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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 21.04.1960, Az.: II ZR 193/58

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Schleswig vom 26. Juni 1958 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Klägerin hat während einer Reihe von Jahren Anthrazit-Nußkohle, die die Beklagte von einer Zeche im Aachener Kohlengebiet bezog, von Ratheim - im Bezirk der Bundesbahndirektion Köln - nach Lübeck-Dänischburg, dem Sitz der Beklagten, befördert. Der Berechnung der durch die Beklagte zu zahlenden Fracht wurde der Ausnahmetarif 6 B 11 zugrunde gelegt, wonach für die bezeichnete Strecke 182 Dpf je 100 kg zu zahlen waren. Infolge einer Änderung dieses Tarifs, die auf eine Anordnung der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zurückging und als Bek 7 (1934/1935) der Bundesbahndirektion Essen im Tarif- und Verkehrsanzeiger vom 26. Oktober 1953 S. 555 bekanntgegeben wurde, war mit Wirkung vom 26. Dezember 1953 auf die Transporte statt des Tarifs 6 B 11 der Tarif 6 B 1 anzuwenden, dessen Sätze für die genannte Strecke um 79 Dpf je 100 kg höher waren.

Durch Schreiben vom 1. Dezember 1953 an die Bundesbahndirektion in Essen beantragte die Beklagte,es für ihre Transporte bei der Anwendung des Tarifs 6 B 11 zu belassen.

Die Bundesbahndirektion in Essen beschied diesen Antrag durch Schreiben vom 14. Dezember 1953 abschlägig unter Darlegung der Gründe, die die Bundesbahn zur Änderung des Tarifs gezwungen hätten. Einem in diesem Schreiben enthaltenen Rat folgend wandte sich die Beklagte in der Folgezeit an die Gemeinschaftsorganisation Ruhrkohle in Essen wegen des Bezuges von Kohle aus dem nähergelegenen Ruhrgebiet, verblieb jedoch im Ergebnis bei der bisherigen Bezugsquelle.

Infolge eines Versehens von Bediensteten der Klägerin sind der Beklagten auch nach dem 25. Dezember 1953 die Frachtkosten laufend nach dem Ausnahmetarif 6 B 11, der auch in die Frachtbriefe eingetragen wurde, statt nach dem Tarif 6 B 1 berechnet worden. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Nachzahlung des Unterschiedsbetrages für die Zeit von März 1956 bis Januar 1957 in Höhe von 44.548,10 DM nebst Zinsen. Für die vorangegangene Zeit sieht die Klägerin wegen Verjährung von der Geltendmachung ihrer Ansprüche ab. Die Beklagte macht zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung in erster Linie geltend, als Empfängerin schulde sie nur die sich aus dem Frachtbrief ergebenden Beträge, die sie ja auch gezahlt habe. Sie habe sich darauf verlassen dürfen, daß die Tarife richtig berechnet gewesen seien. Die Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls verwirkt. Im übrigen rechnet sie mit Schadensersatzforderungen auf. Ihr Schaden ergebe sich daraus, daß sie bei der Errechnung ihrer Verkaufspreise und bei ihren Erwägungen über die etwaige Umstellung ihres Betriebes auf Öl- und Gasbefeuerung von der Richtigkeit der Frachtrechnungen ausgegangen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

