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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 03.04.1968, Az.: I ZR 83/66

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. März 1966 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Witwe und Alleinerbin den am 13. Dezember 1944 verstorbenen Malers Wassily Kandinsky, der in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg in München lebte und damals zunächst der "Neuen Künstlervereinigung München" und später dem unter der Bezeichnung "Blauer Reiter" hervorgetretenen Künstlerbund angehört hatte. Kandinsky hatte 1914 bei seiner Ausreise aus Deutschland anläßlich des Kriegsausbruchs zwischen Deutschland und Rußland einige der von ihm geschaffenen Kunstwerke (Ölbilder, Aquarelle, Zeichnungen und graphische Arbeiten) bei seiner damaligen Lebensgefährtin, der Malerin Gabriele M. zurückgelassen. Aus späterer Zeit ist ein das Datum des 11. April 1926 tragendes, nach der Behauptung des Beklagten mit dem jetzt vorliegenden Inhalt von Kandinsky unterzeichnetes, Schriftstück mit folgendem Wortlaut vorhanden:"Ich anerkenne hiermit, daß Frau Gabriele M. Kandinsky volles, bedingungsloses Eigentumsrecht an allen Arbeiten hat, die ich bei ihr zurückgelassen habe."

Gabriele M. schenkte anläßlich ihres 80. Geburtstages im Jahre 1957 die ihr von Kandinsky überlassenen Werke der Stadt München. Diese setzte sich daraufhin mit der Klägerin in Verbindung, welche nach vorangegangenen Verhandlungen am 4. Dezember 1957 gegenüber der Stadt München folgende Erklärung abgab:"Als Universalerbin meines verstorbenen Mannes Wassily Kandinsky und als Hüterin der posthumen Interessen des Künstlers begrüße ich es, daß dessen lange verschollene Werke nunmehr der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Deswegen erkläre ich hiermit, daß ich von allen etwaigen sukzessionsrechtlichen Fragen völlig absehe und die Tatsache endgültig anerkenne, daß die von Frau Gabriele M. aus Anlaß ihres 80. Geburtstages der Stadt München übergebenen Werke des Malers Kandinsky seitdem und für immer Besitz und Eigentum der Stadt München sind.Die Notizbücher, sowie diejenigen Skizzenbücher, in denen sich handschriftliche Eintragungen Kandinskys befinden, sollen nur mit meiner ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung eingesehen und ihr schriftlicher Inhalt - mit Ausnahme der Zeichnungen - nicht veröffentlicht werden. Sämtliche Autorenrechte der Gabriele M. Stiftung bleiben in meinen Händen, jedoch erkläre ich mich hiermit bereit, die Nutznießung der Autorenrechte an die Direktion der Städtischen Galerie und Lenbachgalerie München, zu überlassen, unter der Bedingung, daß die etwaigen Einnahmen für die Erwerbung weiterer Werke von Kandinsky verwendet werden."

Der Beklagte ist Inhaber eines Kunstverlags. In seinem Verlag brachte er im Jahre 1959 ein von ihm verfaßtes Buch unter dem Titel "Der Blaue Reiter und die Neue Künstlervereinigung München" heraus. Das Buch enthält in seinem Textteil eine Charakteristik der Zeitsituation, der Künstlerbünde, der im Jahre 1909 gegründeten "Neuen Künstlervereinigung München" und des Ende 1911 nach Austritt aus der erstgenannten Vereinigung von Wassily Kandinsky, Franz M. und Gabriele M. ins leben gerufenen "Blauen Reiters". Nach weiteren Kapiteln allgemeiner Art über die Kunst der damaligen Zeit folgen in dem Buch des Beklagten einzelne Darstellungen über die Persönlichkeit und das künstlerische Schaffen von Wassily Kandinsky, Franz M., August Ma., Alexey von J., Paul K., Alfred Ku., Gabriele M., Heinrich C. und Marianne von W.. Den Schluß des Buches des Beklagten bilden Vergleichsmaterial, Fotodokumente, eine Chronologie, biographische Daten, ein Abbildungsverzeichnis, bibliographische Angaben und eine Dankadresse, in der der Verfasser auch die Klägerin nennt. Neben dem Textteil enthält das Buch über das Werk verteilt 314 teils farbige, teils schwarz-weiße Reproduktionen von Bildwerken der behandelten Künstler, darunter auch 69 Reproduktionen von Werken Kandinskys, 56 von M., 39 von Ma., 32 von K. und 73 Reproduktionen von insgesamt 21 anderen Künstlern sowie ferner zwei japanische Zeichnungen und einen gotischen Holzschnitt. Derjenige Textteil des Buches, der sich ausschließlich mit der Person Kandinskys befaßt, befindet sich auf 40 Seiten, von denen 37 Seiten auch Abbildungen enthalten. Die Bilder Kandinskys, die in das Werk aufgenommen sind, sind nicht ausschließlich auf den Teil beschränkt, in dem Person und Werk Kandinskys geschildert werden, sondern werden auch zu den allgemeinen Teilen des Werks gebracht. Ein erheblicher Teil der in dem Buch des Beklagten wiedergegebenen Bilder Kandinskys rührt aus der "Gabriele M.-Stiftung" her.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Wiedergaben der Werke Kandinskys seien unter Verletzung der ihr zustehenden Urheberrechte in daß Buch des Beklagten aufgenommen worden.

Sie hat beantragt, wie folgt zu erkennen:1.Dem Beklagten wird bei Meidung einer vom Gericht festzusetzenden Geldstrafe in unbeschränkter Höhe und einer Haftstrafe bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, die in seinem Buch "Der Blaue Reiter", erschienen 1959, enthaltenen Werke von Wassily Kandinsky zu vervielfältigen und gewerbsmäßig zu verbreiten.2.Der Beklagte ist verpflichtet,a)alle in seinem Eigentum befindlichen Reproduktionen - gebunden oder ungebunden - von Werken Wassily Kandinskys, soweit sie in seinem im Jahre 1959 erschienenen Buch "Der Blaue Reiter" enthalten sind, undb)alle in seinem Eigentum befindlichen Klischees, die zur Herstellung der obenbezeichneten Reproduktionen bestimmt sind,zu vernichten.3.Der Beklagte ist schuldig,a)der Klägerin über die Herstellung und den Vertrieb des Buches Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen,b)den erzielten Gewinn, soweit er durch die Verwendung der Kandinsky-Bilder erlangt worden ist, an die Klägerin zu bezahlen.

