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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 21.06.2012, Az.: 4 STR 623/11

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit Verfahrensbeschwerden wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes und beanstandet im Zusammenhang mit der Verständigung, dass das Landgericht es unterlassen habe, sich im Urteil mit den Gründen für das Festhalten an der Verständigung auseinanderzusetzen, obwohl aufgrund neu in der Hauptverhandlung zutage getretener Umstände Veranlassung bestanden habe, sich nach § 257c Abs. 4 StPO von der Verständigung zu lösen. Die Sachrüge ist mit Angriffen gegen den Strafausspruch näher ausgeführt.

Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Nach den Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Erdgeschoss des vom Angeklagten allein bewohnten Hauses zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, in dessen Verlauf der Angeklagte unvermittelt begann, ihn erregende und für die Nebenklägerin schmerzhafte Handlungen, unter anderem Schläge mit der flachen Hand gegen die Brust der Nebenklägerin, vorzunehmen, worauf die Nebenklägerin vergeblich versuchte, den Angeklagten wegzudrücken. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin, die eine entsprechende Aufforderung zuvor abgelehnt hatte, in das im Obergeschoss gelegene Schlafzimmer geschoben hatte, führte er den Geschlechtsverkehr mit der auf dem Bett liegenden Nebenklägerin unter denselben Begleitumständen weiter. Als die Nebenklägerin ihn bei ihrer fortdauernden Gegenwehr mit ihren Fingernägeln am Hals verletzte, schlug der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt erkannt hatte, dass die Fortführung des Geschlechtsverkehrs und die Schläge gegen die Brüste gegen den Willen der Nebenklägerin geschahen, ihr mit beiden Händen nacheinander ins Gesicht. Sodann setzte er den Geschlechtsverkehr mit der resignierenden und jede Gegenwehr aufgebenden Nebenklägerin fort und urinierte ihr anschließend auf den Bauch. In der Folgezeit vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Analverkehr unter Einsatz eines Gleitgels und - nach einer Unterbrechung, in der sich der Angeklagte von hinten an die Nebenklägerin anschmiegte und äußerte, er könne auch kuscheln - ein weiteres Mal den vaginalen Geschlechtsverkehr, ehe er der Nebenklägerin erneut auf den Bauch urinierte. Bei Tatbegehung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des vorangegangenen Alkoholgenusses nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.

Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet gemäß § 338 Nr. 6 StPO den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verlesung des Anklagesatzes und macht geltend, § 171b GVG lasse eine Beschränkung der Öffentlichkeit während der Anklageverlesung nicht zu.

a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da die Beanstandung des Verfahrens die prinzipielle Reichweite der Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG zum Gegenstand hat, sind die Einzelheiten der im Zusammenhang mit der Ausschließungsentscheidung der Strafkammer angefallenen Unterlagen, deren Vortrag der Generalbundesanwalt und die Verteidigung vermissen, für die Entscheidung über die Verfahrensrüge ohne Bedeutung.

b) Die Regelung des § 171b Abs. 3 GVG i.V.m. § 336 Satz 2 StPO steht der erhobenen Rüge nicht entgegen. Gemäß § 171b Abs. 3 GVG unanfechtbar und daher gemäß § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen ist die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die in § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit im Einzelfall vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1989 - 1 StR 786/88, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 1; Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 1 StR 268/06, StV 2007, 514; vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung für ein Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren, BT-Drucks. 10/5305 S. 23 f.). Damit ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Begründung einer nach § 171b GVG ergangenen Entscheidung inhaltlich zu überprüfen (vgl. Wickern in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 171b GVG, Rn. 25). Die Rüge der Staatsanwaltschaft zielt indessen nicht auf die Tragfähigkeit der von der Strafkammer für ihre Ausschließungsanordnung angeführten Gründe, sondern stellt die generelle Befugnis für den Ausschluss der Öffentlichkeit während der Verlesung des Anklagesatzes in Frage. Diese Beanstandung wird von § 171b Abs. 3 GVG nicht ausgeschlossen.

c) Die Rüge ist unbegründet. Nach § 171b GVG darf die Öffentlichkeit auch während der Verlesung des Anklagesatzes von der Verhandlung ausgeschlossen werden.

