Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 19.01.2012, Az.: 3 STR 343/11
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz in 47 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 1.000 verurteilt. Gegen die Nebenbeteiligte hat es denVerfall von Wertersatz in Höhe von 200.000 angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenbeteiligten, die das Urteil beanstandet, soweit die Verfallsanordnung auf den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe beruht. Die Verfallsentscheidung in Höhe von 8.040 hinsichtlich des Falles III. 3. 37 der Urteilsgründe hat die Nebenbeteiligte demgegenüber von ihrem Revisionsangriff ausgenommen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem die Verletzung materiellen Rechts beanstandenden, zum Nachteil der Nebenbeteiligten eingelegten Rechtsmittel dagegen, dass das Landgericht es unterlassen hat, gegen die Nebenbeteiligte einen Wertersatzverfall von mehr als 200.000 anzuordnen.
Die Revisionen der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft - letztere soweit sie in den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe auch zu Gunsten der Nebenbeteiligten wirkt (§ 301 StPO) - haben Erfolg; das weitergehende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
Nach den Feststellungen war die Angeklagte im Tatzeitraum die alleinige, einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und faktische Alleingesellschafterin der Nebenbeteiligten. Gegenstand deren Unternehmens ist u.a. der Im- und Export sowie der Groß- und Einzelhandel mit Jagd- und Sportwaffen sowie Munition. Die Nebenbeteiligte wird regelmäßig als Zwischenhändlerin tätig und beliefert insbesondere Kunden im Ausland vor allem mit Jagd- und Sportwaffen sowie Jagdzubehör. Zwischen August 2007 und Mai 2008 führte die Nebenbeteiligte in 47 Fällen Jagd- und Sportselbstladeflinten in Drittländer aus; die Verkaufserlöse betrugen insgesamt 1.157.020,11 . Die Magazine der Waffen waren zuvor von den Herstellern mit Reduzierungen versehen worden, welche die ursprünglich größere Kapazität auf zwei Schuss neben einer im Lauf befindlichen Patrone beschränken sollten. Diese Reduzierungen konnten jedoch innerhalb kurzer Zeit mit einfachen Mitteln rückgängig gemacht werden.
Die Angeklagte verließ sich auf die Herstellerangaben und überprüfte die Wirksamkeit der Magazinbeschränkungen nicht; sie kannte deshalb die Beschaffenheit der Waffen und die fehlende Nachhaltigkeit der Magazinbeschränkungen nicht. Sie hatte kein wirtschaftliches Interesse daran, Waffen ohne wirksame Beschränkung zu verkaufen. Sowohl im Einkauf als auch im Verkauf hatte sie die Lieferung von Waffen vereinbart, deren Kapazität entsprechend den deutschen Vorschriften auf "2+1" (eine Patrone im Lauf und zwei Patronen im Magazin) beschränkt war. Die Angeklagte holte in keinem Fall eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: BAFA) ein. Hätte sie die Waffen dort zur Prüfung vorgelegt, hätte sie die Auskunft erhalten, dass die Ausfuhr genehmigungspflichtig sei. In den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe hätte das BAFA die Ausfuhrgenehmigung erteilen müssen. Lediglich im Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe wäre die Genehmigung wegen eines gegen das Empfängerland gerichteten Embargos verweigert worden.
Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten als fahrlässigen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz in 47 Fällen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 7 AWG) gewertet, da sie ohne die nach § 5 Abs. 1 AWV i.V.m. § 7 Abs. 1 AWG aF erforderliche Genehmigung in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur AWV), Position 0001 Unternummer 0001b2b, aufgeführte halbautomatische Flinten in Gebiete außerhalb des Gemeinschaftsgebietes ausgeführt und dabei gegen ihr obliegende Sorgfaltspflichten verstoßen habe.
