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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 11.11.1987, Az.: 2 STR 506/87

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 1987 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

soweit die Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt;

im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Die Kosten des Verfahrens und die der Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen werden insoweit der Staatskasse auferlegt.

Die weitergehende Revision wird verworfen. In diesem Umfang trägt die Angeklagte die Kosten des Verfahrens und die ihr erwachsenen notwendigen Auslagen.

Entscheidungsgründe

Am 28. Februar 1986 beging die frühere Mitangeklagte D. eine schwere räuberische Erpressung, indem sie eine Angestellte eines Drogeriemarktes mit der Waffe bedrohte und dadurch veranlaßte, ihr eine Umhängetasche mit den in einer Geldbombe verschlossenen Tageseinnahmen in Höhe von 3.899,26 DM auszuhändigen. Die Strafkammer konnte nicht aufklären, ob die Angeklagte Z. an dem Überfall beteiligt war. Auch zu dem Geschehen nach dem Überfall konnte sie keine eindeutigen Feststellungen treffen. Auf Grund der unterschiedlichen Angaben der Angeklagten Z. und der früheren Mitangeklagten D. hielt sie zwei unterschiedliche Geschehensabläufe für möglich:

Entweder fuhren die beiden Frauen nach dem Überfall zur Wohnung der früheren Mitangeklagten D., wo letztere sich nur kurz aufhielt, ohne sich noch um die Tasche mit der Geldbombe zu kümmern, und dann von der Angeklagten Z. zu einem Lokal gefahren wurde; oder die frühere Mitangeklagte D. fuhr, nachdem sie den Überfall allein verübt hatte, sogleich zu ihrer Wohnung und zeigte der Angeklagten Z. die Geldbombe mit dem Bemerken, sie könne sie nicht öffnen. Nachdem der Angeklagten die Öffnung gelungen war, teilte man die Beute hälftig auf und legte beide Teile in einen kleinen Safe, der der Angeklagten D. gehörte.

Das Landgericht ist zugunsten der früheren Mitangeklagten Denkert vom ersten und zugunsten der Angeklagten Z. vom zweiten Geschehensablauf ausgegangen.

Die Mitangeklagte D. kam erst spät in der Nacht stark betrunken wieder nach Hause, stand am späten Vormittag des nächsten Tages auf, und wurde noch an diesem Tage bei einer Gegenüberstellung als Täterin identifiziert und alsbald verhaftet, während die Angeklagte Z. am gleichen Tage wieder entlassen wurde und in die Wohnung der Angeklagten D. zurückkehrte. Dort hat sie - nach Überzeugung des Landgerichts - das gesamte Geld aus dem Safe genommen und für sich verbraucht.

Die Strafkammer hat die Angeklagte Z. deshalb wegen Hehlerei und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung und von weiteren Vorwürfen hat es sie freigesprochen.

Die Revision der Angeklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Diebstahls richtet. Insoweit ist das Verfahren einzustellen. Damit entfällt auch die Gesamtstrafe.

Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1.Die Verurteilung wegen Diebstahls ist aufzuheben und das Verfahren insoweit einzustellen, weil diese der Angeklagten angelastete Tat nicht Gegenstand der Anklage und des Eröffnungsbeschlusses ist. Nachtragsanklage wurde ebenfalls nicht erhoben. Der Angeklagten war vorgeworfen worden, sich an der schweren räuberischen Erpressung als Mittäterin beteiligt zu haben. Eine spätere Wegnahme des von der früheren Mitangeklagten beanspruchten Beuteanteils betrifft ein anderes Geschehen und ist nicht Teil der Tat im Sinne von § 264 StPO, die in der Anklage beschrieben und als schwere räuberische Erpressung bewertet wurde.

2.a)Anders verhält es sich mit dem Vorwurf der Hehlerei. Ihm liegt hier ein Geschehen zugrunde, nämlich die Aufteilung der Beute unmittelbar nach der schweren räuberischen Erpressung, das mit dem in der Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis einen einheitlichen Vorgang bildet (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Januar 1976 - 1 StR 624/75). In dem die Mittäterschaft an der schweren räuberischen Erpressung kennzeichnenden Anklagesatz ist unter anderem ausgeführt:"Die Beute verbrachte die Angeschuldigte D. in die gemeinsam bewohnte Wohnung H.staße ... zu der Angeschuldigten Z., die während des Raubüberfalles die Beaufsichtigung des zwei Monate alten Säuglings der Angeschuldigten D. übernommen hatte. Den Hauptanteil der Beute erhielt die Angeschuldigte Z., ..."

b)Die Feststellung des Landgerichts, daß die Angeklagte Z. nur auf Grund eines der beiden oben geschilderten Geschehensabläufe in den Besitz des Geldes gekommen ist und daß eine dritte Möglichkeit ausscheidet, ist rechtsfehlerfrei getroffen worden.