Die Vorschrift des § 171b GVG knüpft an den Begriff der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht in § 169 Satz 1 GVG an und lässt beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG einen Ausschluss der Öffentlichkeit für sämtliche Abschnitte der Hauptverhandlung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, BGHR GVG § 171b Abs. 1 Dauer 5; Wickern aaO, Rn. 21). Die Ausschließungsbefugnis nach § 171b GVG reicht nicht weniger weit als bei den Ausschlusstatbeständen des § 171a GVG und § 172 GVG, für welche ausdrücklich normiert ist, dass die Öffentlichkeit für die (Haupt-)Verhandlung oder einen Teil davon ausgeschlossen werden kann. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 171b GVG. Durch die Schaffung des § 171b GVG sollte der bis dahin in § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 9. Mai 1975 geregelte Schutz des persönlichen Lebensbereichs eines Prozessbeteiligten oder Zeugen durch eine Änderung des Abwägungsmaßstabs zugunsten des Persönlichkeitsschutzes verbessert, der Ausschluss der Öffentlichkeit bei Erörterung von Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich aus dem Zusammenhang der übrigen Ausschlussgründe gelöst und plakativ an die Spitze gestellt werden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/5305 S. 23). Dafür, dass bei dem neu in das Gerichtsverfassungsgesetz aufgenommenen § 171b GVG - anders als bei § 172 GVG - bestimmte Verfahrensabschnitte der Hauptverhandlung von der Ausschließungsbefugnis ausgenommen sein sollten, bietet die Entstehungsgeschichte keinen Anhalt. Das Gesetz enthält in § 173 GVG lediglich für die Urteilsverkündung eine besondere Regelung, wonach die Verlesung der Urteilsformel stets öffentlich zu erfolgen hat und der Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Urteilsgründe einen besonderen Beschluss des Gerichts nach §§ 171b, 172 GVG erfordert. Die eine Gegenausnahme zu den Ausschließungstatbeständen der §§ 171a, 171b und 172 GVG beinhaltende Bestimmung des § 173 GVG ist entgegen der Ansicht der Revision einer ausdehnenden, ihren Anwendungsbereich auf andere Verfahrensvorgänge erstreckenden Auslegung nicht zugänglich.

Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO) und umfasst nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO die Verlesung des Anklagesatzes. Die Verlesung ist ein Teil der Verhandlung, für den bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf (vgl. für § 172 GVG RG, Urteil vom 13. Mai 1927 - 1. D 392/1927; Wickern aaO, § 172 GVG, Rn. 39). Auch bei der Verlesung des Anklagesatzes können Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, die einen Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b Abs. 1 Satz 1 GVG zu rechtfertigen vermögen, weil deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, ohne dass das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus dem Umstand, dass der Inhalt des Anklagesatzes auf einer vorläufigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch die Staatsanwaltschaft beruht, noch aus der verfahrensrechtlichen Funktion des Anklagesatzes zur Umgrenzung und Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes.

2. Im Zusammenhang mit der Verständigung nach § 257c StPO macht die Revision einen Verstoß gegen die §§ 257c, 261, 267 StPO geltend. Sie beanstandet, das Landgericht habe trotz des von der Staatsanwaltschaft erklärten Widerrufs der Zustimmung zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag in den Urteilsgründen nicht ausgeführt, ob und aus welchen Gründen es an der Verständigung habe festhalten wollen. Die in der Hauptverhandlung neu zutage getretenen Umstände - die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin und das erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nach Intervention der Staatsanwaltschaft erfolgte Eingeständnis des erzwungenen Analverkehrs durch den Angeklagten - hätten der Strafkammer Anlass geben müssen, den der Verständigung zugrunde gelegten Strafrahmen zu verlassen.

Der Rüge bleibt der Erfolg versagt.

a) Nach der Konzeption des § 257c StPO kommt eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens durch einen Vorschlag des Gerichts und die Zustimmungserklärungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft zustande.

Das Gericht gibt nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO den Inhalt einer möglichen Verständigung bekannt und macht dabei regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 257c Abs. 3 Satz 2 StPO eine Strafober- und Strafuntergrenze anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 426/10, NStZ 2011, 648; Beschluss vom 16. März 2011 - 1 StR 60/11, StV 2012, 134, 135). Für die in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO als Vorschlag bezeichnete Bekanntgabe hat das Gericht das vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung erwartete Prozessverhalten, bei dem es sich in aller Regel um ein Geständnis handeln wird (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO), genau zu bezeichnen und unter antizipierender Berücksichtigung dieses Verhaltens und Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts eine strafzumessungsrechtliche Bewertung des Anklagevorwurfs vorzunehmen (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren, BT-Drucks. 16/12310 S. 14; Niemöller in Niemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, § 257c Rn. 56). Die Verständigung kommt gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO zustande, wenn der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag zustimmen. Die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft ist als gestaltende Prozesserklärung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Einleitung, Rn. 95, 102, 116) unanfechtbar und unwiderruflich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 28; Altvater, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 26; Meyer-Goßner aaO, § 257c, Rn. 25). Die Staatsanwaltschaft hat auch dann von sich aus keine Möglichkeit, die getroffene Verständigung mit der daraus resultierenden Bindungswirkung für das Gericht nachträglich zu Fall zu bringen, wenn sie die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO für ein Entfallen der Bindungswirkung als gegeben ansieht (vgl. Niemöller aaO, Rn. 39, 111; Altvater aaO; Eschelbach in Graf, StPO, § 257c, Rn. 30; Velten in SK-StPO, 4. Aufl., § 257c, Rn. 25; Ambos/Ziehn in Radtke/Hohmann, StPO, § 257c, Rn. 35).

