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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 14.07.1972, Az.: I ZR 33/71

Tenor

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 21. Januar 1971 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin könne Ersatz der Reparaturkosten und des entgangenen Gewinns aus abgetretenem Recht der Firma S. fordern. Die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner nach Maßgabe der §§ 823 ff BGB, deren Anwendbarkeit durch die Vorschriften der an sich einschlägigen Kraftverkehrsordnung nicht ausgeschlossen werde.

Der Beklagte zu 2 habe die Beschädigung des Dreispindelfutterautomaten verschuldet, weil er das Verzurren der Ladung nachdrücklich vereitelt habe und überdies unvorsichtig gefahren sei. Gehe man davon aus, daß ein Verzurren der Ladung nicht erforderlich gewesen sei, dann bleibe jedenfalls übrig, daß er zu unvorsichtig gefahren sei. Die Beklagte zu 1 müsse sich dieses Verschulden zurechnen lassen, da sie den ihr nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt habe.

Ein mitwirkendes Verschulden der Firma S., das sich die Klägerin an sich würde entgegenhalten lassen müssen, liege nicht vor. Dies gelte auch dann, wenn das Abkippen der Ladung und das Umkippen des Fahrzeugs auf das Fehlen einer kopfseitigen Befestigung (Verzurrung) der Maschine zurückzuführen seien. Zwar habe der Absender für die beförderungssichere Verladung des Gutes zu sorgen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KVO). Doch sei dann, wenn es an der fehlenden Verzurrung gelegen habe, der schon lange im Betrieb befindliche und bis an die Grenzen seiner Tragfähigkeit ausgelastete Lastkraftwagen auch nicht mehr betriebssicher gewesen, was die Beklagten zu verantworten hätten (§ 17 Abs. 1 Satz 3 KVO). Außerdem habe der Beklagte zu 2 eine solche Befestigung gerade verhindert. Wolle man ein mitwirkendes Verschulden der Absenderin darin erblicken, daß sie den Widerstand des Beklagten zu 2 gegen eine Verdrahtung der Ladung nicht gebrochen habe, dann sei dieser ursächliche Beitrag jedenfalls so gering, daß deswegen für eine Schadensverteilung im Verhältnis der Klägerin zu den beiden Beklagten kein Anlaß bestehe.

II.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1.

Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, daß die Klägerin aus abgetretenem Recht der Firma S. klagen kann. Diese war im Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht nur Vertragspartner der Beklagten zu 1, sondern auch Eigentümerin der Maschine. Ein eigener Schaden ist ihr durch die Beschädigung der Maschine nicht entstanden, weil sie es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts übernommen hatte, die Maschine auf Gefahr der Klägerin an diese zu versenden (§ 447 BGB), und deshalb den Kaufpreis ungekürzt erhalten hat. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, daß der Schädiger aus einer derartigen Gefahrentlastung keinen Vorteil ziehen darf, sondern seinem Vertragspartner zum Ersatz des Drittinteresses, hier des Interesses der Klägerin, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verpflichtet ist (vgl. RGZ 62, 331, 334; BGHZ 40, 91, 100 f; 49, 356, 361; 51, 91, 93 = NJW 1969, 269, 271 mit Anmerkung Diederichsen). Da die Firma S. ihren Anspruch auf Ersatz des Drittschadens an die Klägerin abgetreten hat, ist diese nunmehr befugt, den ihr entstandenen Schaden selbst geltend zu machen.

2.

Der Frachtvertrag, den die Firma S. mit der Beklagten zu 1 abgeschlossen hat, unterlag den Vorschriften der Kraftverkehrsordnung (KVO). Die vom Berufungsgericht angenommene Haftung der Beklagten nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen wird hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen; sie unterliegt auch nicht den sich aus den §§ 29 ff KVO ergebenden Beschränkungen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 32, 194, 203; 297, 302; 46, 140, 141, 142). Die Ausführungen der Revision geben dem Senat keinen Anlaß, hiervon abzuweichen.

3.

Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Haftung des Beklagten zu 2 nach § 823 Abs. 1 BGB begründet, sind frei von Rechtsirrtum. Der Beklagte zu 2 hat den Unfall verschuldet.

a)

Auszugehen ist von der den Beklagten günstigen Unterstellung des Berufungsgerichts, die Maschine sei wegen Fehlens einer kopfseitigen Befestigung auf der Ladefläche um- oder abgekippt und habe dadurch das Umstürzen des Lastkraftwagens bewirkt. Das Berufungsgericht entnimmt hieraus zu Recht, daß die Maschine nicht betriebssicher verladen war. Für die betriebssichere Verladung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 3 KVO der Unternehmer verantwortlich. Er muß damit beim Ladungsverkehr für ein bestimmtes Ergebnis der Verladetätigkeit des Absenders, nämlich die betriebssichere Verladung einstehen (BGH LM Nr. 18 zur KraftverkehrsO = NJW 1962, 1059). Die Betriebssicherheit des Fahrzeugs muß auch, wie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wiederholt hervorgehoben worden ist, nicht nur allgemein in der Richtung gegeben sein, daß es überhaupt ein solches Beförderungsgut aufnehmen kann, sondern sie muß für den konkreten Fall, wie das Gut verladen ist, für die ganze Beförderungsstrecke gewährleistet sein (BGH aaO; außerdem BGH LM Nr. 29 zur KraftverkehrsO = MDR 70, 567 = VersR 70, 459 mit Anmerkung Voigt a.a.O. S. 635 ff). Der erkennende Senat hält auch daran fest, daß sich die dem Absender und die dem Unternehmer nach § 17 Abs. 1 KVO jeweils zugewiesenen Pflichten nach Lage des Einzelfalles in der Weise überschneiden können, daß beide die Schadensentstehung zu verantworten haben (BGH aaO). Keinesfalls befreit die nichtbeförderungssichere Verladung des Gutes durch den Absender den Unternehmer ohne weiteres von der Verantwortung nach § 17 Abs. 1 Satz 3 KVO, für eine betriebssichere Verladung zu sorgen. Eine dahingehende Auffassung wird auch von Voigt (a.a.O. S. 635), auf den sich die Revision beruft, nicht vertreten.

b)

Es ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht den Begriff der Betriebssicherheit verkannt habe. Die fehlende Verzurrung des kopflastigen Transportgutes auf dem schon seit 1954 in Betrieb befindlichen, bis an die Grenze seiner Tragfähigkeit ausgelasteten Lastkraftwagen konnte die Lenk- und Bremsfähigkeit des Fahrzeugs, vor allem auch seine Stabilität sehr wohl nachteilig beeinflussen. Der hier zu unterstellende, dem eigenen Vortrag der Beklagten entsprechende Umstand, daß der Lastkraftwagen wegen unterbliebener Verzurrung in der Kurve umstürzte, bestätigt diese Auffassung.

c)

Der Beklagte zu 2 hatte bei der Verladung der Maschine die sich aus § 17 Abs. 1 Satz 3 KVO ergebenden Pflichten der Beklagten zu 1 wahrzunehmen. Er hätte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch erkennen müssen, daß das Unterbleiben einer Verspannung der Ladung mit Draht die Betriebssicherheit des Lastkraftwagens beeinträchtigen konnte. Dies gilt um so mehr, als er vom Verladepersonal der Firma S. auf die Notwendigkeit einer Verzurrung hingewiesen wurde, diese zusätzliche Befestigung der Ladung aber, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, nachdrücklich mit der Begründung ablehnte, daß er es eilig habe, womit er zugleich die dem Absender obliegende beförderungssichere Verladung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 KVO verhinderte. Jedenfalls hätte er seine Fahrweise danach einrichten müssen, daß eine Beschädigung der Ladung nach Möglichkeit vermieden wurde. Dies hat er ersichtlich nicht getan, da seine Geschwindigkeit auch in der schwierigen Unfallkurve noch 45 km/h betrug, wie das Berufungsgericht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. rechtlich unangreifbar festgestellt hat.

d)

Das Berufungsgericht hat nicht festzustellen vermocht, daß die Ladung unterwegs auf der Ladefläche verrutscht und hierdurch der Unfall herbeigeführt worden sei. Auf die Aussage des Zeugen S. brauchte es dabei nicht näher einzugehen, zumal der Beklagte zu 2 nach seiner eigenen Parteiaussage von einem Verrutschen nichts gemerkt hat.

e)

