Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 04.08.1983, Az.: 4 STR 378/83
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 22. Dezember 1982, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Strafvereitelung zu acht Monaten Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die Revision der Angeklagten rügt die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
1.Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2.Die Sachbeschwerde ist begründet.
a)Nach den Urteilsfeststellungen hat die Angeklagte mit dem Mitangeklagten Wilfried K., welcher aus der - wegen mehrfachen Diebstahlsverdachts angeordneten - Untersuchungshaft entwichen war und in der Folgezeit weitere Diebstähle begangen hat, ein gemeinsames Zimmer bewohnt, sich als dessen Ehefrau ausgegeben und dabei den von ihm verwendeten falschen Namen geführt. Das Landgericht ist aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, daà die Angeklagte nicht als - wie ihr in der Anklage zur Last gelegt wird - "Tatgehilfin des Angeklagten K. bestraft werden" kann, da "ihr konkrete, die jeweilige Tat des Angeklagten K. förderne Handlungen nicht nachzuweisen sind". Es sieht jedoch den Tatbestand der Strafvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) als erfüllt an, weil sie "wuÃte, daà Kiehl vor seiner Inhaftierung im Jahre 1981 Straftaten begangen" hatte, "deshalb in Untersuchungshaft genommen worden war" und sich, "als sie im Dezember 1981 mit ihm zusammenzog und bis zur Festnahme am 23. April 1982 mit ihm zusammenwohnte, ... auf der Flucht befand und Diebesgut mit in die gemeinsame Wohnung brachte", und weil sie sich unter dem von ihm geführten Namen als dessen Ehefrau ausgegeben hat, "um ihn der Strafverfolgung zu entziehen", was "ihr auch über Monate hinweg gelungen" sei (UA 26).
b)Das reicht nicht aus, um den Vorwurf der Strafvereitelung zu begründen.
aa)Den Feststellungen läÃt sich schon das Vorliegen des äuÃeren Tatbestandes nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen.
Die tatbestandsmäÃige Handlung des § 258 Abs. 1 StGB besteht darin, daà die Bestrafung des Vortäters oder die Verhängung einer MaÃnahme gegen ihn ganz oder zum Teil vereitelt wird (vgl. Ruà in LK 10, Aufl. § 258 StGB Rdn. 10 m.w.N.; Stree in Schönke-Schröder 21. Aufl. § 258 StGB Rdn. 12). Der Täter muà also, anders als nach § 257 StGB a.F., den Vereitelungserfolg herbeiführen (vgl. BGHSt 31, 10, 12) [BGH 17.03.1982 - 2 StR 314/81]. Dabei ist es nicht erforderlich, daà die Strafverfolgung völlig und endgültig unmöglich gemacht wird, der Vortäter muà aber zumindest geraume Zeit der Bestrafung entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1976 - 2 StR 567/75 - und Beschluà vom 25. Februar 1981 - 4 StR 98/81, beide mitgeteilt bei Holtz in MDR 1981, 631) oder in sonstiger Hinsicht in bezug auf die Strafverfolgung bessergestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1982 - 2 StR 214/82). Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergibt sich aus den Feststellungen nicht, daà die genannten Handlungen der Angeklagten einen solchen Vereitelungserfolg gehabt haben.
Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daà gerade durch diese Handlungen die Ergreifung K.s verzögert oder dieser in anderer Hinsicht bessergestellt worden ist. Nach den Feststellungen besteht vielmehr durchaus die Möglichkeit, daà K., auch wenn die Angeklagte nicht mit ihm als angebliche Ehefrau zusammengelebt hätte, nicht zu einem früheren Zeitpunkt ergriffen worden wäre. Das Landgericht hätte deshalb näher darlegen müssen, aus welchen umständen es seine Ansicht herleitet, der Angeklagten sei es "über Monate hinweg gelungen", K. der Strafverfolgung zu entziehen.