b) Das Entfallen der Bindungswirkung der Verständigung für das Gericht tritt ungeachtet des insoweit unklaren Wortlauts des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO nicht kraft Gesetzes von selbst ein, sondern erfordert eine dahingehende gerichtliche Entscheidung. Die Prüfung, ob eine mit dem materiellen Recht in Einklang stehende Ahndung auch bei veränderter Beurteilungsgrundlage noch im Rahmen der getroffenen Verständigung möglich ist, liegt im Verantwortungsbereich des Gerichts. Um ein materiell-rechtlich richtiges und gerechtes Urteil zu gewährleisten (BT-Drucks. 16/12310 S. 14), räumt § 257c Abs. 4 StPO dem Gericht die Befugnis ein, sich unter den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO geregelten Voraussetzungen aus der Bindung durch die Verständigung zu lösen. Das Abweichen von der Verständigung ist das Gegenstück zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag und stellt sich der Sache nach als Widerruf der zum Bestandteil der Verständigung gewordenen Strafrahmenzusage dar.

Dies macht eine entsprechende Entscheidung des Gerichts erforderlich (vgl. Niemöller aaO, Rn. 113; BT-Drucks. 16/12310 S. 15; a.A. Altvater aaO, S. 24).

Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung folgt zudem aus der Regelung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO, die das Entfallen der Bindung an die Verständigung unter anderem davon abhängig macht, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Für die danach erforderliche Überzeugungsbildung bedarf es zwingend einer gerichtlichen Entscheidung. Die Entscheidung über das Abweichen von der Verständigung ist nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO unverzüglich mitzuteilen, um dem Angeklagten und den weiteren Verfahrensbeteiligten - insbesondere mit Blick auf das mit dem Entfallen der Bindung des Gerichts an die Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO verknüpfte Verwertungsverbot für ein im Zuge der Verständigung abgelegtes Geständnis des Angeklagten - die Möglichkeit zu geben, ihr Prozessverhalten auf die neue Verfahrenslage einzurichten (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15).

c) Ein Abweichen von der Verständigung setzt unter anderem voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Dies ist in § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO ausdrücklich geregelt, gilt in gleicher Weise aber auch für die Fälle des § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO. Gegenstand der in § 257c Abs. 4 Satz 2 StPO angesprochenen Prognose ist die strafzumessungsrechtliche Bewertung, die das Gericht bei seiner Zusage der Strafrahmengrenzen unter antizipierender Berücksichtigung des nach dem Inhalt des Verständigungsvorschlags erwarteten Prozessverhaltens des Angeklagten vorgenommen hat. Von einem nicht der Prognose entsprechenden Verhalten des Angeklagten, das ein Abweichen von der Verständigung zu rechtfertigen vermag, kann daher nur dann die Rede sein, wenn das von der Erwartung abweichende tatsächliche Prozessverhalten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die in Aussicht gestellten Strafrahmengrenzen auch auf veränderter Beurteilungsgrundlage eine tat- und schuldangemessene Ahndung ermöglichen, kommt dem Gericht - wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung - ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung von neu eingetretenen oder erkannten Umständen oder des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernte, dass sie als unvertretbar erschiene. In diesem Fall wäre das Gericht jedenfalls aus Gründen sachlichen Rechts verpflichtet, von der getroffenen Verständigung abzuweichen. Da die Anforderungen des materiellen Strafrechts im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO nicht disponibel sind (vgl. nur BT-Drucks. 16/12310 S. 7 ff., 13 f.), wäre ein auf der Grundlage der Verständigung ergehendes Urteil sachlich-rechtlich fehlerhaft.

