Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 17.11.1961, Az.: I ZR 57/60
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 11. Februar 1960 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Entscheidungsgründe
I.Gegen die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin bestehen, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, keine Bedenken. Zwar steht der Klägerin die Sachlegitimation hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nicht mehr zu, weil sie - wenn auch erst nach Klageerhebung - die Apotheke mit dem Recht zur Fortführung des Firmennamens und der besonderen Geschäftsbezeichnung auf die Kommanditgesellschaft übertragen hat. Jedoch wird hierdurch die Befugnis der Klägerin, den vorliegenden Rechtsstreit weiterzuführen, nicht berührt (§265 ZPO; RGZ 86, 252, 254).
II.Das Berufungsgericht erachtet die Klage gemäß §§16 UWG, 1004 BGB für gerechtfertigt. Es billigt dem als besondere Geschäftsbezeichnung herausgestellten Firmenbestandteil "Bahnhof Apotheke" den Schutz des §16 Abs. 1 UWG zu und bejaht, insbesondere in Anbetracht der geringen räumlichen Entfernung der beiden Apotheken, das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zwischen der Klagebezeichnung und dem Firmennamen sowie den beiden Geschäftsbezeichnungen des Beklagten. Auch hält es den Einwand des Beklagten, daß ihm ein Hinweis auf die örtliche Lage seiner Geschäftsräume unter Verwendung der Worte "am Hauptbahnhof" oder "am Bahnhofplatz" im Rahmen der namensmäßigen Kennzeichnung seines Unternehmens gestattet sein müsse, für ungerechtfertigt. Die hiergegen von der Revision erhobenen Angriffe sind nicht begründet.
1.§16 Abs. 1 UWG schützt die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts neben dem Namen und der Firma. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die Geschäftsbezeichnung unterscheidungskräftig und nach der Verkehrsauffassung ihrer Natur nach geeignet ist, im Verkehr wie ein Name zu wirken (BGHZ 11, 214, 216 f [BGH 08.12.1953 - I ZR 199/52] - KfA). Entbehrt dagegen die für ein Erwerbsgeschäft benutzte Bezeichnung nach der Verkehrsanschauung ihrer Wesenart nach der namensmäßigen Kennzeichnungskraft, so ist sie nur dann schutzfähig, wenn sie sich Verkehrsgeltung in dem Sinne erworben hat, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil des Verkehrs in ihr die Bezeichnung eines bestimmten Unternehmens erblickt (RG MuW 1937, 140, 141 - Winzerstube; BGHZ 11, 214, 217 [BGH 08.12.1953 - I ZR 199/52] - KfA).
Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht ersichtlich aus. Zwar hat es die Frage der Schutzfähigkeit der Klagebezeichnung im einzelnen nicht näher erörtert. Jedoch zeigen seine wenn auch in einem anderen Zusammenhang gemachten Ausführungen über die dem Verkehr bekannte Übung, Apotheken entweder durch einen Fantasienamen oder durch einen einprägsamen, aus ihrer örtlichen Lage hergeleiteten Zusatz besonders zu kennzeichnen, daß das Berufungsgericht die in Frage stehende Geschäftsbezeichnung für unterscheidungskräftig und ihrer Art nach geeignet hält, im Verkehr wie ein Name zu wirken. Auch läßt sich aus dem Zusammenhalt der Urteilsgründe entnehmen, daß sich das Berufungsgericht die von dem Beklagten im Berufungsverfahren nicht angegriffene Feststellung des Landgerichts, wonach die Bezeichnung "Bahnhof Apotheke" seit mehr als 20 Jahren Verkehrsgeltung besitzt, zu eigen gemacht hat. Gegen die Bejahung der Schutzfähigkeit der Klagebezeichnung durch das Berufungsgericht bestehen daher keine rechtlichen Bedenken. Insoweit erhebt die Revision auch keine Angriffe.
