Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 05.08.1958, Az.: 5 STR 112/58
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Hamburg vom 12. November 1957(1) samt den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafkammer zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Strafkammer hat den Angeklagten unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Juni 1956 (32) 63/55 wegen fortgesetzter Unterschlagung in Tateinheit mit fortgesetzter Untreue, wegen Betruges in Tateinheit mit Untreue und wegen Untreue in den Fällen D., S., Br. und B. rechtskräftig erkannten Gefängnisstrafen wegen Unterschlagung in Tateinheit mit Untreue und wegen Unterschlagung zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr Gefängnis und zu einer weiteren Geldstrafe von 100 DM, ersatzweise zwei Tagen Gefängnis, verurteilt. Sie hat ihm die Polizei- und Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Er rügt Verletzung des Verfahrensrechts und des sachlichen Strafrechts; das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.Die Verfahrensrügen
sind allerdings unbegründet. Das braucht nicht näher dargelegt zu werden, da die Sachrüge durchgreift.
II.Sachrüge.
Die Strafkammer hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Angeklagte außer den 100 DM, die er nach seiner Bestellung als Nachlaßpfleger für den Nachlaß aufgewandt hat, noch vor seiner Bestellung, wie er behauptet hatte, etwa 1.000 DM aufgewendet hat. Die Strafkammer hat eine derartige Feststellung für überflüssig gehalten, weil sie davon ausgegangen ist, daß der Angeklagte nicht befugt war, sich ohne ausdrückliche Zustimmung der Erben wegen solcher Forderungen zu befriedigen, die ihm durch Aufwendungen für den Nachlaß vor seiner Bestellung zum Nachlaßpfleger entstanden waren. Das ist rechtsirrig. § 1795 BGB läßt, worauf auch die Strafkammer selbst hinweist, § 181 BGB unberührt.§ 181 BGB gestattet aber dem Vertreter, eine dem Vertretenen ihm gegenüber obliegende Verbindlichkeit durch Insichgeschäft zu erfüllen. Ob eine solche Verbindlichkeit vor oder nach Begründung des Vertretungsverhältnisses entstanden ist, ist dabei gleichgültig.
§ 181 Abs. 2 BGB ist auch nicht, wie das Kammergericht (OLG 8,33) ausgeführt hat, auf "unstreitige Verbindlichkeiten" beschränkt. In der Zahlung liegt beim Insichgeschäft kein Anerkenntnis der Forderung seitens des Vertretenen, weil der Vertreter hierzu nicht befugt ist. Ob in einem Insichgeschäft die Erfüllung einer Verbindlichkeit liegt, ist vielmehr davon abhängig, ob die Verbindlichkeit zur Zeit der Erfüllung bestand. Das muß, falls es streitig ist, nachträglich geklärt werden. Es liegt insofern nicht anders als bei einer einseitigen Aufrechnung, deren Wirksamkeit ebenfalls von dem Bestand der Forderungen abhängig ist.
Allerdings konnte der Angeklagte nach § 181 Abs. 2 BGB sich nur wegen solcher Forderungen befriedigen, die ihm gegen die von ihm vertretene Erbengemeinschaft, nicht wegen solcher, die ihm etwa gegen einzelne Erben zustanden. Die bisherigen Feststellungen schließen es aber nicht aus, daß er als Geschäftsführer ohne Auftrag für die Erbengemeinschaft tätig geworden ist, und daß er daher eine Forderung gegen die Erbengemeinschaft erworben hat (vgl. zu den ähnlich liegenden Fragen, wann Verbindlichkeiten, die ein Erbe vor Anordnung einer Nachlaßverwaltung oder ein Vorerbe eingegangen ist, Nachlaßverbindlichkeiten sind, RGZ 146,343; RG Warn Rspr. 1938 Nr. 143).
Hatte der Angeklagte vor seiner Bestellung als Nachlaßpfleger für den Nachlaß Aufwendungen gemacht, so hatte er daher möglicherweise einen Ersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB. Die Entstehung dieses Ersatzanspruches war nicht von einer vorherigen Anerkennung seitens der Erben abhängig. Nahm der Angeklagte als Nachlaßpfleger Geld für den Nachlaß ein, so konnte er die ihm gegenüber entstandene Verbindlichkeit damit erfüllen. Deshalb konnte der Angeklagte zunächst die gesamten 250 DM, die er als Zinsen empfangen hatte, für sich verbrauchen, vorausgesetzt, daß er erstattungsfähige Aufwendungen für den Nachlaß vor oder nach der Bestellung als Nachlaßpfleger gemacht hatte. Ein derartiges Insichgeschäft müßte allerdings in irgendeiner Weise als solches äußerlich erkennbar sein.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Unterschlagung in Tateinheit mit Untreue beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler.
Nach den Feststellungen und zutreffenden Ausführungen der Strafkammer sind zwar die weiteren 1.000 DM, die H. am 3.12.1954 an den Angeklagten gezahlt hat, nicht in das Eigentum der Erbengemeinschaft übergegangen, das Eigentum ist vielmehr bei H. verblieben. Der Angeklagte ist aber, wie das Urteil weiter feststellt, davon ausgegangen, daß auch dieses Geld in das Eigentum der Erbengemeinschaft übergegangen ist. Soweit daher der Angeklagte, ehe er von der Aufhebung der Nachlaßpflegschaft Kenntnis hatte, mit diesem Geld ihm tatsächlich zustehende Forderungen aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Aufwendungen als Nachlaßpfleger in äußerlich irgendwie erkennbarer Weise bezahlt hätte, könnte es an dem inneren Tatbestand der Unterschlagung fehlen. Daß der Angeklagte das Geld zunächst für den Nachlaß aufbewahrt und erst lange nach Kenntnis von der Aufhebung der Nachlaßpflegschaft für sich verwandt hat, unterstellt das Urteil nur zu seinen Gunsten; eine Feststellung ist insoweit nicht getroffen.
Aus diesem Grunde muß das Urteil aufgehoben werden.
Entgegen den Ausführungen der Revision spielen in diesen Zusammenhang an sich weder der Wort des Erbanteils des Angeklagten eine Rolle noch sein etwaiger Vergütungsanspruch für Führung der Nachlaßpflegschaft. Der Erbauseinandersetzungsanspruch richtet sich nicht gegen den Nachlaß, sondern gegen die einzelnen Erben. Der Angeklagte war daher nicht berechtigt, sich selbst aus dem Nachlaß wegen seines Auseinandersetzungsanspruchs zu befriedigen.
Wenn bei der Sachlage überhaupt eine Vergütung für den Angeklagten als Nachlaßpfleger gemäß § 1987 BGB in Betracht kommt, so bedarf diese doch zunächst der Festsetzung durch das Nachlaßgericht (vgl. Palandt Bemerkung zu§ 1987 BGB). Vor einer solchen Festsetzung ist sie nicht fällig, der Angeklagte durfte sich daher nicht für sie befriedigen.
Das schließt nicht aus, derartige etwaige Ansprüche bei Feststellung der inneren Tatseite und bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.