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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 14.02.2012, Az.: 3 STR 446/11

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und "gemeinschaftlichen" Mordes in Tateinheit mit "gemeinschaftlichem" Raub mit Todesfolge zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge verurteilt worden ist; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Nachprüfung insoweit nicht stand, als die Feststellungen die Beteiligung des Angeklagten als Mittäter an dem von dem Mitangeklagten B. begangenen Mord nicht belegen. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt: "Mittäterschaft liegt vor, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Verhalten fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun nicht bloß fördern will, sondern wenn sein Tatbeitrag im Sinne gleichgeordneten arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hatte, muss nach den gesamten Umständen, die von den Vorstellungen des Handelnden umfasst wurden, in wertender Betrachtung beurteilt werden. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat vom Einfluss des Mitwirkenden abhängen (vgl. u.a. BGHSt 28, 346, 348 f.; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 2, 8 bis 10, 12, 18, 29; Tatbeitrag 1, 3, 4 und Tatherrschaft 4; vgl. auch BGHR StGB § 27 Abs. 1 Tatherrschaft 2).

Gemessen an diesen Kriterien durfte das Landgericht die Rolle, die der Angeklagte bei der Tatplanung innehatte und die er bei der Verwirklichung der getroffenen Vereinbarungen übernehmen sollte und tatsächlich übernommen hat, nicht als die eines Mittäters eines Mordes beurteilen. Nach den Urteilsfeststellungen sah der gemeinsame Tatplan vor, nach dem Öffnen der Haustür durch das Tatopfer dieses zu überwältigen und am Schreien zu hindern (UA S. 13); anschließend sollte das Tatopfer gefesselt und geknebelt werden (UA S. 14). Nachdem der Angeklagte das Wohnhaus betreten hatte, erkannte er, dass der Mitangeklagte B. das Tatopfer so lange würgte, bis es bewusstlos war (UA S. 15). Aktiv hat sich der Angeklagte an der Tötungshandlung nicht beteiligt.

Diese Feststellungen belegen keine Mittäterschaft. Zwar ist es für gemeinschaftliche Tatbegehung nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der zum Tode führenden Verletzungshandlung teilnimmt. Die Tat muss aber in jedem Falle auf einem gemeinsamen Willensentschluss beruhen und im gegenseitigen Einverständnis vorgenommen werden. Daran fehlt es hier. Der Angeklagte erhielt von dem Würgen des Tatopfers erst in dem Augenblick Kenntnis, als er das Wohnhaus betrat. Ein gemeinsamer Tatplan bestand insoweit nicht. Dieser lag auch nicht in dem gemeinsamen Vorhaben, der Frau Vermögensgegenstände - auch gewaltsam - wegzunehmen; dass hierfür mehr Gewaltausübung als bloßes Festhalten und Zuhalten des Mundes des dem Mitangeklagten B. körperlich weit unterlegenen Opfers nötig und beabsichtigt gewesen wäre, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Vielmehr spricht die geplante Knebelung und Fesselung des Tatopfers dafür, dass der ursprüngliche Tatplan lediglich eine Körperverletzung des Tatopfers umfasste.

Auch sukzessive Mittäterschaft erscheint nach Feststellungen fraglich: Diese liegt nur vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 21, 27). Zwar war die Gewalthandlung des Mitangeklagten B. noch nicht beendet, als der Angeklagte das Würgen erkannte. Für die Annahme von Mittäterschaft reicht es aber nicht, dass der Beteiligte die durch andere verwirklichten Tatumstände kennt, sie billigt und durch eigenes Einschreiten verhindern könnte. Voraussetzung der Mittäterschaft ist vielmehr eine - auch nur psychische - Förderung der Tat und das Bewusstsein des Täters von der fördernden Wirkung seines Beitrags (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 8; Tatbeitrag 2 und 4; Tatherrschaft 3). Außerdem erfordert die gebotene Willensübereinstimmung, dass der andere seine Tätigkeit durch die geleistete Unterstützung vervollständigen und diese sich zurechnen lassen will (BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatbeitrag 4; Tatherrschaft 3). Feststellungen zu einem solchen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag fehlen aber im angefochtenen Urteil. Dass die Passivität des Angeklagten vom Mitangeklagten B. als psychische Bestärkung verstanden worden ist und werden sollte, versteht sich angesichts des abweichenden Tatplans auch nicht von selbst, zumal unklar bleibt, ob der Mitangeklagte B. die Anwesenheit des Angeklagten zum Zeitpunkt des Würgens überhaupt bemerkt hat. Dass der Angeklagte anschließend auf Aufforderung des Mitangeklagten B. Tücher aus der Küche holte, die sich zum Knebeln eignen (UA S. 15), führt unabhängig davon, dass dies keinen die Tötung fördernden Beitrag darstellt, zu keinem anderen Ergebnis, weil nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Tatopfer zu diesem Zeitpunkt bereits tot und die Tat deshalb beendet war.

