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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 09.01.1968, Az.: 5 STR 603/67

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Berlin vom 30. Mai 1967 aufgehoben

im Falle B I 2 der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil der Zeugin S.); insoweit wird das Verfahren auf Kosten der Landeskasse eingestellt;

mit den Feststellungen im Falle B I 1 der Urteilsgründe (Bezirksamt N.) im Schuldspruch sowie in allen Strafaussprüchen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Soweit das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben ist, wird die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen (davon in einem Falle in Tateinheit mit Fälschung von Gesundheitszeugnissen) und wegen schwerer mittelbarer Falschbeurkundung in drei Fällen verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat zum Teil Erfolg.

I.1.Im Betrugsfall B I 2 (Ma.) ist die Strafverfolgung verjährt. Hierzu hat der Generalbundesanwalt wie folgt Stellung genommen:"Die Verfolgung dieses Anstellungsbetruges ist entgegen der Ansicht des Landgerichts am 21. September 1959 verjährt. Denn da der Angeklagte den Betrugstatbestand in diesem Fall nur einmal, nämlich nur mit dem Abschluß des Anstellungsvertrages am 22. September 1954 verwirklicht hat (UA S. 44), ist die Tat an diesem Tage im Sinne des § 67 Abs. 4 StBG 'begangen' worden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:Die Verjährung der Strafverfolgung des Betrugs beginnt nach ständiger Rechtsprechung mit dem Eintritt des Vermögensschadens (RGSt 42, 171). Beim Anstellungsbetrug, der ein Fall des Eingehungsbetruges ist, liegt der Vermögens schaden nach einhelliger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Abschluß des Anstellungsvertrags und der Übernahme der Gehaltszahlungsverpflichtung durch den Dienstherrn. Die Erfüllung dieser Zahlungsverpflichtung des Geschädigten bedeutet auch bei Aufrechterhaltung der ursprünglichen Täuschung keine neue Verwirklichung des Betrugstatbestandes. Die nachfolgenden einzelnen Gehaltszahlungen stellen auch keine Erweiterung oder Fortsetzung des bereits eingetretenen Vermögensschadens dar, sondern sind lediglich Nachwirkungen des mit der Anstellung vollendeten Betrugs (BGH 5 StR 115/55 vom 8. Juli 1955; 1 StR 62/56 vom 13. September 1956). Von der Grundlage dieser zutreffenden und überzeugenden Rechtsprechung ausgehend, muß folgerichtig auch die Verjährung des Anstellungsbetruges bereits mit dem Abschluß des Anstellungsvertrages beginnen. Daß ein Anstellungsbetrug bereits in diesem Zeitpunkt sowohl rechtlich vollendet, als auch tatsächlich beendet und damit 'begangen' ist, hat der 5. Strafsenat zu § 1 StFG 1954 schon ausdrücklich entschieden (5 StR 279/57 vom 29. Oktober 1957). Alsdann kann aber auch für die Frage, wann ein Anstellungsbetrug i.S. des § 67 Abs. 4 StGB 'begangen' ist, nichts anderes gelten.Der gegenteiligen Meinung des Landgerichts, daß ein Anstellungsbetrug erst mit dem Tage der letzten Gehaltszahlung 'begangen' sei und die Verjährungsfrist erst von diesem Tage an zu laufen beginnt (UA S. 44-46), kann nicht gefolgt werden. Sie ist mit der einhelligen Rechtsprechung über den Zeitpunkt des Eintritts der Vermögensschädigung beim Eingehungs- und insbesondere Anstellungsbetrug dogmatisch unvereinbar und läuft letztlich darauf hinaus, den Anstellungsbetrug, der ein einfaches Erfolgsdelikt ist, hinsichtlich der Verjährungsfrage als Dauerdelikt zu behandeln. Das geht nicht an....Das Landgericht meint zwar, sich für seinen Standpunkt auf einschlägige Entscheidungen des 1., 2., und 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs berufen zu können. Indessen hat, soweit ersichtlich, bisher nur der 2. Senat einmal die Ansicht geäußert, Anstellungsbetrug beginne erst mit der letzten Gehaltszahlung zu verjähren (2 StR 320/57 vom 6. November 1957). Diese Entscheidung steht der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht entgegen. Denn sie betrifft einen Sachverhalt, in dem der Täter sich nicht auf den Empfang der Gehaltszahlungen beschränkt, sondern nach Erschleichung der Anstellung neue damit in Fortsetzungszusammenhang stehende Betrugsakte zum Nachteil desselben Dienstherrn begangen hatte.Die vom Landgericht ferner zitierte Entscheidung BGH 2 StR 479/56 vom 14. November 1956 betrifft nicht die Verjährung des Anstellungsbetruges, sondern die des Prozeßbetruges.Die Entscheidung des 1. Strafsenats in BGHSt 11, 345, 347 [BGH 22.05.1958 - 1 StR 551/57] behandelt die Frage des Verjährungsbeginns bei der Bestechung.Der Beschluß des 4. Strafsenats BGHSt 11, 119 [BGH 18.12.1957 - 4 StR 106/57] schließlich befaßt sich mit der ebenfalls ganz anders zu beurteilenden Frage, wann fahrlässige Unterlassungsdelikte im Sinne des § 1 StFG 1954 'begangen' sind."

