Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 26.02.1953, Az.: 4 STR 682/52
Tenor
Die Revision des Angeklagten K. gegen das Urteil des Landgerichts in Bielefeld vom 8. August 1952 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Von Rechts wegen
Entscheidungsgründe
Der Angeklagte K. liess am 6. Juni 1951 seinen Lieferwagen von dem 19 Jahre alten Mitangeklagten W., der - wie er wusste - keinen Führerschein hatte, zur Inspektion nach Bielefeld fahren. Der Mitangeklagte S. begleitete W. auf dieser Fährt. Unterwegs streifte der Kraftwagen einen Radfahrer, der im Begriff war, einen Motorradfahrer zu überholen. Der Radfahrer kam zu Fall und wurde leicht verletzt. In dem deshalb eingeleiteten Ermittlungsverfahren äusserte sich der Angeklagte auf Aufforderung der Polizei schriftlich über den Hergang des Unfalls und gab sich selbst als Fahrer des Wagens, die Mitangeklagten W. und S. als seine Beifahrer aus. Diese bestätigten, ebenfalls schriftlich, die Richtigkeit seines Berichts. Daraufhin wurde K. wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt, während die angeblichen Beifahrer in der Anklageschrift als Zeugen benannt wurden. In diesem Strafverfahren schilderte der Angeklagte in der Hauptverhandlung den Sachverhalt genau so wie in seinem Bericht an die Polizei. Sodann wurden W. und S. als Zeugen eidlich vernommen und gaben die gleiche Darstellung des Unfalls wie, der Angeklagte. Sie verschwiegen, dass Welslau, und nicht der Angeklagte den Wagen gefahren hatte. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Mitangeklagten W. und S. sind im gegenwärtigen Verfahren wegen Meineids rechtskräftig zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Den Angeklagten K. hat das Landgericht unter Versagung mildernder Umstände, aber unter Anwendung der Strafermässigungsvorschrift des § 157 StGB wegen Beihilfe zum Meineid zu einem Jahr und zwei Monaten Zuchthaus verurteilt. Seine Revision, die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften und des sachlichen Strafrechts rügt, hat keinen Erfolg.
Die Verfahrensrügen sind nicht mit. Tatsachen belegt und daher nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig. Die Sachrüge ist nicht begründet.
Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen.
Das Landgericht hat den Meineid der Mitangeklagten W. und S. zutreffend darin erblickt, dass sie die Täterschaft des W. verschwiegen haben, obwohl sie wussten, dass der auf der Anklagebank sitzende Kassen den Wagen zur Zeit des Unfalls nicht gefahren hatte. Sie beschworen dadurch, wie das Urteil in anderem Zusammenhang hervorhebt, "die mit Kassen vereinbarte Aussage, dass dieser der Fahrer des Wagens gewesen sei". Zu diesen Verbrechen hat der Angeklagte nach dem festgestellten Sachverhalt wissentlich Beihilfe geleistet.
Den Tatbeitrag des Beschwerdeführers hat die Strafkammer ohne Rechtsirrtum darin gesehen, dass er den Mitangeklagten "vorsätzlich mit Rat und Tat bei ihrem Meineid Hilfe geleistet hat".
