der Vergangenheit zu Recht auf Kritik gestoßen und als dogmatisch unzulässiger "Kunstgriff" abgelehnt worden (vgl. etwa Fischer StGB 57. Aufl. vor §§ 211-216 Rn. 20; Gropp in GS für Schlüchter (2002) S. 173, 184; Hirsch in FS für Lackner (1987) S. 597, 605; Kargl GA 1999, 459, 478 ff.).
Eine solche wertende Umdeutung aktiven Tuns in ein normatives Unterlassen wird den auftretenden Problemen nicht gerecht. Ein "Behandlungsabbruch" erschöpft sich nämlich nach seinem natürlichen und sozialen Sinngehalt nicht in bloßer Untätigkeit; er kann und wird vielmehr fast regelmäßig eine Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen umfassen, deren Einordnung nach Maßgabe der in der Dogmatik und von der Rechtsprechung zu den Unterlassungstaten des § 13 StGB entwickelten Kriterien problematisch ist und teilweise von bloßen Zufällen abhängen kann. Es ist deshalb sinnvoll und erforderlich, alle Handlungen, die mit einer solchen Beendigung einer ärztlichen Behandlung im Zusammenhang stehen, in einem normativ-wertenden Oberbegriff des Behandlungsabbruchs zusammenzufassen, der neben objektiven Handlungselementen auch die subjektive Zielsetzung des Handelnden umfasst, eine bereits begonnene medizinische Behandlungsmaßnahme gemäß dem Willen des Patienten insgesamt zu beenden oder ihren Umfang entsprechend dem Willen des Betroffenen oder seines Betreuers nach Maßgabe jeweils indizierter Pflege- und Versorgungserfordernisse zu reduzieren (zum Begriff des "tätigen Behandlungsabbruchs" vgl. schon Jähnke in LK-StGB 11. Aufl. vor § 211 Rn. 18; ähnl. Roxin in Roxin/Schroth Handbuch des Medizinstrafrechts 4. Aufl. S. 94 f.; vgl. § 214 AE-Sterbehilfe 1986 und § 214 AE-Sterbebegleitung GA 2005, 552, 560 f. sowie Nr. II u. III der Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung, Fassung 2004). Denn wenn ein Patient das Unterlassen einer Behandlung verlangen kann, muss dies gleichermaßen auch für die Beendigung einer nicht (mehr) gewollten Behandlung gelten, gleich, ob dies durch Unterlassen weiterer Behandlungsmaßnahmen oder durch aktives Tun umzusetzen ist, wie es etwa das Abschalten eines Respirators oder die Entfernung einer Ernährungssonde darstellen. Dasselbe gilt, wenn die Wiederaufnahme einer dem Patientenwillen nicht (mehr) entsprechenden medizinischen Maßnahme in Rede steht (so etwa Eser in Schönke/Schröder/Eser StGB 27. Aufl. vor § 211 Rn. 31 f.; Roxin NStZ 1987, 345, 350; LG Ravensburg NStZ 1987, 229), die verhindert werden soll.
cc) Da eine Differenzierung nach aktivem und passivem Handeln nach äußerlichen Kriterien nicht geeignet ist, sachgerecht und mit dem Anspruch auf Einzelfallgerechtigkeit die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer eine Rechtfertigung des Handelns durch den auf das Unterlassen oder den Abbruch der medizinischen Behandlung gerichteten Willen des Patienten anzuerkennen ist, müssen andere Kriterien gelten, anhand derer diese Unterscheidung vorgenommen werden kann. Diese ergeben sich aus den Begriffen der "Sterbehilfe" und des "Behandlungsabbruchs" selbst und aus der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Ordnung.
Der Begriff der Sterbehilfe durch Behandlungsunterlassung, -begrenzung oder -abbruch setzt voraus, dass die betroffene Person lebensbedrohlich erkrankt ist und die betreffende Maßnahme medizinisch zur Erhaltung oder Verlängerung des Lebens geeignet ist. Nur in diesem engen Zusammenhang hat der Begriff der "Sterbehilfe" einen systematischen und strafrechtlich legitimierenden Sinn. Vorsätzliche lebensbeendende Handlungen, die außerhalb eines solchen Zusammenhangs mit einer medizinischen Behandlung einer Erkrankung vorgenommen werden, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung dagegen von vornherein nicht zugänglich; dies ergibt sich ohne Weiteres aus § 216 und § 228 StGB und den diesen Vorschriften zugrunde liegenden Wertungen unserer Rechtsordnung.
Eine durch Einwilligung gerechtfertigte Handlung der Sterbehilfe setzt überdies voraus, dass sie objektiv und subjektiv unmittelbar auf eine medizinische Behandlung im oben genannten Sinn bezogen ist. Erfasst werden hiervon nur das Unterlassen einer lebenserhaltenden Behandlung oder ihr Abbruch sowie Handlungen in der Form der so genannten "indirekten Sterbehilfe", die unter Inkaufnahme eines möglichen vorzeitigen Todeseintritts als Nebenfolge einer medizinisch indizierten palliativen Maßnahme erfolgen.
