Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 29.11.2012, Az.: 3 STR 293/12
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat die Angeklagten J. und M. sowie den Mitangeklagten H. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall B I 1 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung - hinsichtlich der Angeklagten jeweils durch Unterlassen - (Fall B I 2 der Urteilsgründe) zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Gegen den Mitangeklagten hat es außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und ausgesprochen, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.
Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen, der Angeklagte M. zudem mit einer nicht ausgeführten Verfahrensrüge. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Strafverfolgung im Fall B I 1 der Urteilsgründe wird hinsichtlich des Angeklagten M. mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Raubes beschränkt. Das zieht die aus der Beschlussformel ersichtliche Änderung des Schuldspruchs gegen diesen Angeklagten im Fall B I 1 der Urteilsgründe nach sich. In dem danach verbleibenden Umfang weist der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
Trotz der Änderung des Schuldspruchs hat die gegen den Angeklagten M. in diesem Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten Bestand; denn das Landgericht hat die durch die nunmehr vorgenommene Beschränkung der Strafverfolgung weggefallene tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung bei der Bemessung der Strafe nicht zu dessen Nachteil schärfend berücksichtigt.
2. Die Schuldsprüche im Fall B I 2 der Urteilsgründe wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, bezüglich der Angeklagten J. und M. jeweils durch Unterlassen und bezüglich des Mitangeklagten H. durch aktives Tun, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Generalbundesanwalt hat dazu in seinen Antragsschriften ausgeführt:
"a) Der Versuch einer Brandstiftung mit Todesfolge kommt in zwei Varianten in Betracht. Entweder ist das Grunddelikt (Brandstiftung) versucht und die Erfolgsqualifikation (Tod eines Menschen) gegeben oder aber der Täter nimmt - bei vollendetem Grunddelikt - den Tod eines Menschen zumindest in Kauf (vgl. BGH Beschluss vom 31. August 2004 - 1 StR 347/04, StV 2005, 88; Heine in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 306c Rdn. 9; Wolff in LK StGB 12. Aufl., § 306c Rdn. 11 jew. m.w.N.). Weder das eine noch das andere ist hier der Fall. S., das Tatopfer, ist nicht verstorben (UA S. 12), so dass erstere Variante ausscheidet. Hinsichtlich der zweiten Möglichkeit fehlt es sowohl an der Vollendung des Grunddelikts als auch am voluntativen Element: Das Feuer hat nicht auf feste Bestandteile des Gebäudes übergegriffen, dessen teilweise oder vollständige Zerstörung ist ebenfalls nicht festgestellt (UA S. 12), die Angeklagten rechneten gerade nicht mit dem Tode des Geschädigten, sondern gingen davon aus, dass er die Wohnung rechtzeitig würde verlassen können (UA S. 11).
Bei Verurteilung wegen mehrerer in Tateinheit stehender Delikte führt bereits die rechtsfehlerhafte Annahme eines dieser Delikte zur Aufhebung insgesamt (vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 353 Rdn. 7a m.w.N.). Unabhängig davon bestehen am Schuldspruch im Fall B I 2 der Urteilsgründe auch weitere durchgreifende rechtliche Bedenken.
b) Eine versuchte besonders schwere Brandstiftung hat die Strafkammer ... [bei den] Angeklagten gem. § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB (Herbeiführung einer Todesgefahr), beim Mitangeklagten H. nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB (Absicht, eine andere Straftat zu verdecken), angenommen. Beides hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt den Vorsatz zur Herbeiführung einer konkreten Todesgefahr (vgl. Heine a.a.O. § 306b Rdn. 9 m.w.N.). Das liegt nach den Feststellungen, wonach die Angeklagten zwar mit einer Rauchgasvergiftung, nicht aber mit dem Tode des Geschädigten rechneten (UA S. 11), eher fern. Dass der Geschädigte zu einem späteren Zeitpunkt, nach seinem Gespräch mit dem Nachbarn He., wieder in seine Wohnung zurückkehrte (UA S. 11 f.), hat die Kammer den Angeklagten in nachvollziehbarer Weise nicht zugerechnet (UA S. 15). Eine Begründung ihrer Annahme des Vorsatzes zur Herbeiführung einer Lebensgefahr hat die Kammer nicht gegeben (UA S. 16). Die Tatalternative des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB wiederum scheidet aus, da die Kammer die Verdeckungsabsicht nicht positiv festgestellt ('vielleicht'), sondern alternativ die Verärgerung über die geringe Tatbeute als mögliches Motiv in den Raum gestellt hat (UA S. 11). Kann die Kammer sich aber keine Überzeugung vom Vorliegen eines tatbestandsrelevanten Sachverhalts bilden, greift der Zweifelssatz.
c) Auf weitere rechtliche Bedenken stößt die Annahme einer Begehung der Brandstiftungsdelikte durch Unterlassen ... [der] Angeklagten. Die Strafkammer ist insoweit von einer Garantenstellung aufgrund Ingerenz wegen täterschaftlicher Beteiligung an dem vorangegangenem Raub ausgegangen (UA S. 16). Dies versteht sich nicht von selbst, denn nach ständiger Rechtsprechung muss das Vorverhalten zu einer Gefahrerhöhung im Sinne einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts führen (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 59. Aufl. § 13 Rdn. 27). Das ist bei der Beteiligung an Gewaltdelikten zwar im Hinblick auf weitere Gewalteinwirkungen bis hin zur Tötung durch andere Beteiligte häufig der Fall (vgl. BGH Beschluss vom 15. April 1997 - 4 StR 116/97, NStZ-RR 1997, 292 m.w.N.), bei anders gearteten Folgetaten jedoch nicht. So begründet etwa die gemeinschaftliche Planung eines Raubes keine in diesem Sinne nahe Gefahr der Vergewaltigung des Opfers durch andere Täter (vgl. BGH a.a.O.). Dementsprechend unterliegt es erheblichen Zweifeln, ob hier das Vorverhalten (der gemeinschaftliche Raub) die nahe Gefahr gerade des tatbestandlichen Erfolgs eines Brandstiftungsdelikts herbeigeführt hat. Ausführungen hierzu enthält das Urteil nicht."
Dem schließt sich der Senat an. Dies führt zur Aufhebung der Schuldsprüche gegen die Angeklagten J. und M. sowie - gemäß § 357 StPO - auch gegen den Mitangeklagten H. im Fall B I 2 der Urteilsgründe, zum Wegfall der entsprechenden Einzelstrafen und der jeweiligen Gesamtstrafe. Da die Strafe gegen den Mitangeklagten H. neu zu bestimmen ist, muss auch neu über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor der - rechtsfehlerfrei angeordneten - Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt entschieden werden (§ 67 Abs. 2 und 5 StGB).