Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 15.05.2012, Az.: 3 StR 118/11
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. September 2010 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Bankrott zu Geldstrafen verurteilt, nachdem der Senat (mit Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225) eine in derselben Sache zuvor ergangene Verurteilung wegen Beihilfe zum Bankrott aufgrund unzureichender Feststellungen aufgehoben hatte. Die gegen die (erneute) Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten, die sie auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen stützen, haben keinen Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten zu nahezu gleichen Teilen an der nach dem Tode des Vaters übernommenen G. S. Gruppe beteiligt. Der Angeklagte S. war Geschäftsführer der G. S. GmbH mit Sitz in E. . Diese Gesellschaft war Komplementärin der am selben Ort ansässigen G. S. GmbH & Co. KG (im Folgenden: S. KG), deren alleinige Kommanditisten der Angeklagte S. zu 51 Prozent und die Angeklagte L. , geborene S. , zu 49 Prozent waren. Die S. KG fungierte als Besitzgesellschaft und hielt die Anteile an der in N. ansässigen G. S. GmbH (im Folgenden: S. GmbH) sowie an der ebenfalls in N. ansässigen Se. Zucht- und Mastenten GmbH (im Folgenden: Se. GmbH), die wiederum die Anteile an weiteren Produktionsgesellschaften hielt. Der Angeklagte S. war auch in der S. GmbH und der Se. GmbH jeweils Geschäftsführer, der Angeklagten L. war Prokura erteilt.
Die Angeklagten betrieben bis zum Jahr 2002 mit wirtschaftlichem Erfolg u.a. unter der Marke 'B. Enten' die Entenzucht und den weltweiten Vertrieb von Entenprodukten. Ein Umsatzeinbruch führte im Frühjahr 2003 zu einem erhöhten Kreditbedarf. Es kam zu verschiedenen Verhandlungen mit den beiden Hausbanken. Als nach einem Gespräch am 13. Februar 2004 den Kreditwünschen nicht entsprochen wurde, erkannten die Angeklagten, dass der Bestand ihres Unternehmens ernsthaft in Gefahr war. Sie bemühten sich daraufhin - wie bereits zuvor - um eine Umschuldung und die Gewinnung eines weiteren Gesellschafters, blieben damit aber erfolglos.
In dieser Situation bestellten die Angeklagten zum 1. März 2004 den ehemaligen Mitangeklagten K. zum Geschäftsführer der G. S. GmbH 2 sowie der S. GmbH und der Se. GmbH. Der Angeklagte S. schied als Geschäftsführer aus, die Prokura der Angeklagten L. wurde widerrufen. Da der neue Geschäftsführer über keine Erfahrung in der Branche verfügte, blieben die Angeklagten weiter für die Gesellschaften tätig, wofür sie vom neuen Geschäftsführer pauschal jeweils 250.000 € erhalten sollten. Wegen der angespannten Liquiditätslage der Gesellschaften vereinbarten die Angeklagten mit dem früheren Mitangeklagten eine rein erfolgsabhängige Geschäftsführervergütung. Es kam indes nur zu einem nach dieser Vereinbarung provisionspflichtigen Geschäftsabschluss mit einem Volumen von 1,67 Mio. €, weitere in Aussicht genommene Verträge kamen nicht zustande.