2.Bei der Prüfung der Frage der Verwechslungsgefahr bejaht das Berufungsgericht zunächst die Verwechslungsfähigkeit der in dem Firmennamen und den besonderen Geschäftsbezeichnungen des Beklagten enthaltenen Worte "Apotheke am Hauptbahnhof" oder "Apotheke am Bahnhofplatz" mit der Klagebezeichnung. Sodann legt das Berufungsgericht dar, daß die zusätzlichen Bestandteile in dem Firmennamen und den Geschäftsbezeichnungen des Beklagten, insbesondere das vorangestellte, aufgrund seiner Kürze und Farblosigkeit dem flüchtigen Betrachter oder Hörer nicht auffallende Wort "P." nicht genügten, um die Verwechslungsgefahr zwischen den streitigen Bezeichnungen auszuschließen. Dabei entbehrt nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts der Namensbestandteil "P." auch deshalb einer ins Gewicht fallenden Kennzeichnungskraft, weil der Verkehr infolge der ihm bekannten Übung, die Apotheken entweder mit einer Fantasiebezeichnung oder nach ihrer örtlichen Lage schlagwortartig zu kennzeichnen, nicht daran gewöhnt sei, auf den in einer derartigen Firmen- oder Geschäftsbezeichnung zusätzlich enthaltenen Familiennamen des Inhabers der Apotheke zu achten. Ausdrücklich stellt das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang fest, daß es - jedenfalls in B. - ungebräuchlich sei, den vorangestellten Familiennamen des Apothekeninhabers als ein Unterscheidungsmerkmal der Unternehmensbezeichnung anzusehen. Die Richtigkeit dieser Feststellung findet das Berufungsgericht dadurch bestätigt, daß es bei der Postzustellung, bei der Anlieferung von Waren sowie bei fernmündlichen Anrufen schon wiederholt zu einer Verwechslung der beiden Apotheken gekommen ist.
Auch diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind rechtlich nicht zu beanstanden.
a)Zu Unrecht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht bei der Prüfung einer etwa zwischen den streitigen Bezeichnungen vorhandenen Verwechslungsgefahr von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagebezeichnung ausgeht. Denn, abgesehen davon, daß die Geschäftsbezeichnung "Bahnhof Apotheke" nach den übereinstimmenden Feststellungen der Vorinstanzen durch langjährigen Gebrauch Verkehrsgeltung erlangt hat und schon deshalb nicht lediglich eine schwache Kennzeichnungskraft besitzt, ist ihr auch von Hause aus zumindest eine durchschnittliche, wenn nicht sogar eine starke Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Der Auffassung der Revision, einer Geschäftsbezeichnung, die aus dem Wort "Bahnhof" in Verbindung mit einem dem Gegenstand des Unternehmens entnommenen Gattungsbegriff gebildet sei, könne von Natur aus stets nur eine geringe Kennzeichnungskraft zukommen, kann nicht zugestimmt werden. Denn jedenfalls überall da, wo dem Verkehr, - wie bei der Klagebezeichnung - aufgrund allgemeiner Übung bekannt ist, daß es in dem betreffenden Geschäftszweig innerhalb eines umgrenzten örtlichen Bereichs regelmäßig nur ein Unternehmen dieser Bezeichnung gibt (wie z.B. Bahnhofshotel), besitzt die Bezeichnung für dieses Unter nehmen bereits von Hause aus eine mindestens überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft.
b)Unbegründet sind auch die weiteren Rügen der Revision, das Berufungsgericht habe bei Beurteilung der Frage, welche der einzelnen Bestandteile den Gesamteindruck der angegriffenen Etablissementsbezeichnungen des Beklagten bestimmen, gegen die Lebenserfahrung verstoßen sowie vorgetragenen Streitstoff nicht beachtet oder nicht richtig ausgewertet. Insbesondere verkennt die Revision in diesem Zusammenhang die Bedeutung der von beiden Vorinstanzen übereinstimmend getroffenen Feststellungen zur Frage einer in Bremen bei der Wahl einer besonderen Apothekenbezeichnung bestehenden Übung.