Nach den Feststellungen mag K. allerdings durch das Verhalten der Angeklagten in seinen Bemühungen, sich der Strafverfolgung zu entziehen, bestärkt worden sein. Darin kann aber lediglich ein den Selbstschutz des Vortäters unterstützendes Handeln gesehen werden, das nicht den Straftatbestand des § 258 Abs. 1 StGB erfüllt (vgl. Ruà in LK 10. Aufl. § 258 StGB Rdn. 35).
bb)Auch in subjektiver Hinsicht begegnet die Verurteilung wegen Strafvereitelung durchgreifenden Bedenken.
Der innere Tatbestand des § 258 Abs. 1 StGB setzt voraus, daà der Täter in der Absicht oder jedenfalls mit dem Wissen, also dem direkten Vorsatz handelt, den Vortäter der Strafverfolgung zu entziehen (vgl. Ruà in LK 10. Aufl. § 258 StGB Rdn. 21 m.w.N.; Samson in SK 2. Aufl. § 258 Rdn. 48). Das Landgericht geht zwar davon aus, daà die Angeklagte, indem sie sich "als Frau E. und als Ehefrau des Angeklagten K." ausgab, in der Absicht handelte, "ihn der Strafverfolgung zu entziehen" (UA 26). Es übersieht dabei jedoch, daà nach den Feststellungen auch naheliegende andere Gründe für ihr Handeln vorgelegen haben können.
So kann es ihr allein darauf angekommen sein, mit K. wieder, wie vor dessen Verhaftung, in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenzuleben. Sie kann aber auch mit dem Ziel gehandelt haben, eigenes strafbares Tun zu verdecken. Denn die zugelassene Anklage legt ihr - wie aufgezeigt - zur Last, zu den Straftaten K.s Beihilfe geleistet zu haben. Eine Verurteilung ist insoweit nur deshalb nicht erfolgt, weil ihr dies nicht nachgewiesen werden konnte (UA 26). Falls sie - was hier zu ihren Gunsten unterstellt werden muà - tatsächlich solche Beihilfehandlungen begangen hat, besteht die Möglichkeit, daà sie jedenfalls auch in der Absicht gehandelt hat, eine gegen sie selbst gerichtete Strafverfolgung zu vereiteln. In diesem Fall würde sie nach § 258 Abs. 5 StGB straffrei bleiben (vgl. BGH, Beschluà vom 6. November 1980 - 1 StR 614/80, mitgeteilt bei Holtz in MDR 1981, 99; Ruà in LK 10, Aufl. § 258 StGB Rdn. 33). Das Landgericht hätte sich hiermit näher auseinandersetzen müssen.
Dagegen kann der Angeklagten, entgegen der Ansicht der Revision, nicht das Angehörigenprivileg des § 258 Abs. 6 StGB zugebilligt werden. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, daà sowohl ihre Ehe als auch die des Mitangeklagten K. noch besteht. Aus den Urteilsgründen ergibt sich auch nicht, daà beide im Tatzeitpunkt die Scheidung ihrer Ehe betrieben und eine spätere EheschlieÃung beabsichtigt haben. Die Angeklagte kann deshalb, obwohl sie mit Kiehl in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt hat, nicht als dessen Verlobte im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB angesehen werden (vgl. BGH, VRS 36, 20, 21/22; BGH Beschlüsse vom 17. Mai 1983 - 1 StR 160/83 - und vom 27. Mai 1983 - 3 StR 174/83, jeweils m.w.N.).
3.In der neuen Hauptverhandlung wird das Landgericht wiederum den gesamten Anklagevorwurf gegen die Angeklagte zu untersuchen haben. Soweit ihr die übrigen, in der Anklageschrift genannten Straftatbestände nicht nachgewiesen werden konnten, ist kein Freispruch erfolgt, weil das Landgericht ersichtlich - entsprechend der Anklage - tateinheitliches Zusammentreffen mit der Strafvereitelung angenommen hat (vgl. Kleinknecht-Meyer 36. Aufl. § 260 StPO Rdn. 11). Dieser weitere Anklagevorwurf ist deshalb Gegenstand des Verfahrens geblieben.
Das Landgericht wird erforderlichenfalls auch zu prüfen haben, ob sich die Angeklagte nach § 257 StGB strafbar gemacht hat.