Auf der Grundlage dieser Feststellung ist die Verurteilung wegen Hehlerei an der Hälfte der Beute im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Sie scheitert nicht daran, daß nicht eindeutig feststeht, ob die Angeklagte als Mittäterin an der räuberischen Erpressung beteiligt war, denn jedenfalls steht eindeutig fest, daß die Angeklagte die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Geld von der früheren Mitangeklagten D. erhalten hat. Entweder hat Frau D., nach der gemeinsam geplanten Tat, bei der sich die Angeklagte im Fluchtauto befand, die Tasche mit der Geldbombe bei der Angeklagten (in der Wohnung) zurückgelassen, ohne sich weiter um das Geld zu kümmern, oder die Beute wurde, nachdem Frau D. die Tat allein begangen hatte, in der Wohnung zwischen ihr und der Angeklagten aufgeteilt. Frau D. hatte in jedem Fall das Geld vorher allein durch schwere räuberische Erpressung an sich gebracht. Damit hat die Angeklagte - gleichgültig von welcher Sachverhaltsalternative man ausgeht - das Geld von einem anderen erhalten, der es durch eine Straftat, wie sie § 259 StGB voraussetzt, erlangt hatte. Die beiden Sachverhaltsalternativen unterscheiden sich lediglich dadurch, daß die Angeklagte bei Annahme der ersten Alternative durch weitere Handlungen so in das Geschehen verstrickt war, daß sie als Mittäterin an der schweren räuberischen Erpressung zu bestrafen wäre. In diesem Fall käme allerdings eine weitere Verurteilung wegen Hehlerei nicht in Betracht. Sie scheidet jedoch nicht schon dann aus, wenn weitere Handlungen, die zu einer Bestrafung wegen einer der in § 259 StGB genannten Vortaten führen müßten, nicht bewiesen, sondern lediglich möglich sind. Denn in jedem Fall steht hier ein Sachverhalt fest, der die Verurteilung wegen einer auf die schwere räuberische Erpressung folgenden "Nachtat" rechtfertigt. Ungewiß ist lediglich, ob die Angklagte (auch) an der Vortat beteiligt war. In derartigen Fällen ist eine eindeutige Verurteilung - sog. Postpendenzfeststellung - geboten (vgl. hierzu

Hruschka JZ 1970, 637, 640 f.; NJW 1971 1392 f.; Rudolphi SK-StGB, Anhang zu § 55 Rdn. 24, 25; Küper in Festschrift für Richard Lange S. 65 ff.).

Die Ansicht, ein Mittäter könne tatbestandlich nicht erster Hehler sein (BGHSt 7, 134, 137), steht der Annahme eines Postpendenzverhältnisses zwischen der Vortat und der Hehlerei im vorliegenden Falle nicht im Wege. Daß die Angeklagte selbst dann, wenn sie Mittäterin der schweren räuberischen Erpressung gewesen wäre, faktisch auch alle Tatbestandsmerkmale der Hehlerei erfüllt hätte, wurde bereits dargelegt. Die Tatbestandsmäßigkeit ihres Handelns könnte insoweit allein mit der Begründung verneint werden, daß ihr, obgleich sie selbst nicht an der Ausführung der schweren räuberischen Erpressung beteiligt war und die Verfügungsgewalt an dem Geld erst von Frau D. erhalten hat, deren Handlungen rechtlich wie eigene Handlungen zugeordnet werden; sie würde dann im Ergebnis so behandelt, als habe sie die Ausführungshandlungen selbst begangen.

Wird auf diese Weise eine Einheit zwischen unterschiedlichen Handlungen von Mittätern hergestellt, dann hat jeder Mittäter die Sache bereits durch die Vortat erlangt und kann sie nicht "tatbestandsmäßig" im Wege derivativen Erwerbs vom Mittäter erhalten. Ein solches Ergebnis ist jedoch Folge einer rechtlichen Konstruktion, die den tatsächlichen Geschehensablauf nicht verändert, sondern ihn lediglich für den faktisch an der Ausführung der Vortat nicht beteiligten Mittäter rechtlich als tatbestandsmäßiges Handeln bewertet. Dabei muß jedoch beachtet werden, daß es ein und dieselbe Bewertung ist, durch die einerseits ein sonst nicht tatbestandsmäßiges Handeln im Bereich der Vortat zur Tatbestandsmäßigkeit erhoben wird und andererseits ein sonst tatbestandsmäßiges Tun im Bereich der Nachtat diese Eigenschaft verliert.

Kann - aus welchen Gründen auch immer - ein faktisch nicht tatbestandsmäßiges Mitwirken an der Vortat rechtlich nicht als feststehendes tatbestandsmäßiges Handeln bewertet werden, dann kann die Tatbestandsmäßigkeit des Nachtatverhaltens auch nicht entfallen. Es behält seine ursprüngliche Bedeutung; es bleibt hier Hehlerei. Das gilt, wenn einem Angeklagten nicht Mittäterschaft, sondern lediglich Beihilfe an der Vortat nachzuweisen ist, aber auch, wenn - wie im vorliegenden Falle - die Beteiligung in der einen oder anderen Form fraglich ist.