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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 25.11.1965, Az.: IA ZR 117/64

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats III) des Bundespatentgerichts vom 21. Juli 1964 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.

Tatbestand

Der Beklagte ist Inhaber des seit dem 21. September 1958 laufenden Patents ..., das einen hohen Absatz für Damenschuhe, einen sog. Pfennigabsatz, betrifft.

Die Patentansprüche lauten:1.Hoher Absatz für Damenschuhe, sogenannter Pfennigabsatz, dessen Sockel aus Holz od. dgl. gefertigt ist, mit einem Lauffleck, bestehend aus einem der Absatzform angepaßten Beschlag aus Metall, der mit seiner unteren Randfläche als verschleißfester Laufteil dient und in dem ein Kermfleck aus Leder, Gummi, Kunststoff oder einem anderen geräuschmindernden Material angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Metallbeschlag als ein oben und unten ebener, der Absatzform angepaßter Ring (3) ausgebildet ist, dessen Öffnung in an sich bekannter Weise durch eine nach dem Absatzsockel (1) zu sich kegelförmig verjüngende Innenwand begrenzt ist, daß der Kernfleck (4) unter Preßsitz in der Öffnung angeordnet ist, und daß der aus dem Metallring (3) und dem Kernfleck (4) bestehende, eine Einheit bildende Lauffleck in an sich bekannter Weise mittels durch den Kernfleck getriebener Nägel (5) od. dgl. am Absatzsockel (1) befestigt ist.2.Absatz nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß sich die seitliche Außenwand des Metallringes (3) nach Art eines Kegelstumpfes nach dem Absatzsockel zu verjüngt.3.Absatz nach den Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die dem Absatzsockel (1) zugewandte Oberseite (7) des Metallringes (3) ebengeschliffen ist.

Mit der auf § 13 Abs. 1 PatG gestützten und gemäß § 37 PatG formgerecht erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, das Patent ... für nichtig zu erklären.

Der Kläger hat seinen Antrag damit begründet, daß er den Gegenstand des Streitpatents vor dem Anmeldetag, dem 20. September 1958, offenkundig vorbenutzt habe. Er (Kläger) habe sich bereits im Sommer 1958 mit der Herstellung neuer Absatzflecken aus Metall befaßt. Dabei habe er sich der Hilfe des mit ihm befreundeten Feinmechanikers Walter Ro. bedient, der für ihn die der Absatzform angepaßten Messingringe mit einer konischem Bohrung hergestellt habe. Etwa Ende Juli 1958 habe Walter Ro. ihm erstmalig einige hundert der von ihm gefertigten Metallringe abgeliefert. Seit Anfang August 1958 habe er (Kläger) aus diesen Metallringen Absatzflecken, die bereits sämtliche erfindungswesentlichen Merkmale des Gegenstands des Streitpatents auf gewiesen hätten, hergestellt und an den Schuhen seiner Kundinnen angebracht, u.a. auch an Krokodillederschuhen der Ehefrau Maria Ro.; er habe ihr diese mit den neuen Absatzflecken versehenen Schuhe selbst in die Wohnung gebracht, und zwar am Abend des 3. August 1958, der ein Sonntag gewesen sei. An dem folgenden Tage, am Montag, dem 4. August 1958, hätten die Eheleute Walter und Maria Ro. eine dreiwöchige Urlaubsreise nach Italien angetreten (soweit in dem angefochtenen Urteil der 4. August 1958 als der Tag bezeichnet wird, an dem der Kläger die Schuhe an Frau Ro. ausgeliefert hat, handelt es sich ersichtlich um ein Versehen).

Der Kläger hat dem Bundespatentgericht einen Damenschuh vorgelegt und behauptet, es handele sich dabei um einen der Schuhe, die er am 3. August 1958 mit den - von ihm angebrachten und noch an den Schuhen befindlichen - neuen Absatzflecken ausgehändigt habe. Frau Ro. habe ihm die Schuhe, die in der Zwischenzeit nicht wieder repariert worden seien, im März 1961 übergeben. Er habe sie gleich darauf ohne jede Änderung an seinen Prozeßbevollmächtigten, Patentanwalt Diplo-Ing. Sch., weitergegeben, der dann einen der Schuhe im vorliegenden Verfahren dem Bericht überreicht habe.

Der Beklagte hat dem Antrag des Klägers rechtzeitig widersprochen und beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, daß ein. Pfennigabsatz mit den Merkmalen des Streitpatents offenkundig vorbenutzt worden sei.

Auf selten des Klägers ist dem Rechtsstreit die Firma A.G. Sch. & Sohn, Ha., als Nebenintervenientin beigetreten. Der Beklagte hat dem Beitritt nicht widersprochen. Die Nebenintervenientin hat den Antrag des Klägers übernommen.

Auf Grund des Beschlusses vom 28. April 1964 hat das Bundespatentgericht über die offenkundige Vorbenutzung gemäß der Sitzungsniederschrift vom 21. Juli 1964 Beweis erhoben durch Vernehmung der Eheleute Walter und Maria Ro. als Zeugen; das Bundespatentgericht hat ferner den Kläger als Partei vernommen.

Durch Urteil vom 21. Juli 1964 hat das Bundespatentgericht das Patent ... für nichtig erklärt.

