Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 06.07.1995, Az.: 4 STR 321/95
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und für die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine Sperre von zwei Jahren bestimmt.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg.
1. Die Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis kann keinen Bestand haben.
a) Nach den Feststellungen war es zwischen dem Angeklagten und einem Taxifahrer während einer nächtlichen Taxifahrt zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf der Taxifahrer aus dem stehenden Fahrzeug auf die Fahrbahn gefallen war. "Sodann faßte der Angeklagte den Entschluß, mit dem Pkw wegzufahren." Er fuhr "nur wenige Straßen weiter". Dann ließ er den Wagen stehen und entfernte sich zu Fuß, ohne jemanden über den Verbleib des Fahrzeugs zu informieren. Dieses wurde am Morgen desselben Tages aufgefunden.
Für die Bewertung dieser Tat als Diebstahl sieht es das Landgericht als "entscheidend" an, "daß der Angeklagte das Fahrzeug unverschlossen und mit noch im Zündschloß steckendem Schlüssel abstellte, so daß es dem Zugriff Dritter preisgegeben war".
b) Diese Würdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Frage, ob die Benutzung eines fremden Kraftfahrzeugs gegen den Willen des Berechtigten als Diebstahl oder als unbefugte Ingebrauchnahme zu beurteilen ist, beantwortet sich danach, ob der Täter über das fremde Fahrzeug selbstherrlich wie ein Eigentümer unter dauerndem Ausschluß des Berechtigten verfügen und zu diesem Zweck von vornherein den fremden Gewahrsam zugunsten des eigenen endgültig brechen will (Diebstahl) oder ob er sich von Beginn an mit der vorübergehenden eigenmächtigen Benutzung des Fahrzeugs, und deshalb mit nur zeitweiliger Brechung des fremden Gewahrsams begnügen, diesen also nach Beendigung des Gebrauchs wiederherstellen will (unbefugte Ingebrauchnahme). Danach unterscheiden sich beide Straftatbestände unter anderem durch den für die unbefugte Ingebrauchnahme wesentlichen Willen zur Rückführung des Fahrzeugs in den Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers. Mithin muß, soll lediglich unbefugter Gebrauch vorliegen, der Wille des Täters im Zeitpunkt der Wegnahme dahin gehen, den Berechtigten in eine solche Lage zu versetzen, daß er seine ursprüngliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug ohne besondere Mühe wieder ausüben kann (BGHSt 22, 45, 46; BGH NStZ 1982, 420; NJW 1987, 266; st. Rspr.).
Den danach an die Abgrenzung von Diebstahl (§ 242 StGB) und unbefugtem Gebrauch eines Fahrzeugs (§ 248 b StGB) zu stellenden Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht gerecht: Allerdings kann die Zueignungsabsicht im Sinne des § 242 StGB - worauf die Strafkammer abstellt - daraus hergeleitet werden, daß der Täter das Kraftfahrzeug mit dem Willen wegnimmt, es nach Gebrauch an einer Stelle stehenzulassen, an der es dem Zugriff Dritter preisgegeben ist (vgl. BGH NJW 1987, 266 m.w.N.). Doch handelt es sich hierbei lediglich um ein Beweisanzeichen, das im Einzelfall eine umfassende Prüfung der inneren Tatseite nicht entbehrlich macht (BGHSt 22, 45, 46, 47; BGH NJW 1987, 266).
Hier bestand zu einer eingehenderen Erörterung der Abgrenzungsfrage um so mehr Anlaß, als der Angeklagte das Fahrzeug nur wenige Straßen vom Ort der Wegnahme entfernt und anscheinend nicht an entlegener Stelle abstellte. Auch die sonstigen Umstände der Tat, insbesondere die Tatzeit (etwa 3.30 Uhr morgens) sowie die Art des entwendeten Fahrzeugs (Taxi), lassen es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß der Angeklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Wegnahme damit rechnete, das Fahrzeug werde nach dem Abstellen - wie es ja auch tatsächlich geschehen ist - alsbald wieder zu dem Berechtigten zurückgelangen. In diesem Fall hätte er sich aber nur einer - lediglich auf Antrag zu verfolgenden - unbefugten Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs gemäß § 248 b StGB schuldig gemacht.
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Diebstahls und wegen tateinheitlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Aus diesem Grunde können auch die Gesamtstrafe und der Maßregelausspruch nicht Bestand haben. Eine Änderung des Schuldspruchs kommt nicht in Betracht. Es ist nicht auszuschließen, daß in neuer Verhandlung weitere Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen werden können.
3. Die Verurteilung wegen Körperverletzung wird dagegen von dem Rechtsfehler nicht berührt und kann bestehenbleiben. Insofern hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung auch im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das gilt ebenso für die wegen dieser Tat verhängte Einzelstrafe. Allerdings begegnen mit Blick auf die Strafzumessung die sehr knappen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, die unter anderem keine Angaben zu seiner beruflichen Ausbildung und Tätigkeit enthalten, Bedenken. Unter Berücksichtigung der von der Strafkammer angestellten Strafzumessungserwägungen, insbesondere der Vorstrafen des Angeklagten sowie des Umstandes, daß er die Tat in laufender Bewährungszeit begangen hat, kann der Senat aber ausschließen, daß der Strafausspruch auf dem Mangel beruht.
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Dem Senat erscheint die Zurückverweisung an den Strafrichter angemessen (§ 354 Abs. 3 StPO).