Die Strafkammer hat gegen die Nebenbeteiligte den Verfall von Wertersatz in Höhe von insgesamt 200.000 angeordnet (§ 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, §§ 73a, 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Nebenbeteiligte habe aus den von der Angeklagten begangenen Taten als Drittbegünstigte die gesamten Verkaufserlöse in Höhe von 1.157.020,11 im Sinne45des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Zur Vermeidung einer Doppelbelastung der Nebenbeteiligten seien hiervon lediglich bereits gezahlte Steuern in Höhe von 41.320,98 in Abzug zu bringen. Die vereinnahmten Beträge seien das direkte Äquivalent für in ihrer konkreten Form untersagt gewesene Leistungen und damit als Gegenleistung für verbotene Geschäfte bemakelt. Daran ändere es auch nichts, dass die Ausfuhren hätten genehmigt werden müssen; denn bei der Feststellung des durch die Taten Erlangten sei zur Gewährleistung der Effektivität des Verfalls und des mit ihm verfolgten Präventionszwecks eine formale Betrachtungsweise geboten. Dem Umstand, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung der Ausfuhren vorlagen, sei lediglich im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB Rechnung zu tragen. Danach sei der Verfallsbetrag auf 200.000 zu mindern, weil eine darüber hinausgehende Verfallsanordnung eine unbillige Härte für die Nebenbeteiligte darstelle. Der vorliegende Sachverhalt weise Besonderheiten auf, so dass das aus dem Zweck des Verfalls zu bestimmende Ausmaß an erforderlicher Prävention erheblich gemindert erscheine. Die Ausfuhren hätten zum ganz überwiegenden Teil genehmigt werden müssen; nur aus der Tat im Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe habe die Nebenbeteiligte im Endeffekt einen gesetzlich verbotenen wirtschaftlichen Vorteil gezogen. Die Nebenbeteiligte habe die erzielten Einnahmen auch ohne Durchführung eines Genehmigungsverfahrens vor dem BAFA legal erreichen können, da sie nach den getroffenen vertraglichen Abreden von den Herstellern habe verlangen können, Waffen mit nachhaltigen Magazinreduzierungen zu erhalten. Die Straftaten ließen sich im Kern nicht auf finanzielle Anreize durch die Ausfuhrgeschäfte zurückführen, sondern auf Nachlässigkeiten der Angeklagten, die der Nebenbeteiligten für sich genommen keine wirtschaftlichen Vorteile gebracht hätten. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass eine höhere Verfallsanordnung auch weitere unangemessene, vom Gesetz nicht gewollte Folgen hätte, die letztlich durch ein Missverhältnis zwischen Anlass - fahrlässige Straftat - und Reaktion - umfassender Verfall der Bruttoeinnahmen - begründet seien.
I. Revision der Nebenbeteiligten
1. Die Beschränkung der Revision durch die Nebenbeteiligte auf die Verfallsanordnung, soweit diese auf den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe beruht, ist wirksam; denn sie kann in diesen Fällen, die sich von Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe vor allem dadurch unterscheiden, dass das BAFA auf entsprechende Anträge der Nebenbeteiligten die Ausfuhrgenehmigung jeweils hätte erteilen müssen, losgelöst von derjenigen im letztgenannten Fall rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden.
2. Das Rechtsmittel der Nebenbeteiligten ist begründet. Zwar ist die Anordnung des Verfalls entgegen der Auffassung der Nebenbeteiligten nicht nur bei Vorsatzdelikten, sondern auch bei fahrlässig begangenen Straftaten möglich. Jedoch hat das Landgericht den Umfang dessen rechtsfehlerhaft zu hoch bestimmt, was die Nebenbeteiligte aus den Taten der Angeklagten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangte; denn dies war hier ausschließlich der wirtschaftliche Wert der Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte jeweils dadurch ersparte, dass sie die erforderliche Genehmigung des BAFA nicht einholte. Im Einzelnen:
a) § 73 Abs. 1 StGB setzt für die Anordnung des Verfalls eine rechtswidrig begangene Tat voraus. Im Gegensatz zur Einziehung nach § 74 Abs. 1 StGB enthält die Norm keine Beschränkung auf vorsätzlich begangene Delikte. Die Anordnung des Verfalls kommt somit auch bei der Verwirklichung eines Fahrlässigkeitstatbestands in Betracht (vgl. LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73Rn. 15; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 73 Rn. 4; zum Ordnungswidrigkeitenrecht vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. April 2000 - 3 ObOWi 16/2000, wistra 2000, 395, 396; OLG Celle, Beschluss vom 16. Mai 1997 - 2 Ss (OWi) 358/96, NStZ 1997, 554, 556).