Der Beklagte hat sich zur Begründung seines Antrages auf Klageabweisung auf die durch das Gesetz gewährte Zitierfreiheit berufen. Weiter hat er vorgetragen, er habe 60 der 69 Reproduktionen nach Werken Kandinskys vorgenommen, die sich in der Gabriele Münter-Stiftung der Stadt München oder in anderen Museen befänden. Hierzu sei ihm von den dazu berechtigten Stellen die Erlaubnis erteilt worden. Das Urheberrecht an den zur Stiftung gehörenden Werken Kandinskys sei von diesem durch seine Erklärung aus dem Jahre 1926 auf Gabriele M. und von dieser später auf die Stadt München übertragen worden. Außerdem habe die Klägerin ihr Einverständnis mit der Herausgabe des Buches dadurch zum Ausdruck gebrachte daß sie hinsichtlich der Gestaltung Anregungen gegeben und hierauf Einfluß genommen habe, als er die Herausgabe mit ihr besprochen habe. Schließlich handele die Klägerin wider Treu und Glauben, wenn sie nunmehr Ansprüche aus einer angeblichen Verletzung ihrer Urheberrechte geltend mache, obwohl sie stets auf eine stärkere Herausstellung des Werkes von Kandinsky in dem Buch gedrungen habe.

Die Klägerin hat die Echtheit der behaupteten Erklärung Kandinskys vom 11. April 1926 bestritten. Abgesehen hiervon, so hat sie vorgetragen, könne der Erklärung nicht eine Überlassung von Urheberrechten an Gabriele M. entnommen werden. Folglich könne der Beklagte weder von Gabriele M. noch von der Stadt München hinsichtlich der zur Stiftung gehörenden Werke Reproduktionsrechte übertragen erhalten haben. Gegenüber der Stadt München habe sie sich ausdrücklich die Vergabe dieser Rechte vorbehalten.

Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil nach den Klageanträgen zu Ziff. 1) bis 3 a) verurteilt.

Im zweiten Rechtszug hat der Beklagte noch vorgetragen, daß ihm jedenfalls nicht die Verwendung sämtlicher Bilder hätte verboten werden dürfen. Denn für einen Teil der von ihm in seinem Buch vervielfältigten Bildwerke habe er von den berechtigten Museen unstreitig die Reproduktionserlaubnis erhalten. Soweit die Klägerin die Druckstöcke von Holzschnitten Kandinskys besitze, habe sie damit noch nicht das Recht, Reproduktionen von Originalblättern zu verbieten.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. Ber Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob Kandinsky durch die Erklärung vom 11. April 1926 auch seine Urheberrechte auf Gabriele M. übertragen hat. Hierauf kam es nach seiner Auffassung nicht an, weil es die Wiedergabe der Werke Kandinskys in dem Buch des Beklagten auf Grund der Vorschrift des § 51 Nr. 1 UrhG als zulässig angesehen hat.

Diese Beurteilung hält jedoch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

I.Während des zweiten Rechtszuges ist am 1. Januar 1966 das Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (UrhG) in Kraft getreten. Nach § 19 Abs. 1 des bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Kunsturheberrechtsgesetzes ist die Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten zulässig gewesen, wenn einzelne Werke in eine selbständige wissenschaftliche Arbeit ausschließlich zur Erläuterung von deren Inhalt aufgenommen worden sind. Nach § 51 Nr. 1 UrhG ist die Vervielfältigung und Verbreitung zulässig, wenn in einem durch den Zweck gebotenen Umfang einzelne Werke in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden. Dem verschiedenen Wortlaut beider Vorschriften kann jedoch nicht entnommen werden, daß gegenüber dem bisherigen Rechtszustand etwas geändert worden sei.

Die Aufnahme einzelner Werke ist nach wie vor nur zur Erläuterung des Inhalts des wissenschaftlichen Werks gestattet. Darin, daß nach § 51 Nr. 1 UrhG. das fremde Werk in das, wissenschaftliche Werk nicht mehr "ausschließlich" zur Erläuterung von dessen Inhalt aufgenommen worden sein muß, liegt keine sachliche Änderung. Denn auch die Vorschrift des § 19 Abs. 1 KunstUrhG ist dahin verstanden worden, das Erfordernis, daß das fremde Werk "ausschließlich" der Erläuterung des Inhalts der wissenschaftlichen Arbeit dienen müsse, schließe nicht aus, daß mit der Aufnahme eines Werkes der bildenden Künste in ein Schriftwerk auch ein Schmuckzweck verknüpft sein könne, wenn dieser nur nicht überwiege (RGZ 130, 196, 207 - Codex aureus). Diese Rechtsprechung beruhte auf dem Gedanken, daß der Sinn eines Zitats darin besteht, unter Heranziehung fremden Geistesgutes einen Beleg für die eigenen Ausführungen zu geben und diese damit zu erläutern. Geschieht die Erläuterung durch Aufnahme eines Werkes der bildenden Künste, so wird vielfach hiermit auch eine Schmuckwirkung unvermeidbar verbunden sein. Soweit die Aufnahme eines Werkes der bildenden Künste hiernach eine Schmuckwirkung zur Folge hat, ist dies auch bisher als unschädlich angesehen worden, wenn die konkrete Verknüpfung mit dem gedanklichen Inhalt ergab, daß die Aufnahme in erster Linie zu dessen Erläuterung diente und ihre weitere Auswirkung nur eine zwangsläufig eintretende Nebenerscheinung war. Aus dem Umstand, daß das jetzt geltende Gesetz das Wort "ausschließlich" nicht mehr enthält, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß nunmehr der Erläuterungszweck nicht mehr zu überwiegen brauche.

Auch soweit die Zulässigkeit der Aufnahme fremder Werke nach § 51 Nr. 1 UrhG von dem "durch den Zweck gebotenen Umfang" abhängt, ist eine Änderung gegenüber den früheren Rechtszustand nicht eingetreten. Denn schon nach bisherigem Recht war anerkannt, daß das Ausmaß, in dem fremde Werke aufgenommen werden dürfen, auch von der Art und dem Inhalt des Werkes abhing, in dem sie Aufnahme gefunden haben (Osterrieth-Marwitz, Das Kunstschutzgesetz 2. Aufl. § 19 zu Ziff. III c; Ulmer, Urheber- u. Verlagsrecht 2. Aufl. S. 241 zu Ziff. 2).