Ob in einem Festhalten an der Verständigung bei nach Maßgabe von § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unvertretbar gewordener Strafrahmenzusage zugleich ein Verfahrensverstoß gegen § 257c Abs. 4 StPO läge, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn im vorliegenden Fall hat das Landgericht den ihm im Rahmen des § 257c Abs. 4 StPO zukommenden Beurteilungsrahmen nicht überschritten. Die Revision der Staatsanwaltschaft zeigt keine nach § 257c Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO neu in die strafzumessungsrechtliche Bewertung einzubeziehenden Umstände auf, die geeignet sind, die Vertretbarkeit der von der Strafkammer in ihrem Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellten Strafober- und Strafuntergrenze in Frage zu stellen. Dies gilt sowohl für den Umstand, dass der Angeklagte den gewaltsam erzwungenen Analverkehr erst im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt hat, als auch für die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin.

d) Ausführungen in den Urteilsgründen zum Festhalten an oder Abweichen von der Verständigung sind entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich.

Während in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren ursprünglich die Feststellung in den Urteilsgründen vorgesehen war, dass dem Urteil eine Verständigung zugrunde liegt (vgl. Referentenentwurf S. 6 f. bei Niemöller aaO, Anhang 4), verlangt die Gesetz gewordene Regelung des § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO lediglich die Angabe, dass dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen ist. Die Vorschrift soll auch für die Urteilsgründe Transparenz herstellen (vgl. BT-Drucks. 16/12310 S. 15). Die Darstellung des Inhalts der Verständigung ist dabei nicht geboten. Insoweit findet die notwendige Dokumentation gemäß § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO in der Sitzungsniederschrift statt, welche die Grundlage einer vom Revisionsgericht auf Verfahrensrüge hin gegebenenfalls vorzunehmenden Prüfung des Verfahrens nach § 257c StPO bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, NStZ 2011, 170; vom 19. August 2010 - 3 StR 226/10, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 5 Offenlegung 1; vom 13. Januar 2010 - 3 StR 528/09, NStZ 2010, 348). Für das Abrücken von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO verbleibt es mangels einer anderen gesetzlichen Regelung bei dem Grundsatz, dass Verfahrensvorgänge im Urteil nicht zu erörtern sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 - 1 StR 99/09, NJW 2009, 2612, 2613; vom 8. Mai 2007 - 1 StR 202/07, NStZ-RR 2007, 244; a.A. für § 257c Abs. 4 Meyer-Goßner aaO, § 267, Rn. 23a; Velten aaO, § 257c, Rn. 41). Die Mitteilung nach § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO über die Entscheidung zum Abgehen von der Verständigung und deren Gründe ist gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen und nimmt an dessen Beweiskraft teil.

Die Sachrüge bleibt - auch unter Berücksichtigung des § 301 StPO - ebenfalls ohne Erfolg. Die Strafzumessung und die Bewährungsentscheidung im angefochtenen Urteil halten einer rechtlichen Prüfung stand.

1. Die Annahme einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler, gestützt auf die durch die Bekundungen der Nebenklägerin partiell bestätigten Angaben des Angeklagten, den Umfang des Alkoholkonsums des Angeklagten festgestellt und auf dieser Grundlage sachverständig beraten eine maximale Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit von 2,9 Promille ermittelt. Ausgehend von dieser in den Blutkreislauf aufgenommenen Alkoholmenge, die zutreffend als gewichtiges Beweisanzeichen für eine die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigende Alkoholintoxikation gewertet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37; vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99, NStZ 2000, 136; Urteil vom 29. April 1997 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 69 ff.), hat es eine Gesamtwürdigung der sonstigen Begleitumstände unter Einbeziehung des Verhaltens des Angeklagten und dessen nicht gegebener Alkoholgewöhnung vorgenommen und ist zu der Überzeugung gelangt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens aufgrund der Alkoholisierung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies lässt weder eine unzutreffende Anwendung des Zweifelssatzes noch anderweitige Rechtsfehler erkennen.

2. Die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung kann vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden; eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Einen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Strafkammer hat die erheblichen psychischen Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt.

Die dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt geminderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommene Strafe ist zwar milde, sie liegt aber nicht außerhalb des dem Tatrichter eröffneten Beurteilungsrahmens.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 und 2 StGB eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 56, Rn. 11, 25 m.w.N.) hat das Landgericht nicht überschritten. Es hat alle wesentlichen für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erwogen und sich für die Bejahung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten, sein Geständnis und den gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich gestützt. Vor dem Hintergrund dieser von der Strafkammer angeführten gewichtigen Milderungsgründe liegt auch in dem Fehlen von Ausführungen im Urteil zur Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung ausnahmsweise die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB), kein Rechtsfehler. Denn einer ausdrücklichen Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB bedarf es nur dann, wenn aus den Urteilsgründen ersichtliche Umstände die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15; vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).