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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 23.11.1962, Az.: 4 STR 388/62

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten N. wird das Urteil des Landgerichts in Münster vom 24. April 1962 dahin abgeändert, daß der Schuldspruch wegen (fortgesetzten) Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis nur die Tage vom 11. bis 16. und den 18. September 1961 umfaßt.

Der hierzu gehörige Einzelstrafausspruch sowie der Ausspruch über die Gesamtstrafe werden mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision verworfen.

Die Revision des Angeklagten E. gegen das bezeichnete Urteil wird verworfene.

Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Entscheidungsgründe

Der Angeklagte N. ist unter Freisprechung im übrigen wegen schweren Diebstahls im strafschärfenden Rückfall, ferner wegen Betruges in vier Fällen, davon in zwei Fällen begangen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, sowie wegen Unterschlagung und wegen Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden.

Der Angeklagte E. ist wegen schweren Diebstahls im strafschärfenden Rückfall und wegen Betruges zu einer Gesamtgefängnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten und wegen Fahrens ohne Führerschein zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

I.Revision des Angeklagten N.

Der Angeklagte hat das Urteil in vollem Umfang angefochten und Einzelrügen insoweit erhoben, als era)wegen Fahrens ohne Führerschein (Fall III 5 a, UA S. 13/14),b)wegen Betrugs zum Nachteil des Pfarrers von No. (Fall III 6 a, UA S. 15),c)wegen Diebstahls in strafschärfendem Rückfall zum Nachteil W. (Fall III 7, UA S. 17),d)wegen Betrugs zum Nachteil der Firma H. (Fall III 8, UA S. 19),

verurteilt worden ist.

Er rügt hinsichtlich der Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis die Verletzung verfahrensrechtlicher, im übrigen die Verletzung sachlichrechtlicher Vorschriften.

Zu a)

Soweit der Angeklagte wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, begangen in der Zeit vom 11. bis 18. September 1961, verurteilt worden ist, macht die Revision mit Recht geltend, daß diese Verurteilung unzulässig sei, weil die Strafbefehlsakten 4 Cs 535/61 des Amtsgerichts Burgsteinfurt ergeben, daß der Angeklagte bereits wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, begangen am 17. September 1961, durch Strafbefehl vom 30. November 1961 mit einer Geldstrafe von 60 DM (für den Fall der Nichtbeitreibung zu einer Gefängnisstrafe von sechs Tagen), belegt worden ist. Die neue Verurteilung verstößt entgegen der Ansicht der Revision jedoch nur insoweit gegen den Grundsatz, daß wegen derselben Tat keine erneute Verurteilung erfolgen darf (Art. 103 Abs. 3 GG), als sich das angefochtene Urteil auch auf das Fahren am 17. September 1961 erstreckt. Insoweit liegt allerdings bereits eine rechtskräftige Ahndung vor. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß jene Bestrafung nicht durch Urteil, sondern durch Strafbefehl ausgesprochen worden ist. Denn auch ein solcher, erlangt nach § 410 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Dies schließt zwar, wie in ständiger Rechtsprechung anerkannt ist, eine nochmalige Verfolgung der Tat aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, der eine erhöhte Strafbarkeit begründet, nicht aus (RGSt 52, 241; 53, 310, 315; BGHSt 3, 13; 9, 10). Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Der rechtliche Gesichtspunkt - Fahren ohne Fahrerlaubnis - ist im früheren und jetzigen Verfahren der gleiche. Nun hat allerdings das Landgericht im Gegensatz zum Strafbefehl festgestellt, daß der Angeklagte nicht nur am 17. September 1961, sondern in der Zeit vom 11. bis 18. September 1961 ohne Fahrerlaubnis gefahren ist und hat hierin eine fortgesetzte Handlung erblickt. Hierin liegt jedoch kein "anderer rechtlicher Gesichtspunkt". Dieser Umstand könnte vielmehr nur in Anwendung desgleichen Strafgesetzes zu einer erhöhten Bestrafung führen (RGSt 54, 283, 285 f). Ein anderer Standpunkt kann auch der Entscheidung BGHSt 9, 10 ff nicht entnommen werden. Hier ist lediglich ausgesprochen, daß die Strafbarkeit stets erhöht ist, wenn innerhalb desselben geschichtlichen Vorgangs zu dem im Strafbefehl abgeurteilten Vorgehen (in jenem Falle § 263 StGB) eine weitere selbständige Handlung (in jenem Falle § 100 e StGB) hinzutritt. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben.