Schließlich läßt auch die Begründung zum Entwurf des Urheberrechtsgesetzes ersehen, daß mit diesen Abweichungen des Wortlautes der Vorschrift des § 51 Nr. 1 UrhG von der des § 19 Abs. 1 KunstUrhG keine grundsätzliche Abkehr vom bisherigen Rechtszustand zum Ausdruck gebracht, sondern lediglich eine elastischere Regelung erreicht werden sollte (BT-Drucks. IV/270 zu § 51 des Entwurfes).

Demnach sind die Voraussetzungen, unter denen die Aufnahme einzelner Werke der bildenden Kunst in ein wissenschaftliches Werk ohne Zustimmung des Urhebers zulässig ist, nach dem geltenden Urheberrechtsgesetz die gleichen, wie nach dem außer Kraft getretenen Gesetz.

II.Das Berufungsgericht hat das Buch des Beklagten als wissenschaftliches Werk im Sinne des § 51 Nr. 1 UrhG angesehen. Es kann dahinstehen, ob diese Beurteilung der von der Revision erbetenen rechtlichen Nachprüfung standhält. Denn-keinesfalls hält sich die Wiedergabe der 69 Werke Kandinskys in den Grenzen der Zitierfreiheit; es handelt sich nicht mehr nur um die Aufnahme einzelner Werke in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zur Erläuterung des textlichen Inhalts des Buches.

Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung dieser für die Anwendbarkeit des § 51 Nr. 1 UrhG erforderlichen Voraussetzungen nicht die sich aus dem Sinngehalt dieser Vorschrift ergebenden Grenzen beachtet.

Nach § 15 Abs. 1 UrhG steht das ausschließliche Recht, das Werk in körperlicher Form zu verwerten, welches Recht vor allem das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht umfaßt, grundsätzlich dem Urheber zu. Ausgehend von dem Gedanken, daß der Urheber bei seinem Schaffen auf den kulturellen Leistungen seiner Vorgänger aufbaut, wird es im Interesse der Allgemeinheit dem Urheber zugemutet, einen Eingriff, in sein Ausschließlichkeitsrecht hinzunehmen, wenn dies dem geistigen Schaffen Anderer und damit zum Nutzen der Allgemeinheit der Förderung des kulturellen Lebens dient (BGHZ 28, 235, 242 f [BGH 17.10.1958 - I ZR 180/57] - Verkehrs-Kinderlied; Ulmer a.a.O. S. 239 f). Soweit der Urheber aus diesem Grunde Beschränkungen seiner ausschließlichen Verwertungsrechte dulden muß, handelt es sich aber um eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß diese Rechte ihm zustehen. Die Ausnahmevorschrift des § 51 Nr. 1 UrhG ist in diesen durch ihren Sinn und Zweck gebotenen Grenzen auszulegen. Auch für die dem § 51 UrhG entsprechenden Bestimmungen der mit dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes aufgehobenen früheren Gesetze, des § 19 Abs. 1 KunstUrhG und der §§ 19, 23 LitUrhG, war dies anerkannt (RGZ 128, 102, 113 - Schlager-Liederbuch; 130, 196, 206 - Codex aureus; Osterrieth-Marwitz a.a.O. zu § 19 Ziff. II; Allfeld, Das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst 2. Aufl. zu § 19 Anm. 1). Für die Auslegung des § 51 UrhG gilt nichts anderes (vgl. Begrdg. z. Entw. des Urheberrechtsgesetzes, BT-Drucks. IV/270 S. 62 f sowie zu § 51 des Entw.; Fromm-Nordemann, Urheberrecht Vorbem. zu § 45 Anm. 3).

Die Bestimmung des § 51 UrhG läßt, ebenso wie die entsprechenden Bestimmungen der beiden aufgehobenen Gesetze, die Benutzung fremden Geisteswerkes zur Förderung des eigenen Schaffens nur in begrenztem Umfange zu. So darf ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Erlaubnis des Urhebers nach seinem Erscheinen als Ganzes nur in ein selbständiges wissenschaftliches Werk aufgenommen werden. Weitere Einschränkungen sind dadurch gegeben, daß in einem durch den Zweck gebotenen Umfang lediglich "einzelne" Werke "zur Erläuterung des Inhalts" des wissenschaftlichen Werkes aufgenommen werden dürfen. Hierdurch sind der Zitierfreiheit Grenzen gesetzt, durch die eine Aushöhlung des grundsätzlich dem Urheber zustehenden Ausschließlichkeitsrechts vermieden werden soll. Bei der Beurteilung, ob nach dem Zweck der Vorschrift dem Urheber Einschränkungen seines Ausschließlichkeitsrechts zuzumuten sind, darf nicht - wie es das Berufungsgericht getan hat (BU 18 u. 21) - allein darauf abgestellt werden, ob durch die Aufnahme seiner Werke in ein selbständiges wissenschaftliches Werk die wirtschaftliche Verwertbarkeit seines Schaffens in einer ins Gewicht fallenden Weise geschmälert wird. Denn der Urheber hat auch ein ideelles Interesse, darüber zu entscheiden, welche seiner Werke aufgenommen werden und ferner darüber, ob er die Aufnahme seiner Werke in ein bestimmtes wissenschaftliches Werk gestattete Dies hat das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet.

