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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 21.08.2014, Az.: 3 STR 203/14

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Körperverletzung und wegen Totschlags durch Unterlassen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zur Körperverletzung hat keinen Bestand.

a) Die 23-jährige Angeklagte und der 28-jährige, der rechten Szene zuzurechnende Mitangeklagte waren eng befreundet und hatten zueinander ein "Bruder-Schwester-Verhältnis" entwickelt. Der Mitangeklagte wusste, dass die Beziehungen der Angeklagten zu ihrem Vater, dem späteren Tatopfer L., seit Jahren zerrüttet waren. Aus ihren wiederholt geschilderten, sie quälenden bild- und bruchstückhaften Erinnerungen schloss er, dass L. die Angeklagte als Kind sexuell missbraucht haben müsse.

Am Abend des 30. September 2012 kehrte der Mitangeklagte nach mehrwöchiger beruflicher Abwesenheit mit der Bahn an seinen Wohnort zurück. Von unterwegs bat er die Angeklagte, ihn am Bahnhof abzuholen, und eröffnete ihr, er habe für sie "ein einmaliges, nur heute gültiges Angebot". Die Angeklagte begleitete den Mitangeklagten in seine Wohnung. Im Verlauf eines Gesprächs über die Lebenssituation der in psychotherapeutischer Behandlung befindlichen Angeklagten präzisierte der Mitangeklagte sein "Angebot" dahin, er werde L. aufsuchen, um die Frage eines möglichen sexuellen Missbrauchs "ein für alle Mal zu klären". Hierzu solle sie ihn in ihrem Pkw an dessen etwa 25 km entfernten Wohnort bringen. Die Angeklagte zögerte zunächst, denn sie rechnete mit Tätlichkeiten des Mitangeklagten gegen ihren Vater und damit, hierfür gegebenenfalls auch selbst zur Verantwortung gezogen zu werden, was sie als Gefährdung ihrer beruflichen Zukunft empfand. Auf den Hinweis des Mitangeklagten, er könne auch auf andere Weise dorthin gelangen, willigte sie schließlich ein. Auf der Fahrt beschrieb sie dem Mitangeklagten die örtlichen Gegebenheiten. Sie wusste auch, dass der Mitangeklagte, wie häufig, sogenannte Schlaghandschuhe mit Verstärkungen im Handrückenbereich bei sich hatte.

Die Angeklagte ließ den Mitangeklagten gegen 22.30 Uhr auf Höhe des Nachbargrundstücks aussteigen und parkte ihren Pkw etwa 50 m von L. s Wohnhaus entfernt an zuvor verabredeter Stelle. Der Mitangeklagte überstieg das verschlossen geglaubte Hoftor des Anwesens, klopfte an der Haustür und gab sich als Freund der Tochter zu erkennen, worauf L. ihn einließ. Vom Mitangeklagten nunmehr mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Tochter konfrontiert, reagierte L. aggressiv und versuchte, den Mitangeklagten aus dem Haus zu drängen. Hierauf zog der Mitangeklagte die Schlaghandschuhe über und schlug L. wiederholt wuchtig mit der Faust ins Gesicht, so dass dieser zu Boden ging und regungslos liegen blieb. Anschließend versetzte er L. mit den getragenen, durch Innenkappen aus Stahl verstärkten Schuhen mehrere Fußtritte in die Seite. Den Tod des Opfers nahm er bei seinem Handeln billigend in Kauf.

In der Annahme, L. damit noch keine tödlichen Verletzungen beigebracht zu haben, verließ der Mitangeklagte sodann das Haus, begab sich zur Angeklagten und stellte ihr die Frage, ob sie ihren Vater "noch einmal sehen" wolle. Als die Angeklagte dies mit den Worten verneinte "Nee, definitiv nicht", kündigte er ihr an, er werde "die Sache jetzt klären", und entfernte sich in Richtung des Anwesens von L. Aufgrund der Worte des Mitangeklagten befürchtete die Angeklagte nunmehr, dieser sei entschlossen, ihren Vater zu töten, fand sich damit aber ab. Obwohl ihr dies möglich und zumutbar gewesen war, unternahm sie nichts, um den Mitangeklagten von der von ihr für möglich gehaltenen Tötung ihres Vaters abzuhalten. Einer Aufforderung der nicht unerheblichen Einfluss auf ihn besitzenden Angeklagten, von weiteren Tathandlungen Abstand zu nehmen, hätte sich der Mitangeklagte gebeugt.

Der Mitangeklagte überstieg erneut das Hoftor, drang in das Haus ein und nahm in der Küche ein Brotmesser mit etwa 20 cm langer Klinge an sich, um den weiterhin reglos Daliegenden nun durch einen Stich in die Brust zu töten. Zwei erste Stiche rutschten ab, beim dritten, nun wuchtig geführten Stich drang das Messer auf volle Klingenlänge ein und perforierte u.a. den Herzbeutel und die rechte Herzkammer. L. verstarb kurze Zeit danach an Verbluten.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht danach angenommen, die Angeklagte sei wegen ihres vorangegangenen gefahrerhöhenden Handelns zur Abwendung der von ihr billigend in Kauf genommenen Tötung ihres Vaters durch den Angeklagten verpflichtet gewesen und habe sich deshalb eines Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht (§ 212 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB).

Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Verurteilung der Angeklagten auch wegen einer in Tatmehrheit hierzu stehenden Beihilfe zur Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 26 StGB), denn das Landgericht ist zu Feststellungen, die einen solchen Schuldspruch tragen könnten, ausschließlich in Anwendung des Zweifelssatzes gelangt. Es hat - im Einzelnen dargelegte - "gewichtige Anhaltspunkte" dafür gesehen, dass beide Angeklagte die Tötung L. s von Anfang an gemeinsam geplant, vorbereitet und arbeitsteilig durchgeführt haben, hat dies letztlich jedoch "nicht mit der erforderlichen Sicherheit" feststellen können. Hätte die Angeklagte indes von vornherein mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, so läge insgesamt ein einheitliches Geschehen vor, das den Schuldspruch auch wegen eines Körperverletzungsdelikts ausschlösse. Das Landgericht wäre deshalb gehalten gewesen, in (doppelter) Anwendung des Zweifelssatzes umgekehrt auch hier von der der Angeklagten günstigeren Fallgestaltung auszugehen.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Dies führt zum Wegfall der für die Beihilfetat bemessenen Einzelstrafe und der Gesamtstrafe.

2. Auch die wegen Tötung durch Unterlassen verhängte (Einzel-)Freiheitsstrafe hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat bei deren Bemessung den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt und von dessen Milderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen. Dabei ließ es sich "entscheidend von der Überlegung leiten, dass die Angeklagte den schweren Taterfolg in Gestalt des Todes eines Menschen unschwer hätte verhindern können". Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn das Landgericht hat damit das strafbegründende Unterlassen selbst zugleich als Grund für die Versagung der Strafmilderung herangezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1997 - 4 StR 487/97, NStZ 1998, 245).