Mithin liegt in der Bestrafung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine unzulässige Doppelbestrafung, soweit die Fahrt vom 17. September 1961 in Frage steht, Dagegen bildet der Strafbefehl kein Hindernis, diejenigen Teile des jetzt als fortgesetzte Handlung gewerteten Fahrens zu verfolgen, die der Strafbefehl nicht umfaßt. Insofern ist die Strafklage, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist - übrigens ohne Rücksicht darauf, ob die vorangegangene Ahndung durch Strafbefehl oder Urteil erfolgt ist - nicht verbraucht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die frühere Bestrafung wegen einer fortgesetzten Tat erfolgt wäre, wenn also auch sie den bereits zum Gegenstand der Aburteilung gemachten Fall als Verwirklichung eines einheitlichen Vorsatzes in mehreren unselbständigen Einzelbetätigungen aufgefaßt und bewertet hätte (RGSt 54, 283, 285 f, BGHSt 2 StR 816/52 vom 20. Februar 1953 bei Dallinger MDR 1953, 273). Das ist jedoch nicht geschehen. Der Strafbefehl ist wegen eines bestimmten Falles des Fahrens ohne Führerschein, begangen lediglich am 17. September 1961, erlassen worden. Die Strafklage ist daher nur wegen dieses damals als selbständige Tat gewürdigten Einzelfalles verbraucht. Für die weiteren im gegenwärtigen Verfahren festgestellten Einzelakte ist jene Verurteilung ohne Belang. Jedoch war, wie ausgeführt, eine Einbeziehung des abgeurteilten Einzelfalles (begangen am 17. September) in die neue Verurteilung wegen insoweit eingetretener Rechtskraft nicht zulässig.

Das Revisionsgericht War in der Lage, in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch von sich aus zu ändern. Jedoch mußte das Urteil insoweit im Strafausspruch sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe aufgehoben werden.

Zu b)

Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Nachdem der Angeklagte N. in No. das von ihm bis dahin benutzte Fahrzeug in eine Reparaturwerkstätte gebracht hatte, suchte er einen ihm bekannten Geistlichen auf, schilderte ihm seine Geldverlegenheit und bat, ihm 90 DM zur Begleichung der Reparatur-Rechnung zu leihen. Er versprach, spätestens im nächsten Monat das Geld zurückzuzahlen. Der Pfarrer gab ihm daraufhin 90 DM. Der Angeklagte wußte, daß er infolge seiner hohen Verschuldung und der Ausweglosigkeit seiner damaligen Lage, die er dem Geistlichen geflissentlich verschwieg, das Geld nicht zurückzahlen konnte (UA S. 15). Das Landgericht hat angenommen, daß vollendeter Betrug vorliege. Es führt aus, er habe den Pfarrer über seine Zahlungswilligkeit und -fähigkeit getäuscht und ihn dadurch zur Hergabe des Geldes veranlaßt. Die Forderung sei in absehbarer Zeit nicht zu verwirklichen (UA S. 16).

Mit der Revision macht der Angeklagte geltend, es habe sich bei dem zur Verfügung gestellten Betrage offensichtlich um Mittel gehandelt, welche Bittstellern aus einem caritativen Fond überlassen würden, ohne daß damit gerechnet werde, daß diese wieder zurückgezahlt würden. Das Landgericht habe den Angeklagten in dieser Sache in einem anderen zur Aburteilung stehenden Fall, nämlich im Falle des ihm zur Last gelegten Betruges gegenüber dem Pfarrer von L., freigesprochen und ausgeführt, daß es nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht unüblich sei, daß Geistliche gelegentlich kleinere Beträge ohne die Erwartung der Rückzahlung zur Verfügung stellten (UA S. 16). Dieser Grundsatz habe auch hier Anwendung zu finden. Das Landgericht habe nämlich nicht festgestellt, daß der Geistliche von No. mit einer Rückzahlung "fest" gerechnet habe. Mithin sei er auch nicht getäuscht worden, als er dem Angeklagten das Geld zur Verfügung gestellt habe.

