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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 29.11.1995, Az.: 5 STR 495/95

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zehn Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet er die Verletzung sachlichen Rechts. Insbesondere wendet er sich gegen die Bestimmung des den Geschädigten endgültig verbliebenen Schadens.

Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg.

I. Der Angeklagte warb für Geldanlagen in "Arbitragegeschäften", wobei er den Anlegern sichere Mindestgewinne zwischen 17,5 % und 50 % bei einer Laufzeit der Anlage von regelmäßig sechs bis sieben Monaten versprach. Was mit den so erlangten Geldern (insgesamt 2,8 Millionen DM) geschah, ist nicht vollständig aufgeklärt worden. Die Gelder wurden jedenfalls nicht für Arbitragegeschäfte verwendet. Das Landgericht konnte dem Angeklagten nicht widerlegen, daß die Gelder an eine hinter ihm stehende Person oder Institution flossen, auf deren Geschäftsgebaren der Angeklagte keinen Einfluß hatte. Daß damit der Rückgewähranspruch der vom Angeklagten geworbenen Anleger gefährdet war, wußte der Angeklagte.

Bei "Fälligkeit" der Anlage wies der Angeklagte zunächst den Anlegern den Einsatz und die "Gewinne" bar vor und fragte zumindest bei den ersten Anlagen an, ob ausgezahlt werden sollte. Die Geldgeber legten darauf entweder den Anlagebetrag, erhöht um den Gewinn, für eine neue Laufzeit wieder an oder legten den ursprünglichen Einsatz neu an und ließen sich lediglich den Gewinn auszahlen oder sie ließen sich Anlagebetrag nebst Gewinn insgesamt auszahlen. In einer Reihe von Fällen wurde bei "Fälligkeit" weder die Anlage zurück noch der versprochene Gewinn ausbezahlt. Mit der zuletzt genannten Möglichkeit hatte der Angeklagte bei jeder einzelnen Anlage gerechnet.

II. 1. Zutreffend nimmt das Landgericht bei dieser Sachlage vollendeten Betrug gegenüber jedem der zehn Anleger an, weil bei Hingabe der anzulegenden Gelder der Rückgewähranspruch in hohem Maße gefährdet war. Zu den insoweit nicht eindeutigen Feststellungen zum Schuldumfang siehe unten 3.

2. Durchgreifende Bedenken bestehen aber gegen die Bestimmung des den Geschädigten verbliebenen Schadens, der über die den Tatbestand erfüllende Vermögensgefährdung hinaus als verschuldete Auswirkung der Tat nach § 46 Abs. 2 StGB für die Strafzumessung von Bedeutung ist.

Soweit der Angeklagte jeweils nach "Fälligkeit" der Anlage "Gewinne" ausbezahlte, es aber nicht zu einer Rückzahlung des "stehengelassenen" Anlagebetrags kam, nahm das Landgericht als Folge der Tat einen "endgültigen Verlust des eingezahlten Geldes" an, ohne dabei die bezahlten "Gewinne", die die Summe der einbezahlten Anlage überstiegen haben konnten, zu berücksichtigen. Zur Begründung beruft sich das Landgericht auf § 367 Abs. 1 BGB.

Diese Bestimmung des verbliebenen Schadens wird dem strafrechtlichen Vermögensschadensbegriff nicht gerecht. Beim Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB kommt es sowohl für das Vorliegen des tatbestandsmäßigen Schadens (hier in Gestalt der schadensgleichen Vermögensgefährdung, dazu BGH wistra 1991, 307) als auch für das Vorliegen des für die Strafzumessung unter dem Aspekt des § 46 Abs. 2 StGB erheblichen endgültig verbliebenen Schadens auf einen Vergleich des Werts des Vermögens des Getäuschten vor und nach der Vermögensverfügung an (BGHSt 30, 388, 389).

Bei der Bewertung des Vermögens vor der Verfügung mögen auch Zins- oder Gewinnerwartungen eine Rolle spielen, soweit sie sich im Rahmen ordentlicher Geschäfte bewegen. Zins- oder Gewinnerwartungen in der vorliegenden Höhe haben aber in der Regel keinen selbständigen Vermögenswert, da sie mindestens auf hochspekulative, riskante, und damit gefahrenträchtige Geschäfte hindeuten. Sie müssen bei der Prüfung, ob die Verfügung zu einem Vermögenssschaden geführt hat, außer Betracht bleiben.