In einem Gespräch mit Bankvertretern am 8. März 2004 kündigte K. an, zur Verbesserung der Liquidität Reserven aufzulösen. Die Bankvertreter untersagten ihm daraufhin weitere Verfügungen über den Banken zustehendes Sicherungsgut ohne deren Zustimmung, weil sie befürchteten, K. wolle Waren oder Güter verschleudern. Tatsächlich hatte er schon am 27. Februar 2004 zusammen mit dem Angeklagten S. 1.475 Tonnen Entenfleisch zum Gesamtpreis von 1,67 Mio. € - und damit erheblich unter den Gestehungskosten - verkauft und dabei die Bezahlung mit LZB-Schecks vereinbart, die sodann nicht bei den Hausbanken, sondern bei anderen Banken eingelöst wurden. Die Hausbanken wurden davon nicht informiert, der Gegenwert der Schecks wurde nicht an diese abgeführt. Dies verstieß sowohl hinsichtlich der Preisgestaltung als auch hinsichtlich der Entgegennahme des Kaufpreises gegen die mit den Banken bestehende Globalzessionsabrede. Ab 1. März 2004 ließ sich K. eingehende Schecks vorlegen und brachte diese unter Umgehung der Buchhaltung neu eröffneten Konten gut. Insgesamt reichte er in den folgenden Wochen Schecks im Wert von rund 3 Mio. € bei anderen Banken ein. In Absprache mit den Angeklagten, die auch sonst über alle wesentlichen 5 Vorgänge informiert waren, verlagerte K. ab Ende März 2004 das operative Geschäft auf die 'LM. GmbH'. Diese Gesellschaft war die einzige innerhalb der S. -Firmengruppe, die keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu den Hausbanken hatte.
Mit Schreiben vom 9. März 2004 verlangten die Hausbanken binnen drei Tagen u.a. die Vorlage eines Liquiditätsstatus und eine Übersicht über bereits veräußertes Sicherungsgut und drohten für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist mit der außerordentlichen Kündigung des Kreditengagements. K. vertröstete sie auf den 23. März 2004. Die Banken kündigten daraufhin am 15. März 2004 und am 23. März 2004 die gesamte Geschäftsverbindung und setzten für die bestehenden Verbindlichkeiten aller Gesellschaften, insgesamt fast 23 Mio. €, eine Zahlungsfrist bis zum 2. April 2004. Weder die S. GmbH noch die S. -Gruppe in ihrer Gesamtheit waren in der Lage, diese Forderung bei Fälligkeit oder in den folgenden drei Wochen zu begleichen.
Anfang April 2004 stellte der Geschäftsführer K. in Absprache und nach Vereinbarung mit den Angeklagten der S. GmbH und der Se. GmbH drei Rechnungen über insgesamt fast 2 Mio. €, die nunmehr - entgegen der ursprünglichen Vereinbarung - auch eine erfolgsunabhängige Vergütung sowie Erfolgshonorare für tatsächlich nicht zustande gekommene Geschäfte zum Gegenstand hatten, und vereinnahmte diesen Betrag (abzüglich bereits erhaltener 250.000 €) letztlich aus dem Vermögen der S. GmbH. Nach der ursprünglichen Vereinbarung hätte ihm ein Anspruch in Höhe von allenfalls knapp 200.000 € zugestanden. Die Angeklagten waren einverstanden, weil sie sich aus den Beträgen, die K. erhielt, ihrerseits je 250.000 € erwarteten und mit Hilfe dieser Summe mit der zwischenzeitlich von ihnen erworbenen Gesellschaft 'LM. GmbH' und der Marke 'B. Enten' 6 einen Neustart des Familienunternehmens schaffen wollten. Sie kannten die fehlende Berechtigung der Forderungen und wussten zum Zeitpunkt ihrer Zustimmung um die wirtschaftliche Lage der Unternehmensgruppe, insbesondere, dass eine infolge der Kündigungen erforderliche fristgerechte Zahlung der bei den Banken bestehenden Verbindlichkeiten nicht geleistet werden konnte und sich die S. -Gruppe daher im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit befand. K. zahlte aus dem entnommenen Betrag an die beiden Angeklagten insgesamt 500.000 €. Über das Vermögen der S. GmbH und der Se. GmbH wurde auf Antrag der Banken das Insolvenzverfahren eröffnet.
2. Das Landgericht hat das Verhalten des früheren Mitangeklagten K. - die Entnahme von rund 1,7 Mio. €, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestand - als Untreue zum Nachteil der S. GmbH gewertet. Es hat ausgeführt, dass das Einverständnis der Angeklagten wegen der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Gesellschaft durch die Entnahme unwirksam sei. Zugleich hat es das Verhalten als Bankrotthandlung nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB angesehen. Zwar habe der Geschäftsführer K. nicht im Interesse der S. GmbH, sondern eigennützig gehandelt, hierauf komme es indes nicht an. Das Verhalten der Angeklagten hat das Landgericht als Beihilfe zu den Taten des früheren Mitangeklagten K. beurteilt.