Die Revision ist nicht begründet. Die Ausführungen des Landgerichts, die es bei der rechtlichen Würdigung macht, müssen als ergänzende tatsächliche Feststellungen angesehen werden. Hier heißt es ausdrücklich, daß der Angeklagte den Geistlichen über seine Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit getäuscht und "ihn so zur Hergabe des Geldes veranlaßt habe". Hiermit will die Strafkammer ersichtlich zum Ausdruck bringen, daß der Pfarrer an das Rückzahlungsversprechen geglaubt hat und dies bei ihm für die Hingabe des Darlehens entscheidend gewesen sei. Der Fall des dem Angeklagten zur Last gelegten Betrugs zum Nachteil des Pfarrers in L. lag anders. Hier hat der Angeklagte eingewandt, der Geistliche in L. habe von vornherein auf eine Rückzahlung verzichtet. Er habe ihm das Geld geschenkt (UA S. 5). Diese Einlassung konnte ihm nicht mit Sicherheit widerlegt werden. Darauf gründete sich der Freispruch. Einen entsprechenden Einwand hat er jedoch im Falle des Pfarrers von No. nicht erhoben. Nach den Feststellungen hat er versprochen, das Geld zurückzuzahlen. Da die Strafkammer im Falle des Pfarrers von L. ausführt, es sei nicht unüblich, daß Geistliche Bittstellern gelegentlich kleine Beträge schenkweise überlassen, ist es ausgeschlossen, daß es diese Möglichkeit bei dem im gleichen Zusammenhang erörterten Fall des Pfarrers von No. übersehen hat. Ersichtlich war es bei der unterschiedlichen Beurteilung der beiden Fälle für die Strafkammer auch maßgebend, daß es sich hier nicht, wie im Falle des Pfarrers von L., nur um einen Betrag von 20 DM, sondern um einen solchen von 90 DM gehandelt hat, also nicht tun einen "kleineren Betrag". Gegen die Verurteilung bestehen danach keine rechtlichen Bedenken.

Zu c) und d)

In diesen Fällen ist der Angeklagte wegen schweren Diebstahls im Rückfall zum Nachteil von W. (UA S. 8, 17) und ferner wegen Betrugs zum Nachteil von H. (UA S. 19) verurteilt worden. Die Revisionsangriffe richten sich lediglich gegen die Beweiswürdigung des Tatrichters. Diese läßt aber Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze nicht erkennen. Der Beschwerdeführer versucht lediglich, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Soweit er die Verletzung von Erfahrungssätzen darzulegen sucht, scheitert dies daran, daß nach den Feststellungen des Landgerichts die. Besprechung über die Verlängerung der Miete des Wagens um einen Tag bei der Firma Sch. nicht, wie die Revision behauptet, am 12. September 1961 (gegen 21 Uhr), sondern bereits am 11. September 1961 stattgefunden hat (S. 13). Unter diesen Umständen geben die zeitlichen Berechnungen des Landgericht" nach welchen die Ausführung des Diebstahls am 12. September 1961 möglich war, zu Bedenken keinen Anlaß (UA S. 22 ff).

Die Revision ist daher in diesen beiden Fällen unbegründet.

Die auf die allgemeine Sachrüge hin vorzunehmende Nachprüfung des Urteils in den übrigen Fällen, in denen Verurteilung erfolgt ist, hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.

II.Revision des Angeklagten E.

Der Angeklagte erhebt lediglich die allgemeine Sachrüge. Die Nachprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Seine Revision ist daher unbegründet.