b) Die Frage, nach welchen Kriterien die Bestimmung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bei Straftaten vorzunehmen ist, die wie hier wesentlich dadurch geprägt werden, dass ein formeller Verstoß gegen einen Genehmigungsvorbehalt sanktioniert wird, die erforderliche Genehmigung indessen bei entsprechender Antragstellung hätte erteilt werden müssen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht entschieden (zur uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 - 322 SsBs 175/11, DAR 2011, 642; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2006 - 1 Ss 247/06, ZfSch 2007, 108). Hierzu gilt:
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unterliegt dem Verfall, was der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. Maßgeblich ist deshalb die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, den der Täter für oder durch die Tat erzielt hat (BGH, Urteile vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268; vom 19. November 1993 - 2 StR 468/93, BGHR StGB § 73 Erlangtes 1). Das erlangte Etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB umfasst dabei die Gesamtheit des für oder aus der Tat materiell Erlangten. Nach dem gesetzlichen Bruttoprinzip sind wirtschaftliche Werte, die in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt wurden, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen; Gegenleistungen oder Kosten des Täters bei der Tatdurchführung sind nicht in Abzug zu bringen (BGH, Urteile vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370; vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 66 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2006 - 2 BvR 527/06, juris Rn. 4).
aa) Die Alternative "für die Tat erlangt" scheidet hier aus; denn "für die Tat erlangt" sind Vorteile nur dann, wenn sie dem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber - wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung oder eine Provision - nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309 f.; vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4). Eine derartige Gegenleistung erhielt die Nebenbeteiligte vorliegend nicht. Die Abnehmer der Waffen leisteten ihr weder gesonderte Zahlungen noch erhöhte Kaufpreise dafür, dass sie - etwa zur Geheimhaltung der Geschäfte - keine Genehmigungen für die einzelnen Ausfuhren einholte.
bb) In Betracht kommt deshalb lediglich die Alternative "aus der Tat erlangt". Unter diese Tatbestandsvariante fallen alle Vermögenswerte, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands zufließen.
(1) Bereits der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB belegt indes, dass nicht alles, was der Tatbeteiligte oder Dritte (§ 73 Abs. 3 StGB) in irgendeinem beliebigen Zusammenhang mit der Verwirklichung der rechtswidrigen Tat erlangt hat, dem Verfall unterliegt, sondern nur derjenige Vermögenszuwachs, den er gerade - gleichsam spiegelbildlich - aus der Tat erzielt hat (vgl. Kudlich/Noltensmeier, wistra 2007, 121, 124). Es werden daher nur solche Vorteile erfasst, die der Tatteilnehmer oder Dritte nach dem Schutzzweck der Strafnorm nicht erlangen und behalten dürfen soll, weil sie von der Rechtsordnung - einschließlich der verletzten Strafvorschrift - als Ergebnis einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bewertet werden (SKStGB/Wolters/Horn, StGB, 110. Lfg., § 73 Rn. 9 [Stand: September 2007]).
