Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 15.12.1953, Az.: 5 STR 294/53
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts in Berlin vom 10. November 1952
im Strafausspruch gegen den Angeklagten K.,
soweit das Verfahren gegen den Angeklagten F. eingestellt worden ist,
mit den Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfange wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision verworfen.
Soweit das Rechtsmittel das Verfahren gegen den Angeklagten H. betrifft, hat die Landeskasse die Kosten der Revisionsinstanz zu tragen.
Entscheidungsgründe
Die Angeklagten K. und H. sind wegen gemeinschaftlichen Raubes zu je einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, das Verfahren gegen den Angeklagten F. ist eingestellt worden.
K. und H.überfielen gemeinschaftlich mit dem Zapfer Hi. am 31. Juli 1946 morgens den Juwelier N. in B., als er sein Geschäft öffnete, überwältigten ihn und raubten etwa 61.000 Reichsmark und 100 Uhren und Schmucksachen. Mit dieser Beute entkamen die beiden Angeklagten unerkannt. Hi., der den Juwelier am Boden festgehalten hatte, wurde auf dessen Hilferufe festgenommen. Das Strafverfahren wurde damals gegen ihn allein durchgeführt, weil er seine Mittäter nicht nannte.
Der Angeklagte F. war Kriminalsekretär und im Krankenhaus-Streifendienst tätig. Er verkehrte in dem Lokal Hi.s. Nach dessen Festnahme bat ihn Frau Hi., ihrem Manne beizustehen, der zusammen mit K. und H. den Juwelier N. überfallen und beraubt habe und in Haft sei. Der Angeklagte F. forderte die Angeklagten H. und K. auf, ihm Geld zu geben, mit dem er Hi. helfen wolle. Er erhielt von K. ungefähr 24.000 Reichsmark und von H. 5.000 Reichsmark. Später gab er 7.000 Reichsmark an H. zurück und händigte der Frau Hi. auf mehrfaches Drängen 15.000 Reichsmark aus. Mindestens 7.000 Reichsmark behielt er für sich.
Hi. widerrief ein zuerst abgelegtes Geständnis und behauptete, er habe sich mit N. nur aus Eifersucht wegen einer Frau B. geschlagen; N. habe offenbar die Gelegenheit benutzt, der. Versicherungsgesellschaft oder den Eigentümern der Uhren und Schmucksachen einen Raubüberfall vorzutäuschen. Um Hi. bei dieser Verteidigung behilflich zu sein, suchte der Angeklagte F. Frau B. auf und verlangte von ihr, sie solle bei der Polizei wahrheitswidrig aussagen, sie habe ein Verhältnis mit dem Juwelier N.. Als Frau B. dies ablehnte, drohte er ihr mit den Worten: "Wer pfeift, der wird erledigt, dafür sorgt der dritte Mann!"
Das Landgericht hat Begünstigung nach § 257 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit versuchter Nötigung angenommen, Begünstigung im Amt nach § 346 Abs. 1 StGB jedoch mit der Begründung verneint, der Angeklagte habe von dem Raubüberfall nur außerdienstlich erfahren. Er sei daher nicht verpflichtet gewesen, den Strafverfolgungsbehörden die ihnen damals noch unbekannten Mittäter K. und H. namhaft zu machen, und habe sich auch nicht im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit, sondern nur privat bemüht, Hi. der Bestrafung zu entziehen. Die 29.000 RM habe er sich durch Betrug (§ 263 StGB) verschafft; denn er habe K. und H. vorgespiegelt, er brauche das Geld, um dem Hi. zu helfen, während er in Wirklichkeit eine Hilfe, die Geld kostete, weder habe vermitteln können noch vermittelt habe. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, daß das ihm ausgehändigte Geld unmittelbar aus dem Raube gestammt habe, so daß Hehlerei nicht erwiesen sei.
Da die erste richterliche Handlung gegen den Angeklagten F. erst im Jahre 1952 vorgenommen worden ist, hat das Landgericht das Verfahren gegen ihn wegen Verjährung eingestellt.