Das aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitete Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen legitimiert die Person zur Abwehr gegen nicht gewollte Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit und in den unbeeinflussten Fortgang ihres Lebens und Sterbens; es gewährt ihr aber kein Recht oder gar einen Anspruch darauf, Dritte zu selbständigen Eingriffen in das Leben ohne Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung zu veranlassen. Eine Rechtfertigung durch Einwilligung kommt daher nur in Betracht, wenn sich das Handeln darauf beschränkt, einen Zustand (wieder-)herzustellen, der einem bereits begonnenen Krankheitsprozess seinen Lauf lässt, indem zwar Leiden gelindert, die Krankheit aber nicht (mehr) behandelt wird, so dass der Patient letztlich dem Sterben überlassen wird. Nicht erfasst sind dagegen Fälle eines gezielten Eingriffs, der die Beendigung des Lebens vom Krankheitsprozess abkoppelt (vgl. zu dieser Unterscheidung auch Höfling JuS 2000, 111, 113; Verrel, Gutachten zum 66. DJT, 2006, C 64).
Eine solche Unterscheidung nach den dem Begriff des Behandlungsabbruchs immanenten Kriterien der Behandlungsbezogenheit und der Verwirklichung des auf die Behandlung bezogenen Willens der betroffenen Person ist besser als die bisherige, dogmatisch fragwürdige und praktisch kaum durchführbare Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Handeln geeignet, dem Gewicht der betroffenen Rechtsgüter in der Abwägung Geltung zu verschaffen und für alle Beteiligten eine klare rechtliche Orientierung zu bieten.
Die tatbestandlichen Grenzen des § 216 StGB bleiben hierdurch unberührt. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers des Dritten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, wonach Handlungen, die der Ablehnung einer medizinischen Maßnahme oder der Untersagung ihrer Fortführung durch den betroffenen Patienten Rechnung tragen, von einer Tötung auf Verlangen i.S.d. § 216 StGB strikt zu unterscheiden sind (vgl. BT-Drucks. 16/8442 S. 3, 7 f.).
dd) Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten beweismäßig strenge Maßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter Rechnung zu tragen haben (vgl. schon BGHSt 40, 257, 260 f.). Dies hat insbesondere zu gelten, wenn es beim Fehlen einer schriftlichen Patientenverfügung um die Feststellung eines in der Vergangenheit mündlich geäußerten Patientenwillens geht. Die Verfahrensregeln der §§ 1901a ff. BGB, insbesondere das zwingend erforderliche Zusammenwirken von Betreuer oder Bevollmächtigtem und Arzt sowie gegebenenfalls die Mitwirkung des Betreuungsgerichts, sichern die Beachtung und Einhaltung dieser Maßstäbe.
c) Die Anwendung der oben dargelegten Grundsätze einer Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs ist nicht auf das Handeln der den Patienten behandelnden Ärzte sowie der Betreuer und Bevollmächtigten beschränkt, sondern kann auch das Handeln Dritter erfassen, soweit sie als von dem Arzt, dem Betreuer oder dem Bevollmächtigten für die Behandlung und Betreuung hinzugezogene Hilfspersonen tätig werden. Dies folgt schon daraus, dass sich ein Behandlungsabbruch in der Regel nicht in einzelnen Handlungen oder Unterlassungen erschöpft, sondern unter Umständen ein Bündel von meist palliativmedizinischen Maßnahmen erfordert, die nicht notwendig vom behandelnden Arzt selbst vorgenommen werden müssen.
5. Ob der Senat mit der dargelegten Auslegung des § 216 StGB und der Inhaltsbestimmung des Rechtfertigungsgrunds der Einwilligung im Rahmen der Sterbehilfe von früheren tragenden Entscheidungen anderer Senate des Bundesgerichtshofs abweicht, kann dahinstehen, weil der Senat auf der Grundlage der neuen gesetzlichen Regelung der §§ 1901a ff. BGB zu entscheiden hatte; eine Anfrage gem. § 132 Abs. 3 GVG war daher nicht geboten (vgl. BGHSt 44, 121, 124; BGH NStZ 2002, 160 f.). Wäre nach der Rechtslage vor dem 1. September 2009 das Handeln des Angeklagten nicht gerechtfertigt gewesen, so wäre die Rechtsänderung jedenfalls gemäß § 2 Abs. 3 StGB und § 354a StPO zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
6. Der Angeklagte hat als von den Betreuern der Frau K. hinzugezogener und sie beratender Rechtsanwalt ebenso wenig rechtswidrig gehandelt wie die Betreuer selbst. Er war deshalb gemäß § 354 Abs. 1 StPO durch den Senat freizusprechen.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Die allein gegen die Strafzumessung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist nach alledem unbegründet und war deshalb zu verwerfen.