III.Wird dieser Zweck der Vorschrift berücksichtigt, so hält die Ansicht des Berufungsgerichts, die 69 Werke Kandinskys seien zur Erläuterung des Inhalts in das Buch des Beklagten aufgenommen worden, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1.Das Berufungsgericht führt hierzu aus, die vom Reichsgericht vertretene Auffassung (RGZ 130, 196, 207 - Codex aureus; 139, 322, 339 - Wilhelm Busch-Album; 144, 106, 112 - Wilhelm Busch-Buch), wonach ein Großzitat in einem wissenschaftlichen Buch ausschließlich der Erläuterung und nicht auch der Vervollständigung des Textes dienen darf - was nicht ausschließt, daß neben dem Erläuterungszweck ein Schmuckzweck vorliegt, wenn dieser nur nicht überwiegt -, könne in dieser Allgemeinheit bei wissenschaftlichen Werken der Kunstgeschichte oder Kunstbetrachtung nicht aufrecht erhalten werden. Denn bei solchen Werken lasse sich, anders als etwa bei einer Biographie, keine genaue Grenze zwischen Erläuterung und Vervollständigung des Textes ziehen. So habe auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt, daß zwar die Auswahl und Anordnung im Euch des Beklagten über den Text hinausgreife, daß aber ein innerer Bezug zwischen Text und Abbildungen nicht geleugnet werden könne. Den sei zu entnehmen, daß die Reproduktionen des Beklagten in allen Fällen in einer erläuternden Verbindung zum Text stünden und nicht den Charakter reinen Schmuckwerks hätten. Daß sie nicht nur einen erläuternden, sondern auch einen vervollständigenden Zweck besäßen, erscheine bei der Art des Buches als einer wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Kunstgeschichte, die die Zeit des "Blauen Reiters" darstellen wolle, nach dem Zweck des Werkes geboten. Denn vor allein bei Gegenüberstellung der Werke der einzelnen Künstler hätten deren reproduzierte Werke neben dem reinen Text stets die besondere Aufgabe, das im Text Erörterte bildhaft dem Leser darzustellen, also den Text nicht nur zu erläutern, sondern auch zu ergänzen. Diese doppelte Aufgabe von Bildzitaten schließe bei einem solchen Werk die Anwendung des § 51 Nr. 1 UrhG nicht aus. Wesentliche Nutzungsinteressen des Urhebers und seiner Rechtsnachfolger würden durch diese Auslegung nicht beeinträchtigt. Die wissenschaftliche Darstellung und Entwicklung bleibe andererseits von einer zu engen Beschränkung der Darstellung des Werkes eines Urhebers frei.

2.Diese Beurteilung wird von der Revision mit Recht beanstandet.

a)Die Auffassung des Berufungsgerichts, entgegen der Rechtsprechung des Reichsgerichts sei in einem wissenschaftlichen Werk auf dem Gebiet der Kunstgeschichte die Aufnahme urheberrechtlich geschützter Werke der bildenden Künste ohne Erlaubnis des Urhebers auch dann zulässig, wenn der Zweck, den Text durch Abbildungen zu erläutern, nicht den Zweck der Vervollständigung des Textes überwiege, läßt sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren.

Mit der Streichung des Wortes "ausschließlich" in der Vorschrift des § 51 Nr. 1 UrhG sollte, wie schon erwähnt, lediglich eine elastischere Regelung erreicht, jedoch keine Abkehr vom bisherigen Rechtszustand zum Ausdruck gebracht werden. Das kommt insbesondere darin zum Ausdrucks daß die Aufnahme einzelner Werke nach wie vor nur zur Erläuterung des Inhalts des wissenschaftlichen Werker, gestattet ist. Jede Erläuterung ist in gewisser Weise auch eine Vervollständigung des gedanklichen Inhalts des wissenschaftlichen Werkes. Nicht aber ist umgekehrt jede Vervollständigung des Textes eine "Erläuterung"im Sinne der Zitierfreiheit. Nach dem Gesetz soll nur eine solche Vervollständigung erlaubt sein, die - wie ein Zitat - erläuternd an einen konkreten gedanklichen Inhalt anknüpft, wobei der Zusammenhang zwischen Erläuterung und gedanklichem Inhalt erkennbar sein muß. Würde für die Zitierfreiheit bei kunsthistorischen Werken neben diesem Zweck der Erläuterung des konkreten Inhalts des wissenschaftlichen Werkes auch der allgemeine Zweck der Vervollständigung als ausreichend erachtet, so würde damit der Sinn eines Zitats verkannt, der darin besteht, unter Heranziehung fremden Gedankenguts einen Beleg für die eigenen Ausführungen zu geben und diese damit zu erläutern.

Bei Aufnahme von Werken der bildenden Künste in wissenschaftliche Werke der Kunstgeschichte kann allerdings ein größeren Bedürfnis bestehen, den Gedankengang des Verfassers durch die bildliche Wiedergabe von Kunstwerken zu erläutern. Dem trägt aber die elastische Fassung des Gesetzes Rechnung, das die Aufnahme solcher Werke ohne Erlaubnis des Urhebers in dem durch den Zweck des wissenschaftlichen Werkes gebotenen Umfang gestattete Angesichts dieser Regelung besteht kein begründeter Anlaß, diese Ausnahmebestimmung dadurch zu erweitern, daß die Aufnahme von Abbildungen von Kunstwerken auch dann für zulässig erachtet wird, wenn sie nicht zur Erläuterung des textlichen Inhalts in dem dargelegten Sinne dient.

b)Die Zulässigkeit der Aufnahme der 69 Werke Kandinskys in das Buch des Beklagten hängt demnach davon ab, ob sie in diesem Sinne zur Erläuterung des Inhalts des Buches aufgenommen sind. Mit dieser vom Landgericht verneinten Frage hat das Berufungsgericht sich - von seinem Standpunkt aus mit Recht - nicht auseinandergesetzt. Sie ist zu verneinen.

Das Erfordernis, das Kunstwerk müsse zur Erläuterung des wissenschaftlichen Werkes in dieses aufgenommen sein, setzt voraus, daß das wissenschaftliche Werk seinen Wert in sich trägt, und daß es im Vergleich mit den beigegebenen Abbildungen den Hauptgegenstand, die Hauptsache, bildet (RGZ 130, 200). Wenn das Reichsgericht in diesem Urteil darlegt, die Verbindung zwischen Schriftwerk und Bild müsse eine innerliche, den Darstellungszweck des Wortes unterstützende sein, die Abbildung müsse den Gedanken verdeutlichen, so haben diese Ausführungen nach wie vor Geltung. Ein Zitat ist nur zulässig, soweit es als Beleg für die eigene Auffassung des Zitierenden erscheint (Ulmer a.a.O. So 240).