Die Revision der Staatsanwaltschaft greift das Urteil im vollen Umfange an. Sie hat im wesentlichen Erfolg.
I.Die Verfahrensbeschwerden sind allerdings unbegründet.
1.)Die Rüge, aus der Verhandlungsniederschrift vom 10. November 1952 sei der Name des dritten Zeugen nicht ersichtlich, betrifft nur die Ordnungsmäßigkeit des Protokolls. Auf dessen Mängeln kann das Urteil jedoch nicht beruhen.
2.)Von der Vereidigung der Zeugin B. hat das Landgericht nach § 60 Nr. 3 StPO abgesehen, weil sie verdächtigt werde, "die Anregung zur Aussage über die Eifersuchtsszene gegeben zu haben, und damit der Beihilfe verdächtig" sei. Die Revision nimmt an dem Wort "Beihilfe" Anstoß. Die Strafkammer hat sich jedoch offensichtlich nur im Ausdruck vergriffen und eine Begünstigung der drei Räuber gemeint. Die Nichtvereidigung ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.
3.)Das Landgericht hat nicht den § 264 StPO verletzt, sondern die Anklage und den Eröffnungsbeschluß erschöpft. Entgegen der Behauptung der Revision ist der Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt der schweren passiven Bestechung geprüft worden; denn das Urteil führt auf S 8 bis 10 aus, weshalb des Verhalten des Angeklagten F. "nicht den Qualifikationen der §§ 331 ff StGB" unterliege.
Die Rüge gibt dem Senat jedoch Anlaß, darauf hinzuweisen, daß der Eröffnungsbeschluß vom 1. Oktober 1952 (Bl 62 d.A.) den Anforderungen des § 207 Abs. 1 StPO nicht entspricht. Er gibt außer dem Ort und der Zeit der Tat nur den Namen des Mittäters H. und den Wortlaut der §§ 249, 346, 332 StGB wieder. Er bezeichnet daher nicht "die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat", sondern nur ihre allgemeinen ("abstrakten") gesetzlichen Merkmale. Diese sind zwar nach § 207 Abs. 1 StPO hervorzuheben, genügen aber allein nicht. Die ("konkrete") Tat selbst muß vielmehr durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, daß keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden (vgl RGSt 21, 64 [65]; RG HRR 1936, 1400). Die Anklageschrift vom 28. August 1952 (Bl 39 d.A.) enthält den gleichen Fehler. Sie gibt die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Taten (§ 200 Abs. 1 StPO) nicht gesondert vom wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen (§ 200 Abs. 2 StPO) wieder. Anklage und Eröffnungsbeschluß gehören zu den Verfahrensvoraussetzungen, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen sind. Wegen der Mängel der Anklageschrift vom 28. August 1952 und des Eröffnungsbeschlusses vom 1. Oktober 1952 ist das Verfahren jedoch nicht einzustellen; denn die Angeklagten konnten hier wenigstens aus dem "Ermittlungsergebnis" der Anklageschrift vom 28.8.1952 ausreichend entnehmen, welche bestimmten Taten ihnen vorgeworfen wurden (vgl RGSt 21, 64 [65]).
4.)Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 2 StPO begründet die Revision nur mit folgenden Worten: "Das Landgericht hat seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es bei dem Angeklagten K. die Rückfallvoraussetzungen nicht geprüft hat". Verfahrensbeschwerden müssen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig angeben, daß klar erkennbar ist, gegen welche Handlung oder Unterlassung des Gerichts der Vorwurf der Rechtsverletzung erhoben wird (BGHSt 2, 168). Ob sich dies der Revisionsbegründung, die bei den Ausführungen zur Sachbeschwerde den Strafregisterauszug heranzieht, entnehmen läßt, ob also die Aufklärungsrüge ordnungsgemäß erhoben ist, kann hier dahingestellt bleiben. Denn in diesem Punkte liegt jedenfalls ein später zu erörternder sachlichrechtlicher Mangel des Urteils vor.