(2) Gleiches folgt aus Sinn und Zweck des Verfalls. Dieser verfolgt selbst keinen Strafzweck, sondern dient als öffentlich-rechtliche Maßnahme eigener Art der Abschöpfung des unrechtmäßig aus der Tat Erlangten und damit dem Ausgleich einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung. Er stellt sich als Abschöpfung des illegitimen Vermögensvorteils dar, der als Entgelt für die Tat oder als Erlös aus ihr in das Vermögen eines an der Straftat Beteiligten oder durch dessen Handeln unmittelbar in das Vermögen eines tatunbeteiligten Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) gelangt ist. Dadurch soll dem Tatbeteiligten, aber auch der Allgemeinheit, vor Augen geführt werden, dass sich Verletzungen der Strafrechtsordnung über die eigentliche Ahndung der Tat durch eine entsprechende Sanktion hinaus auch finanziell nicht auszahlen. Auf diese Weise bezweckt der Verfall auf vermögensrechtlichem Gebiet auch die Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung. Dieser Normzweck gilt ebenfalls für die Anordnung des Verfalls gegen einen Drittbegünstigten nach § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624, 626; vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f.; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 8).
(3) Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist deshalb danach zu bestimmen, was letztlich strafbewehrt ist. Hat sich der Tatbeteiligte im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit - insbesondere dem Abschluss oder der Erfüllung eines Vertrages - strafbar gemacht, so ist demgemäß bei der Bestimmung dessen, was er aus der Tat erlangt hat, in den Blick zu nehmen, welchen geschäftlichen Vorgang die Vorschrift nach ihrem Zweck verhindern will; nur der aus diesem Vorgang gezogene Vorteil ist dem Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erwachsen. Soweit das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt danach grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884 mwN).
Diese Grundsätze gelten auch in den Fällen, in denen das geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in strafbarer Weise umgeht. Erreicht er hierdurch, dass er ein - gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde - nicht genehmigungsfähiges Geschäft abschließen und/oder erfüllen sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielen kann, so sind diese in vollem Umfang erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall. Hatte er dagegen einen Anspruch auf die Genehmigung, so bemakelt die Rechtsordnung nicht den Abschluss oder die Erfüllung des Vertrages; vielmehr soll durch die Strafbewehrung allein die Umgehung der Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde sanktioniert werden. Erlangt ist somit nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens erwachsene (Sonder-)Vorteil.
(4) Dem steht das im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB geltende Bruttoprinzip nicht entgegen. Dieses besagt lediglich, dass der erlangte wirtschaftliche Wert "brutto", also ohne gewinnmindernde Abzüge anzusetzen ist. Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht um die Anrechnung gewinnmindernder Abzüge, sondern um die Bestimmung des unmittelbar aus der Tat Erlangten unter Beachtung insbesondere von Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB. Die dem Verfall unterliegenden Aufwendungen, welche die Nebenbeteiligte dadurch ersparte, dass sie die erforderlichen Genehmigungen nicht einholte, entsprechen nicht dem Bruttoerlös aus den getätigten Veräußerungsgeschäften abzüglich dabei entstandener Kosten; sie sind vielmehr qualitativ etwas anderes. Insoweit ist das Bruttoprinzip nicht beeinträchtigt; denn die Bestimmung des für die Abschöpfung überhaupt in Betracht kommenden Vorteils ist der Bestimmung seines Umfangs logisch vorgelagert (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 5 StR 224/09, NJW 2010, 882, 884; Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 269).
