Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 20.11.2013, Az.: 3 STR 325/13
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte die Scheibe eines geparkten Fahrzeugs ein und entwendete eine Collegemappe aus Leder sowie eine weitere Ledermappe im Gesamtwert von 150 , die er entweder gewinnbringend verkaufen oder anders nutzen wollte. Er packte die Beute in seinen Rucksack und fuhr mit einem Fahrrad davon. Dem Eigentümer des Fahrzeugs, der unverzüglich über den Diebstahl und den Fluchtweg des Täters von einer Nachbarin in Kenntnis gesetzt worden war, gelang es, den Angeklagten zu stellen und festzuhalten. Er forderte ihn auf, das Eintreffen der herbeigerufenen Polizei abzuwarten. Der Angeklagte, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits der Diebesbeute entledigt hatte, stritt den Diebstahl ab und versuchte sich loszureißen. Als er das Martinshorn des herannahenden Polizeifahrzeugs hörte, zog er aus seiner Hosentasche ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 Zentimetern und führte in Hüfthöhe zwei Stichbewegungen gegen den Fahrzeugeigentümer, der getroffen worden wäre, wenn er nicht ausgewichen wäre. Nun wurde der Angeklagte aggressiver und stach mindestens zwei weitere Male - diesmal in Höhe von Gesicht und Oberkörper - in Richtung des Zeugen, der wiederum ausweichen konnte. Jedenfalls bei diesen letzten beiden Stichbewegungen nahm der Angeklagte in Kauf, den Zeugen zu verletzen. Dieser ließ aus Furcht vor weiteren Stichen den Angeklagten los, der daraufhin zu Fuß floh.
2. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn die Urteilsgründe drängten zu einer Prüfung der Rücktrittsfrage.
Nach den getroffenen Feststellungen kommt ein Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch der gefährlichen Körperverletzung in Betracht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Angeklagte hatte den Zeugen mit allen vier Stichen verfehlt und damit ersichtlich noch nicht alles getan, um den von ihm jedenfalls bei den beiden letzten Stichbewegungen billigend in Kauf genommenen Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Den Urteilsgründen lassen sich keine Umstände entnehmen, die ihn daran gehindert haben konnten, weitere Stiche gegen den Zeugen zu führen; ein Fehlschlag des Körperverletzungsversuchs ist daher nicht belegt. Ebenso wenig lässt sich den Feststellungen entnehmen, dass der Angeklagte nur unfreiwillig von weiteren Körperverletzungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich aufgrund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Dazu verhält sich das Urteil nicht. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte eventuell aufgrund der sich nähernden Polizeisirenen von weiteren Einwirkungen auf den Zeugen absah, weil er allein durch eine sofortige Flucht seiner Festnahme entgehen zu können glaubte. Dass der Angeklagte sein mit den Messerstichen verfolgtes außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Zeugen zu lösen, nach dem vierten Stich erreicht hatte, schließt letztlich ebenso einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 367/12, NStZ-RR 2013, 105).
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung lässt auch die - von diesem Rechtsfehler nicht betroffene - Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen Nötigung entfallen KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.