5.)Der § 260 Abs. 3 StPO ist durch die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten F. wegen Verjährung nicht verletzt. Die Revision beanstandet hier die Feststellungen des Urteils über die Tatzeiten ("Sommer und Herbst 1946") zu Unrecht als angenügend. Ob das Landgericht die strafbaren Handlungen des Angeklagten F. sachlichrechtlich falsch beurteilt und aus diesem Grunde die Strafverfolgung rechtsirrig als verjährt angesehen hat, wird bei der Sachrüge erörtert.
II.Auf die Sachbeschwerde der Revision ergeben sich, soweit die Angeklagten K. und H. wegen gemeinschaftlichen Raubes verurteilt worden sind, gegen den Schuldspruch keine rechtlichen Bedenken. Gegen ihn führt die Revision auch im einzelnen keine Angriffe. Einen Raub mit Waffen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB) hat das Landgericht aus tatsächlichen Gründen rechtlich einwandfrei verneint.
Der besonders bekämpfte Strafausspruch gegen diese beiden Angeklagten muß jedoch näher erörtert werden. Er hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nur insoweit stand, als er den Angeklagten H. betrifft.
1.)Der Angeklagte K. ist, wie das Urteil erwähnt, "mehrfach wegen Eigentumsdelikten vorbestraft (Diebstahl, Hehlerei, schwerer Diebstahl, räuberische Erpressung). Er hat einmal eine Gesamtstrafe von 14 Jahren Zuchthaus erhalten. ... Nach der Verbüßung seiner Strafen im Jahre 1932 hat der Angeklagte ... sich mit Ausnahme einer Hehlerei im Jahre 1943 bisher straffrei geführt".
Der Angeklagte ist danach schon einmal wegen räuberischer Erpressung (§ 255 StGB), also "gleich einem Räuber" bestraft worden. Die Rückfallvoraussetzung des § 250 Abs. 1 Nr 5 Satz 1 StGB liegt daher zunächst vor. Die Feststellungen legen die Annahme nahe, daß die Strafe wegen der räuberischen Erpressung in der Gesamtstrafe von 14 Jahren Zuchthaus enthalten war. Mindestens schließt das Urteil diese Deutung nicht aus. Im Jahre 1932 kann die 14 jährige Zuchthausstrafe von dem damals erst 31 jährigen Angeklagten nicht wohl voll verbüßt gewesen sein. Das Urteil sagt nichts darüber, wann eine etwaige Reststrafe dem Angeklagten endgültig erlassen worden ist, die 10 jährige Frist der §§ 250 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2, 245 StGB also zu laufen begonnen hat. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß sie am 31.7.1946 noch nicht verstrichen war. Über alles dies gibt das Urteil keine Auskunft. Es behandelt die Frage des Rückfalls überhaupt nicht. Wegen dieses sachlichrechtlichen Mangels muß der Strafausspruch gegen den Angeklagten K. aufgehoben werden.
2.)Die übrigen Angriffe der Revision - insbesondere gegen die Zubilligung mildernder Umstände für beide Angeklagte - richten sich unzulässig gegen das tatrichterliche Ermessen als solches. Auch die ergänzenden Ausführungen des Oberbundesanwalts verhelfen der Revision nicht zum Erfolg. Sie betroffen folgende Punkte.
a)Die Strafkammer hat nach den Urteilsgründen außer den Verhältnissen des Jahres 1946 "weiter zugunsten des Angeklagten (K.) berücksichtigt, daß die Tat sechs Jahre her ist. Wenn auch" - so fährt das Urteil fort - "die Strafverfolgung des von dem Angeklagten begangenen Verbrechens erst 1956 verjährt wäre, so mußte die versöhnende Wirkung der Zeit jetzt doch zum mindesten die Strafhöhe beeinflussen".
Die gleiche Erwägung kommt bei dem Angeklagten H. mit den Worten zum Ausdruck: "Auch bei ihm konnte die Länge der seit der Tat vergangenen Zeit auf das Strafmaß nicht ohne Einfluß bleiben".
