Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 14.03.1996, Az.: I ZB 37/93
Entscheidungsgründe
I. Angemeldet zur Eintragung als Warenzeichen ist das nachfolgend abgebildete Wort-/Bildzeichen
(folgt Grafik)
für Bekleidungsstücke und andere Waren.
Hiergegen wendet sich der Widerspruch aus dem prioritätsälteren Zeichen 407 772
"JUWEL",
eingetragen für "Strumpfwaren", das von der ursprünglich Widersprechenden im Lauf des Verfahrens auf die Rechtsbeschwerdeführerin übertragen worden und nunmehr für diese eingetragen ist.
Die Prüfungsstelle für Klasse 25 Wz des Deutschen Patentamts hat den Widerspruch durch zwei Beschlüsse, einer hiervon ist im Erinnerungsverfahren ergangen, zurückgewiesen, weil dem Wortbestandteil "JUWEL" des angemeldeten Zeichens in der Gesamtwirkung keine betriebliche Hinweiskraft zukomme.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Widersprechenden ist erfolglos geblieben.
Hiergegen wendet sich die (zugelassene) Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Anmelderin beantragt.
II. Das Bundespatentgericht hat - bei unterstellter Warengleichartigkeit - die zeichenrechtliche Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Marken verneint. Nach dem Gesamteindruck, so hat es ausgeführt, von dem bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auszugehen sei, seien die Zeichen deutlich verschieden. Sie enthielten zwar beide die Bezeichnung "JUWEL", jedoch fänden der Wortbestandteil "von KLiNGEL" und das aus der Darstellung eines Edelsteins bestehende Bildelement des angemeldeten Zeichens im Widerspruchszeichen keine Entsprechung. Bei vollständiger Wiedergabe beider Zeichen scheide somit eine Verwechslungsgefahr sowohl in schriftbildlicher wie auch in klanglicher Hinsicht aus.
Eine isolierte Kollisionsprüfung nur anhand des jeweils übereinstimmend enthaltenen Wortes "JUWEL" komme nicht in Betracht. Bei einem Kombinationszeichen sei einem Bestandteil für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nur dann maßgebliche Bedeutung zuzubilligen, wenn gerade dieser Bestandteil den Gesamteindruck des Zeichens präge oder doch wesentlich mitbestimme. Dem Bestandteil "JUWEL" im jüngeren Zeichen komme schon deshalb keine dessen Gesamteindruck prägende Bedeutung zu, weil es sich um eine beschreibende, freihaltebedürftige Angabe handele, die im übertragenen Sinne eine für jemanden besonders wertvolle, besonders geschätzte Sache, etwas von hohem Wert bezeichne. Demgemäß werde mit dem Anmeldezeichen für die Verbraucher erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei dem jeweils angebotenen Erzeugnis um etwas Hochwertiges "von KLiNGEL" handele. Die blickfangmäßige Herausstellung der beschreibenden Angabe im angemeldeten Zeichen reiche nicht ohne weiteres aus, um sie als prägend anzusehen.
Auch wenn davon ausgegangen werde, daß ein zeichenrechtlich beachtlicher Teil der angesprochenen Verbraucher dem Bestandteil "JUWEL" einen Hinweis auf die Herkunft der Waren entnehmen werde, sei mit einer Orientierung ausschließlich an diesem Bestandteil des angegriffenen Zeichens nicht zu rechnen, denn dieses enthalte als weiteren Bestandteil die Wortzusammenstellung "von KLiNGEL", die als Hinweis auf die Herkunft der Erzeugnisse aus dem Betrieb der Anmelderin geeignet sei. Auf dem Modesektor, auf dem in zunehmendem Maße auf die Herkunft von einem bestimmten Modeschöpfer oder Designer oder aus einem Unternehmen hingewiesen werde, sei es verbreitete Übung, den Firmennamen weit kleiner zu gestalten als die vorangestellte Bezeichnung, so daß davon auszugehen sei, daß dem Bestandteil "von KLiNGEL" in dem Anmeldezeichen ein auf die Herkunftsstätte der Waren hinweisender Charakter innewohne.