(5) Nach diesen Maßstäben ist in den Fällen, in denen wie hier die Verfallsanordnung auf einer Straftat nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG beruht und die erforderliche Genehmigung durch das BAFA hätte erteilt werden müssen, auch unter Beachtung des Schutzzwecks der Strafvorschrift als dem Unwertgehalt der Tat entsprechender Sondervorteil lediglich die Ersparnis derjenigen Aufwendungen anzusehen, die für die Erteilung der Genehmigung hätten erbracht werden müssen. § 34 Abs. 1 Satz 1 AWG stellt das Ausführen (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 AWG) oder Verbringen (§ 4 Abs. 2 Nr. 5 AWG) bestimmter Güter ohne Genehmigung unter Strafe. Die Vorschrift hat vor allem den Schutz des Allgemeinwohls im Blick, indem sie mit ihrer Strafdrohung den Genehmigungsvorbehalt im Außenwirtschaftsverkehr sicherstellt, mit dessen Hilfe der Staat den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AWG grundsätzlich freien Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland aus übergeordneten Interessen des Gemeinwohls beschränken kann (Erbs/Kohlhaas/Diemer, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Rn. 1, § 34 Rn. 4 [Stand: Januar 2009]). Der grundsätzlich freie Export ist nur insoweit genehmigungspflichtig, als er wegen überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, ihrer auswärtigen Beziehungen und des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder im Hinblick auf zwischenstaatliche Vereinbarungen der Kontrolle bedarf (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 5 StR 210/94, BGHSt 40, 378, 384). Danach handelt es sich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG, wenn die erforderliche Genehmigung vom BAFA zu erteilen gewesen wäre, nicht um eine primär gewinnorientierte Straftat, wie sie der Gesetzgeber im Rahmen der Regelung des § 73 StGB vor allem erfassen wollte (BGH, Urteil vom 21. August192002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 373 f., 375). Auch unter präventiven Gesichtspunkten ist die Abschöpfung des Verkaufserlöses folglich bei einem Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AWG nicht angezeigt, wenn die Ausfuhr hätte genehmigt werden müssen; denn der Kern des strafbewehrten Tatunrechts liegt bei diesem rein formalen Verstoß gegen den Genehmigungsvorbehalt lediglich darin, dass die Angeklagte vor der Ausfuhr der Waren nicht die erforderliche Genehmigung eingeholt hat. Der Umstand, dass diese Genehmigung vom BAFA jeweils auf Antrag hätte erteilt werden müssen, belegt, dass der Abschluss der Veräußerungsgeschäfte sowie deren Erfüllung und die damit verbundene Ausfuhr aus dem Gemeinschaftsgebiet als solche den Prinzipien der Rechtsordnung gerade nicht widersprachen. Somit entfällt die Notwendigkeit, durch die Anordnung des Verfalls des gesamten Verkaufserlöses der verletzten Rechtsordnung wieder Geltung zu verschaffen. In diesem Punkt unterscheiden sich die Fälle der vorliegenden Art wesentlich von solchen, in denen gerade das Veräußerungsgeschäft als solches oder dessen Erfüllung den wesentlichen Gehalt des Tatunrechts bilden. Die Abschöpfung des gesamten Verkaufserlöses entspräche hier nicht spiegelbildlich dem bemakelten Vermögensvorteil, den der Täter oder Drittbeteiligte gerade aus der Tat gezogen hat.
(6) Somit ist entgegen der Auffassung des Landgerichts der Umstand, dass die Ausfuhren jeweils vom BAFA hätten genehmigt werden müssen, nicht erst bei der Prüfung von Belang, ob die Verfallsanordnung für den Betroffenen eine unbillige Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB darstellt (aA MünchKommStGB/Joecks, § 73c Rn. 12; Franzheim, wistra 1989, 87, 90). Damit wird schließlich auch dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung besser Genüge getan. Während der im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB in Fällen der vorliegenden Art abzuschöpfende Sondervorteil regelmäßig berechenbar ist und das Erlangte daher beziffert werden kann, ist für den unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB20nach ständiger Rechtsprechung maßgebend, ob die Anordnung den Betroffenen empfindlich treffen und Grundsätze der Billigkeit sowie das Übermaßverbot verletzen und damit "schlechthin ungerecht" erscheinen würde (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, BGHR StGB § 73c Härte 13). Diese Umschreibung eröffnet dem Tatgericht einen weiten Beurteilungsspielraum. Es obliegt im Wesentlichen seiner Bewertung, ob eine unbillige Härte vorliegt. Die Gewichtung der hierfür maßgeblichen Umstände ist der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen (BGH, Urteil vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, BGHR StGB § 73c Härte 14). Hieraus folgt, dass ähnlich gelagerte Sachverhalte eine ganz unterschiedliche Behandlung erfahren können. Dies belegt auch der vorliegende Fall, in dem das Landgericht den Verfallsbetrag von 1.115.699,13 (Gesamterlös 1.157.020,11 abzüglich angerechneter Steuern in Höhe von 41.320,98 ) auf 200.000 herabgesetzt hat, ohne dass den Urteilsgründen entnommen werden kann, warum gerade dieser Betrag angemessen sein soll.
II. Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die ausweislich ihrer Begründung wirksam auf die Höhe der Verfallsanordnung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGH, Urteile vom 9. Mai 2001 - 3 StR 541/00, NStZ 2001, 531; vom 25. September 1990 - 1 StR 400/90, BGHR StGB § 73a Wert 1) bleibt ohne Erfolg, soweit sie einen höheren Verfallsbetrag erstrebt. Wie dargelegt ist die Entscheidung des Landgerichts zu § 73 StGB zum Nachteil der Nebenbeteiligten rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden, welche die Anordnung des Verfalls in Höhe von mehr als 200.000 begründen.
2. Das Rechtsmittel führt jedoch aus den zu der Revision der Nebenbeteiligten dargestellten Gründen zur Aufhebung der Verfallsanordnung in den Fällen III. 3. 1 bis 36 und 38 bis 47 der Urteilsgründe (§ 301 StPO).
3. Die insoweit nicht beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft erfasst zu Gunsten der Nebenbeteiligten auch den Fall III. 3. 37 der Urteilsgründe. Bezüglich der auf dieser Tat beruhenden Verfallsanordnung hält das Urteil sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang insbesondere rechtsfehlerfrei im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den erzielten Verkaufserlös als von der Nebenbeteiligten erlangtes Etwas bewertet. Anders als in den übrigen Fällen war die Ausfuhr der Waffen hier nicht genehmigungsfähig, da sie gegen ein Embargo verstieß. Embargoverstöße sind - ähnlich wie etwa Rauschgiftgeschäfte - an sich verboten, so dass der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegt. In diesen Fällen kommt mit Blick darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland auch aufgrund internationaler Verpflichtungen gehalten ist, derartigen Handlungen mit effektiven Maßnahmen entgegenzuwirken, der Anordnung des Verfalls des aus solchen Geschäften Erlangten nach dem Bruttoprinzip auch beim Drittbegünstigten große Bedeutung zu. Auf diese Weise kann vor dem Hintergrund der präventiven Zielrichtung des Verfalls das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sich derartige Geschäfte nicht lohnen, Aufwendungen hierfür nutzlos sind und es deshalb auch wirtschaftlicher ist, wirksame Kontrollmechanismen zur Verhinderung solcher Straftaten einzurichten (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2004 - 1 StR 269/03, NStZ-RR 2004, 214, 215; Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 372).
III. Umfang der Aufhebung
Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtskräftig, soweit sie die Verfallsanordnung im Fall III. 3. 37 in Höhe von 8.040 betrifft.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden durch den aufgezeigten Wertungsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, etwa zur Höhe der von der Nebenbeteiligten ersparten Aufwendungen, sind möglich. Das neue Tatgericht wird dabei die Kosten und gegebenenfalls Gebühren in den Blick zu nehmen haben, die der Nebenbeteiligten durch das Verfahren beim BAFA entstanden wären. Daneben sind etwa auch die Kosten für diejenigen Maßnahmen einzubeziehen, die von der Nebenbeteiligten zu treffen gewesen wären, um eine angemessene Prüfung der veräußerten Ware auf ihre Genehmigungsbedürftigkeit und -fähigkeit zu gewährleisten. Sollten insoweit konkrete Feststellungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu treffen sein, kommt eine Schätzung nach Maßgabe des § 73b StGB und der hierzu entwickelten Grundsätze in Betracht.