Wie dem Oberbundesanwalt zuzugeben ist, wäre es rechtsirrig, wenn die Strafkammer davon ausgegangen wäre, schon vor dem Ende der Verjährungsfrist nötige allein die Tatsache eines gewissen Zeitablaufes, den Täter milder zu bestrafen, um damit gleichsam den Übergang zu der Unmöglichkeit jeder Bestrafung zu schaffen, die mit der Verjährung eintrete. Die Vorstellung einer sich mit der Zeit ohne weiteres verringernden und schließlich erlöschenden Strafe wäre verfehlt.
Solche unrichtigen Auffassungen des Landgerichts kann der Senat jedoch im Gegensatz zum Oberbundesanwalt den Urteilsgründen nicht entnehmen. Mit der "versöhnenden Wirkung der Zeit" meint die Strafkammer vielmehr erkennbar nur, sechs Jahre nach dieser Tat erfordere das Sühnebedürfnis der Allgemeinheit und das Gebot der Abschreckung es im vorliegenden Falle nicht mehr, das Gesetz in seiner vollen Schärfe anzuwenden. Eine solche Erwägung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Mit dem mißverständlichen Hinweis auf die Verjährungsfrist in diesem Zusammenhange will das Landgericht nur sagen, die auf der Lebenserfahrung beruhende Annahme einer "versöhnenden Wirkung der Zeit" widerspreche nicht dem Grundgedanken des Gesetzes. Das ist richtig.
b)Dem Angeklagten H. hat das Landgericht mildernde Umstände in erster Linie deshalb zugebilligt, "weil er bei Gericht unumwunden die Wahrheit gesagt hat". Wie der Oberbundesanwalt betont, ist es rechtlich unzulässig, den geständigen Verbrecher nur seines Geständnisses wegen milder zu bestrafen; sein Verhalten im Strafverfahren ist bei der Strafzumessung vielmehr nur insoweit zu berücksichtigen, als sich daraus offenbart, wie er innerlich zu seiner Tat steht (vgl BGHSt 1, 105). Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht jedoch nicht verstoßen. Es hat, wie seine Ausdrücke "unumwunden", "klar" und "offen" ergeben, einen günstigen Eindruck vom Charakter des Angeklagten und seiner jetzigen Haltung gegenüber seiner Tat gewonnen.
III.1.)Die Sachbeschwerde der Revision gegen die Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten F. hat Erfolg.
a)Als Kriminalsekretär gehörte der Angeklagte zu den Beamten, die zur Mitwirkung bei der Strafverfolgung berufen sind. Das Landgericht vertritt die Auffassung, nur wenn ein solcher Beamter in seiner amtlichen Eigenschaft tätig werde, sei § 346 StGB anzuwenden. Soweit ein Handeln durch Unterlassung in Betracht komme, mache ein Strafverfolgungsbeamter sich nicht nach § 346 StGB strafbar, wenn er außerdienstlich Kenntnis von einer strafbaren Handlung erlange und daraufhin nichts gegen den Täter unternehme.
b)Die Frage ist im Schrifttum und in der neueren Rechtsprechung der Oberlandesgerichte streitig. Sie ist weder vom Reichsgericht noch bisher vom Bundesgerichtshof entschieden worden.
Dem Reichsgericht lag in RGSt 70, 251 [252] ein Fall vor, in dem Polizeibeamte von einem kupplerischen Betrieb durch ein allgemeines Gerücht erfahren hatten, das in der Öffentlichkeit umging. Das Reichsgericht hat hier mit Rücksicht auf die §§ 160, 163 StPO eine amtlich erlangte Kenntnis angenommen und es daher dahingestellt gelassen, ob nicht auch in anderen Fällen "zum mindesten dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn die Straftat, von der der Beamte (außerdienstlich) erfahren hat, nach ihrer Art oder ihrem Umfange die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berührt". Unter Hinweis auf diese Entscheidung hat das Reichsgericht auch in HRR 1941, 457 nur ausgesprochen, ein Strafverfolgungsbeamter sei nicht stets zur Anzeige verpflichtet, wenn er die Kenntnis von einem Jagdvergehen rein privat, außerhalb seines Pflichtenkreises erlangt habe.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in dem bei LM § 346 StGB unter Nr. 1 nicht mitveröffentlichten Teil seines Urteils vom 29.11.1951 - 4 StR 293/51 - beiläufig bemerkt, bei Verfehlungen, die öffentliche Belange in so hohem Maße berührten, wie es bei Abtreibung und Erpressung der Fall sei, dürfe der Leiter einer Polizeistation nicht einmal bei nur "privatem Wissen" davon absehen, ein Ermittlungsverfahren in Gang zu bringen. Auf diesem Ausspruch beruht die Entscheidung jedoch nicht; denn auch dort waren die Straftaten nicht nur außerdienstlich zur Kenntnis des Angeklagten gelangt. Er war vielmehr zunächst sogar amtlich tätig geworden. Der 1. Strafsenat hat in BGHSt 4, 167 [BGH 24.02.1953 - 1 StR 597/52] [169] dahingestellt gelassen, ob eine nur außerdienstliche Kenntnis die Pflicht zur Strafverfolgung begründet.