Der Beschwerdeführer hat nicht nur in der früheren Hauptverhandlung zugelassen, dass die Mitangeklagten ihre falschen Aussagen beeidigten, sondern auch planmässig hierauf hingewirkt, indem er mit ihnen "verabredete", was sie alle drei über den Unfall bekunden sollten. Er fertigte nach vorheriger Besprechung mit W. der sich schon die Zusage des S. "gegebenenfalls als Zeuge zu fungieren", verschafft hatte, einen Bericht an die Polizei an, in dem er sich selbst fälschlicherweise als Fahrer des Wagens bezeichnete. Sodann legte er ihn W. und S. vor, fügte auf der Rückseite eine Erklärung über die Richtigkeit seiner Darstellung hinzu, die er von ihnen, unterschreiben liess, gab ihnen eine Durchschrift des Schriftstücks und schickte dieses an die Polizei. Dabei war er überzeugt, "dass die Angelegenheit in Ordnung gehen würde. In dem Augenblick, als sich S. bereit erklärte, als Zeuge aufzutreten, so dass nunmehr zwei Zeugen da waren, war er sicher, dass keinem etwas passieren könne, und dass er in einem Strafverfahren bei dem von S. und W. dargestellten Hergang des Unfalls freigesprochen werden müsse". Hiernach rechnete er also von vornherein mit der Durchführung des Strafverfahrens und wollte, wie dem Urteil als Ãberzeugung des Tatrichters entnommen werden muss, dass W. und S. auch in der Hauptverhandlung als Zeugen - unter Eid - die in seinem Bericht an die Polizei niedergelegten fälschen Angaben über seine Beteiligung an dem Unfall bestätigten. Offenbar zu diesem Zweck überliess er ihnen auch einen Durchschlag seines Berichts. Mit diesen Vorbereitungshandlungen förderte er nicht nur die falschen Aussagen der Zeugen, sondern er erleichterte ihnen auch die falsche Eidesleistung, indem er für eine völlige Ãbereinstimmung ihrer Aussagen sorgte und ihnen dadurch das Gefühl der Sicherheit vor Entdeckung verschaffte.
Dass das Landgericht dieses Verhalten nicht als Anstiftung gewertet hat, obwohl der Angeklagte im Urteil bei der rechtlichen Würdigung als die "treibende Kraft" bezeichnet wird, benachteiligt den Beschwerdeführer nicht. Der festgestellte Sachverhalt schliesst die Verurteilung wegen Beihilfe zum Meineid jedenfalls denkgesetzlich nicht aus, wie die Revision geltend macht; denn er lässt - wie im Urteil dargelegt ist - für die Annahme Raum, dass die Mitangeklagten von vornherein gewillt waren, ihre Aussagen so zu gestalten, dass keinem etwas geschehen könne. Dafür spricht besonders der Umstand, dass W. noch ehe der Angeklagte tätig wurde, sich der Unterstützung des Sander vergewisserte, weil er selbst ein Interesse daran hatte, nicht als Fahrer des Kraftwagens in Erscheinung zu treten, da er keinen Führerschein hatte.
Ausserdem hat der Beschwerdeführer durch Unterlassen Beihilfe zu den Verbrechen des Meineids geleistet. Nachdem er als Angeklagter in der früheren Hauptverhandlung zuerst selbst die mit den Zeugen verabredete, unrichtige Schilderung des Unfalls gegeben hatte, hörte er die mit seiner Einlassung übereinstimmenden Zeugenaussagen von W. und S. widerspruchslos an, "wissend, dass sie einen Meineid leisten würden", und blieb auch noch, untätig, als sie die Hand zum Schwur erhoben.
Durch seine massgebende Einwirkung auf den Gang der Ermittlungen im Strafverfahren, besonders seinen falschen Bericht an die Polizei und die planmässige Vorbereitung übereinstimmender falscher Aussagen der Entlastungszeugen, hatte der Angeklagte die Gefahr vorsätzlicher Eidesverletzungen durch die Zeugen geschaffen. Das verpflichtete ihn, diese Gefahr abzuwenden, indem er spätestens vor der Vereidigung dieser Zeugen, die in seiner Gegenwart stattfand, die Wahrheit bekannte. Diese vom erkennenden Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts für die Parteien des Zivilprozesses anerkannte Rechtspflicht (BGHSt 3, 18) gilt entsprechend für die Beteiligten im Strafverfahren. Von ihr war der Angeklagte auch nicht entbunden, wenn die Zeugen, wie es nach den Urteilsausführungen möglich ist, ohne seine Beeinflussung schön entschlossen waren, unwahre Aussagen über den Hergang des Unfalls zu machen und zu beschwören. Unbeachtlich ist es in diesem Zusammenhang auch, ob der Angeklagte, sich durch Verhinderung der Eidesverletzungen der Gefahr einer schwereren Bestrafung wegen der unzulässigen Ãberlassung seines Kraftfahrzeugs an eine nicht durch Führerschein ausgewiesene Person (§ 24 Abs. 2 KFG) ausgesetzt haben würde. Das natürliche Recht auf Selbstschutz tritt zurück, wenn zur Verdeckung eigener Straftaten durch neues Unrecht in die strafrechtlich geschützte Rechtsordnung eingegriffen wird (BGHSt 3, 18). Dass die Zeugen auch im Falle eines Geständnisses des Angeklagten in der Hauptverhandlung bei ihrer unwahren Schilderung des Sachverhalts verblieben wären und diese mit dem Eide bekräftigt hätten, ist nach der Sachlage ausgeschlossen.