Wie das Bundespatentgericht festgestellt und der Beklagte auch nicht mehr bestritten hat, weist der vom Kläger mit dem Schuh der Zeugin Ro. vorgelegte Absatz fleck sämtliche Merkmale des Gegenstands des Streitpatents auf.

Auf Grund der Aussagen der Eheleute Ro. und der Aussage des als Partei vernommenen Klägers hat das Bundespatentgericht als erwiesen angesehen, daß der Kläger den dem Gericht überreichten Schuh der Zeugin Maria Ro. mit dem noch vorhandenen Absatzfleck versehen und am Abend des 3. August 1958 in der Wohnung der Eheleute Ro. abgeliefert hat. (Im angefochtenen Urteil heißt es, wie bereits erwähnt, mehrfach versehentlich 4. August.)

Das Bundespatentgericht hat diese Handlung des Klagen als offenkundige Benutzung gewertet und zur Begründung ausgeführt: Der Schuh sei der Zeugin Ro. übergeben worden, die gegenüber dem Kläger - insoweit möglicherweise anders als ihr Ehemann - keine Geheimhaltungspflicht gehabt habe und die auch nicht etwa in einem stillschweigend zur Geheimhaltung verpflichtenden Geschäftspartnerverhältnis zum Kläger gestanden habe. Daß eine Geheimhaltungspflicht ganz allgemein nicht gut habe bestehen können, folge im übrigen schon aus der Natur der Sache; denn bei einem etwaigen allgemeinen Schaden an dem Schuh wie auch bei einem Absatzschaden wäre es der Zeugin nicht verwehrt gewesen, Reparaturen durch einen anderen Schuhmacher als den Kläger ausführen zu lassen, ohne diesen anderen Schuhmacher etwas zu einer Geheimhaltung des Absatzflecks anzuhalten. Überdies habe der Kläger selbst ausgesagt, daß er bei anderen Kundinnen den gleichen Absatzfleck verwendet habe. Diesen sei offensichtlich keine Geheimhaltungspflicht auferlegt worden, und es sei von vornherein unwahrscheinlich, daß die Zeugin Ro. anders hätte behandelt werden sollen Diese Zeugin könne nun allerdings nicht als "Sachverständiger" gelten, der in der Lage gewesen wäre, den Erfindungsgedanken zu erkennen. Darauf komme es jedoch nicht an. Maßgebend sei vielmehr, ob die "nicht zu entfernte Möglichkeit" bestanden habe, daß der Absatzfleck einem anderen. Schuhmacher, d.h. also einem anderen Sachverständigen, in die Hände hätte gelangen können.

Das Bundespatentgericht hat eine solche "nicht zu entfernte Möglichkeit" auf Grund der folgenden Erwägungen bejaht:

Es sei bekannt, daß sich ein solcher Fleck je nach Straßenbeschaffenheit leicht lösen und dann, falls er nicht verlorengegangen sei, wieder angebracht werden könnte. Bei dem Schuh der Zeugin Ro. seien die Möglichkeiten die gleichen gewesen. Sie habe den Schuh am Sonntag abend (3. August 1958), also unmittelbar vor ihrer am nächsten Tag (4. August 1958) angetretenen Abreise nach Italien, erhalten und ihn bei dieser Reise in ihrem Personenkraftwagen bereitgestellt, um ihn beim Aussteigen anziehen zu können. Ob dieser Umstand nach der Lebenserfahrung schon die Annahme rechtfertigen könne, daß der Schuh bereits auf der Anreise nach Italien noch in Deutschland einem, Fachmann, z.B. zu Reparaturzwecken, in die Hände hätte gelangen könne, möge nach den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht sehr wahrscheinlich erscheinen. Dies sei jedoch nicht entscheidend, denn der Schuh sei jedenfalls nach Rückkehr aus Italien, d.h. etwa ab 24. August 1958, wieder getragen worden, wenn auch nur in geringerem Umfange. Nach ihrer glaubwürdigen Aussage habe die Zeugin Ro. den Schuh nach der Ferienreise aus modischen Gründen kaum noch - und dann nur noch zu Hause - getragen. In diesen späteren Wochen bis zum Tag der Patentanmeldung am 20. September 1958 sei aber jedenfalls die nicht zu entfernte Möglichkeit gegeben gewesen, daß der Absatz - oder ein anderer Teil des Schuhes - hätte repariert werden müssen und daß dann ein anderer Sachverständiger als der Kläger damit Kenntnis von dem Absatzfleck und der Erfindung hätte erlangen können. Denn bei der Schuhreparatur hätte dieser andere Sachverständige ohne weiteres die Merkmale erkennen und selbst solche Absatzflecke nachahmen können. Es sei nicht von Bedeutung, ob tatsächlich eine Reparatur notwendig geworden sei und ob ein Sachverständiger daher wirklich von der vorbenutzten Form Kenntnis genommen habe.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt mit dem Antrage, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Mit der Berufung wendet sich der Beklagte zunächst gegen die Feststellung des Bundespatentgerichts, der Kläger habe den an dem vorgelegten Schuh vorhandenen Absatzfleck bereits Anfang August 1958 angebracht. Der Beklagte hält die Aussagen der Zeugen Ro. und des Klägers aus verschiedenen Gründen nicht für ausreichend, um eine derartige Feststellung treffen zu können.