c)Diese Frage läßt sich nicht allgemein für alle Fälle der außerdienstlichen Kenntnis von einer strafbaren Handlung entscheiden.
Der gemeinschaftliche Raub Hi.s, K.s und H.s war ein schweres Verbrechen, das "die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berührte" (vgl RGSt 70, 251 [252]). In einem solchen Falle ergibt sich aus der Aufgabe des Kriminalpolizeibeamten, strafbare Handlungen im Interesse der öffentlichen Ordnung zu verfolgen, jedenfalls in der Regel die Amtspflicht, auch eine nur außerdienstlich erhaltene Nachricht über bisher unbekannte Mittäter an seine Behörde weiterzugeben.
Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob diese Verpflichtung ausnahmslos besteht. Es mag sich die Auffassung vertreten lassen, es heiße die Anforderungen an den Strafverfolgungsbeamten überspannen und die Bindungen von Mensch zu Mensch zu gering achten, wenn man in jedem Falle die dienstliche Weitergabe des ihm außerdienstlich aus persönlichen Gründen Anvertrauten unbedingt verlange und die Unterlassung stets mit der schweren Strafe des § 346 StGB ahnde. Auch der Strafverfolgungsbeamte kann in Zweifel kommen, ob er außerhalb seines Dienstes als Beamter handeln oder als Mensch Rücksicht üben und schweigen soll. Dann mag es die Achtung vor seiner Menschenwürde und seiner Persönlichkeit (vgl Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) unter Umständen erfordern, ihm die Freiheit der sittlichen Entscheidung zu lassen. Ähnlich hat das Reichsgericht (RGSt 73, 265 [267]) einem Bürgermeister, der gleichzeitig Polizeiorgan war, zugebilligt, sich nach pflichtmäßigem Ermessen zu entschließen, ob er eine strafbare Handlung verfolgen ließ, die ihm in Verwaltungsgeschäften der Gemeinde bekannt geworden war (vgl auch BGHSt 4, 167 [BGH 24.02.1953 - 1 StR 597/52] [170]). Es wäre also vielleicht strafrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Angeklagte seiner Behörde gegenüber aus Rücksicht auf Frau Hi. wegen der vertraulichen Natur ihrer Mitteilung geschwiegen hätte und auch im übrigen untätig geblieben wäre. Dann könnte sein Verhalten auf einer sittlichen Entscheidung beruhen, die das Recht möglicherweise hinzunehmen hätte.
So liegt der Fall jedoch nicht. Der Angeklagte ließ sich vielmehr von K. und H. Geld unter dem Vorwände geben, er brauche es, um Hi. zu helfen. Hiernach liegt die Annahme sehr nahe, daß er von einer Meldung an seine Behörde nicht wegen des Vertrauens der Frau Hi., sondern deshalb absah, weil er mit Hilfe seiner Kenntnis zu Geld kommen wollte. Dann hat er aber nicht die dienstlichen Interessen gegen persönliche Rücksichten abgewogen, sondern eine ihm vielleicht grundsätzlich einzuräumende Freiheit der Entscheidung jedenfalls mißbraucht und sich nicht von Gründen leiten lassen, die vor dem Recht möglicherweise bestehen könnten.
