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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 17.03.1995, Az.: 2 STR 84/95

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 10. Oktober 1994, soweit es ihn betrifft,

dahin geändert, daß der Angeklagte unter Aufhebung der entsprechenden Verurteilung vom Vorwurf der Beihilfe zum Raub freigesprochen wird und die insoweit entstandenen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden,

im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub, Urkundenfälschung und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich seine Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechtes rügt.

1.Das Rechtsmittel ist offensichtlich unbegründet, soweit es dem Schuldspruch wegen Urkundenfälschung und Hehlerei gilt (§ 349 Abs. 2 StPO). Dieser Teil, des Schuldspruchs weist keine Rechtsfehler auf.

2.Die Revision hat dagegen Erfolg, soweit sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen Beihilfe zum Raub wendet. Von diesem Vorwurf ist er freizusprechen.

a)Hierzu hat das Landgericht im wesentlichen folgendes festgestellt: Der Angeklagte, der Mitangeklagte W. und dessen damalige Lebensgefährtin J. hatten auf einer gemeinsamen Fahrt in die Niederlande, die der Beschaffung von Heroin dienen sollte, mit dem von W. gestohlenen PKW einen Unfall erlitten. Der Zeuge We., der mit seinem PKW Peugeot 205 D unterwegs war, bemerkte dies, hielt an, um Hilfe zu leisten, und fand sich bereit, die drei Personen in seinem Wagen ein Stück mitzunehmen. Während W. auf dem Beifahrersitz Platz nahm, setzten sich der Angeklagte und Frau J. auf die Rückbank. Nach kurzer Fahrt erklärte W., daß ihm übel sei, bat anzuhalten, stieg aus, übergab sich und ließ sich von dem mitausgestiegenen We. noch Taschentücher aus dem Kofferraum geben, woraufhin beide wieder einstiegen und die Fahrt fortgesetzt wurde. Spätestens jetzt faßte W. den Entschluß, We. den Wagen wegzunehmen, um - wie geplant - gemeinsam mit seinen beiden Begleitern in die Niederlande fahren zu können. Er äußerte deshalb erneut, daß ihm übel sei. We. hielt wiederum an. Als er sich, entsprechend einer Aufforderung W., zum Ausstellen anschickte, versetzte ihm W. einen so kräftigen Stoß, daß er durch die geöffnete Fahrertür auf die Straße fiel. W. rutschte sogleich auf den Fahrersitz und hielt We., der inzwischen wieder aufgestanden war, ein Messer entgegen, um Gegenwehr zu verhindern. We. blieb - wie beabsichtigt - stehen, so daß es W. gelang, mit dem Wagen davonzufahren.

Der Angeklagte hatte, obwohl darüber nicht gesprochen worden war, schon beim ersten Anhalten den Eindruck gewonnen, daß W. sich in den Besitz des PKW bringen wolle, um die beabsichtigte Fahrt in die Niederlande durchführen zu können. Beim zweiten Anhalten hörte er, daß W. den am Steuer sitzenden We. zum Aussteigen aufforderte, und beobachtete, wie W. ihn aus dem Wagen stieß.

b)Das Landgericht meint, der Angeklagte habe "durch seine Anwesenheit und die darin gleichzeitig zum Ausdruck kommende Billigung des Handelns von W." diesen in seinem Tatentschluß bestärkt und damit die Tat gefördert. Sein "Dulden der Raubtat" sei als Billigung zu verstehen, zumal er - wie auch Frau J. - schon wegen der Entzugs folgen unbedingt und so rasch wie möglich in die Niederlande habe gelangen wollen. Daß sein Verhalten nach den Umständen des Falles eine "psychische Beihilfe durch konkludente Billigung der Tat" bedeutet habe, sei ihm auch bewußt gewesen. Zu seinen Gunsten gehe die Kammer zwar davon aus, daß er den Einsatz des Messers durch W. nicht bemerkt habe, weshalb Beihilfe zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer und schweren Raub (§§ 316 a, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ausscheide; der Angeklagte habe sich jedoch der Beihilfe zum - einfachen - Raub (§ 249 StGB) schuldig gemacht.

c)Dieser Wertung kann nicht gefolgt werden. Die getroffenen Feststellungen bieten für die Verurteilung wegen Beihilfe zum Raub keine Grundlage. Der Angeklagte hat zu der von W. verübten Tat nicht "Hilfe geleistet" (§ 27 Abs. 1 StGB); es fehlt an einem die Haupttat fördernden Beitrag.