Nach diesen Feststellungen besteht in Bremen seit langer Zeit die dem Verkehr bekannte Gewohnheit, die einzelnen Apotheken entweder mit einem einprägsamen Fantasienamen oder durch ein aus ihrer örtlichen Lage hergeleitetes Schlagwort besonders zu bezeichnen. Dagegen ist es nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts ungebräuchlich, den Familiennamen des Apothekeninhabers zur schlagwortartigen Kennzeichnung seines Unternehmens zu benutzen. Es ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und widerspricht insbesondere auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, wenn das Berufungsgericht aus diesen Feststellungen folgert, daß der flüchtige Betrachter einer aus einem Familiennamen und einer schlagwortartigen Lagebezeichnung gebildeten Firmen- oder Geschäftsbezeichnung einer Apotheke seine Aufmerksamkeit regelmäßig aus Gewohnheit der Lagebezeichnung zuwenden wird, um sich diese als den charakteristischen Bestandteil der vorgenannten Unternehmensbezeichnungen einzuprügen. Im Streitfall wird daher, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, das Erinnerungsbild eines flüchtigen Betrachters durch die den Gesamteindruck des Firmennamens bzw. der besonderen Geschäftsbezeichnungen des Beklagten charakterisierenden Worte "Apotheke am Hauptbahnhof" bzw. "Apotheke am Bahnhofplatz" bestimmt werden. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls dann Platz greifen, wenn der den vorgenannten Lagebezeichnungen hinzugefügte Familienname "P." eine derart starke Unterscheidungskraft hätte, daß er diese trotz ihrer auf einer allgemeinen Gewöhnung des Verkehrs beruhenden Kennzeichnungskraft in ihrer charakterisierenden Bedeutung für den Gesamteindruck der jeweiligen Gesamtbezeichnung übertreffen sollte. Wenn das Berufungsgericht dies verneint hat, weil der Familienname "P." im Rahmen der jeweiligen Gesamtbezeichnung nur wenig unterscheidungskräftig sei, so ist diese Würdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dazu kommt, daß der vorangestellte Name "P." - jedenfalls in den beanstandeten besonderen Geschäftsbezeichnungen - kaum mehr wie ein Name, sondern viel eher wie ein Fantasiewort wirkt.
Wenn die Revision in diesem Zusammenhang weiter ausführt, der neuerdings vom Beklagten zwischen den Worten "P." und "Apotheke" eingefügte Bindestrich lasse den Verkehr eindeutig erkennen, daß die beanstandeten Bezeichnungen allein die "P.-Apotheke" charakterisierten, so kann ihr auch insoweit nicht beigetreten werden. Denn, abgesehen davon, daß der Bindestrich für den Hörer der angegriffenen Kennzeichnungen überhaupt nicht wahrnehmbar ist, vermag er für einen flüchtigen Beschauer allenfalls die Zugehörigkeit des Wortes "P." zu der Gesamtbezeichnung stärker zu betonen, ohne hierdurch jedoch die für einen derartigen Betrachter unterschiedliche Kennzeichnungskraft der einzelnen Bestandteile innerhalb der Gesamtbezeichnung zu ändern. Auch ist es entgegen der Auffassung der Revision für die Beurteilung der Frage der Verwechslungsgefahr ohne rechtserhebliche Bedeutung, wenn bei Nacht von der an der Außenfront der Geschäftsräume des Beklagten angebrachten Geschäftsbezeichnung "p.-Apotheke Am Hauptbahnhof" lediglich die ersten beiden Worte sichtbar sein sollten. Nicht ersichtlich ist schließlich, inwiefern die auf den vorgelegten Drucksachen und Klebezetteln des Beklagten aufgedruckten Geschäftsbezeichnungen zu einer anderen Beurteilung der Frage der Verwechslungsgefahr führen sollen.
c)Soweit endlich das Berufungsgericht zur Begründung der Verwechslungsgefahr zwischen der Klagebezeichnung und dem beanstandeten Firmennamen sowie den angegriffenen besonderen Geschäftsbezeichnungen des Beklagten die enge räumliche Entfernung der beiden Apotheken und die bereits mehrfach eingetretenen Verwechslungen der beiden Unternehmen bei der Postzustellung, bei der Anlieferung von Waren sowie bei fernmündlichen Anrufen mit heranzieht, lassen seine Ausführungen einen Rechtsverstoß nicht erkennen.