Soweit die Strafkammer, indem sie darauf abstellt, dass der Angeklagte nicht eingegriffen habe, von einem Mord durch Unterlassen auszugehen scheint, wird dies durch die Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Es erscheint schon fraglich, ob - worauf das Landgericht nicht eingeht - der Angeklagte überhaupt eine Garantenstellung innehatte. Eine Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, die hier nur in Betracht kommt, setzt voraus, dass das Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 292; Fischer StGB 58. Aufl. § 13 Rdn. 27). Dies kann etwa der Fall sein bei der Beteiligung an Misshandlungen und der anschließenden Tötung des Opfers durch einen anderen Mittäter, wenn das vorausgegangene Verhalten eine Gefahrerhöhung für das Opfer dadurch bewirkte, dass der Täter in seinem zum Tode führenden Vorgehen bestärkt wurde (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7). Dass die gemeinschaftliche Planung eines Raubes mit Fesselung und Knebelung des Tatopfers die nahe Gefahr der Ermordung des Opfers infolge Erwürgens durch den Mittäter herbeigeführt hat, erscheint aber nicht selbstverständlich. Vielmehr hätte sich das Landgericht insoweit damit auseinandersetzen müssen, ob ein Exzess eines Mittäters gegeben sein könnte, der nicht durch das Vorverhalten des Angeklagten bestärkt worden ist und wofür der Angeklagte deshalb nicht als Ingerent haftet (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 292; Schönke/Schröder/Stree/Bosch StGB 28. Aufl. § 13 Rdn. 35a).

Ungeachtet dessen enthält das Urteil keine Feststellungen, ob der Angeklagte überhaupt die Möglichkeit der Erfolgsverhinderung hatte. Wegen Totschlags durch Unterlassen hätte sich der Angeklagte nur strafbar gemacht, wenn das gebotene Handeln den als möglich erkannten Tod noch hätte verhindern können und er sich dessen bewusst war (vgl. BGH NStZ 2007, 469; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben aaO § 15 Rdn. 94; Fischer aaO § 13 Rdn. 42). Dazu enthält das angefochtene Urteil keine konkreten Feststellungen. Da unklar bleibt, wie lange der Mitangeklagte B. das Tatopfer schon gewürgt hatte, als der Angeklagte das Wohnhaus betrat und den vom Tatplan abweichenden Angriff erkannte, bleibt offen, ob zu diesem Zeitpunkt bei sofortigem Einschreiten die Verhinderung des Todeseintritts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. Fischer aaO vor § 13 Rdn. 39) noch möglich und dem Angeklagten die Möglichkeit einer Rettung überhaupt bewusst war.

Schließlich wäre zu erörtern gewesen, ob nicht lediglich eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe durch Unterlassen zur Tat eines aktiv Handelnden die innere Haltung des Unterlassenden zur Tat bzw. dessen Tatherrschaft maßgebend. War seine aufgrund einer wertenden Betrachtung festzustellende innere Haltung - insbesondere wegen des Interesses am Taterfolg - als Ausdruck eines sich die Tat des anderen zu eigen machenden Täterwillens aufzufassen, so liegt die Annahme von Mittäterschaft nahe. War sie dagegen davon geprägt, dass er sich dem Handelnden - etwa weil er dessen bestimmenden Einfluss unterlag - im Willen unterordnete und ließ er das Geschehen ohne innere Beteiligung und ohne Interesse am drohenden Erfolg lediglich ablaufen, spricht dies für eine bloße Beteiligung als Gehilfe (vgl. BGH NStZ 2009, 321; NStZ 1992, 31; weitere Nachweise bei Fischer aaO § 13 Rdn. 51a).

Hier hätte der Angeklagte durch sein Eingreifen zugunsten des Opfers die weitere Tatbegehung durch den Mitangeklagten B. möglicherweise beenden können. Maßgeblich gesteuert wurde die Gewalthandlung indes vom Mitangeklagten B., der die Tatbestandsverwirklichung in Händen hielt, während der Angeklagte diese lediglich ablaufen ließ. Dies lässt beim Angeklagten als Randfigur der Gewalthandlung trotz seines Interesses an der Tatbeute die Annahme einer Gehilfenstellung hinsichtlich des Mordes nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen." Dem schließt sich der Senat an.

2. Die Aufhebung erfasst auch die mit dem Mord in Tateinheit stehende Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge. Mit Blick auf die diesbezüglichen Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat ergänzend, dass ein Schuldspruch wegen einer vollendeten Tat nach § 251 StGB nicht allein deshalb ausscheidet, weil das Opfer im Zeitpunkt der Wegnahme an den Folgen der Raubhandlung bereits verstorben war (BGH, Beschluss vom 18. August 2009 - 5 StR 227/09, NStZ 2010, 33).