I.Die Unabdingbarkeit der durch die Klägerin ordnungsgemäß aufgestellten und veröffentlichten Tarife wirkt sich dahin aus, daß die Klägerin unverzüglich nach Feststellung von bei der Erhebung unterlaufenen Fehlern zu wenig bezahlte Beträge nachzufordern, zuviel erhobene Beträge zu erstatten hat (§§ 6, 70 Abs. 1 EVO). Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Fracht im Sinn des § 70 Abs. 1 Satz 1 EVO auch dann "unrichtig erhoben" ist, wenn sie, wie hier, nach einem falschen Tarif errechnet und bezahlt worden ist (Pinger, EVO 2. Aufl. § 70 Anm. 1; Goltermann, 2. Aufl. § 70 Anm. 1; RG EE 33, 68; OLG Karlsruhe EE 35, 250). Es führt weiter aus, die Nachzahlungsforderung der Klägerin richte sich nach § 70 Abs. 3 EVO gegen die Beklagte, da diese den Frachtbrief angenommen habe. Ihre daraus sich ergebende Schuld werde nicht durch § 75 Abs. 2 EVO beschränkt, wonach der Empfänger durch die Annahme des Frachtbriefes zur Zahlung der "sich aus dem Frachtbrief ergebenden Beträge" verpflichtet wird. Das Berufungsgericht läßt deshalb dahingestellt, ob die Nachzahlungsforderung der Klägerin sich im Sinn des § 75 Abs. 2 EVO "aus dem Frachtbrief" ergibt. Die Revision greift diese Auffassung an. Sie meint, auch § 70 Abs. 3 EVO begründe nicht entgegen einem auch auf verwandten Rechtsgebieten geltenden Rechtsgrundsatz eine Schuld des Empfängers, soweit die Forderung sich nicht aus dem Frachtbrief ergebe.

Die Revision kann mit diesem Angriff keinen Erfolg haben. Der Auffassung des Berufungsgerichts, die auch im Schrifttum vertreten wird (Finger, EVO 2. Aufl. § 75 Anm. 3; Gadow in HGB-RGRK 1943 § 436 Anm. 9; Baumbach-Duden, HGB 13. Aufl, § 460 Anh. § 75 EVO Anm, B; a.A. insbes. Goltermann, EVO 2. Aufl. § 70 Anm. 6), ist jedenfalls für einen Fall der vorliegenden Art zu folgen. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, die Frachtbriefe seien hinsichtlich der Angaben über die Voraussetzungen, auf die es für die Ermittlung des richtigen Tarifs ankommt, inhaltlich unrichtig gewesen, sondern sie glaubt sich darauf berufen zu können, daß darin ein falscher Tarif und infolgedessen eine unter dem richtigen Tarif liegende Fracht angegeben gewesen sind. Die Anwendbarkeit des richtigen Tarifs kann jedoch im Hinblick auf den Tarifzwang nach § 6 EVO nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Frachtschuldner ihn kannte oder kennen mußte. Unkenntnis des ordnungsmäßig aufgestellten und veröffentlichten Tarifs geht zu Lasten des Frachtschuldners, gleichviel ob er die Unkenntnis verschuldet hat oder nicht. Dies gilt sowohl für den Absender, als Vertragspartei wie für den Empfänger, dessen Zahlungspflicht durch die Annahme des Frachtbriefes begründet wird. Für eine in dieser Hinsicht unterschiedliche Behandlung bieten die Vorschriften der EVOüber die Unabdingbarkeit des Tarifs keine Handhabe. Es kann deshalb für den Umfang der Zahlungspflicht des Empfängers auch nicht darauf abgestellt werden, ob in den Frachtbrief überhaupt ein bestimmter Tarif eingetragen war, oder ob darin sogar ein auf den betreffenden Transport nicht anwendbarer Tarif bezeichnet war wie hier. Jedenfalls insofern ist der Auffassung des Berufungsgerichts beizutreten, daß sich die auf § 70 Abs. 1 und 3 EVO gestützte Nachforderung gegen den Empfänger nicht "aus dem Frachtbrief" zu ergeben braucht, wie § 75 Abs. 2 EVO dies sonst für die Schuld des Empfängers verlangt (vgl. dazu auch OLG Breslau JW 1927, 2817; Obergericht Danzig, VAE 1937, 500). Der Angriff der Revision geht deshalb fehl.