II.
Die gegen das Urteil von beiden Angeklagten übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen sind, wie vom Generalbundesanwalt dargelegt, im Ergebnis unbegründet. Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil 8 der Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf insoweit lediglich die (zutreffende) rechtliche Würdigung des Landgerichts.
1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich der frühere Mitangeklagte als Geschäftsführer der S. GmbH wegen Bankrotts unabhängig davon strafbar machte, dass er eigennützig und zum Schaden der Gesellschaft handelte, und die Angeklagten dazu Beihilfe leisteten.
a) Der Bundesgerichtshof ist bislang - die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Urteil vom 29. März 1909 - III 877/08, RGSt 42, 278, 282; aA indes RG, Urteil vom 22. Dezember 1938 - 2 D 581/38, RGSt 73, 68, 70) fortführend - in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer einer GmbH sich wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur strafbar machen könne, wenn er die Tathandlung für die GmbH und (zumindest auch) in deren Interesse vorgenommen hat (vgl. etwa BGH, Urteile vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128; vom 5. Oktober 1954 - 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314, 316 f.; vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207, jeweils mwN; s. auch LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 79 ff.; Arloth, NStZ 1990, 570 ff.). Dieser als 'Interessentheorie' bezeichneten Ansicht liegt die Auffassung zugrunde, dass das Gesellschaftsorgan nicht in dieser Eigenschaft handele, wenn ein Bezug zum - durch den Interessenkreis bestimmten - Geschäftsbetrieb fehle (RG, Urteil vom 29. März 1909 - III 877/08, RGSt 42, 278, 282). Daher hat die bisherige Rechtsprechung eine Strafbarkeit wegen Bankrotts abgelehnt, wenn der Vertreter ausschließlich im eigenen Interesse handelt.
b) An der Interessentheorie hält der Senat nicht weiter fest, da sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Gesetzeszweck eine solche auf 10 das Interesse des Vertretenen abstellende Einschränkung ergibt und sie berechtigte Kritik erfahren hat.
aa) Der Gesetzeswortlaut stellt für die Zurechnung nicht auf das Interesse des Vertretenen ab: Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB kommt die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH bei Bankrotttaten in Betracht, wenn er 'als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person' gehandelt hat. Dies setzt neben der Organstellung als solcher voraus, dass der Vertretungsberechtigte in seiner Eigenschaft als Organ gehandelt hat (vgl. BT-Drucks. 5/1319 S. 63; BT-Drucks. 14/8998 S. 8: ' 'in Ausübung' seiner Funktion'). Eine nähere Konkretisierung, wann ein Vertretungsberechtigter gerade in dieser Eigenschaft handelt, enthält der Gesetzeswortlaut nicht.
bb) Der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 14 StGB verfolgte Zweck besteht - ebenso wie bei dem zuvor geltenden § 50a StGB - darin, den Anwendungsbereich von Straftatbeständen allgemein auf Personen zu erweitern, die in einem bestimmten Vertretungs- oder Auftragsverhältnis für den Normadressaten handeln, und die kriminalpolitisch nicht erträgliche Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass der Normadressat mangels Handlung und der Handelnde deshalb nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, weil er nicht Normadressat ist (BT-Drucks. 5/1319 S. 62). Dieser Regelungszweck spricht nicht für eine einschränkende Normauslegung.
cc) Mit der dargelegten Intention des § 14 StGB lässt sich insbesondere nicht vereinbaren, dass die Interessentheorie im Ergebnis bei einer Vielzahl von Taten einer Strafbarkeit nach § 283 StGB entgegensteht, weil der Vermögensträger als juristische Person und die handelnde natürliche Person auseinanderfallen.
