zurück zur Übersicht

Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 16.02.1968, Az.: 4 STR 562/67

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 26. Juli 1967 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision verworfen.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Meineids zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. Mit der Revision rügt er Verletzung des sachlichen Rechts und im Zusammenhang damit Verletzung der Aufklärungspflicht. Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.

Der Angeklagte war von dem Fuhrunternehmer B. auf Zahlung von 98,15 DM für die vergebliche Gestellung eines Möbelwagens mit Packern am Morgen des 2. Dezember 1964 verklagt worden. B. behauptete und der Angeklagte bestritt, B. am 1. Dezember 1964 fest beauftragt zu haben, am nächsten Morgen gegen 7.30 bis 8.00 Uhr mit einem Möbelwagen in Otterndorf zu sein, um einen Umzug nach Herford durchzuführen. Über diese Behauptung eidlich als Partei vernommen, sagte der Angeklagte der Wahrheit zuwider aus, es sei nicht richtig, daß er B. schon für den nächsten Morgen fest bestellt und gesagt habe, er solle zwischen 7.30 und 8.00 Uhr in Otterndorf sein. Außerdem verschwieg er, und zwar nach der Ansicht des Landgerichts bewußt und pflichtwidrig, daß er bereits am Vormittag des 1. Dezember 1964 seinen Bekannten L. gebeten hatte, B. auszurichten, daß der Umzug sofort, möglichst noch am selben Tag, spätestens am Morgen des folgenden Tages durchgeführt werden müsse.

Diese Feststellungen des Landgerichts tragen an sich den Schuldspruch wegen Meineids. Die Revisionsbegründung wendet sich im wesentlichen nur gegen sie und gegen die ihnen zu Grunde liegende Würdigung der Beweise. Soweit sie Verletzung der Aufklärungspflicht geltend macht, fehlt die nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgeschriebene Anführung der unbenutzt gebliebenen Beweismittel, deren Heranziehung sich dem Landgericht hätte aufdrängen sollen.

Als Anzeichen für die Richtigkeit der Aussage des Zeugen B. und die Unrichtigkeit der Einlassung des Angeklagten konnte das Landgericht den Umstand werten, daß B. am Morgen des 2. Dezember 1964 einen Möbelwagen nach Otterndorf geschickt hatte. Darauf, ob die Packer mit dem Möbelwagen oder später mit einem anderen Fahrzeug nachfuhren, kam es dabei nicht entscheidend an. Die auf dem Ergebnis der Hauptverhandlung beruhende Feststellung, B. habe einen Möbelwagen "mit Packern" nach Otterndorf geschickt, kann zudem im Revisionsverfahren nicht mit einem Hinweis auf eine angeblich anders lautende Darstellung Birks im Ermittlungsverfahren angegriffen werden. Die Schlüsse, die das Landgericht ferner aus dem fernmündlichen Anruf des Angeklagten bei B. am Morgen des 2. Dezember 1964 sowie aus seinem Brief an B. vom 23. Dezember 1964 zu Ungunsten des Angeklagten gezogen hat, sind denkgesetzlich möglich und liegen nahe, Zwingend brauchen sie nicht zu sein. Die gegen sie gerichteten Einwände des Beschwerdeführers sind daher ohne Erfolg. Unzulässig sind auch die Angriffe gegen die Würdigung der Aussagen der Zeugen B. und Frau G. Sie enthält weder Widersprüche noch läßt sie sonstige Denkfehler erkennen.

Das Landgericht hat jedoch den Umfang der strafbaren Handlung des Angeklagten nicht richtig beurteilt. Es ist der Auffassung, der Angeklagte sei verpflichtet gewesen, im Rahmen seiner Vernehmung als Partei von sich aus und ungefragt auch über den Inhalt seines Gesprächs mit Lühmann vom Vormittag des 1. Dezember 1964 zu berichten; dadurch, daß er dies bewußt unterlassen habe, habe er seine Eidespflicht in einem weiteren Punkt verletzt. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