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 bedarf es keiner Prüfung mehr, ob das Bundespatentgericht die zeichenrechtliche Übereinstimmung der angemeldeten Marke mit der Widerspruchsmarke nach §§ 5, 31 WZG zu Recht verneint hat. Denn § 158 Abs. 2 Satz 2 MarkenG ordnet an, daß nach Inkrafttreten des Markengesetzes im Fall eines vor diesem Zeitpunkt erhobenen und - wie im Streitfall - auf § 5 Abs. 4 Nr. 1 WZG gestützten Widerspruchs anstelle dieser Bestimmung diejenige des § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG anzuwenden ist, mithin die Frage der Verwechslungsgefahr der hier einander gegenüberstehenden Marken nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu prüfen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29.6.1995 - I ZB 22/93, Mitt. 1995, 248 - Springende Raubkatze; Beschl. v. 25.10.1995 - I ZB 33/93 - Innovadiclophlont, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Auch nach dieser Bestimmung fehlt es indessen an einer Verwechslungsgefahr.
1. Das Bundespatentgericht ist bei seiner Beurteilung von dem im Kennzeichenrecht anerkannten, auch nach dem Inkrafttreten des Markengesetzes weiterhin geltenden und vom Bundesgerichtshof wiederholt betonten Grundsatz ausgegangen, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marke abzustellen ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH aaO. - Springende Raubkatze; - Innovadiclophlont). Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht.
Auch der weiterhin vom Bundespatentgericht herangezogene Gesichtspunkt, daß bei einem Kombinationszeichen, unabhängig davon, ob es sich um das ältere Widerspruchszeichen oder - wie hier - um das angegriffene jüngere Zeichen handelt, der Gesamteindruck durch die besondere, einem einzelnen Bestandteil zukommende Kennzeichnungskraft so geprägt sein kann, daß die weiteren Bestandteile zurücktreten, ist, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, auch im Rahmen des hier in der Rechtsbeschwerdeinstanz anzuwendenden § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG maßgeblich (BGH aaO. - Springende Raubkatze; - Innovadiclophlont).
2. Bei seiner Beurteilung ist das Bundespatentgericht insoweit davon ausgegangen, daß dem Bestandteil "JUWEL" im angegriffenen Zeichen schon deshalb keine prägende Bedeutung zukomme, weil es sich bei ihm um eine beschreibende, freihaltebedürftige Sachangabe handele, an der der Verkehr sich aus diesem Grunde nicht orientieren werde, ihr also keine herkunftskennzeichnende Bedeutung zumesse. Ob dieser Beurteilung angesichts der Angriffe der Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe die Bedeutung des größenmäßig herausgestellten Wortbestandteils "JUWEL" nebst des dessen Unterscheidungskraft unterstützenden Bildbestandteils vernachlässigt, beizutreten wäre, kann ebenso offenbleiben wie die von der Rechtsbeschwerde angeführte Meinung, bei dem Wort Juwel handele es sich nicht um eine beschreibende freizuhaltende Angabe i.S. von § 4 Abs. 2 Nr. 1 WZG (jetzt: § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Wegen der vorerwähnten besonderen Gestaltung des angemeldeten Zeichens und der Tatsache, daß es sich bei dem Wort Juwel, wie auch das Bundespatentgericht an sich nicht verkannt hat, um eine nur im übertragenen Sinn beschreibende Angabe handelt, erscheint die Annahme des Bundespatentgerichts zwar nicht zweifelsfrei. Auf die Entscheidung dieser Frage kommt es indessen nicht an, weil die vom Bundespatentgericht angestellte Hilfserwägung seine Entscheidung trägt.
3. Das Bundespatentgericht hat des weiteren in Erwägung gezogen, daß ein zeichenrechtlich beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichenbestandteil "JUWEL" einen Hinweis auf die Herkunft der Waren entnehmen werde. Es hat eine Orientierung des Verkehrs allein an diesem Zeichenbestandteil und damit eine Prägung des Gesamteindrucks des angemeldeten Zeichens durch diesen Bestandteil jedoch verneint, weil der Verkehr gerade auf dem Modesektor aufgrund weit verbreiteter Übung daran gewöhnt sei, den jeweiligen Herkunftshinweis, wie er im angegriffenen Zeichen in dem markant schräg gestellten Bestandteil "von KLiNGEL" erkennbar sei, in Kombinationszeichen größenmäßig zurücktretend zu gestalten. Auch diese Beurteilung erweist sich als frei von Rechtsfehlern.
