Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 20.10.2011, Az.: 4 STR 344/11
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls, Verleumdung und Sachbeschädigung in jeweils zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem anderweit ergangenen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tatmehrheit mit Diebstahl und Sachbeschädigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht auf Freispruch erkannt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die verfahrensrechtliche Beanstandung greift aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. August 2011 nicht durch.
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen III. 1 bis III. 6 der Urteilsgründe keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Hingegen hält die Verurteilung wegen vorsätzlicher Brandstiftung im Fall III. 7 der Gründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe ein fremdes Gebäude durch eine Brandlegung teilweise zerstört (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 2. Variante StGB), wird von den Feststellungen nicht getragen.
1. Die Strafkammer hat festgestellt, dass sich der Angeklagte in der Nacht vom 1. auf den 2. November 2009 unter Verwendung eines Nachschlüssels Zutritt zu dem Verwaltungsgebäude der Firma in I. verschaffte.
Unter Mitnahme des Mobilteils eines Telefons begab er sich vom Büro des Betriebsleiters aus in die Küche des Gebäudes. Dort stellte er die üblicherweise auf einer Arbeitsplatte stehende Kaffeemaschine auf die linke hintere Herdplatte und schaltete diese auf die Maximalstufe, um die Kaffeemaschine in Brand zu setzen. Ihm war dabei bewusst, dass durch sein Vorgehen trotz des Vorhandenseins eines Rauchmelders die Gefahr erheblicher Brandschäden am Gebäude bestand. Dies nahm er billigend in Kauf, da er den Eindruck erwecken wollte, ein Mitarbeiter des inzwischen statt seines eigenen Unternehmens für die Firma tätigen Sicherheitsdienstes habe den Brand durch Unaufmerksamkeit verursacht. Wie vom Angeklagten beabsichtigt geriet die Kaffeemaschine in Brand, wodurch es an der Küchendecke zu Putzabplatzungen kam und von der Wandverkleidung über dem unmittelbaren Brandherd zwei Fliesen abfielen. Darüber hinaus wurde der gesamte Küchenraum bis zur Unbenutzbarkeit verrußt; ein Vollbrand konnte verhindert werden. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von 15.000 bis 18.000 Euro.
2. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auf der Grundlage dieser Feststellungen eine Strafbarkeit gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur in der Variante des teilweisen Zerstörens durch Brandlegung in Betracht kam. Die Voraussetzungen dieser Tatmodalität hat es indes nicht hinreichend belegt.
a) Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der teilweisen Zerstörung bei den Brandstiftungsdelikten soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers auf die Auslegung der gleichlautenden Tatbestandsfassung in den §§ 305, 305a StGB orientieren (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 88). Danach ist ein Gebäude im Sinne der §§ 306 Abs. 1, 306a Abs. 1, 2 StGB teilweise zerstört, wenn es für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen unbrauchbar gemacht, wenn ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird oder wenn einzelne Bestandteile der Sache, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, gänzlich vernichtet werden (Senatsurteil vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 20 zu § 306a StGB m. Anm. Radtke, NStZ 2003, 432; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 13 f.; SSW-StGB/Wolters § 306 Rn. 14). Dabei muss schon wegen der im Vergleich zu den §§ 305, 305a StGB deutlich höheren Strafdrohung in den §§ 306, 306a StGB eine Zerstörung von Gewicht vorliegen, das jeweilige Objekt also in einem seiner wesentlichen Bestandteile betroffen sein (Senatsurteil aaO, S. 18). Die teilweise Zerstörung etwa eines Mehrfamilienhauses hat der Bundesgerichtshof daher nicht schon dann angenommen, wenn Mobiliar zerstört wird, sondern erst dann, wenn eine zu Wohnzwecken bestimmte "Untereinheit" wegen der Brandlegungsfolgen aus der Sicht eines "verständigen" Wohnungsinhabers für eine beträchtliche Zeitspanne nicht mehr benutzbar ist (Senatsbeschluss vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519, Tz. 2; Beschluss vom 10. Januar 2007 - 5 StR 401/06, NStZ 2007, 270, Tz. 11). Dabei kann sich die länger andauernde Unbenutzbarkeit auch aus einer starken Verrußung ergeben (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 3 StR 422/01, StV 2002, 145).
Dieser Auslegungsmaßstab für das Merkmal des teilweisen Zerstörens gilt für nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude gleichermaßen. In § 306 Abs. 1 StGB ist auch für diese Tatobjekte ein Strafrahmen vorgesehen, der den des § 305 StGB deutlich überschreitet, so dass an die Tathandlung der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung dieselben, soeben näher dargelegten erhöhten Anforderungen zu stellen sind. Angesichts der denkbaren Bandbreite von Zweckbestimmungen bei gewerblich genutzten Gebäuden wird der Tatrichter je nach den Umständen des einzelnen Falles den konkreten Zweck zu ermitteln und in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung des Erfordernisses der Gewichtigkeit des Taterfolgs zu beurteilen haben, ob die Feststellungen zu Art und Umfang der Unbrauchbarkeit des Gebäudes insgesamt oder seiner zwecknötigen Teile bzw. der gänzlichen Vernichtung einzelner Bestandteile die Annahme einer teilweisen Zerstörung im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtfertigen.
Dies muss in den Urteilsgründen im Einzelnen dargelegt werden.
b) Gemessen daran bedarf die Frage, ob sich der Angeklagte einer teilweisen Zerstörung des Verwaltungsgebäudes der Firma durch Inbrandsetzung der in dem Gebäude befindlichen Teeküche strafbar gemacht, erneuter tatrichterlicher Prüfung. Dass das Gebäude als Sitz der Verwaltung der Firma für eine seiner Zweckbestimmungen durch Inbrandsetzung der Teeküche für eine nicht unbeträchtliche Zeit unbrauchbar gemacht wurde, ist den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher zu entnehmen und liegt insbesondere angesichts der - soweit aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich - untergeordneten Bedeutung des betroffenen Raumes für den Widmungszweck des Gesamtgebäudes eher fern. Entsprechendes gilt erst recht für die Frage, ob die Teeküche als für das ganze Gebäude zwecknötiger Teil oder als für einen selbständigen Gebrauch bestimmte und eingerichtete Abteilung anzusehen ist. Ob sich der Angeklagte, sollte das Landgericht zum Vorliegen zumindest einer dieser Voraussetzungen keine Feststellungen treffen können, eines Versuchs im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder lediglich einer Sachbeschädigung strafbar gemacht hat, wird im Wesentlichen davon abhängen, welche Vorstellungen des Angeklagten zum Tatverlauf der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter für erwiesen hält.
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen vorsätzlicher Brandstiftung entzieht auch dem Ausspruch über die weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten die Grundlage.
Der Senat holt ferner in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die versehentlich unterbliebene Festsetzung der Höhe des Tagessatzes auf den Mindestsatz des § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB nach, soweit der Angeklagte im Fall III. 3 der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung durch Beschädigung der Fensterscheibe zum Nachteil der Firma R. zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen verurteilt worden ist. Dies ist auch dann erforderlich, wenn aus einer Geldstrafe und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird (BGH, Beschluss vom 20. April 1988 - 3 StR 138/88, BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 2).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, da die verbliebenen Tatvorwürfe die Zuständigkeit des Schwurgerichts nicht mehr begründen können.