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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 10.02.2011, Az.: 4 STR 576/10

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und das sichergestellte Heroin eingezogen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Am 19. April 2010 wollte sich der in Polen lebende Angeklagte in Berlin einen zum Verkauf stehenden Pkw ansehen. Er machte sich mit einem VW-Kleintransporter und einem Anhänger zum Pkw-Transport auf den Weg. Bei einer Pause in der Nähe der deutsch-polnischen Grenze wurde er von einem Unbekannten angesprochen, ob er sich 5.000 € verdienen wolle. Er müsse etwas, das in die rechte Tür seines Fahrzeugs eingebaut werde, nach Amsterdam bringen. Angesichts der Höhe der Entlohnung erklärte sich der Angeklagte dazu bereit, obwohl er nicht ausschloss, dass er größere Mengen Drogen transportieren sollte. Der Einbau von 54 Paketen zu je ca. 250 g Heroin hinter der Beifahrertürverkleidung und von 146 Paketen zu je ca. 250 g Heroin im Frontbereich fahrerseitig erfolgte in seiner Abwesenheit. Am 20. April 2010 wurde der Angeklagte gegen 12.30 Uhr auf der Autobahn A 2 in der Nähe von Magdeburg kontrolliert und das Rauschgift wurde sichergestellt. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung die große Menge von nahezu 50 kg Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 70 % Heroinhydrochlorid berücksichtigt, hat dem Angeklagten aber einschränkend zu Gute gehalten, dass sich sein (bedingter) Vorsatz nur auf das in der Beifahrertür eingebaute Heroin, also etwa ein Viertel der Gesamtmenge, bezogen habe.

2. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, dass das Landgericht nicht geprüft habe, ob der Angeklagte hinsichtlich der 146 Pakete im Frontbereich tateinheitlich fahrlässig gehandelt habe (§ 29 Abs. 4 BtMG), was zu einem höheren Schuldgehalt der Tat führe. Aber auch für eine auf 13,5 kg Heroin gerichtete Vorsatztat sei die vom Landgericht verhängte Strafe unvertretbar milde.

Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

1. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Eine tateinheitliche Verwirklichung des § 29 Abs. 4 BtMG mit den §§ 30 Abs. 1 Nr. 4 und 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Dieselbe Tathandlung kann bei Verletzung desselben Rechtsguts nicht gleichzeitig als vorsätzliche und als fahrlässige angesehen werden (RGSt 16, 129; BGH, Beschluss vom 16. Juni 1997 - 2 StR 231/97, NStZ 1997, 493). Vorsatz und Fahrlässigkeit schließen einander schon begrifflich aus, sie stehen allerdings in einem normativ-ethischen Stufenverhältnis (BGH, Beschluss vom 18. August 1983 - 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 57), so dass bei unklarer Beweislage nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" wegen Fahrlässigkeit verurteilt werden kann (Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, 4. Aufl. § 24 Rn. 79).

Eine Idealkonkurrenz zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten entsteht bei einer Handlung nicht dadurch, dass der Täter die Folgen des Verhaltens nur teilweise gewollt und teilweise fahrlässig herbeigeführt hat (RGSt 16, 129). Selbst bei einem zweiaktigen Tatgeschehen ist die fahrlässige Begehung eines Delikts gegenüber der am selben Objekt begangenen vollendeten vorsätzlichen im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr ist die fahrlässige Begehungsform subsidiär (BGH, Urteil vom 30. März 1993 - 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 199; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 119; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. März 1955 - 4 StR 51/55, BGHSt 7, 287, 289 [Tatmehrheit]).

Ist die Einfuhr von oder das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch eine Handlung vorsätzlich vorgenommen worden, scheidet eine durch Fahrlässigkeit herbeigeführte Einfuhr von oder ein fahrlässiges Handeltreiben mit derselben Rauschgiftmenge durch diese Handlung aus. § 29 Abs. 4 BtMG kommt dann nicht zur Anwendung.

Im vorliegenden Fall liegt bezüglich der Gesamtmenge des in dem Transporter versteckten Rauschgifts lediglich eine Handlung des Angeklagten vor: Er hat den Wagen unverschlossen abgestellt und ist später mit dem darin von anderen eingebauten Rauschgift nach Deutschland gefahren. Diese Handlung lässt sich nach dem oben Ausgeführten nicht deshalb in zwei tateinheitliche Delikte aufspalten, weil der Angeklagte hinsichtlich der Menge des transportierten Rauschgifts teilweise vorsätzlich und teilweise fahrlässig gehandelt hat. Zwar können sich verschiedene Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes auf Teilmengen einer Gesamtrauschgiftmenge beziehen, etwa beim Erwerb von Rauschgift zum Eigenkonsum und zum Handeltreiben. Im vorliegenden Fall kämen aber nicht hinsichtlich der Tathandlung verschiedene Tatbestände, sondern nur solche zur Anwendung, die sich allein in der Schuldform unterscheiden. Insoweit scheidet eine Aufteilung aus. Für eine Ausurteilung des fahrlässig verursachten zusätzlichen Erfolges im Schuldspruch besteht auch kein kriminalpolitisches Bedürfnis. Bei der Strafzumessung kann die Einfuhr einer größeren Menge, als der Täter sich vorgestellt hat, im Falle fahrlässigen Handelns ohnehin strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 6. September 1995 - 2 StR 310/95, StV 1996, 90; Urteil vom 21. April 2004 - 1 StR 522/03).

2. Auch die Strafzumessung weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Der im Rahmen der Strafzumessung verwendeten Formulierung ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Gesamtmenge des Heroins berücksichtigt, der vom Vorsatz umfassten Menge aber besonderes Gewicht beigemessen hat.

Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen ist auch zu entnehmen, dass der Angeklagte hinsichtlich des im Frontbereich versteckten Heroins zumindest fahrlässig gehandelt hat (BGH, Urteil vom 6. September 1995 - 2 StR 10 310/95, StV 1996, 90; Urteil vom 21. April 2004 - 1 StR 522/03). Schließlich ist die verhängte Strafe aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. November 2010 noch nicht unvertretbar milde.