II.1.Das Berufungsgericht hält den durch die Beklagte erhobenen Einwand der Verwirkung aus folgenden Erwägungen für nicht begründet: Voraussetzung für diesen Einwand sei, daß seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs längere Zeit verstrichen sei und die verspätete Geltendmachung auf Grund besonderer Umstände als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden werde. Davon könne hier keine Rede sein. Die Beklagte, ein großes Industrieunternehmen, für das die der Klageforderung zugrunde liegende Tarifänderung eine Erhöhung der Frachten um insgesamt 141.074,30 DM ausgemacht habe, habe von der Änderung des Tarifs gewußt. Nach Erhalt des abschlägigen Bescheids der Bundesbahndirektion in Essen vom 14. Dezember 1953 sei es für sie außer jedem Zweifel gewesen, daß der. Ausnahmetarif 6 B 11 für ihre Transporte nicht mehr anwendbar gewesen sei (in anderem Zusammenhang stellt das Berufungsgericht darüber hinaus fest, die Beklagte habe seit Erhalt dieses Schreibens auch gewußt, daß eine Änderung dieser Rechtslage nicht zu erwarten gewesen sei). Wenn sie trotzdem die offensichtlich vom geltenden Tarif abweichenden Frachtberechnungen hingenommen und erreicht habe, daß die Nachforderungen der Klägerin in Höhe von 96.526,20 DM wegen Verjährung nicht mehr erhoben würden, so widerspreche es insbesondere auch im Hinblick auf die Kürze der hier zur Anwendung kommenden Verjährungsfrist von einem Jahr (§ 94 EVO) nicht Treu und Glauben, wenn die Klägerin wenigstens für das letzte Jahr vor Aufdeckung des Fehlers ihre Forderungen geltend mache.

2.Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Der Rechtsgedanke der Verwirkung, die sich als Fall der unzulässigen Rechtsausübung darstellt, soll den Schuldner vor der illoyal verspäteten Geltendmachung von Ansprüchen schützen (BGH NJW 1957, 1358). Ein solcher Schutz wird dem Frachtschuldner jedoch bereits dadurch gewährt, daß die Verjährungsfrist für Frachtforderungen der Bahn nach § 94 Abs. 1 Satz 1 EVO nur ein Jahr beträgt. Es sind im vorliegenden Fall keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, von dem Grundsatz abzuweichen, daß gegenüber Ansprüchen mit einer so kurzen Verjährungsfrist der Einwand der Verwirkung nicht in Betracht kommt. Sie sind entgegen der Ansicht der Revision insbesondere auch nicht darin zu sehen, daß die Klägerin vor Beginn des Zeitraums, für den sie Nachforderungen erhebt, mehrere Jahre lang einen falschen Tarif angewandt hatte. Ob die in dem hier entscheidenden Zeitraum neu entstandenen Ansprüche verwirkt sind, kann nicht von Umständen abhängig gemacht werden, die allein jene früher entstandenen, wegen Verjährung ohnehin nicht mehr geltend gemachten Ansprüche betreffen.

III.1.Das Berufungsgericht hält die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderungen der Beklagten für nicht begründet. Es geht davon aus, daß die schuldhafte Verletzung der Pflicht zur richtigen Berechnung der Fracht und zur unverzüglichen Nacherhebung von zuwenig gezahlter Fracht zwar eine Schadensersatzpflicht der Klägerin gegenüber dem Empfänger auslösen könne, sieht aber im vorliegenden Fall die Voraussetzungen dafür nicht als gegeben an. Dabei läßt es dahingestellt, ob die Beklagte einen Schaden hinreichend dargetan hat, ob die Bediensteten der Klägerin hinsichtlich der erwähnten Pflichten schuldhaft die gebotene Sorgfalt außer acht gelassen haben und gegebenenfalls eine Pflichtverletzung ursächlich für einen Schaden der Beklagten gewesen sein könne. Es verneint die Adäquanz einer solchen Schadensverursachung und sieht als entscheidend an, daß der Beklagten mitwirkendes Verschulden nach § 254 Abs. 1 und 2 BGB zur Last zu legen sei; die Beklagte habe gewußt, daß die Fracht nach einem auf ihre Transporte nicht anwendbaren Tarif berechnet worden sei, habe aber trotzdem unterlassen, durch einen Hinweis an die Klägerin Klarheit zu schaffen und die Klägerin auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. Ihre Mitverursachung eines etwaigen Schadens und ihr Mitverschulden überwögen in so hohem Maße, daß demgegenüber eine Verursachung des Schadens durch die Bediensteten der Klägerin und das ihnen zur Last gelegte Verschulden nicht ins Gewicht fielen.