So lässt die Interessentheorie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 80; SK-StGB/Hoyer, § 283 Rn. 103 [Stand: März 2002]; MünchKommStGB/Radtke, 1. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 55; Labsch, wistra 1985, 1, 6 ff.; jeweils mwN); denn die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen widersprechen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft. Damit läuft bei Anwendung der Interessentheorie der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leer (vgl. Winkler, jurisPR-StrafR 16/2009 Anm. 1). Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter/Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 80, 85).
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Dies lässt sich nicht mit der Intention des Gesetzgebers vereinbaren, durch die Regelung des § 14 StGB Strafbarkeitslücken zu schließen. Zudem wird angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen der Schutzzweck der Insolvenzdelikte konterkariert (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2009 - 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4; SK-StGB/Hoyer, § 283 Rn. 103 [Stand: März 2002]; MünchKommStGB/Radtke, 1. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 55). Das gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel kon-16 sequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 84).
Über die nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-8, § 283b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572). Angesichts der dort genannten objektiven Anforderungen wäre kaum verständlich, dass daneben noch auf ein - zudem oft schwerlich zu ermittelndes - subjektives Interesse abzustellen sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 5 StR 122/11, StV 2012, 216; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26 mwN). Es besteht auch kein Anlass, bei der Auslegung des § 14 StGB im Hinblick auf § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283b StGB andere Anforderungen zu stellen als etwa im Rahmen des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, da § 14 StGB eine der Rechtsvereinheitlichung dienende allgemeine Vorschrift darstellt (BT-Drucks. 5/1319 S. 62).
Überdies erscheint es problematisch, bei Fahrlässigkeits- und Unterlassungstaten die Zurechnung davon abhängig zu machen, in wessen Interesse der Vertreter handelte oder untätig blieb (vgl. S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26). Ähnliches gilt bei nicht eigennützigem Verhalten, etwa bei der Zerstörung von Vermögensbestandteilen (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB), da ein solches bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 18 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 mwN) weder im Interesse des Vertreters noch des Vertretenen liegt (vgl. Brand, NStZ 2010, 9, 11).
dd) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch, wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, wistra 1989, 264, 267; aA BGH, Urteil vom 29. November 1983 - 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH, Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesell-20 schaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
Auch in Bezug auf die Buchführungs- und Bilanzdelikte hat der Bundesgerichtshof nicht einheitlich an der Interessentheorie festgehalten, sondern diese - teils ausdrücklich, teils stillschweigend - in Frage gestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2011 - 5 StR 122/11, StV 2012, 216; vom 24. Mai 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; vom 18. Januar 1995 - 2 StR 693/94, wistra 1995, 146 f.; anders etwa BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207).
c) Kommt es für ein Handeln als Vertretungsberechtigter im Sinne des § 14 Abs. 1 StGB nicht (mehr) darauf an, ob dieses im Interesse des Geschäftsherrn liegt, ist auf andere taugliche Abgrenzungskriterien Bedacht zu nehmen (dazu bereits BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91). Entscheidend bleibt, dass der Handelnde gerade in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, also im Geschäftskreis des Vertretenen (BGH aaO), und nicht bloß 'bei Gelegenheit' tätig wird (vgl. BT-Drucks. 14/8998 S. 8; 5/1319 S. 63). Dabei kann zwischen rechtsgeschäftlichem und sonstigem Handeln zu differenzieren sein (vgl. Münch-KommStGB/Radtke, 2. Aufl., § 14 Rn. 65 ff.; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; ausdrücklich anders noch BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 129).
Handelt ein Organwalter rechtsgeschäftlich, ist ein organschaftliches Tätigwerden jedenfalls dann naheliegend gegeben, wenn er im Namen der juristischen Person auftritt oder für diese aufgrund der bestehenden Vertretungsmacht bindende Rechtsfolgen zumindest im Außenverhältnis herbeiführt (vgl. 21 BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91 m. Anm. Radtke/Hoffmann). Das Handeln des Vertretungsberechtigten als Organ wird etwa dadurch deutlich, dass er lediglich aufgrund seiner besonderen Organstellung überhaupt in der Lage ist, die vertretene juristische Person rechtlich zu binden. Diese Wirkung könnte er nicht herbeiführen, wenn er nicht als vertretungsberechtigtes Organ, sondern - gleichsam wie ein Außenstehender - als natürliche (Privat-) Person agierte (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 574).