Zum inneren Tatbestand hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat. Der Urteilszusammenhang ergibt, dass er sich auch des Unrechts seines Verhaltens bewusst war und in der Hauptverhandlung erkannt hat, dass die Zeugen W. und S. ohne sein Eingreifen die verabredeten, unwahren Aussagen über den Verlauf des Unfalls machen und diese beschwören würden. "Er war als Angeklagter zugegen, als S. und W. die Hand zum Eide erheben sollten, wissend, dass sie einen Meineid schwören werden."
Die äusseren und inneren Merkmale der Beihilfe zum Meineid sind hiernach sämtlich erfüllt. Zutreffend hat das Landgericht das Beistandleisten zu mehreren Meineiden im vorliegenden Fall als natürliche Handlungseinheit gewürdigt.
Auch die Strafzumessungsgründe weisen keinen Mangel auf, der zur Aufhebung des Urteils im Strafausspruch nötigt.
Der Tatrichter hat dem Beschwerdeführer zwar unzulässigerweise Strafermässigung nach § 157 StGB gewährt, da der Angeklagte sich nicht als Zeuge oder Sachverständiger einer Eidesverletzung schuldig gemacht hat, sondern nur Teilnehmer solcher Straftaten war (BGHSt 1, 22; BGH Urt. vom 7.2.1952 - 5 StR 23/52; BGH in NJW 1951, 809). Dies stellt aber keinen zum Nachteil des Beschwerdeführers ausschlagenden Rechtsfehler dar.
Die Revision kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Beschwerdeführer im Verhältnis zu den Mitangeklagten zu hoch bestraft sei; denn dieser hat keinen Anspruch darauf, in gleicher Weise wie die Mitangeklagten behandelt zu werden. Die Strafe ist ausschlitslich nach dem Strafzweck, der Schwere der Tat und der Täterpersönlichkeit zu bemessen, wofür die besonderen Verhältnisse jedes einzelnen Angeklagten entscheidend sind (BGH NJW 1951, 532). Eine übermässig hohe, mit den Grundsätzen rechtsstaatlichen Strafens nicht zu vereinbarende Strafe ist gegen, den Beschwerdeführer nicht verhängt worden.
Die für die Strafbemessung wesentliche Erwägung des Tatrichters, der Beschwerdeführer sei der aktivste der drei Angeklagten gewesen, steht mit den Feststellungen im Einklang. Nach diesen hat der Beschwerdeführer den Bericht mit der irreführenden Schilderung des Unfalls allein angefertigt, den beiden anderen fertig vorgelegt und den von ihm selbst hinzugefügten Bestätigungsvermerk von ihnen unterschreiben lassen. Sodann gab er ihnen auch eine Durchschrift des falschen Berichts, an den sie sich bei ihren Bekundungen zu halten hatten. Hierbei hat das Landgericht offensichtlich nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer als Halter des den Unfall verursachenden Kraftfahrzeugs zu seiner schriftlichen Ãusserung von der Polizei aufgefordert worden ist; denn es hat nur hervorgehoben, dass der Angeklagte "die Initiative zu der falschen Darstellung des Unfalls bei der Polizei ergriffen hat". Das trifft nach Art und Umfang, der von ihm entfalteten. Tätigkeit selbst dann zu, wenn S. sich schon bei der ersten Rücksprache mit Welslau am Tage nach dem Unfall zu falschen Angaben bereitgefunden und der Beschwerdeführer die Vorbereitung für das erwartete. Strafverfahren erst auf Bitten des Welslau in die Hand genommen haben sollte, wie die Revision behauptet.