Dem hat der Senat zusammenfassend lediglich hinzuzufügen:

Ein Betrug ist nicht nur vollendet, sondern auch beendet, wenn der Täter seine Bereicherungsabsicht auf Kosten des Geschädigten verwirklicht hat. Beim Anstellungsbetrug liegt der Vermögensschaden im Abschluß des Anstellungsvertrages. Der beabsichtigte Vermögensvorteil ist das Spiegelbild des Vermögensschadens. Daher kann sich die Absicht im strafrechtlich relevanten Sinne nur auf solche Vermögensvorteile beziehen, die ihr Gegenstück in dem eingetretenen Vermögensschaden finden. Diese Absicht hat der Angeklagte verwirklicht, indem er die Anstellungsverträge erschlich. Damit war die Tat beendet. Die Hoffnung auf künftige Gehaltszahlungen ohne neuerliches Hinzutun ist nur ein (zusätzliches) Motiv, das im gesetzlichen Tatbestand keine objektive Grundlage findet.

Das Verfahren war daher insoweit nach § 260 Abs. 3 StPO auf Kosten der Landeskasse einzustellen (§ 467 Abs. 1 StPO).

2.Der unrichtige Ausgangspunkt des Landgerichts zur Verjährungsfrage beeinflußt gleichzeitig den Schuldspruch im Falle B I 1 (Betrug zum Nachteil des Bezirksamts N.). Die Strafkammer erblickt in jeder monatlichen Gehaltszahlung eine neue Schadenszufügung. Sie bejaht daher den Fortsetzungszusammenhang ohne Rücksicht auf den zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Täuschungshandlungen, durch die der Tatbestand jeweils von neuem verwirklicht worden ist. Dieser zeitliche Abstand war jedenfalls bei den im Oktober 1955, Dezember 1959 (UA S. 23) und Juli 1965 (UA S.24) begangenen Täuschungen so erheblich, daß zwischen den einzelnen Handlungen kein Zusammenhang ersichtlich ist, der sie zu einer rechtlichen Einheit zusammenfassen könnte.

Der Senat ist nicht in der Lage, den Schuldspruch für die Zeit von Juli 1965 an zu bestätigen, denn es ist denkbar, daß der Angeklagte zuvor noch ändere Täuschungen verübt hat, auf deren Feststellung das Landgericht von seinem Standpunkt aus keinen besonderen Wert zu legen brauchte.

II.Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch.

1.Das Vorbringen der Revision, aus der Sitzungsniederschrift gehe hervor, daß sowohl der Wahlverteidiger wie der vorübergehend mit der Verteidigung beauftragte Stationsreferendar den Sitzungssaal während der Verhandlung gleichzeitig verlassen hätten, ist als unzulässige Protokollrüge unbeachtlich (BGHSt 7, 162).