Es ist der dem Tatsachengericht obliegenden Beurteilung im Einzelfall vorbehalten, ob in der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe in den Hintergrund tritt oder nicht. So kann beispielsweise die Art der Zeichengestaltung und -verwendung der Herkunftsbezeichnung als Zeichenbestandteil, insbesondere neben einem nur schwach kennzeichnenden Bestandteil die Vorstellung des Verkehrs bestimmen, die Herstellerangabe werde als zusätzliche Unterscheidungshilfe in einer für das Gesamtzeichen prägenden oder jedenfalls wesentlich mitbestimmenden Art eingesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 1.12.1988 - I ZB 5/87, GRUR 1989, 264, 265 - REYNOLDS R 1/EREINTZ; Beschl. v. 14.12.1988 - I ZB 6/87, GRUR 1989, 349, 350 - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy).
Zudem ist die Beurteilung, wie die Bedeutung der Herstellerangabe in einem Zeichen für dessen Gesamteindruck zu werten ist, davon abhängig, ob die Herstellerangabe als solche dem Verkehr bekannt ist oder nicht. In Einzelfällen hat der Bundesgerichtshof bei der Verwendung des Namens des Herstellers oder eines Firmenbestandteils in Warenzeichen eine Prägung des Gesamteindrucks durch den verbleibenden Bestandteil angenommen, weil der Verkehr die Waren oft nicht nach dem Namen der Hersteller unterscheide, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richte (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.1953 - I ZR 147/52, GRUR 1954, 123, 124 - NSU-Fox; Urt. v. 29.10.1957 - I ZR 108/56, GRUR 1958, 604, 605 - Wella-Perla; Urt. v. 20.10.1972 - I ZR 147/71, GRUR 1973, 314, 315 - Gentry; Beschl. v. 3.12.1976 - I ZB 4/75, GRUR 1977, 218, 219 - MERCOL; Beschl. v. 1.12.1988 aaO. - REYNOLDS R 1/EREINTZ; Beschl. v. 14.12.1988 aaO. - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy; Beschl. v. heutigen Tage - I ZB 36/93 - Blendax Pep, zur Veröffentlichung bestimmt). Verfehlt wäre es indessen, etwa von einem Regelsatz auszugehen, wonach einer Herstellerangabe als Bezeichnungsbestandteil stets eine (mit-)prägende Bedeutung für den Gesamteindruck abzusprechen sei. Es ist vielmehr der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten, ob aus der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe in den Hintergrund tritt oder nicht (BGH, Beschl. v. 14.3.1996 - I ZB 36/93 - Blendax Pep). Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, welche besonderen Gegebenheiten der Zeichengestaltung vorliegen und welche Bezeichnungsgewohnheiten auf dem maßgeblichen Warensektor üblich sind.
Hierzu hat das Bundespatentgericht festgestellt, der Verkehr auf dem hier in Frage stehenden Modesektor sei durch weit verbreitete Übung daran gewöhnt, daß innerhalb von Marken in zunehmendem Maß auf die Herkunft von einem bestimmten Modeschöpfer oder Designer oder von dem gleichnamigen Unternehmen hingewiesen werde. In dem vorliegenden Wort-/Bild-Kombinationszeichen ist - wie das Bundespatentgericht des weiteren festgestellt hat - der Bestandteil "von KLiNGEL" in kleinerem Schriftbild und schräg gestellt den übrigen Zeichenbestandteilen gestalterisch zugeordnet. Die Annahme des Bundespatentgerichts, es sei deshalb nicht ernsthaft damit zu rechnen, daß beachtliche Teile des Verkehrs in dem Markenbestandteil "von KLiNGEL" etwas anderes sehen würden als einen Hinweis auf die Herkunft der Waren und daß diesem Bestandteil deshalb ein auf die Herkunftsstätte hinweisender Charakter innewohne, so daß eine Prägung des Gesamteindrucks allein durch den weiteren Bestandteil "JUWEL" nicht in Betracht komme, kann demnach nicht für rechtsfehlerhaft erachtet werden.
Eine Verwechslungsgefahr kann schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens der einander gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angenommen werden. Ungeachtet des Umstands, daß insoweit, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, nicht schon jegliche wie auch immer geartete gedankliche Assoziation - um die es vorliegend allein gehen kann - ausreicht, um Verwechslungsgefahr unter diesem Aspekt zu begründen (vgl. BGH aaO. - Innovadiclophlont), kommt sie auch angesichts der vom Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens als aus allen Bestandteilen geprägt, nicht in Betracht.
IV. Danach war die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden mit der Kostenfolge aus § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zurückzuweisen.