Der Beklagte hat jedoch nur hilfsweise beantragt, die Eheleute Ro. erneut zu vernehmen. Denn er vertritt die Auffassung, daß selbst dann, wenn die vom Kläger und den Zeugen Ro. gegebene Darstellung als richtig unterstellt werde, keine offenkundige Vorbenutzung vorliege. Es sei nämlich von vornherein völlig unwahrscheinlich gewesen, daß die Zeugin Ro. ihre Schuhe vor dem 20. September 1958 einem anderen Schuhmacher als dem Kläger in Reparatur gegeben haben würde. Die Eheleute Ro. seien mit dem Kläger befreundet gewesen und hätten stets sämtliche Schuhreparaturen durch ihn ausführen lassen. Auch nach ihrer Rückkehr aus Italien hätten sie keine Veranlassung gehabt, im Falle der Reparaturbedürftigkeit der Schuhe einen anderen Schuhmacher zu beauftragen Nach der Rückkehr aus Italien sei nur ein kurzer Zeitraum bis zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents offen gewesen, und es habe außerhalb der Wahrscheinlichkeit gelegen, daß die Offenkundigkeit in diesem kurzen Zeitraum hätte eintreten können. Dabei sei zu berücksichtigen, daß es sich um Schuhe gehandelt habe, die aus modischen Gründen nur noch wenig getragen worden seien. Die Vornahme einer Reparatur sei daher von vornherein überhaupt nicht mehr naheliegend gewesen. Dies habe in dem weiteren Verlauf insofern eine Bestätigung gefunden, als tatsächlich keine Reparatur vorgenommen worden sei. Im übrigen hätte außer bei einer Reparatur der Absatzflecke auch keinerlei Möglichkeit und Anlaß für einen kundigen Fachmann bestanden, von den besonderen, die Lehre des Streitpatents verkörpernden Merkmalen des Absatzflecks Kenntnis zu nehmen. Selbst bei Schäden am Absatzfleck sei eine Kenntnisnahme unwahrscheinlich gewesen, weil sich bei Schäden in aller Regel der Fleck vom Schuh löse und verloren gehe. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, komme eine Kundin nicht auf den Gedanken, dem Absatzfleck aufzubewahren und dem Schuhmacher auszuhändigen. Dieser würde ihn schließlich ungeprüft wegwerfen, weil ein Absatzfleck für einen Pfennigabsatz nicht zweimal angebracht werden könne.

Nach Ansicht des Beklagten kann es auf die vorstehendem Erwägungen nicht entscheidend ankommen, da eine Offenkundigkeit der Vorbenutzung selbst dann zu verneinen sei, wenn im Zeitpunkt der Aushändigung der Schuhe an die Zeugin Ro. die Möglichkeit einer Reparatur in der Zeit bis zum 20. September 1958 als "nicht zu entfernt" hätte bezeichnet werden können. Der vorliegende Fall unterscheide sich nämlich wesentlich von denjenigen Fällen, die üblicherweise Anlaß zur Erörterung der Offenkundigkeit einer Vorbenutzung gäben. Die Rechtsprechung sei bestrebt, demjenigen der eine offenkundige Vorbenutzung geltend mache, den mitunter äußerst schwierigen Nachweis zu erleichtern, daß tatsächlich die Allgemeinheit Kenntnis von der Vorbenutzung erlangt habe, und habe es daher als genügend angesehene, wenn die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme durch sachverständige Dritte dargetan werde. Auf Grund dieser beiden Kriterien komme die Lebenserfahrung demjenigen, der die offenkundige Vorbenutzung geltend mache, mit einer Beweiserleichterung zu Hilfe. Für eine solche Beweiserleichterung sei aber dann kein Baum mehr, wenn - wie im vorliegenden Falle - feststehe, daß weder die Allgemeinheit noch auch nur ein einzelner anderer Sachverständiger von der Vorbenutzung Kenntnis erlangt habe. Die Annahme der Offenkundigkeit unter Anwendung des Grundsatzes, daß eine nicht zu entfernte Möglichkeit generell bestanden habe, würde in diesem Falle zu einem offenen Widerspruch zwischen Wirklichkeit und rechtlich beurteilten Sachverhalt führen. Das sei aber nicht Sinn der Rechtsprechung zur Offenkundigkeit. Die Erleichterung des Nachweises der Offenkundigkeit könne dann nicht eingreifen, wenn - wie hier - feststehe, daß kein sachverständiger Dritter Kenntnis von der Vorbenutzung genommen hat.

Der Kläger und die Nebenintervenientin haben beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind den Ausführungen des Beklagten entgegengetreten und haben insbesondere darauf hingewiesen, daß der Kläger seit Anfang August 1958 - außer im Falle Ro. - noch für viele andere Kundinnen die Schuhe mit den gleichen Absatzflecken versehen habe. Dies habe der Kläger auch bei seiner Vernehmung als Partei vor dem Bundespatentgericht bekundet. Seine Bekundung habe sich den Umständen nach auch auf die hier in Betracht kommende Zeit vor dem 20. September 1958 bezogen. Für die Richtigkeit des Vortrages des Klägers spreche im übrigen die Lebenserfahrung. Danach sei ohne weiteres anzunehmen, daß er nicht nur in einem einzelnen Fall (Ro.), sondern noch in vielen anderen Fällen bereits vor dem 20. September 1958 Absätze mit den von ihm neu hergestellten Absatzflecken versehen habe.