2.Die Aussage der Zeugin S. betraf nur den nunmehr eingestellten Teil des Verfahrens. Auf die Rüge der Verletzung des § 251 Abs. 4 StPO braucht daher nicht eingegangen zu werden.

3.Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Landgericht den Zeugen Wi. als Verletzten vereidigen. § 61 Nr. 2 StPO ist keine Mußvorschrift, sondern eine Ermessensbestimmung. Daß die Strafkammer sich ihres Ermessens nicht bewußt gewesen sei, behauptet die Revision selbst nicht. Sie übte es nicht schon dadurch fehlerhaft aus, daß sie einzelne Geschädigte vereidigte, andere nicht.

III.Die Sachlage ist unbegründet.

1.Das gilt zunächst für die übrigen Betrugsfälle.

a)Die Täuschungshandlungen gegenüber der Arbeiterwohlfahrt hat das Landgericht in allen drei Einzelakten darin erblickt, daß der Angeklagte bei Abschluß der schriftlichen oder mündlichen Verträge durch sein Gesamtverhalten seine angebliche Arzteigenschaft vorspiegelte und dadurch den bereits vorhandenen Irrtum der Arbeiterwohlfahrt unterhielt. Die von der Revision vermißte Feststellung, daß die Arbeiterwohlfahrt für die einzelnen Aufgaben jeweils einen Arzt benötigte, hat das Landgericht auf UA S. 28 und 30 ausdrücklich getroffen. Der Vorsatz des Angeklagten wird durch die Feststellung belegt, "zwischen ihm und der Arbeiterwohlfahrt bestand Einigkeit darüber, daß sämtliche von ihm wahrgenommenen Aufgaben nur von einem Arzt wahrgenommen werden dürften" (UA S. 30). Die Beweisgrundlagen dieser Feststellungen brauchte das Landgericht nicht anzugeben.

Den Vermögens schaden hat das Landgericht nicht aus der fehlenden tatsächlichen Befähigung des Angeklagten hergeleitet, sondern aus seinen Ausbildungsmängeln. Das ist bei Dienstverträgen der beschriebenen Art, auf die üblicherweise nur Personen mit abgeschlossener Hochschulbildung Anspruch erheben können, nicht zu beanstanden. Nach der Überzeugung der Strafkammer brachte der Angeklagte ersichtlich nicht die fachliche Ausbildung und die damit jedenfalls bei einem "Facharzt" verbundene Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit mit, die den ihm übertragenen Aufgaben und der Höhe seiner Bezüge entsprachen (vergl. BGHSt 17, 254, 256 [BGH 04.05.1962 - 4 StR 71/62]-257; BGH NJW 1961, 2027 unter Hinweis auf RGSt 75, 8;  73, 268, 269).

b)Mit Recht ist das Landgericht im Betrugsfall B I 4 (unter Berufung auf BGHSt 13, 13 = NJW 1959, 897) davon ausgegangen, daß die vorgespiegelte Arzteigenschaft auch dann für die Vermögens schädigenden Honorar Zahlungen, der Privatpatienten ursächlich blieb, wenn einige erfolgreich Behandelte den Angeklagten auch als einen Nichtarzt aufgesucht hätten.

c)Die im Betrugsfalle B I 5 von der Revision vermißte Täuschungshandlung bestand nach S. 31 der Urteilsgründe darin, daß er sich bei beiden Gerichten als medizinischer Sachverständiger einführte.

2.Die Verurteilung wegen schwerer mittelbarer Falschbeurkundung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

3.Die Ausführungen der Strafkammer über das Konkurrenzverhältnis sämtlicher Straftaten des Angeklagten (UA S. 42, 49-52) sind frei von Rechtsirrtum. Was die Revision hiergegen vorbringt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

4.Da mit dem Schuldspruch zu B I 1 auch die Einsatzstrafe (§ 74 StGB) aufzuheben war, ist nicht sicher auszuschließen, daß die anderen Einzelstrafen durch den Rechtsfehler mitbeeinflußt worden sind. Sie und die Gesamtstrafe konnten daher nicht bestehenbleiben.