Die Partei, die im Zivilprozeß gemäß § 445 ff. ZPO vernommen wird, hat allerdings, wenn sie aussagt, in Bezug auf die Wahrheit und Vollständigkeit ihrer Aussage die gleichen Pflichten wie ein Zeuge. Sie muß zusammenhängend und lückenlos alles angeben, was mit dem Beweisgegenstand erkennbar und untrennbar zusammenhängt und für die Entscheidung erheblich ist; sie darf, ebenso wie der Zeuge, nichts verschweigen, was sie als mit der zum Beweis stehenden Tatsachen zusammenhängend und beweiserheblich erkennt, auch wenn sie nicht ausdrücklich danach gefragt wird (RG JW 1936, 880; Rosenberg ZPR, 9. Aufl., S. 592, 599; Stein/Jonas/Schönke, 18, Aufl., § 451 ZPO, Anm. 3; siehe ferner (für Zeugen) BGHSt 2, 90;  3, 221 [BGH 02.10.1952 - 3 StR 389/52];  7, 127) [BGH 12.07.1954 - VGS 1/54]. Hier bestand indessen zwischen dem Gegenstand des Beweisbeschlusses, durch den der Amtsrichter die Vernehmung des Angeklagten als Partei angeordnet hatte, und dem vormittäglichen Gespräch des Angeklagten mit L. kein solcher, auch dem Angeklagten ohne weiteres erkennbarer untrennbarer Zusammenhang. Dadurch unterscheidet sich dieser Fall wesentlich von dem der angeführten Entscheidung des Reichsgerichts zu Grunde liegenden. Dort war der Angeklagte ausdrücklich gefragt worden, ob er wisse, wer seine Unterschrift auf den Wechseln gefälscht habe. Er hat dies verneint, dabei aber verschwiegen, daß sich aus an ihn gerichteten Briefen der Fälscher der dringende Verdacht ergab, daß sie es getan hatten. Der Zusammenhang mit der an ihn gerichteten Frage war somit unverkennbar. Hier liegt der Fall anders. Gegenstand der Beweiserhebung war nur die Frage, ob der Angeklagte dem Fuhrunternehmer B. bei der persönlichen Unterredung am Nachmittag des 1. Dezember 1964 den verbindlichen Auftrag erteilt habe, am nächsten Morgen den Umzug durchzuführen. Dafür, ob ein Vertrag mit diesem Inhalt zwischen B. und dem Angeklagten zustandegekommen ist, war das vormittägliche Gespräch mit L. nur von ganz untergeordneter Bedeutung. Es war von vornherein klar, daß dieses Gespräch für die Begründung der Klage B.s gegen den Angeklagten ungeeignet war; denn der Kläger B. hat selbst nie vorgetragen, daß ihm der Angeklagte schon durch Vermittlung L.s einen von ihm angenommenen rechtsverbindlichen Beförderungsauftrag erteilt habe. Daher hat auch der Vertreter B.s bei der Vernehmung des Angeklagten nicht danach gefragt. Allenfalls konnte der Inhalt des Gesprächs mit L. als Beweisanzeichen dafür in Betracht kommen, daß am Nachmittag ein Vertrag mit dem behaupteten Inhalt zustandegekommen ist. Der Angeklagte war aber nicht verpflichtet, der Gegenpartei ungefragt neue Tatsachen zu liefern, die sie zu einer weiteren Untermauerung ihrer Klagebegründung verwenden konnte. Dazu ist die Parteivernehmung im Zivilprozeß nicht bestimmt. Sie dient nicht der Ausforschung der Gegenpartei, sondern soll es der in Beweisnot befindlichen Partei ermöglichen, den Beweis einer bestimmten Tatsache dadurch zu führen, daß sie den Gegner zwingt, die Wahrheit zu sagen oder die Aussage zu verweigern. Mit der Beweisfrage selbst hing das Gespräch mit L. jedenfalls nicht untrennbar zusammen. Der Angeklagte hat daher seine Pflicht zu wahrheitsgemäßer und vollständiger Aussage nicht dadurch verletzt, daß er es verschwieg.

Der Senat kann nicht ausschließen, daß sich die unzutreffende Beurteilung des Tatumfangs für den Angeklagten nachteilig auf die Strafe ausgewirkt hat. Er muß es dem Ermessen des Landgerichts überlassen, ob die verhängte Strafe auch dann noch angemessen erscheint, wenn der Vorwurf, der Angeklagte habe nicht nur die Unwahrheit gesagt, sondern auch etwas Wesentliches verschwiegen, wegfällt. Der Strafausspruch kann demnach nicht bestehen bleiben.

Im übrigen enthält das Urteil keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.