Entscheidungsgründe

I.Das Bundespatentgericht hat sich für die Frage, ob eine offenkundige Vorbenutzung gegeben ist, auf die Prüfung der Behauptung des Klägers beschränkt, er habe am 3. August 1958 seiner Kundin Maria Ro. die in seiner Werkstatt reparierten Schuhe zurückgegeben, die mit den dem Gegenstand des Streitpatents entsprechenden neuen Absatzflecken versehen worden seien. Auf Grund der Aussage der Eheleute Walter und Maria Ro. und der Aussage des als Partei vernommenen Klägers hat das Bundespatentgericht diese Behauptung als erwiesen angesehen und weiter angenommen, daß die festgestellte Benutzungshandlung auch die Offenkundigkeit der in den reparierten Schuhabsätzen verkörperten technischen Lehre herbeigeführt habe.

Zu diesem Ergebnis ist das Bundespatentgericht gekommen, obwohl es nach den Aussagen der Eheleute Walter und Maria Ro. zugleich festgestellt hat, daß die Schuhe überhaupt nicht wieder zur Reparatur gegeben worden sind, also auch nicht in die Hände eines anderen Schuhmachers gelangt sind und obwohl daher auch kein anderer Sachverständiger in der Zeit bis zum 20. September 1958 Gelegenheit hatte, die Absatzflecken an den Schuhen der Zeugin Ro. zu untersuchen und dabei von der vorbenutzten Absatzform Kenntnis zu nehmen.

Das Bundespatentgericht hat geglaubt, diesen Umstand deshalb für rechtlich unbeachtlich halten zu können, weil es für die Feststellung der Offenkundigkeit nicht darauf ankomme, ob ein anderer Sachverständiger wirklich von der vom, Kläger vorbenutzten Absatzform Kenntnis genommen habe; es genüge vielmehr, daß die nicht zu entfernte Möglichkeit einer solchen Kenntnisnahme deshalb eröffnet worden sei, weil immerhin die Möglichkeit einer Schuhreparatur durch einen anderen Schuhmacher und damit auch die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch andere sachverständige in der Zeit bis zum 20. September 1958 gegeben gewesen sei.

II.Dieser Auffassung ist die Berufung mit Recht entgegengetreten.

Das Bundespatentgericht hat bei der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts verkannt, daß im vorliegenden Fall die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch andere Sachverständige nur dann gegeben gewesen wäre, wenn die Schuhe der Zeugin Ro. in die Hände eines anderen Schuhmachers gelangt wären.

1.Wie der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung vom 7. November 1952 in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts ausgeführt hat (GRUR 1953, 384, 385 li. Sp. - Zwischenstecker; RGZ 167, 339, 352 - Brillenetui; RG GRUR 1942, 261, 164 r. Sp. - Kaffeekannen-Untersatz) kommt es für die Feststellung der Offenkundigkeit im wesentlichen darauf an, ob sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalles nach der Lebenserfahrung der Schluß ziehen läßt, daß die Benutzung die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet, daß beliebige Dritte und damit auch Sachverständige eine zuverlässige, ausreichende Kenntnis von dem Erfindungsgedanken erhalten, mag dies unmittelbar dadurch geschehen, daß ein unbegrenzter Personenkreis die Benutzung wahrnimmt oder wahrnehmen kann, oder mittelbar dadurch, daß sie nur einzelne wahrnehmen, unter denen sich bereits nicht zur Geheimhaltung verpflichtete sachverständige befinden oder bei denen zumindest die Möglichkeit besteht, daß ihre Kenntnis an beliebige Dritte und damit über den engen Kreis einzelner Personen hinaus auch an andere Sachverständige weiter dringt.

Für die Feststellung der Offenkundigkeit kommt es also nicht darauf an, ob tatsächlich die Allgemeinheit und damit auch ein. "anderer Sachverständiger" von der Vorbenutzung Kenntnis erlangt hat. Es genügt vielmehr die Feststellung einer "nicht zu entfernten" Möglichkeit, daß beliebige Dritte und damit auch Sachverständige zuverlässige und ausreichende Kenntnis von dem - mit dem Erfindungsgedanken nach dem Patent wesensgleichen - Gegenstand der Vorbenutzung erhalten (so auch die vom Bundespatentgericht angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Januar 1963 in GRUR 1963, 311, 312 re. Sp. - Stapelpresse). Mit dem Erfordernis der Feststellung einer "nicht zu entfernten" Möglichkeit sollen die Fälle einer reim theoretische, nur abstrakten oder zu fernliegenden Möglichkeit ausgeschieden werden, Es muß durch die besonderen Umstände des Falles eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Wahrnehmung oder die Kenntniserlangung durch andere Sachverständige gegeben sein. Die "Offenkundigkeit" einer Benutzungshandlung entspricht insoweit der "Öffentlichkeit" einer Druckschrift, als die Feststellung der Neuheitsschädlichkeit in beiden Fällen nicht den Nachweis voraussetzt, daß andere Sachverständige wirklich Kenntnis von der "öffentlich" vorbeschriebenen oder der "offenkundig" vorbenutzten technischen Lehre erlangt haben (so bereits RGZ 1, 42, 44). Wer sich auf die Offenkundigkeit einer bestimmten Benutzungshandlung beruft, muß aber Umstände dartun, aus denen sich nach der Lebenserfahrung ergibt, daß beliebige andere Sachverständige die nicht zu entfernte Möglichkeit hatten die Benutzungshandlung und mit ihr auch die sich aus der Benutzung ergebende technische Lehre kennenzulernen.