Der Inhalt eines wissenschaftlichen Werkes, das sich mit Werken der bildenden Künste und ihren Schöpfern befaßt, kann durch Abbildungen in vielfältiger Weiße erläutert werden. Soweit bei der Darstellung des Schaffens eines Künstlers zur Verdeutlichung auf Abbildungen seiner Werke hingewiesen wird, sei es zur Beweisführung des Verfassers, sei es um dem Leser das in Worten Gesagte zu verdeutlichen, indem es ihm auch bildlich vor Augen geführt wird, geschieht dies in zahlreichen wissenschaftlichen Werken durch Hinweise auf die Abbildungen. Auch in dem vom Berufungsgericht erwähnten Werk von Prof. G. über Kandinsky ist dies der Fall. Es kann dahinstehen, ob dem Reichsgericht auch darin beizutreten ist (RGZ 130, 201), daß die für den Begriff der Erläuterung des Inhalts notwendige Beziehung zwischen Text und Abbildung nur dann gegeben ist, wenn auf die Abbildungen im Text ausdrücklich verwiesen wird. Jedenfalls kann das Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises ein Beweisanzeichen dafür sein, daß ein Erläuterungszweck nicht gegeben ist. Immerhin ist aber denkbar, daß sich bei wissenschaftlichen Werken, die sich lediglich mit wenigen Kunstwerken befassen, ein solcher ausdrücklicher Hinweis erübrigen konnte, wenn der zwischen dem Text und den Abbildungen bestehende innere Zusammenhang so eng ist, daß ein ausdrücklicher Hinweis entbehrlich erscheint. Das Buch des Beklagten laßt jedoch im Verhältnis zwischen Text und Abbildungen sowohl den äußeren als auch den erforderlichen inneren Bezug vermissen.

In dem Buch des Beklagten werden, soweit es sich um das Werk Kandinskys handelt, lediglich 6 der abgebildeten Werke erwähnt. Mehrfach wird auf Werke Kandinskys, darunter auf bedeutsame Bilder, hingewiesen, die nicht abgebildet sind. Aus der Tatsache, daß ein Werk Kandinskys im Text genannt ist, kann der Leser daher noch nicht folgern, daß dieses Werk auch abgebildet sei. Hierüber muß er sich erst durch eigenes Nachsuchen vergewissern. Die ganz überwiegende Mehrzahl der abgebildeten Werke wird im Text überhaupt nicht im einzelnen angesprochen. Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß die wiedergegebenen Bilder im Text des Buches nicht im einzelnen behandelt werden, daß die Abbildungen nicht durchlaufend numeriert sind und daß sie überwiegend mit dem auf derselben Seite stehenden Text nicht in Zusammenhang stehen. Dem ist hinzuzufügen, daß sich 13 Abbildungen im ersten Teil den Buches außerhalb des Abschnitts über Kandinsky befinden und daß weitere 9 Abbildungen in einem besonderen Abbildungsteil an späterer Stelle gebracht worden. Am Ende des Buches befindet sich ein nach Künstlern geordnetes Verzeichnis der wiedergegebenen Werke. Wenn dem Beklagten auch zuzugeben ist, daß die Anordnung der Abbildungen dem heutigen Geschmack entsprechend aufgelockert werden kann, so ist doch offensichtlich, daß nach den vorstehenden Feststellungen bereits durch diese Anordnung die Verbindung zwischen Text und Abbildungen so weitgehend aufgehoben ist, daß es dem Leser Schwierigkeiten bereitet, dem Gedankengang im einzelnen, soweit dieser sich überhaupt mit den abgebildeten Werken befaßt, an Hand der Abbildungen zu folgen. Schon die Unübersichtlichkeit dieser Anordnung erschwert es den Leser, bei den wenigen im Text genannten Werken festzustellen, ob sie überhaupt abgebildet sind und wo sich die Abbildung befindet. Denn zu diesem Zweck muß das Abbildungsverzeichnis eingesehen werden, das Überdies nicht zeitlich durchlaufend geordnet ist. Bei der Vielzahl von 314 Abbildungen, die das Buch insgesamt enthalt und angesichts der Tatsache, daß sich die 69 abgebildeten Werke Kandinskys in verschiedenen Teilen des Buches befinden, hätte es nahegelegen, die Abbildungen zu numerieren und im Text auf die Nummern der betreffenden Abbildungen hinzuweisen, wenn der Text durch die Abbildungen hätte erläutert werden sollen.

Darüber hinaus fehlt es aber vor allem an der für eine Erläuterung erforderlichen inneren Beziehung zwischen gedanklichem Inhalt des wissenschaftlichen Werkes und den abgebildeten Werken Kandinskys. Im Text wird ausführlich der Lebenslauf Kandinskys geschildert. Ferner werden die künstlerischen Ziele dargelegt, an deren Verwirklichung ihm und den ihn in dieser Hinsicht nahestehenden Künstlern gelegen gewesen ist. Das geschieht jedoch weitgehend durch Zitate aus dem Briefwechsel und aus Kandinskys Buch "Über das Geistige in der Kunst". Soweit neben dieser breiten Lebensschilderung und Wiedergabe schriftlicher Zeugnisse Kandinskys die Darstellung in dem Buch des Beklagten sich mit dem malerischen Schaffen Kandinskys befaßt, nehmen diese Ausführungen nur geringeren Raum ein. Sie sind überdies so allgemein gehalten, daß darin eine analytische Darstellung dieses Schaffens an Hand der abgebildeten Werke nicht erblickt werden kann. Die Abbildungen der Werke Kandinskys stellen daher in ihrer weit überwiegenden Zahl keine Erläuterung des gedanklichen Inhalts des Buches dar. Mit Recht hat das Landgericht in diesem Abbildungsmaterial eine weitgehend kommentarlose Zusammenstellung von Abbildungen erblickte Wegen des offensichtlich fehlenden Zusammenhangs zwischen Text und Bild ist daher keine innere Beziehung vorhanden, die so eng wäre, daß in den Abbildungen eine Erläuterung des Inhalts des Buches erblickt werden könnte. Daß die abgebildeten Werke überhaupt mit dem Text in Verbindung stehen, worauf das Berufungsgericht abzustellen scheint, ist rechtlich unerheblich, da es wenig Sinn hätte, Abbildungen aufzunehmen, die gar keine Berührung mit dem Text aufweisen. Eine solche die Zitierfreiheit noch nicht begründende Beziehung besteht auch dann zwischen Text und Bildwerk, wenn dieses lediglich eine den Text vervollständigende Bedeutung hat und dem Leser das Schaffen des Künstlers in seiner Breite vor Augen führen soll. Eine derartige allgemeine Verbindung reicht nicht aus, um die nahe innere Beziehung herzustellen, die nach dem Gesetz erforderlich ist, um die abgebildeten Werke als Zitat mit der Gedankenführung zu verbinden und diese zu erläutern.