Eine Zurechnung der Schuldnereigenschaft ist auch in den Fällen möglich, in denen der Vertretungsberechtigte aufgrund seiner Stellung außerstrafrechtliche, aber gleichwohl strafbewehrte Pflichten des Vertretenen zu erfüllen hat (s. LK/Tiedemann, 12. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 84; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., Vor §§ 283 bis 283d Rn. 54).
Dagegen erscheint die Abgrenzung bei einem bloß faktischen Handeln problematischer. Ein solches kann jedenfalls dann Grundlage für eine Zurechnung sein, wenn eine Zustimmung des Vertretenen vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91; weitergehend BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 4 ARs 17/11, wistra 2012, 191; s. auch MünchKommStGB/Radtke, 2. Aufl., § 14 Rn. 67 f.; Valerius, NZWiSt 2012, 65, 66).
Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen bei rein tatsächlichen Verhaltensweisen eine Zurechnung nach § 14 StGB in Betracht kommt; denn ein solches liegt nicht vor. Der Geschäftsführer K. ist rechtsgeschäftlich tätig geworden. Er verschaffte sich die Beträge im Wesentlichen durch Überweisungen, die er als Geschäftsführer der GmbH mit Wirkung für diese vornahm. 24 d) Der Senat ist durch die bislang ergangenen Entscheidungen nicht daran gehindert, eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum Bankrott anzunehmen, obschon der Geschäftsführer der S. GmbH Gesellschaftsvermögen nicht im Interesse der GmbH, sondern in eigenem Interesse beiseite schaffte. Auf Anfrage (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) haben sämtliche anderen Strafsenate erklärt, an ihrer insoweit entgegenstehenden früheren Rechtsauffassung nicht festzuhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2011 - 1 ARs 19/11, wistra 2012, 113; vom 22. Dezember 2011 - 2 ARs 403/11; vom 10. Januar 2012 - 4 ARs 17/11, wistra 2012, 191; vom 7. Februar 2012 - 5 ARs 64/11). Auch der Senat selbst gibt seine entgegenstehende Rechtsansicht auf.
2. Das Landgericht hat die Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Untreue (§§ 266, 27 StGB) ebenfalls rechtsfehlerfrei angenommen.
Der Geschäftsführer K. verursachte durch die vorgenommenen Verfügungen einen Vermögensnachteil der S. GmbH. Dies geschah pflichtwidrig, auch wenn die Angeklagten - durch die G. S. GmbH und die S. KG vermittelt - letztlich als natürliche Personen hinter der S. GmbH standen und damit einverstanden waren; denn ein solches Einverständnis ist jedenfalls dann unbeachtlich, wenn die betreffenden Verfügungen - wie hier - die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährden. Hierzu gilt im Einzelnen:
Ein - wirksames - Einverständnis des Inhabers des zu betreuenden Vermögens schließt bereits die Tatbestandsmäßigkeit aus, weil die Pflichtwidrigkeit des Handelns Merkmal des Untreuetatbestandes ist (BGH, Urteil vom 24. Juni 2010 - 3 StR 90/10, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 7 mwN). Vermögensträgerin ist die GmbH selbst, Vermögensträger sind nicht die einzelnen Gesellschafter. Allerdings tritt an die Stelle des Vermögensinhabers bei juristi-27 schen Personen deren oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegenheiten (BGH aaO), bei einer GmbH also die Gesamtheit ihrer Gesellschafter (BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266, 278). Indes kann auch diese nicht unbeschränkt in Vermögensverfügungen einwilligen. Vielmehr ist ein Einverständnis nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an welcher der Senat festhält, bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ausgeschlossen, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, namentlich durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. August 2011 - 3 StR 228/11, NStZ-RR 2012, 80; Beschluss vom 31. Juli 2009 - 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57 f.; Beschluss vom 30. September 2004 - 4 StR 381/04, NStZ-RR 2005, 86; Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 ff. [zur AG]; Urteil vom 20. Juni 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; s. auch Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 266 Rn. 20a; MünchKommStGB/Dierlamm, 2006, § 266 Rn. 133 ff.; LK/Rönnau, StGB, 12. Aufl., Vor § 32 Rn. 178; LK/Schünemann, StGB, 11. Aufl., § 266 Rn. 125; ablehnend SK-StGB/Hoyer, § 266 Rn. 70 [Stand: Juli 2010]; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 266 Rn. 21b; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 266 Rn. 99; SSW-StGB/Saliger, 2009, § 266 Rn. 86). Eine solche Sachlage, die einem wirksamen Einverständnis entgegensteht, ist durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegt.