2.Soweit der Kläger im Falle Ro. die von ihm hergestellten Absatzflecken, die mit dem Gegenstand der Erfindung des Streitpatents wesensgleich sind, an den Schuhen der Zeugin Ro. angebracht und damit die Erfindung "benutzt" hat, konnte durch diese Einzelhandlung für sich allein nicht "unmittelbar" für einen unbegrenzten Personenkreis die Möglichkeit der Wahrnehmung der technischen Neuerung eröffnet werden. Denn das äußere Bild der Absatzflecken gab noch keinerlei Aufschluß über die für die technische Lehre wesentliche innere Beschaffenheit der Absatzflecken und für die besondere Art ihrer Anbringung am Absatz. Um die "Erfindung" kennenzulernen, hätte es in jedem Fall einer Untersuchung des vom Absatz abgelösten Flecks durch einen Sachverständigen bedurft (über die Voraussetzungen der Offenkundigkeit bei Notwendigkeit einer Untersuchung durch Sachverständige vgl. BGH GRUR 1956, 73 - Kalifornia-Schuh).

Wie auch das Bundespatentgericht zutreffend festgestellt hat, war die Zeugin Ro. nicht sachverständige Sie hätte daher selbst dann das Wesen der Erfindung nicht erkennen können, wenn sich ein Absatzfleck von den Schuhen, ohne gänzlich verloren zu gehen, gelöst hätte und wenn sie in einem solchen Falle Gelegenheit gehabt hätte, die Absatzflecken zu betrachten. Sie hätte den in den Absätzen ihrer Schuhe verkörperten Erfindungsgedanken also nicht anderen Personen, insbesondere auch nicht anderen Sachverständigen übermitteln können.

Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von Tatbeständen, bei denen die Rechtsprechung die Möglichkeit einer "mittelbaren" Kenntnisnahme durch die Fachwelt dann bejaht hat, wenn "Laien" bereits in der Lage waren, das Wesen einer - entsprechend einfachen - Erfindung zu erfassen, und wenn darüber hinaus zumindest die nicht zu entfernte Möglichkeit gegeben war, daß sie diese Kenntnis an ändere Personen weiter verbreiteten und daß auf diese Weise auch andere Sachverständige von der Erfindung Kenntnis erlangen konnten. Fälle dieser Art waren z.B. Gegenstand der bereits erwähnten Entscheidungen des Reichsgerichts vom 23. Januar 1942 (GRUR 1942, 261 - Kaffeekannen-Untersatz) und des Bundesgerichtshofs vors 7. November 1952 (GRUR 1953, 384 - Zwischenstecker) und vom 22. Januar 1963 (GRUR 1963, 111 - Stapelpresse).

3.Im vorliegenden Fall war von vornherein klar, daß die vom Kläger am 3. August 1958 gegenüber der Zeugin Ro. vorgenommene Benutzungshandlung erst in einem späteren Zeitpunkt zur Offenkundigkeit im Sinne des § 2 PatG hätte führen können, nämlich erst dann, wenn anderen Sachverständigen (hier: anderen Schuhmachern) die nicht fernliegende Möglichkeit eröffnet worden wäre, die Absatzflecken an den vom Kläger reparierten Schuhen der Zeugin Ro. zu untersuchen und dabei von dem der Neuerung zugrundeliegendem technischen Gedanken Kenntnis zu erhaltene. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte sich eine solche Möglichkeit erfahrungsgemäß dann eröffnen können, wenn die Zeugin Ro. zunächst die reparierten Schuhe getragen hätte, wenn sich dann eine neue Reparaturbedürftigkeit herausgestellt hätte und wenn darauf schließlich die Zeugin Ro. die Schuhe im Inland einem anderen Schuhmacher als dem Kläger noch vor dem 20. September 1958 zur Reparatur gegeben hätte. Dieser Fall, der den Umständen nach bei vorausschauender Betrachtung aus der Sicht vom 3. August 1958 zunächst für möglich gehalten werden könnte, ist aber in Wirklichkeit nicht eingetreten.

Das Bundespatentgericht hat zu Unrecht diese Tatsache für unerheblich erachtet und statt dessen ersichtlich als entscheidend angesehene, daß der Kläger die von ihm mit den neuen Absatzflecken versehenen Schuhe bereits am 3. August 1958 durch Übergabe an die Zeugin Ro. eindeutig und bedingungslos aus seiner Einflußsphäre entlassen und damit von sich aus einer etwaigen späteren Kenntnisnahme durch andere Sachverständige preisgegeben hat. Hierdurch konnte jedoch noch keine Offenkundigkeit herbeigeführt werden; denn die in den Absatzflecken verkörperte technische Lehre war, wie gesagt, durch bloßen Augenschein von außen her nicht erkennbar.