Aus diesem Grunde kann auch nicht angenommen werden, daß der Text des Buches gegenüber den beigegebenen Abbildungen die Hauptsache ausmache. Die Betrachtung des Buches ergibt, daß infolge des losen Zusammenhangs zwischen Text und Bild die abgebildeten Werke Kandinskys, wie die Revision richtig bemerkt, "für sich sprechen". Die Abbildungen treten weitgehend an die Stelle von Bildbeschreibungen. Sie dienen nicht zur Erläuterung des Textes, sondern zur Ausstattung des Buches, zu dessen Illustrierung. Sie sind ein ganz wesentlicher Bestandteil des Buches, der seinen Zweck in sich selbst erfüllt und der selbständig neben den Text tritt. Davon, daß der Text die Hauptsache, die Abbildungen eine ihn nur erläuternde Zutat seien, kann nicht die Rede sein.

3.Demnach kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, daß die abgebildeten 69 Werke Kandinskys zur Erläuterung des Inhalts in das Buch des Beklagten aufgenommen worden seien.

IV.Nach dem Gesetz ist die Zulässigkeit der ohne Erlaubnis des Urhebers erfolgenden Vervielfältigung und Verbreitung von Werken der bildenden Künste in einen selbständigen wissenschaftlichen Werk an die weitere Voraussetzung gebunden, daß in einem durch den Zweck gebotenen Umfang "einzelne" Werke der bildenden Künste in das wissenschaftliche Werk aufgenommen worden sind.

1.Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesen Zusammenhang die von den Parteien erörterte Frage für unerheblich gehalten, hinsichtlich wie vieler der im Werk des Beklagten abgebildeten Werke Kandinskys das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht der Klägerin zusteht.

Befinden sich hinsichtlich sämtlicher Werke eines bildenden Künstlers die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte nicht in einer Hand, etwa weil der Urheber oder sein Erbe bezüglich einiger Werke dritten Personen entsprechende ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt haben (vgl. § 31 Abs. 3 UrhG), so kann derjenige, der Werke dieses Künstlers in sein eigenes wissenschaftliches Werk aufnimmt, sich nicht darauf berufen, daß er für die Mehrzahl der Werke hierzu die Erlaubnis von den Rechtsinhabern erhalten habe und daß daher die wenigen, verbleibenden, ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber aufgenommenen Werke als "einzelne Werke" im Sinne des § 51 Nr. 1 UrhG anzusehen seien. Denn dann würde es ebenso der Willkür des Verfassers des wissenschaftlichen Werke überlassen bleiben, welche Rechtsinhaber er um Erteilung der Erlaubnis angehen wollte, wie in dem Falle, in den es sich bei den aufgenommenen Werken um solche verschiedener Künstler handelt und die entsprechenden Nutzungsrechte sich aus diesem Grunde in verschiedenen Händen befinden (vgl. betr. § 19 Ziff. 3 LitUrhG: RGZ 128, 102, 114 - Schlager-Liederbuch). Würde dies als zulässig erachtet, so könnte der Verfasser sich zunächst um die Erteilung der Erlaubnis zur Aufnahme zahlreicher solcher Werke bemühen, für die er gar keine oder nur eine verhältnismäßig geringe Vergütung zu zahlen hätte. Dies könnte ihm möglich sein auf Grund seiner Beziehungen zu den betreffenden Rechtsinhabern oder aber aus dem Grunde, weil es sich um weniger bedeutende Werke des Künstlers handelt. Andererseits würde es ihm dann frei stehen, daneben noch "einzelne" Werke von besonderem künstlerischen Rang aufzunehmen, ohne hierzu die Erlaubnis der Rechtsinhaber einholen zu müssen, denen an diesen Werken die Nutzungsrechte zustehen. Das ließe sich mit dem Zweck den § 51 Nr. 1 UrhG nicht vereinbaren.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht seiner Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 51 Nr. 1 UrhG gegeben sind, sämtliche im Buch des Beklagten aufgenommenen 69 Werke Kandinskys zugrunde gelegt.

2.a)Das Berufungsgericht hat angenommen, die im Buch des Beklagten wiedergegebenen 69 Werke Kandinskys seien schon mit Rücksicht auf den großen Umfang des gesamten Schaffens dieses Künstlers, das nach dem Werk-Katalog von Prof. G. (G., Wassily K., Leben und Werk, 1958, So 329 ff) aus über 1150 Werken bestehe, als "einzelne Werke" anzusehen. Das gelte selbst dann, wenn man die abgebildeten Werke nicht mit dem Gesamtwerk K., sondern nur mit seinem Schaffen während der im Buch behandelten Zeit von etwa 1908 bis 1914 vergleiche. Es könne daher nicht angenommen werden, daß der Beklagte einen auch nur erheblichen Bruchteil des Schaffens K. reproduziert habe, zumal die Gesamtzahl der Reproduktionen auch nach der Art der Technik des künstlerischen Schaffens K. aufgeschlüsselt werden müsse. Auch sei eine Einschränkung der Verwertbarkeit des Werkes K. nicht eingetreten.

b)Auch diese Beurteilung wird von der Revision mit Recht beanstandet.

Im Schrifttum ist schon für den früheren Rechtszustand angenommen worden, daß unter "einzelnen Werken" nur "einige wenige" Werke desselben Künstlers oder Photographen zu verstehen seien (Osterrieth-Marwitz a.a.O. zu § 19 Ziff. III 3 a; Allfeld, Kommentar zu den Gesetzen vom 9. Januar 1907 betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, 1908, zu § 19 Anm. 2; Daude, Das Reichsgesetz betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste u. der Photographie, 1907, zu § 19 S. 41). Dieser Auffassung ist auch für die insoweit unveränderte Fassung des jetzt geltenden § 51 Nr. 1 UrhG beizutreten.

Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch können unter dem Begriff "einzelne Werke" nur einige wenige Werke verstanden werden. Zwar ist die Bezugsgrundlage, von der aus die Beurteilung zu erfolgen hat, das Schaffen des Künstlers, dessen Werke abgebildet worden sind und es darf hierbei kein bloßer rechnerischer Maßstab angelegt werden (BGHZ 28, 234, 242 [BGH 17.10.1958 - I ZR 180/57] - Verkehrs-Kinderlied). Keinesfalls ist jedoch der Begriff "einzelne Werke" in Gegensatz zu "allen Werken" eines Künstlers zu stellen mit der Folge, daß - weil nicht alle Werke abgebildet worden seien - es sich bei den aufgenommenen Werken nur um einzelne Werke dieses Künstlers handele. Obgleich der Begriff "einzelne Werke" in Beziehung zum gesamten Schaffen eines Künstlers steht, enthält er doch insofern eine absolute Beschränkung, als auch im Falle eines Künstlers mit zahlenmäßig umfangreichere Schaffen nur einige wenige und nicht etwa zahlreiche Werke deshalb ohne dessen Erlaubnis in ein wissenschaftliches Werk aufgenommen werden dürfen, weil im Verhältnis zum Gesamtwerk dieses Künstlers die abgebildeten zahlreichen Werke immer noch einen geringen Teil hiervon ausmachen würden. In der gesetzlichen Beschränkung der erlaubnisfreien Wiedergabemöglichkeit auf nur einzelne Werke kommt die Rücksichtnahme auf die Interessen des Urhebers zum Ausdruck. Wenn die Wiedergabefreiheit vom Gesetz nur auf einzelne Werke beschränkt ist, so ist damit darauf Rücksicht genommen worden, daß grundsätzlich dem Urheber das Recht zusteht, darüber zu befinden, welche seiner Werke abgebildet werden sollen, in welchen wissenschaftlichen Werken die Aufnahme erfolgen soll und ob er die Erteilung der Erlaubnis zur Vervielfältigung und Verbreitung von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen will. Die Zulässigkeit der Aufnahme nur einzelner Werke in ein wissenschaftliches Werk ohne Erlaubnis des Urhebers und damit eine gewisse Beeinträchtigung seiner ideellen und materiellen Belange wird dem Urheber im Interesse der kulturellen Fortentwicklung zugemutet, weil diese Beeinträchtigung in ihrer Auswirkung nicht so hoch zu veranschlagen ist, daß sie vom Urheber nicht hingenommen werden könnte, Dagegen werden die Interessen des Urhebers dann erheblich beeinträchtigt, wenn in ein wissenschaftliches Werk zur Erläuterung von dessen Inhalt zahlreiche Werke eines bildenden Künstlers aufgenommen werden.

Das gilt ebenfalls, soweit die Zulässigkeit der Aufnahme von Werken der bildenden Künste an die weitere Voraussetzung geknüpft ist, daß deren Aufnahme sich in einem nach den Zweck gebotenen Umfang hält. Zwar hängt danach die Auslegung des Begriffs "einzelne Werke" auch von Art und Umfang des wissenschaftlichen Werkes selbst ab. Auch hier enthält dieser Begriff aber eine Beschränkung von selbständiger Bedeutung für die Zitierfreiheit. Selbst wenn Art und Umfang des wissenschaftlichen Werkes die Aufnahme zahlreicher Werke eines Künstlers zum Zwecke der Erläuterung des Buches sachlich rechtfertigen würden, ist die Aufnahme ohne Erlaubnis des Urhebers nicht gestattet, wenn es sich nicht mehr nur um einzelne Werke handelt.

Dies hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen, wenn es lediglich darauf abstellt, daß im Hinblick auf den Umfang des Gesamtwerks von K. der Beklagte nur einen geringen Bruchteil dieses Schaffens abgebildet habe. Schon im Hinblick auf die hohe Zahl von 69 wie der gegebenen Werken K. kann nicht davon die Rede sein, daß es sich um "einzelne Werke" im Sinne von nur einigen wenigen Werken handele.

Die Revisionserwiderung weist noch darauf hin, das Buch des Beklagten wende sich nicht nur an Wissenschaftler, sondern auch an den gebildeten Laien; da dieser viele der angesprochenen Werke ohne Abbildung nicht vor Augen habe, rechtfertige sich ein größeres Ausmaß der Bebilderung. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Vorschrift des § 51 Nr. 1 UrhG, soweit es sich um das hier in Rede stehende Gebiet handelt, nicht den Zweck hat, im Interesse des Lesers die Beigabe von Abbildungen urheberrechtlich geschützter Kunstwerke weitgehend freizustellen. Zweck dieser Vorschrift ist es vielmehr, dem Verfasser des wissenschaftlichen Werks zur Förderung seiner Arbeit in beschränktem Umfange die Möglichkeit zu geben, seine Gedanken durch die Aufnahme von Abbildungen zu erläutern, ohne hierzu die Erlaubnis des Schöpfers des abgebildeten Werkes einholen zu müssen.

Da demnach die Voraussetzungen des § 51 Nr. 1 UrhG nicht gegeben sind, ist die Aufnahme der 69 Werke K. in das Buch des Beklagten nach dieser Vorschrift nicht zulässig, soweit sie ohne Erlaubnis der Rechtsinhaber erfolgt ist.

V.Während das Berufungsgericht am Eingang der Entscheidungsgründe ausführt, auf die Frage, ob K. durch seine Erklärung vom 11. April 1926 auch seine Urheberrechte auf Gabriele K. übertragen habe, komme es nicht an, legt es am Schlüsse "der Vollständigkeit halber" unter Bezugnahme auf sein im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassenes Urteil dar, diese Erklärung sei dahin zu verstehen, daß er Gabriele M. nicht nur das Eigentum an seinen bei ihr zurückgelassenen Werken, sondern auch die urheberrechtlichen Befugnisse hinsichtlich dieser Werke übertragen habe.

Diese Beurteilung wird von der Revision angegriffen, weil das Berufungsgericht gesetzliche Auslegungsregeln, Parteivortrag und Bekundungen von Zeugen unberücksichtigt gelassen habe. Diese Angriffe haben Erfolg (vgl. nachstehend zu Ziff. VI).

Da das Revisionsgericht nicht in der lege ist, durchzuerkennen, mußte das angefochtene Urteil Aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Konten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

VI.Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht folgendes zu beachten haben.

1.Zunächst ist zu prüfen, ob der Klägerin das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht auch bezüglich derjenigen im Buch des Beklagten abgebildeten Werke K. zusteht, die zur Gabriele M.-Stiftung gehören.

a)Das Berufungsgericht hat angenommen, bezüglich dieser Werke habe Kandinsky durch die Erklärung vom 11. April 1926 nicht nur das Eigentum, sondern auch die urheberrechtlichen Befugnisse übertragen, Das folge aus der Beifügung der Worte "volles und bedingungsloses" Eigentum an den Bildern und aus der Zweckbestimmung der Schenkung, Frau M. eine reale Alterssicherung zu verschaffen. Von Gabriele M. seien Eigentum und urheberrechtliche Befugnisse auf die Stadt München übertragen worden. Folglich stehe das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht hinsichtlich der zur Stiftung gehörenden Werke nicht der Klägerin zu.