Es stellt entgegen einer vielfach im Schrifttum geäußerten Auffassung (s. z.B. Labsch, wistra 1985, 1, 7 f.; Arloth, NStZ 1990, 570, 573; Kasiske JR 2011, 235, 240; SK-StGB/Hoyer, § 266 Rn. 73 [Stand: Juli 2010]) keinen Wertungswiderspruch dar, die mit Zustimmung der Gesellschafter vorgenommene Entnahme von Vermögenswerten durch den Geschäftsführer sowohl als Bankrott als auch als Untreue zu beurteilen. Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen 31 kann gleichzeitig verschiedene Rechtsgüter beeinträchtigen, die durch die unterschiedlichen Strafvorschriften geschützt sind: Während der Untreuetatbestand das Vermögen des Treugebers wahren soll, dienen die Bankrottbestimmungen dem Schutz der Insolvenzmasse im Interesse der Gläubiger (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; vom 4. April 1979 - 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 372 f.). Angesichts der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH (§ 13 GmbHG) kann in den Fällen, in denen ein Einverständnis der Gesellschafter mit der Vermögensverfügung aus den dargelegten Gründen ausgeschlossen ist, ein Eingriff in das betreute Vermögen mithin die Strafbarkeit sowohl wegen Untreue als auch wegen Bankrotts begründen (s. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2228; vom 15. September 2011 - 3 StR 118/11, NStZ 2012, 89, 91 m. zust. Anm. Radtke/Hoffmann; LK/Schünemann, StGB, 11. Aufl., § 266 Rn. 125, 171; aA etwa SK-StGB/Hoyer, § 266 Rn. 73 [Stand: Juli 2010]; S/S-Perron, StGB, 28. Aufl., § 266 Rn. 21b mwN).
Es bleibt dabei, dass die Untreue den Schutz des betreuten Vermögens, nämlich des Vermögens der GmbH, zum Gegenstand hat. Die Unwirksamkeit des Einverständnisses dient gerade diesem Vermögensschutz, unabhängig davon, dass dies mittelbar auch den Gläubigern zugutekommt (vgl. Radtke, GmbHR 2012, 28, 30; Ransiek, wistra 2005, 121, 122). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kapitalschutz nach § 30 GmbHG nicht ausschließlich den Gläubigern eine Befriedigungsreserve, sondern überdies der GmbH nach Möglichkeit ein ihren Bestand schützendes Mindestbetriebsvermögen sichern soll (s. BGH, Urteile vom 24. November 2003 - II ZR 171/01, BGHZ 157, 72, 75; vom 17. März 2008 - II ZR 24/07, BGHZ 176, 62, 65; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 30 Rn. 1). Es bestehen somit gesetzlich gewährleistete Eigeninteressen der GmbH (BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - 3 StR 50/96, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 37; s. auch 32 BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 ff.), die von den Interessen der Gesellschafter unabhängig sind und daher deren Dispositionsmöglichkeit begrenzen.
Becker Pfister RiBGH Dr. Schäfer befindetsich im Urlaub und ist dahergehindert zu unterschreiben.
Becker Mayer Menges