Unerheblich für die Strafzumessung ist es, ob das Landgericht seine Ansicht, der Angeklagte habe das grösste Interesse an der wahrheitswidrigen Darstellung des Unfalls gehabt, widerspruchsfrei begründet hat, oder ob der Sachdarstellung ein mindestens gleich hohes Interesse des Mitangeklagten W. entnommen werden muss; denn die Erörterung der Beweggründe des Angeklagten stellt nur einen Versuch dar, seine einwandfrei nachgewiesene grössere Beteiligung an den Vorbereitungen zu erklären. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe jedenfalls "ein sehr grosses Interesse" an der falschen Eidesleistung der Mitangeklagten gehabt, wird schon mit dem Hinweis auf die empfindliche, gerichtliche Bestrafung rechtsbedenkenfrei begründet, die er zu erwarten gehabt hätte, wenn die Ãberlassung des Kraftwagens an W. bekanntgeworden wäre. Die Auffassung der Verteidigung, W. wäre in diesen Falle höher bestraft worden, weil er sich nicht nur eines Vergehens gegen § 24 Abs. 1 KFG, sondern auch der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht habe, während die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Körperverletzung entfallen wäre, geht fehl. Sie verkennt, dass der Angeklagte durch die Ermächtigung des nicht durch Führerschein ausgewiesenen W. zur Führung seines Kraftwagens zugleich schuldhaft eine nicht wegzudenkende Bedingung für die durch die mangelhafte Führung des Wagens verursachte Körperverletzung gesetzt hat, so dass ihn die Strafe wegen fahrlässiger Körperverletzung in jedem Falle treffen musste. Nach der wahren Sachlage musste der Angeklagte auch deshalb schwerer bestraft werden, weil er der bedeutend ältere und für die unbefugte Benutzung seines Kraftwagens Verantwortliche war, während der minderjährige W. die Fahrt nur auf Veranlassung des Beschwerdeführers aus Gefälligkeit unternommen hatte. Die weitere Erwägung, dass der Angeklagte auch den Verlust des Versicherungsschutzes zu befürchten hatte, wie das Landgericht in den Strafzumessungsgründen als möglich erörtert hat, war auf die Höhe der Strafe ersichtlich ohne Einfluss.
Rechtsbedenkenfrei hat der Tatrichter sodann berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer "verantwortungslos und frivol" gehandelt hat und zugleich zwei junge Menschen einen besonders frechen Meineid leisten liess. Wenn im Urteil weiter hervorgehoben wird, dass der Beschwerdeführer, zu dem die Mitangeklagten "als ihrem väterlichen Freund aufguckten", diese beiden jungen Menschenschicksale allein auf dem Gewissen hat, so kann auch diese tat richterliche Würdigung nicht mit Rechtsgründen angegriffen werden. Eine unzulässige, straferschwerende Verwertung von Tatbestandsmerkmalen ist entgegen den Revisionsausführungen nicht ersichtlich.
Schliesslich ist es auch rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht von der Möglichkeit, die Strafe nach § 49 Abs. 2 StGB zu mildern, keinen Gebrauch gemacht hat, "weil die Beihilfe nach dem hier festgestellten Sachverhalt der Haupttat völlig gleichsteht". Mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe als Angeklagter im Strafverfahren vor dem Schöffengericht seine Aussage nicht beschwören können, sondern dies den Zeugen überlassen müssen, hat der Tatrichter zulässigerweise zum Ausdruck gebracht, dass der Meineid von dem Schwörenden selbst begangen werden muss, eine Mittäterschaft an diesem Verbrechen also ausgeschlossen, der Unrechtsgehalt des Tatbeitrags des Angeklagten darum aber nicht geringer ist als der der Straftaten der Mitangeklagten.
Nach alledem ist die Revision als unbegründet zu verwerfen.