3.Den Einwand des Beklagten, daß ihm der Hinweis auf die örtliche Lage seiner Geschäftsräume unter Verwendung der Worte "am Hauptbahnhof" oder "am Bahnhofplatz" im Rahmen der namensmäßigen Kennzeichnung seines Unternehmens nicht untersagt werden könne, hält das Berufungsgericht in erster Linie deshalb für unbegründet, weil dem Beklagten mit der Klage nicht die Bezeichnung des Standortes seiner Apotheke in der Nähe des Hauptbahnhofs B. als solche verboten werden solle, sondern lediglich "eine Bezeichnung in der von ihm gewählten Art und Weise in Verbindung mit dem Wort Apotheke". Von Bedeutung erachtet das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang weiter, daß eine anderweite Bezeichnung der örtlichen Lage der Apotheke des Beklagten im Firmennamen oder einer besonderen Geschäftsbezeichnung in einer für beide Parteien tragbaren Weise möglich und dies von dem Beklagten auch anerkannt worden sei. Schließlich führt das Berufungsgericht zur Ablehnung des oben wiedergegebenen Einwandes des Beklagten noch aus, der Grundsatz, daß Lagebezeichnungen nicht schutzfähig sein könnten, treffe dann nicht zu, wenn eine solche Bezeichnung für ein bestimmtes Unternehmen Verkehrsgeltung erlangt habe, was im Streitfall "für die Klägerin gegebenenfalls zutreffen würde."
Es kann dahinstehen, ob diesen Ausführungen des Berufungsgerichts in allen Punkten beigetreten werden kann. Ebenso kann offen bleiben, ob die hiergegen von der Revision im einzelnen erhobenen Rügen begründet sind. Denn die Unbegründetheit der Einlassung des Beklagten, daß ihm der Hinweis auf die örtliche Lage seiner Apotheke unter Verwendung der Worte "am Hauptbahnhof" oder "am Bahnhofplatz" im Rahmen der namensmäßigen Kennzeichnung seines Unternehmens gestattet Dein müsse, ergibt sich schon aus der Erwägung, daß ein derartiges Verbot von der Klägerin überhaupt nicht begehrt wird. Vielmehr richtet sich die Klage allein gegen die Benutzung der Lagebezeichnung "am Hauptbahnhof" oder "am Bahnhofplatz" in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gattungsbegriff "Apotheke" zur namensmäßigen Kennzeichnung des Unternehmens des Beklagten. Dies kommt bereits hinreichend im Klageantrag zum Ausdruck, mit dem sich die Klägerin lediglich gegen die derzeit benutzten, durch die Worte "Apotheke am Hauptbahnhof" bzw. "Apotheke am Bahnhofplatz" charakterisierten Firmen- und Geschäftsbezeichnungen des Beklagten wendet. Darüber hinaus hat die Klägerin im Verlaufe des Rechtsstreits wiederholt erklärt, daß dem Beklagten der Hinweis auf die örtliche Lage seiner Apotheke unter Verwendung der Worte "am Hauptbahnhof" oder "am Bahnhofplatz" in seinem Firmennamen oder einer besonderen Geschäftsbezeichnung nicht verwehrt werden solle, sofern er nur durch die Hinzufügung anderer unterscheidungskräftiger Bestandteile dafür sorge, daß jede Verwechslungsgefahr mit der Klagebezeichnung ausgeschlossen sei.
4.Die Revision war demnach als unbegründet auf Kosten des Beklagten zurückzuweisen.