Eine Benutzungshandlung wird eben nicht bereite dadurch offenkundig, daß sich der Erfinder (oder Erfindungsbesitzer), ohne daß hinsichtlich der Benutzungshandlung eine Geheimhaltungspflicht begründet wird, eines Gegenstandes entäußert, der die Erfindung verkörpert. Es muß vielmehr darüber hinaus auch objektiv die - nicht zu entfernte - Möglichkeit eröffnet werden, daß beliebige andere Sachverständige vor dem Prioritätszeitpunkt von der Erfindung Kenntnis erlangen können. Für eine solche Feststellung können nicht die - subjektiven - Vorstellungen maßgebend sein, die sich der Erfinder bei der Benutzung der Erfindung gemacht hat. Eine Benutzungshandlung, die zunächst nicht nur nach dem Willen des Erfinders (oder Erfindungsbesitzers), sondern auch bei objektiver Würdigung der anfangs gegebenen Umstände geeignet erschien, die Erfindung offenkundig zu machen, kann sich durch spätere unabhängig vom Willen des benutzenden Erfinders (oder Erfindungsbesitzers) eintretenden Umstände als nicht offenkundig geworden erweisen.

Die Offenkundigkeit läßt sich mithin nur auf Grund einer umfassenden objektiven Würdigung der gesamten Umstände des Falles feststellen. Hierzu gehören auch die dem benutzenden Erfinder (oder Erfindungsbesitzer) nicht bekannten, insbesondere auch die erst später, nach der Benutzung eingetretenen Umstände.

4.Wer eine offenkundige Vorbenutzung behauptet, hat den ihm obliegenden Beweis dafür, daß die sich aus der Benutzungshandlung ergebende Preisgabe der Erfindung mach den Umständen des Einzelfalles die nicht zu entfernte Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch beliebige Dritte und damit auch durch andere Sachverständige eröffnet hat, in der Regel bereits dann erbracht, wenn eine Geheimhaltung weder vereinbart noch zu erwarten ist und wenn eine Weiterverbreitung der erlangten Kenntnis durch denjenigen demgegenüber die Benutzungshandlung vorgenommen worden ist, nach der Erfahrung des Lebens wahrscheinlich ist. Entscheidend bleibt stets, ob objektiv die - nicht zu entfernte - Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch andere Sachverständige gegeben war.

Hieraus folgt, daß die Offenkundigkeit regelmäßig dann zu verneinen ist, wenn eine Geheimhaltungspflicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart ist oder wenn sie sich sonstwie nach Treu und Glauben aus den Umständen des Falles ergibt. Denn unter diesen Voraussetzungen kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zunächst damit gerechnet werden, daß derjenige, der durch die Benutzungshandlung von der Erfindung Kenntnis erlangt hat, sich auch vertragstreu verhalten und die Kenntnis nicht weitergeben wird. Wird trotzdem später unter Bruch der Geheimhaltungspflicht die Kenntnis an beliebige Dritte weitergegeben, so tritt hierdurch - wider Erwarten - Offenkundigkeit ein (RGZ 167, 339, 346 - 356 - Brillenetui; BGH GRUR 1962, 518, 521 - Blitzlichtgerät).

Dementsprechend genügt es auch für die Feststellung der Offenkundigkeit wenn nach der Lebenserfahrung von vornherein damit zu rechnen ist, daß derjenige, der durch die Benutzungshandlung Kenntnis von der Erfindung erlangt, diese Kenntnis an beliebige Dritte weitergeben wird (BGH GRUR 1962, 86, 89 li. Sp. - Fischereifahrzeug; 1963, 311, 313 re. Sp. - Stapelpresse; 1964, 612, 616 li. Sp. - Bierabfüllung).

Offenkundigkeit ist dagegen dann zu verneinen, wenn zwar keine Geheimhaltungspflicht begründet worden ist, wenn aber mach der Lebenserfahrung zu erwarten ist, daß der nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Dritte trotzdem, z.B. wegen eines eigenen geschäftlichen Geheimhaltungsinteresses, die Benutzungshandlung tatsächlich geheimhalten wird (RG GRUR 1931, 263, 267; BGH GRUR 1959, 178, 179 re. Sp. - Heizpreßplatte).

Die Offenkundigkeit ist danach erst recht dann zu verneinen, wenn feststeht, daß diese Personen ihre Kenntnis tatsächlich geheimgehalten haben. Das ist auch vom Reichsgericht bereits wiederholt anerkannt worden (so in den bereits angeführten Entscheidungen vom 2. April 1940, GRUR 1940, 351, 352 re. Sp. - Rollenschneidemaschine - und vom 23. Januar 1942, GRUR 1942, 261, 265 li. Sp. - Kaffeekannen-Untersatz).