Diese Beurteilung ist nicht gerechtfertigt. Wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung der Erklärung K. aus dem Jahre 1926 der Beifügung der Attribute "volles, bedingungsloses" Eigentumsrecht im Hinblick auf die (in Rußland erworbene) juristische Vorbildung K. eine besondere Bedeutung beigemessen hat, so hätte es folgerichtig auch den Umstand berücksichtigen müssen, daß in dem zur Zeit der Abgabe der Erklärung geltenden Kunsturheberrechtsgesetz eine dem § 44 Abs. 1 UrhG entsprechende Vorschrift in Gestalt des § 10 Abs. 4 KunstUrhG enthalten war. Hieraus könnte nämlich der Schluß gezogen werden, der juristisch vorgebildete Künstler habe seine Erklärung mit Bedacht auf die Übertragung des Eigentums beschränken und eine Übertragung urheberrechtlicher Befugnisse nicht vornehmen wollen.

Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht die Aussage des Prof. E. außer acht gelassen und nicht berücksichtigt habe, daß die Klägerin durch Benennung von Prof. G. Beweis dafür angetreten hatte, daß K. auch nach Abgabe der Erklärung von 1926 über die Reproduktionsrechte bezüglich der Frau M. übereigneten Kunstwerke selbst verfügt habe (Schrifts. v. 18. Juli 1963 S. 4 f = GA 395 f; v. 1. Dezember 1965 S. 4 = GA 529). Abgesehen davon, daß es hierauf auch im Rahmen der von der Klägerin im Rechtsstreit geäußerten Zweifel an der Echtheit der Erklärung ankommen kann, müßte die behauptete Tatsache, daß K. auch nach 1926 über jene Rechte verfügt habe, bei der Auslegung der behaupteten Erklärung von K. und von Gabriele M. herangezogen werden.

Dasselbe gilt für die im Vorverfahren noch nicht berücksichtigte Behauptung, daß sämtliche Druckstöcke Eigentum K. geblieben seien. Schließlich wäre auch das Vorbringen der Klägerin zu prüfen gewesen, K. habe angesichts der im Jahre 1926 zwischen ihm und Gabriele M. bestehenden Spannungen keinen Anlaß gehabt, dieser auch urheberrechtliche Befugnisse zu übertragen.

Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte zu prüfen haben, welchen Inhalt die Erklärung K. aus dem Jahre 1926 hatte.

b)Einer solchen Erörterung bedürfte es nicht, falls eine Auslegung der auf Grund der Erklärung der Klägerin vom 4. Dezember 1957 zustandegekommenen Vereinbarung ergeben sollte, daß die Klägerin zur Geltendmachung der Klageansprüche befugt ist. Das Landgericht hat insoweit angenommen, daß die Stadt München und Dr. R. als Direktor der Städtischen Galerie und L.-Galerie der Erklärung der Klägerin zugestimmt haben.

Es ist zu prüfen, ob hierin der Abschluß eines Vergleichs zu erblicken ist. Denn im damaligen Zeitpunkt bestand zwischen den Beteiligten über die Rechtslage insofern Ungewißheit, als nicht eindeutig geklärt war, wem das Eigentum an diesen Werken K. und wem die Urheberrechte hinsichtlich dieser Werke zustanden. Diese Ungewißheit war auch durch die Vorlage der Erklärung K. aus dem Jahre 1926 nicht behoben worden. Denn die Klägerin hatte bereits damals Zweifel hinsichtlich der Echtheit dieser Erklärung geäußerte Überdies enthält die Erklärung keine ausdrückliche Übertragung der Urheberrechte auf Gabriele M..

Gegebenenfalls hat das Berufungsgericht weiter zu untersuchen, welchen Inhalt die Erklärung der Klägerin hat. Sowohl im angefochtenen Urteil als auch. An dem im Verfügungsverfahren erlassenen Urteil hat das Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen, daß es in der Erklärung unter anderem heißt:"Sämtliche Autorenrechte der Gabriele M. Stiftung bleiben in meinen Händen, jedoch erkläre ich mich hiermit bereit, die Nutznießung der Autorenrechte an die Direktion der Städtischen Galerie und L.galerie München, zu überlassen, unter der Bedingung, daß die etwaigen Einnahmen für die Erwerbung weiterer Werke von K. verwendet werden."

Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang auch würdigen müssen, ob der Aussage des Zeugen Ko. (GA 235 ff) entnommen werden kann, daß Dr. R. eine Reihe von Interessenten, die sich wegen der Erteilung der Reproduktionserlaubnis für Bilder aus der Stiftung an ihn gewandt hatten, an die Klägerin verwiesen hat. Sollte das der Aussage nicht zu entnehmen sein, so wird der Antrag der Klägerin auf wiederholte Vernehmung den Zeugen zu beachten sein (Schrifts. v. 18. Juli 1963 S. 11 = GA 402).

2.Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß der Klägerin das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht bezüglich der zur Gabriele M.-Stiftung gehörenden Werke nicht zusteht, so wird es feststellen müssen, welche der im Buch des Beklagten abgebildeten Werke K. zu dieser Stiftung gehören.

3.Sodann wird das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Klägerin bezüglich derjenigen im Buche des Beklagten wiedergegebenen Werke K., hinsichtlich deren ihr das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht zusteht, den Beklagten die Erlaubnis zur Wiedergabe in dessen Buch erteilt hat.

4.Zu befinden bleibt endlich über den Einwand des Beklagten, die Klägerin handle wider Treu und Glauben, wenn sie Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung geltend mache, obwohl sie bei den Vorbesprechungen des Beklagten mit ihr wegen der Ausgestaltung des Buches stets auf eine stärkere Herausstellung des Werkes von K. gedrängt habe.

5.Sollte sich herausstellen, daß die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Unterlassung und Vernichtung nur bezüglich bestimmter Werke begründet sind, so wird das Berufungsgericht beachten müssen, daß die betreffenden Werke - zweckmäßigerweise unter der Bezeichnung, unter der sie im Buch des Beklagten aufgenommen sind - in der Urteilsformel zu bezeichnen sind.

Bei der Entscheidung über den Vernichtungsanspruch wird das Berufungsgericht ferner die Vorschrift den § 98 UrhG zu beachten haben.