2.Die Frage, ob unrichtige Frachtberechnung und eine darin liegende unrichtige Auskunft über Tarife die Bahn schadensersatzpflichtig machen können, ist in Rechtsprechung und Schrifttum sehr umstritten. Gegen die Zulassung derartiger Ansprüche (bejaht durch Goltermann a.a.O. § 4 Anm. 6 m.w.Nachw.; § 70 Anm, 10; Gadow in HGB-RGRK § 436 Anm. 9; Borchert in Betrieb 1952, 793; Landgericht Saarbrücken EE 46, 200) wird von der herrschenden Meinung in erster Linie vorgebracht, die Sonderregelung des § 70 Abs. 1 EVOüber die Erhebung von Nachforderungen ergebe, daß ein Versehen des Bahnbediensteten bei der Frachtberechnung noch keine Schadensersatzpflicht der Bahn auslöse; lasse man daraus hergeleitete Schadensersatzansprüche zu, so könne damit gegenüber der Nachforderung auf Zahlung des vollen tarifmäßigen Entgelts aufgerechnet werden, und der durch § 6 EVO vorgeschriebene Tarifzwang werde weitgehend ausgeschaltet (Finger a.a.O. § 4 Anm. 2 c) dd); Weirauch, EVO 7. Aufl. § 70 Anm. 6; Kittel/Friebe/Hay, EVO 3. Aufl. § 70 Anm, 3; Rundnagel in Ehrenbergs Handbuch 5. Bd. II. Abteilung S. 364; OLG Breslau EE 43, 209).

3.Die Frage braucht hier nicht entschieden zu werden; denn auch nach der Auffassung, die die Schadensersatzpflicht der Bahn in derartigen Fällen grundsätzlich bejaht, muß der Geschädigte sich je nach Lage des Falles entgegenhalten lassen, er habe die Tarifwidrigkeit der Frachtberechnung erkennen müssen, ihm falle deshalb ein nach § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden zur Last. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht die Annahme eines Mitverschuldens der Beklagten auf die Feststellung gestützt, die Beklagte habe die Tarifwidrigkeit nicht nur erkennen müssen, sondern habe sie auch erkannt, habe sich aber trotzdem dieserhalb nicht mit der Klägerin in Verbindung gesetzt. Diese Auffassung läßt keinen Rechtsirrtum erkennen. Die Beklagte durfte sich nicht in Kenntnis der Tarifwidrigkeit darauf verlassen, der ihr daraus erwachsene Vorteil werde ihr auf die Dauer verbleiben, sie könne davon auch bei der Kalkulation ihrer Verkaufspreise und sonstigen Maßnahmen ausgehen. Tat sie es dennoch, so handelte sie auf eine ihr Mitverschulden begründende Weise gegen ihre eigenen wohlverstandenen Interessen. Neben der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB ist auch die Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB durch das Berufungsgericht rechtlich bedenkenfrei. -

4.Die Revision rügt zu unrecht, das Berufungsgericht habe bei Feststellung der Kenntnis der Tarifwidrigkeit mehrere von der Beklagten behauptete Tatsachen nicht berücksichtigt, die den Schluß gerechtfertigt hätten, die Beklagte habe die sich über mehrere Jahre erstreckende Anwendung des Ausnahmetarifs 6 B 11 für ordnungsmäßig halten dürfen.

a)Die Angriffe der Revision scheinen sich zunächst gegen die für das Revisionsverfahren grundsätzlich bindende Feststellung des Berufungsgerichts zu richten, die Beklagte sei sich über die Nichtanwendbarkeit jenes Tarifs im klaren gewesen. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht brauchte bei der Würdigung der Sach- und Rechtslage nicht ausdrücklich auf jede Einzelheit des Parteivorbringens einzugehen; es genügt, daß sich aus dem Zusammenhang des Urteils eine sachentsprechende Beurteilung ergibt (BGHZ 3, 162, 175) [BGH 27.09.1951 - IV ZR 155/50]. Diesen Anforderungen entspricht das Berufungsurteil. Im einzelnen ist dazu folgendes zu bemerken:

Das Berufungsgericht stützt die hier in Rede stehende Feststellung in rechtlich nicht angreifbarer Weise auf Ausführungen über den Umfang des Unternehmens der Beklagten, die erhebliche Bedeutung der Transporte für dieses Unternehmen, das Schreiben der Beklagten vom 1. Dezember 1953 an die Bundesbahndirektion in Essen und deren Antwortschreiben vom 14. Dezember 1953. Entgegen der Ansicht der Revision läßt der Zusammenhang der Ausführungen keinen Zweifel daran, daß es auch die Länge des Zeitraums, über den sich die Anwendung des falschen Tarifs erstreckte, hinreichend berücksichtigt hat. Daß es dabei nicht zu denselben Schlußfolgerungen wie die Beklagte gekommen ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Auf das von der Revision angeführte, inhaltlich jedoch nicht richtig wiedergegebene Vorbringen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 2. Oktober 1957, sie wisse nicht im einzelnen, wie die Verhandlungen ihres inzwischen verstorbenen Direktors Schröder mit der Gemeinschaftsorganisation Ruhrkohle ausgegangen seien, brauchte das Berufungsgericht schon deshalb nicht einzugehen, weil sich daraus für die Kenntnis der Beklagten über die Rechtslage in dem hier in Betracht kommenden Zeitraum nichts ergab.

Die Beklagte hatte durch Schriftsatz vom 14. Oktober 1957 vorgetragen, sie habe "jetzt feststellen müssen", daß die Klägerin "in der Lage und auch bereit" sei, Frachtermäßigungen in Form von Zuschüssen zu gewähren. Auch dieses Vorbringen besagt entgegen der Auffassung der Revision nichts darüber, was die Beklagte in dem maßgeblichen Zeitraum hinsichtlich der Anwendbarkeit des Tarifs 6 B 11 angenommen hat. Das Berufungsgericht brauchte sich deshalb entgegen der Ansicht der Revision auch damit nicht im einzelnen zu befassen.

Das gleiche gilt für die von der Revision als übergangen bezeichnete Behauptung der Beklagten, der Bundestag habe am 2. Juli 1953 ein Förderungsprogramm für den Gebietsstreifen entlang dem eisernen Vorhang beschlossen, das auch Vergünstigungen auf dem Frachtengebiet vorgesehen habe; in diesem Gebietsstreifen liege auch das unternehmen der Beklagten, und das Programm sei gerade zur Zeit des Schriftwechsels der Parteien im Dezember 1953 durchgeführt worden. - Die Beklagte hatte damit nicht dargetan, daß dieses Förderungsprogramm auch die stillschweigende Zubilligung günstigerer Frachten als der tarifmäßigen vorgesehen habe oder sie mit Maßnahmen gerade dieser Art habe rechnen können, noch dazu nach Erhalt des ablehnenden Schreibens der Bundesbahndirektion in Essen, das nach ihrem eigenen Vorbringen gerade in die Zeit der Durchführung des Programms fiel. Das Berufungsgericht brauchte auch dies nicht im einzelnen auszuführen.

b)Im Hinblick darauf, daß die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des anzuwendenden Tarifs keinem Irrtum unterlegen ist, kommt es nicht darauf an, ob ein etwaiger Irrtum entschuldbar gewesen wäre, wie die Revision meint.

5.Die durch das Berufungsgericht als Tatsacheninstanz vorgenommene Abwägung der beiderseitig zu vertretenden Verantwortlichkeit kann, wenn alle Unterlagen berücksichtigt worden sind, im Revisionsverfahren nur auf seine Übereinstimmung mit den Denkgesetzen geprüft werden (BGH MDR 1953, 159; BGH NJW 1952, 1329). Das Urteil des Berufungsgerichts hält auch in dieser Hinsicht einer rechtlichen Nachprüfung stand.

IV.Da das angefochtene Urteil auch im übrigen keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, ist die Revision nach alledem unbegründet. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.