In der bereits angeführten Entscheidung vom 8. Juni 1962 (GRUR 1962, 518, 521 li. Sp. - Blitzlichtgerät) hat der frühere Erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Beantwortung der Frage offengelassen, ob ein Beweis, durch den nach der Lebenserfahrung an sich die "nicht entfernte Möglichkeit" oder eine "gewisse Wahrscheinlichkeit" für eine Kenntnisnahme durch andere Sachverständige begründet worden ist, durch den Gegenbeweis entkräftet, werden kann, daß die Benutzungshandlung entgegen der an sich gegebenen Wahrscheinlichkeit und abweichend von dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Einzelfall tatsächlich keine Offenkundigkeit (im Sinne einer Möglichkeit der Kenntnisnahme durch andere Sachverständige) herbeigeführt habe (etwa weil die einzige Person, die durch die Benutzungshandlung von der Erfindung Kenntnis erlangt hat, ohne daß sie dazu verpflichtet gewesen wäre, die Erfindung tatsächlich streng geheimgehalten hat). In dem betreffenden Fall war ein solcher "Ausnahmetatbestand" nicht behauptet worden.

Im vorliegenden Fall ist jedoch ein solcher "Ausnahmetatbestand" gegeben; denn es steht fest, daß die Zeugin Ro., der gegenüber die Benutzungshandlung vorgenommen worden ist, die - ihr unbekannte - Erfindung dadurch tatsächlich - unbewußt - geheimgehalten hat, daß sie die Schuhe- mangels Reparaturbedürftigkeit - keinem anderen Sachverständigen (Schuhmacher) augehändigt hat.

5.Das Bundespatentgericht hat bei der Prüfung der Frage, ob die Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch andere Sachverständige bestanden hat, zunächst mit Recht spätere Umstände berücksichtigt, wie sie erst nach der am 3. August 1958 erfolgten Übergabe der Schuhe an die Zeugin Ro. mit der damals unmittelbar bevorstehenden Reise nach Italien (am 4. August 1958) eingetreten sind.

a)In dem angefochtenen Urteil wird in Betracht gezogen, daß die Zeugin Ro. die Schuhe bei dieser Reise nach Italien mitgenommen und sie in ihrem Kraftwagen bereitgestellt habe, um sie beim Aussteigen anziehen zu können. Es werden aber Zweifel geäußert, ob dieser Umstand nach der Lebenserfahrung schon die Annahme hätte rechtfertigen können, daß der Schuh bereits auf der Anreise nach Italien noch in Deutschland einem Fachmann, z.B. zu Reparaturzwecken, in die Hände gelangen würde, und eingeräumt, daß dies "nach den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht sehr wahrscheinlich erscheinen möge".

b)Mit Recht hat das Bundespatentgericht weiter den Zeitraum des Aufenthalts der Zeugin Ro. in Italien ganz ausgeschieden, weil nach § 2 PatG nur eine offenkundige Vorbenutzung im Inland neuheitsschädlich sein kann.

c)Das Bundespatentgericht hat aber abschließend als entscheidend angesehen, daß die Zeugin Ro. nach ihrer Rückkehr aus Italien, d.h. etwa seit dem 24. August 1958 die Schuhe wieder getragen habe; in diesen späteren Wochen bis zum Tag der Patentanmeldung am 20. September 1958 sei danach jedenfalls die nicht zu entfernte Möglichkeit gegeben gewesen, daß der Absatz - oder ein anderer Teil des Schuhes - hätte repariert werden müssen und daß dann auch ein anderer Sachverständiger als der Kläger die Beschaffenheit des Absatzflecks hätte wahrnehmen und den Gegenstand der Erfindung hätte erkennen können.

Eine solche Möglichkeit ließ sich im vorliegenden Fall zwar aus der Sicht vom 24. August 1958 bei einer vorausschauenden Betrachtung für die Zeit bis zum 20. September 1958 noch nicht ausschließen. Bei der Prüfung der Offenkundigkeit darf die Betrachtung aber nicht in dieser Weise eingeschränkt werden. Es handelt sich stets um die Beurteilung von Tatbeständen, die der Vergangenheit angehören und die rückschauend unter Einbeziehung sämtlicher bekannten Umstände zu würdigen sind. Hierzu gehört im vorliegenden Fall auch die Tatsache, daß die Schuhe in der maßgebenden Zeit bis zum 20. September 1958 keinem anderen Schuhmacher zur Reparatur gegeben worden sind. Der Fall, der noch aus der Sicht vom 24. August 1958 zumindest für möglich gehalten werden konnte, ist festgestelltermaßen nicht eingetreten. Das Bundespatentgericht ist also bei der Würdigung des Sachverhalts nicht folgerichtig verfahren, wenn es diesem Umstand, dessen Feststellung selbstverständlich erst nach dem 20. September 1958 bei rückschauender Betrachtung möglich war, keine Bedeutung beigemessen hat. Denn nunmehr steht fest, daß in der Zeit bis zum 20. September 1958 andere Sachverständige keine Gelegenheit hatten, die Schuhe zu reparieren, und daß sie daher auch keine Möglichkeit hatten, durch eine Untersuchung der Schuhe die vom Kläger vorgenommene Vorbenutzung der erfindungswesentlichen Merkmale der Absatzflecken kennenzulernen. Wenn das Wesen der Erfindung - wie im vorliegenden Fall - erst durch eine Untersuchung (hier z.B. gelegentlich einer Reparatur der Schuhabsätze) erkannt werden kann, setzt die Feststellung der Offenkundigkeit zunächst voraus, daß ein anderer Sachverständiger überhaupt Gelegenheit zur eigenen Nachprüfung gehabt hat (Lindenmaier, PatG, 4. Aufl., § 2 Anm. 17 S. 96 unten unter Hinweis auf RGZ 1, 42; RG BlPMZ 1905, 122; 1914, 276; 1927, 109). Da die Schuhe nicht zur Reparatur gegeben und auch sonst keinem anderen Sachverständigen ausgehändigt worden sind, war in der Zeit bis zum 20. September 1958 die Möglichkeit eimer Wahrnehmung durch andere sachverständige schlechthin ausgeschlossen.