Er versuchte außerdem, Frau B. zu einer falschen Aussage zugunsten Hi.s zu bewegen, hat also sogar durch tätiges Handeln der Strafverfolgung pflichtwidrig entgegengearbeitet. In einem solchen Falle hat das Reichsgericht (RGSt 74, 178 [180]) mit Recht den § 346 StGB auf einen Leiter der Ortspolizei ohne Rücksicht darauf angewendet, ob er nach pflichtmäßigem Ermessen von der Strafverfolgung eines Gemeindebeamten hätte absehen können, dessen strafbare Handlung ihm in seiner Eigenschaft als Bürgermeister bekannt geworden war.
Da der Angeklagte mit seinen Bemühungen gegenüber Frau B. keinen Erfolg hatte, kommt insoweit nur ein versuchtes Verbrechen nach § 346 StGB in Betracht. Es kann jedoch vollendet sein, soweit er die Mittäter K. und H. der Bestrafung dadurch entzogen hat, daß er sie seiner Behörde nicht namhaft machte.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, soweit das Verfahren gegen den Angeklagten F. wegen Begünstigung im Amt eingestellt worden ist; denn die Strafverfolgung wegen Verbrechens nach § 346 StGB verjährt nach § 67 Abs. 1 StGB erst nach 10 Jahren.
Das Landgericht wird in der neuen Verhandlung folgendes beachten müssen. Soweit der Angeklagte die Begünstigung als unechtes Unterlassungsdelikt begangen hat, erfordert der Vorsatz das Bewußtsein, zum Handeln verpflichtet zu sein (vgl BGHSt 3, 82 [BGH 03.07.1952 - 5 StR 151/52] [89]).
d)Auf die weitere Rüge der Revision, das Landgericht habe den § 258 Abs. 1 Nr. 2 StGBübersehen, braucht nicht mehr eingegangen zu werden.
e)Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Vorwurf der Revision begründet ist, das Landgericht habe die Prüfung versäumt, ob in der festgestellten Einwirkung des Angeklagten auf Frau B. zugleich ein Unternehmen der Verleitung zum Meineid nach den §§ 159, 49 a Abs. 1 StGB, also ebenfalls ein Verbrechen liege. Das Landgericht hat in der neuen Hauptverhandlung Gelegenheit, das Verhalten des Angeklagten auch unter diesen Gesichtspunkt zu würdigen.
Soweit jedoch versuchte Nötigung in Betracht kommt, kann der Angeklagte nicht verurteilt werden, weil die Strafverfolgung wegen dieses Vergehens nach § 67 Abs. 2 StGB verjährt ist.
2.)Außer der Begünstigung im Amt wird dem Angeklagten als zweite selbständige Handlung eine schwere passive Bestechung nach § 332 StGB vorgeworfen. Das Landgericht hat jedoch nur einen Betrug angenommen und das Verfahren daher auch in diesem Punkte wegen Verjährung eingestellt. Diese Entscheidung ist ebenfalls von der Auffassung des Landgerichts beeinflußt, der Angeklagte habe gegenüber Hi., K. und H. keine Begünstigung im Amt begangen. Sie kann daher nicht bestehen bleiben.
Wie das Landgericht jedoch in der neuen Hauptverhandlung wird beachten müssen, setzt eine Bestrafung des Angeklagten nach § 332 StGB voraus, daß er das Geld ganz oder zum Teil "für" eine Handlung bekam, die eine Verletzung einer Amtsoder Dienstpflicht enthielt. Die Angeklagten K. und H. müßten ihm also mindestens einen Teil des Geldes als Gegenleistung für sein Tun oder Unterlassen als Beamterüberlassen haben. Der Angeklagte müßte diesen Zusammenhang erkannt und gewußt haben, daß das von ihm erwartete Verhalten pflichtwidrig war (vgl RGSt 77, 75 [77]).
Der Oberbundesanwalt hat beantragt, das angefochtene Urteil auch im Strafausspruch gegen den Angeklagten H. aufzuheben. In übrigen entspricht die Entscheidung im Ergebnis seinem Antrage.