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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 25.02.2014, Az.: 4 STR 567/13

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in zwei Fällen sowie wegen Unterschlagung in Tateinheit mit versuchtem Raub zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat.

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2.a) wegen vollendeten Raubes begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschloss sich der mittellose Angeklagte, "jede sich bietende Möglichkeit dazu zu benutzen, Passanten ihre Wertgegenstände ... entweder unbemerkt zu stehlen oder sich diese notfalls auch mit Gewalt zu verschaffen", um seinen Lebensunterhalt und Drogenkonsum zu finanzieren. Hierzu näherte er sich am Abend des 29. Dezember 2012 der 66jährigen Zeugin R., als diese eine Spielhalle verlassen hatte und im Begriff war, das ihr verbliebene Geld in ihr Portemonnaie zu stecken. Er riss an "dem oder den Geldscheinen", die die Zeugin mit aller Kraft festhielt. "Hierdurch zerriss ein 50-€-Schein, der Angeklagte rannte mit seiner Beute davon, die Geschädigte hielt in ihrer Hand lediglich noch den Rest des zerrissenen 50 €-Scheines" (UA S. 11).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führt die Strafkammer aus, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die Geschädigte die vor dem Spielhallenbesuch abgehobene Rente "bis auf den von ihr in der Hand gehaltenen 50 € Schein verspielt" habe (UA S. 19).

b) Damit ist ein vollendeter Raub nicht belegt. Nach den Feststellungen der Strafkammer handelte der Angeklagte bei der gewaltsamen Wegnahme zwar mit Zueignungsabsicht, jedoch war diese auf "Wertgegenstände" gerichtet; ob sie sich auch auf den tatsächlich weggenommenen Teil des Geldscheins bezogen hat, ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts dagegen nicht.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zur Absicht der rechtswidrigen Zueignung im Sinne von § 242 Abs. 1 bzw. § 249 Abs. 1 StGB der bestimmte Wille des Täters, das Tatobjekt der Substanz oder dem Sachwert nach dem eigenen Vermögen "einzuverleiben", es also, wenn auch nur für begrenzte Zeit, seinem Sach-(Substanz-)werte nach "für sich auszunutzen" (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460 mwN).

bb) Dies hat das Landgericht hinsichtlich des weggenommen Teils des Geldscheins nicht festgestellt.

Zwar ist es für die "Einverleibung in das Vermögen" ohne Bedeutung, ob der Täter den Wert seines Vermögens erhöht und ob er sich bereichern will; denn Diebstahl ist keine Bereicherungsstraftat. Infolgedessen ist es für das subjektive Unrechtselement der Zueignungsabsicht ausreichend, dass der Täter, wenn er zur Wegnahme ansetzt, den bestimmten Willen hat, sich eine eigentümerähnliche Verfügungsgewalt anzumaßen, durch deren Ausübung der Bestand seines Vermögens geändert und der Berechtigte auf Dauer von der Sachsubstanz oder dem (vollen) Sachwert ausgeschlossen wird (vgl. BGH aaO mwN). Dies ändert aber nichts daran, dass sich bei einem vollendeten Diebstahl oder Raub - schon nach dem Gesetzeswortlaut - die Zueignungsabsicht grundsätzlich auf die tatsächlich weggenommene Sache bezogen haben muss. Treten daher im Verlaufe der Tatbegehung Änderungen in Bezug auf das Tatobjekt oder die Vorstellungen des Täters von diesem ein, ist für die Beurteilung der Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand der Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung entscheidend (BGH, Urteil vom 13. November 2003 - 3 StR 282/03, NStZ 2004, 386, 387). Dies war hier der Augenblick, in dem der Angeklagte der Zeugin den Teil des Geldscheins entriss (vgl. BGH aaO). Auf diesen Zeitpunkt bezogene Feststellungen zur Zueignungsabsicht des Angeklagten hat die Strafkammer jedoch nicht getroffen.

c) Eine Schuldspruchänderung - in (fehlgeschlagenen) versuchten Raub - ist dem Senat verwehrt. Zwar liegt es eher fern, dass sich die Zueignungsabsicht des Angeklagten nur auf den weggenommenen Teil des Geldscheins bezog. Das Landgericht führt aber mehrfach aus, dass das Tatopfer von der abgehobenen Rente in Höhe von 625 € beim Verlassen der Spielhalle noch "mindestens" einen Geldschein hatte. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zur Höhe des noch mitgeführten Geldbetrages zu anderen, den bisherigen Schuldspruch tragenden Feststellungen gelangen kann.

2. Im Übrigen weist der Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch begegnet auch der (verbleibende) Rechtsfolgenausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) In den Fällen II.2.b) und c) können die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Strafkammer nicht geprüft hat, ob minder schwerer Fälle des (versuchten) Raubes gegeben sind. Hierzu bestand im Fall II.2.c) der Urteilsgründe schon deshalb Anlass, weil das Landgericht den Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB wegen vertypter Milderungsgründe doppelt gemindert und in der konkreten Strafzumessung keinen strafschärfend wirkenden Umstand aufgeführt hat; im Fall II.2.b) hat es in rechtlich bedenklicher Weise bei einmal gemindertem Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB zu Lasten des Angeklagten (lediglich) berücksichtigt, dass er das spätere Tatopfer in ein Gespräch verwickelt und es dadurch arglos gemacht hat, ohne festzustellen, dass er hierbei schon vorhatte, den Zeugen zu berauben.

b) Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.2.a) sowie der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.2.b) und c) zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

c) Durchgreifende Bedenken bestehen ferner, soweit das Landgericht von der - vom Revisionsangriff nicht ausgenommenen - Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Insofern hat die Strafkammer das Vorhandensein eines Hangs des Angeklagten im Sinn des § 64 StGB - an dessen Vorliegen sie zweifelt - offen gelassen, weil es "zumindest" an der erforderlichen Erfolgswahrscheinlichkeit der Maßregel fehle; denn der Angeklagte habe sich "mit der Frage einer Therapie überhaupt nicht differenziert auseinandergesetzt" (UA S. 24). Dieser Erwägung kann allenfalls entnommen werden, dass der Angeklagte zu einer Therapie nicht bereit ist. Allein das genügt jedoch nicht, um von der Anordnung der Maßregel des § 64 StGB abzusehen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - 2 StR 85/12, NStZ 2012, 689, 690, mwN).

Eine Ermessensentscheidung, bei der auch berücksichtigt werden kann, dass bei einem ausreisepflichtigen Ausländer die Möglichkeit eröffnet ist, von einer Unterbringung nach § 64 StGB Abstand zu nehmen, wenn erhebliche sprachliche Verständigungsprobleme bestehen und eine erfolgversprechende Therapie aufgrund der unzulänglichen Kommunikationsgrundlage mit dem Therapeuten kaum möglich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. März 2009 - 3 StR 52/09, NStZ-RR 2009, 170, 171, und vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, NStZ 2009, 205, jeweils mwN), hat die Strafkammer nicht getroffen. Sie kann vom Senat nicht nachgeholt werden.