Soweit die Revision zur Entlastung des Beklagten zu 2 geltend machen will, dieser habe die Schwerpunktlage der Maschine nicht erkennen können, ist ihr entgegenzuhalten, daß er nach der äußeren Beschaffenheit der Maschine, wie sie sich für das Gericht aus den bei den Akten ersichtliche Bildern ergibt, nicht ohne weiteres davon ausgehen konnte, der Schwerpunkt liege so niedrig, daß die Gefahr eines Abkippens nicht bestehe. Außerdem wurde er, wie festgestellt ist, durch die Leute der Firma S. darauf hingewiesen, daß eine kopfseitige Befestigung der Maschine erforderlich sei. Wenn er dieses Vorhaben zurückwies, ohne sich nach der Schwerpunktlage zu erkundigen, aber gleichwohl in der vom Berufungsgericht festgestellten Weise unvorsichtig in die rechtwinklige Linkskurve vor der Brücke über die Lahn fuhr, dann ergibt sich hieraus seine Fahrlässigkeit, ohne daß es darauf ankommt, ob eine Verzurrung der Maschine für die verhältnismäßig kurze Fahrt bis nach M. - bei entsprechend vorsichtiger Fahrt - entbehrlich war oder etwa wegen der Beschaffenheit des Fahrzeugs ohnehin keinen Sinn hatte.

4.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht zweifelhaft sein, daß der Beklagte zu 2 als Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 1 tätig geworden ist und in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung den hier in Rede stehenden Schaden widerrechtlich verursacht hat (§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es ist ferner aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den der Beklagten zu 2 obliegenden Entlastungsbeweis nicht als geführt angesehen hat (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Berufungsgericht konnte sich insoweit auf die Ausführungen des Landgerichts beziehen, das den diesbezüglichen Tatsachenvortrag der Beklagten zu 1 und die Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen zutreffend gewürdigt hat. Die Revision verkennt insoweit auch, daß es hier nicht nur um die Zuverlässigkeit des Beklagten zu 2 als Fahrer eines Lastkraftwagens ging, sondern daß ihm die selbständige Abholung einer schweren Maschine übertragen wurde mit der sich aus § 17 Abs. 1 Satz 3 KVO ergebenden Verpflichtung, für die betriebssichere Verladung zu sorgen. Die Beklagte zu 1 hat nicht dargetan, daß sie damit den Beklagten zu 2 ohne Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht habe beauftragen dürfen.

5.

Ein der Klägerin zurechenbares mitwirkendes Verschulden der Absenderin hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Das Verladepersonal war angewiesen, die Verzurrung der Maschine auf dem LKW durchzuführen. Daß es hierzu nicht kam, beruht nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf der nachdrücklichen Ablehnung dieser Maßnahme durch den Beklagten zu 2. Unabhängig davon, ob es überhaupt möglich gewesen wäre, die Verzurrung gegen den Willen des Beklagten zu 2 durchzuführen, beruht es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls nicht auf einem Verschulden der Absenderin oder ihrer Leute, daß diese Maßnahme nicht durchgeführt wurde. Die gegenteilige Auffassung liefe auf eine Überspannung der Sorgfaltspflicht des Verladepersonals hinaus (vgl. BGH LM Nr. 18 zu KraftverkehrsO). Das Berufungsgericht hat auch nicht festzustellen vermocht, daß die Maschine nicht ordnungsgemäß verkeilt gewesen sei. Damit entfällt jedes feststellbare Verschulden der Absenderin und ihres Verladepersonals, so daß es auf die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, ein der Absenderin etwa zur Last fallendes Verschulden sei jedenfalls so gering, daß für eine Schadensverteilung nach § 254 BGB kein Anlaß bestehe, nicht ankommt.

6.

Der Revision kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie geltend macht, der Käufer sei im Falle der sogenannten Gefahrentlastung nach § 447 BGB nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation nur insoweit geschützt, als er den Kaufpreis zahlen müsse, obwohl die Sache untergegangen oder beschädigt worden sei. Diese Betrachtungsweise verkennt, daß durch die Zulassung der Schadensliquidation im Drittinteresse gerade verhindert werden soll, dem Schädiger einen Vorteil daraus erwachsen zu lassen, daß Gläubigerstellung und geschütztes Interesse ausnahmsweise auseinanderfallen. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn das Drittinteresse nach Maßgabe der allgemeinen Haftungsvorschriften ohne Einschränkung zu ersetzen ist. Deshalb kann es in einem solchen Falle auch nicht angehen, bei der Schadensberechnung auf die Person des Verkäufers abzustellen, wie die Revision weiter meint. Handelt es sich, wie hier, um die Beförderung einer fremden Sache, dann spricht gegen eine solche Beurteilung jedenfalls, daß der Unternehmer seine Sorgfaltspflicht ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse zu erfüllen hat und in der Regel auch nicht weiß, wer der Eigentümer der fremden Sache ist (vgl. BGHZ 15, 221, 229). Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht auch den Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns - ohne die Beschränkung des § 35 KVO - dem Grunde nach als berechtigt angesehen hat.

III.

Da das Berufungsurteil auch sonst keinen die Beklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen läßt, war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.