Zu Unrecht erblickt das Landgericht einen solchen, durch positives Tun geleisteten Beitrag darin, daß der Angeklagte durch seine Anwesenheit die Raubtat gebilligt hat. Billigung im Sinne bloßen Einverständnisses mit der Tat ist noch keine Beihilfe; sie bezeichnet nur eine innere Einstellung, nicht aber ein als Hilfeleisten zu wertendes Handeln. Anders verhält es sich allerdings, wenn die Billigung der Tat gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschlusse oder in der Bereitschaft, ihn weiterzuverfolgen, bestärkt wird (sogenannte psychische Beihilfe). Eine solche, erklärte Billigung gab es im vorliegenden Fall aber nicht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lag eine konkludente Billigungserklärung nicht schon darin, daß der Angeklagte bei der Tat W. anwesend war. Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Tat nicht abgesprochen war und der Angeklagte vom Vorgehen W. überrascht wurde, als dieser We. aus dem Wagen stieß. Dann aber kam der bloßen Anwesenheit des Angeklagten, der gar nicht die Wahl hatte, bei diesem Geschehen dabeizusein oder nicht, überhaupt kein Erklärungswert und damit auch nicht die Bedeutung einer schlüssig erklärten Billigung der von W. begonnenen Tat zu.

Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß Beihilfe auch durch bloße Anwesenheit ("Dabeisein", "Zugegensein") bei der Haupttat geleistet sein kann (offengelassen in BGH StV 1982, 516; bejahend BGH StV 1982, 517; zu beiden Entscheidungen siehe die Anm. von Rudolphi a.a.O. 518), sofern dadurch - was sorgfältiger und genauer Feststellungen bedarf - die Tat in ihrer konkreten Gestalt gefördert oder erleichtert worden ist und sich der Gehilfe dessen bewußt war (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 3 und 5; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Beihilfe 1; BGH StV 1993, 468 = NStZ 1993, 385). Doch darf diese "Formel", wiewohl sie eine solche Deutung nahezulegen scheint, nicht dahin verstanden werden, als ob schon der bloße Zustand des "Anwesendseins" bei der Haupttat Beihilfe darstellen könne. Festzuhalten ist vielmehr, daß im Rahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit für positives Tun jede Beihilfe - auch die sogenannte psychische - einen durch Handeln erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen unabdingbar voraussetzt (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 2; in dieser Richtung auch Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rdn. 15, 42 sowie Rudolphi a.a.O.); dieser kann freilich im Einzelfalle schon darin bestehen, daß der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Vorhaben zur Tatausführung begleitet, etwa mitgeht oder mitfährt, seine Anwesenheit gleichsam "einbringt", um den Haupttäter in seinem Tatentschluß zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicherheit zu geben.

So verhielt es sich hier aber nicht; der Angeklagte hat nach den Feststellungen durch positives Tun keinen Gehilfenbeitrag geleistet. Das Landgericht räumt dies im Grunde auch selbst ein, indem es sein angeblich strafbares Verhalten als "Dulden" der Haupttat kennzeichnet. Dies deutet auf Beihilfe durch Unterlassen, die jedoch deshalb nicht in Betracht kommt, weil den Angeklagten keine Garantenpflicht zur Abwendung der Raubtat traf. Da weitere, zur Bejahung einer Beihilfe führende Feststellungen unter den gegebenen Umständen auch auf Grund einer neuen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nicht zu erwarten sind, spricht der Senat den Angeklagten insoweit frei (§ 354 Abs. 1 StPO).

3.Der Teilfreispruch bedingt den Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Die Einzelstrafen wegen Urkundenfälschung und Hehlerei sind zwar für sich genommen nicht zu beanstanden. Der Senat hebt sie jedoch auf, da sich - schon angesichts des Zusammenhangs der zugrunde liegenden Taten mit dem Gegenstand des Teilfreispruchs - nicht ausschließen läßt, daß ihre Höhe von der wegen Beihilfe zum Raub verhängten Einsatzstrafe beeinflußt ist.