Bei der Berechnung der für die Strafzumessung erheblichen Höhe des verbliebenen Schadens im Wege des Vermögensvergleichs müssen dagegen Zins- oder Gewinnzahlungen, die tatsächlich erfolgt sind, berücksichtigt werden. Sie erhöhen das Vermögen.

Ob solchen Zahlungen freilich erhebliches strafmilderndes Gewicht zukommt, ist eine andere Frage, wenn diese Zahlungen aus Mitteln stammen, die ihrerseits betrügerisch unter dem Vorwand eines anderen Verwendungszwecks erlangt wurden und damit zugleich das Gefährdungsrisiko für diese Anleger erhöhen. Anlagebetrüger verschaffen sich häufig den Anschein ordentlicher Geschäftsführung, indem sie Anlagen und "Gewinne" mit Mitteln neu geworbener Anlagen zurückbezahlen. Es ist dann gleichwohl für die Strafzumessung grundsätzlich nicht ohne jede Bedeutung, ob die betrügerisch erlangten Gelder nur in einem geringen oder in einem erheblichen Umfang beim Täter geblieben oder an Geschädigte wieder zurückgeflossen sind.

3. Der Mangel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs in jedem der zehn Betrugsfälle und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe mit den jeweils zugrundeliegenden Feststellungen, da das Landgericht - von seinem Ausgangspunkt zu Recht - umfassende Feststellungen zu den Gewinnzahlungen nicht getroffen hat und es im übrigen (z.B. im Fall S. UA S. 14 und S. 63) auch an klaren Feststellungen zum Umfang der angelegten Gelder und damit zum tatbestandsmäßigen Schaden fehlt.

4. Der Senat weist darauf hin, daß es sich in Fällen der vorliegenden Art empfiehlt, in den Urteilsgründen im Rahmen der Feststellungen die Zahlungen der Anleger sowie Rückzahlungen auf die Anlage und "Gewinn"- oder Zinszahlungen übersichtlich zusammenzufassen, damit die Erwägungen des Landgerichts zum Umfang des tatbestandsmäßigen Schadens und zum verbleibenden Schaden hinreichend nachvollziehbar sind. Fehlt es an präzisen Beweismitteln, weil Zeugen sich an einzelne Vorgänge nicht erinnern und Urkunden fehlen, müssen die Feststellungen zugunsten des Angeklagten notfalls mit ergänzender Schätzung (vgl. dazu BGH NStZ 1995, 203 [BGH 06.12.1994 - 5 StR 305/94]) getroffen werden.

III. Eine Erstreckung der Aufhebung auf den Mitangeklagten K gemäß § 357 StPO kam bei der gebotenen zurückhaltenden Anwendung der Vorschrift (Hanack in Löwe-Rosenberg StPO 24. Aufl. § 358 Rdn. 18) nicht in Betracht.

Das Landgericht hat in demselben Urteil den nicht revidierenden K wegen Betrugs in zwölf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Das Landgericht ging davon aus, daß die beiden Angeklagten vor demselben Hintergrund auf dieselbe Weise betrogen haben, nahm aber keine Mittäterschaft an, sondern rechnete jedem Angeklagten jeweils nur die Fälle zu, in denen er selbst tätig wurde. Es gibt keinen Schadensfall, der beiden Angeklagten vorgeworfen wird. Zwar erfolgten die Ausführungen zu den verbliebenen Schäden im Urteil für beide Angeklagte gemeinsam vor demselben wirtschaftlichen Hintergrund.

Gleichwohl fehlt es an der für eine Anordnung des § 357 StPO erforderlichen Nämlichkeit der Tat (BGHSt 12, 335, 341; BGH NJW 1983, 2097, 2099) [BGH 22.04.1983 - 3 StR 25/83], da jeder Schadensfall nicht nur materiellrechtlich, sondern auch prozessual eine selbständige Tat im Sinne des § 264 StPO darstellt.