Damit entfällt zugleich die Prüfung der weiteren Voraussetzung, daß für den Sachverständigen eine gewisse Wahrscheinlichkeit ("Anlaß") gegeben sein muß, von der - hier überhaupt nicht vorhanden gewesenen - "Gelegenheit" zur Untersuchung der Sache Gebrauch zu machen, um von der in der Sache verkörperten technischen Lehre Kenntnis erlangen zu können. Ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen tatsächlich eine Untersuchung stattgefunden hätte und ob der Sachverständige auf Grund der vorgenommenen Untersuchung die Erfindung wirklich erkannt hätte, wäre nach der Rechtsprechung für die Feststellung der Offenkundigkeit nicht mehr von Bedeutung gewesen (vgl. BGH GRUR 1956, 73 - Kalifornia-Schuh).

6.Wenn das Bundespatentgericht ausgeführt hat, es sei nicht von Bedeutung, "ob tatsächlich eine Reparatur notwendig gewesen sei und ob ein Sachverständiger daher wirklich von der vorbenutzten Form Kenntnis genommen habe", so hat es die hiernach für die Feststellung der Offenkundigkeit erforderlichen, oben dargelegten Voraussetzungen nicht hinreichend unterschieden.

a)Auf die erste Frage, ob tatsächlich eine Reparatur notwendig geworden ist, würde es nämlich nur solange nicht ankommen, als die nicht zu entfernte Möglichkeit bejaht werden müßte, daß die Schuhe in Reparatur gegeben worden sein könnten. Demgegenüber blieb aber der Gegenbeweis zulässig, daß die Schuhe tatsächlich nicht in die Hände eines anderen Schuhmachers gelangt sind. Dies steht im vorliegenden Fall fest. Damit war für die maßgebende Zeit anderen Sachverständigen jede Möglichkeit verschlossen, durch Untersuchung der Schuhabsätze den Erfindungsgedanken zu erkennen.

b)Zu der weiteren vom Bundespatentgericht erwähnten Frage, ob ein Sachverständiger wirklich von der vorbenutzten Form Kenntnis genommen habe, ist dementsprechend zu sagen, daß es auf eine "wirkliche Kenntnisnahme" durch andere Sachverständige nur dann nicht ankommen kann, wenn im der maßgebenden Zeit für andere Sachverständige zumindest die Möglichkeit einer Kenntnisnahme (hier durch Untersuchung der Schuhe) bestanden hat. Da aber entsprechend dem eigenen Vortrage des Klägers feststeht, daß die Schuhe, nachdem sie am 3. August 1958 der Zeugin Ro. mit den erfindungsgemäßen Absatzflecken übergeben worden waren, keinen anderen Schuhmacher in Reparatur gegeben wurden, war eine solche Möglichkeit hier nicht gegeben.

III.Nach alledem ist festzustellen, daß die Benutzungshandlung des Klägers im Falle Rottgardt nicht zur Offenkundigkeit geführt hat.

Da das Bundespatentgericht seiner Entscheidung nur diesen Vorbenutzungsfall zugrundegelegt hat (ebenso der 5. Senat [Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat] in dem Beschluß vom 28. Februar 1963, betreffend die Löschung des mit den Streitpatent inhaltlich übereinstimmenden Gebrauchsmusters Nr. 1.789.149 des Beklagten, Az. 5 W 199/61 = Lö I 199/59), war das angefochtene Urteil aufzuheben.

Aus Zweckmäßigkeitsgründen erschien es angebracht, die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen weil noch zu prüfen sein wird, ob nach dem sonstigen Stand der Technik die Lehre des Streitpatents neu, fortschrittlich und erfinderisch ist (BGHZ 18, 81, 97) [BGH 08.07.1955 - I ZR 24/55]. Bei der weiteren Verhandlung vor dem Bundespatentgericht wird der Kläger auch Gelegenheit haben, zur Frage der offenkundigen Vorbenutzung gegebenenfalls sein Vorbringen weiterzuverfolgen, er habe im August und September 1958 die gleichen Absatzflecke in großer Zahl auch an andere Kunden geliefert (vgl. hierzu insbesondere sein Vorbringen in dem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren Lö I 199/59 [Gebrauchsmuster Nr. 1.789.149] = 5 W 199/61, sowie die Feststellungen in dem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren Lö I 188/60 [Gebrauchsmuster Nr. 1.794.643] = 5 W 403/63).