Bundesgerichtshof
Entscheidung vom 31.05.2010, Az.: II ZR 30/09
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 20. Januar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage - mit Ausnahme der Zinsen vom 1. Dezember 1999 bis 12. Juni 2006 - abgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Dezember 2006 weitergehend abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 45.939,56 € nebst 4 % Zinsen seit 13. Juni 2006 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung des Klägers an der D. Treuhand und Verwaltung GmbH & Co. E. KG in Höhe von 100.000,00 DM (51.129,19 €).
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB freizustellen Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditbeteiligung des Klägers an der D. Treuhand und Verwaltung GmbH & Co. E. KG in Höhe von 100.000,00 DM (51.129,19 €).
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme der Kommanditbeteiligung in Annahmeverzug befindet.
Die Anschlussrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger, von Beruf Zahnarzt, beteiligte sich auf der Grundlage eines Verkaufsprospektes gemäß Erklärung vom 10. November 1999 mit einer Einlage von 100.000,00 DM zuzüglich eines Aufgelds von 5.000,00 DM als Kommanditist an der D. Treuhand und Verwaltung GmbH und Co. E. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin der Fondsgesellschaft, deren Gegenstand die Vermietung und Verwaltung eines 1996 errichteten Wohn- und Geschäftshauses ist, ist die Beklagte.
Der Kläger hat die Beklagte wegen unterlassener Aufklärung über behauptete Prospektmängel auf Schadensersatz in Anspruch genommen und Zahlung der geleisteten Einlage abzüglich Ausschüttungen (766,94 € x 8) sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB freizustellen, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung seiner Kommanditbeteiligung, sowie die weitere Feststellung, dass sie sich mit der Entgegennahme der Kommanditbeteiligung in Annahmeverzug befindet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat der Klage - hinsichtlich des Zahlungsantrags nur teilweise - stattgegeben und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richten sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zu einer weiteren Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich des abgewiesenen Teils der Klageforderung mit Ausnahme eines - in der 3. Instanz nicht mehr weiterverfolgten - Teils der Zinsforderung. Die Anschlussrevision der Beklagten bleibt erfolglos.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Dem Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss zu. Der bei den Vertragsverhandlungen verwendete Prospekt sei fehlerhaft gewesen, weil entgegen der Angaben im Prospekt die dort prognostizierten, über den wirtschaftlichen Erfolg der Anlage entscheidenden maßgeblichen Mietsteigerungen um jährlich 2 % in den beiden ersten Vermietungsjahren, um jährlich 2,5 % in den folgenden fünf Jahren und jeweils 3 % bis zum Ende der 23 Jahre dauernden Vermietungsphase nicht auf 'Erfahrungswerten der Vergangenheit' beruht hätten. Der Kläger müsse sich jedoch die durch seine Beteiligung erzielten Steuervorteile anrechnen lassen. Zwar habe er mit der Beteiligung gewerbliche Einkünfte erzielt und müsse deshalb die Schadensersatzleistung als Betriebseinnahme versteuern. Wegen der zwischenzeitlichen Herabsetzung des Einkommensteuerspitzensatzes durch das Steuersenkungsgesetz aus dem Jahr 2000 bestünden jedoch Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger ein außergewöhnlicher Steuervorteil verbleibe, der sich abstrakt auf 8.562,86 € belaufen könne. Da sich der insoweit zumindest sekundär darlegungsbelastete Kläger zu der bei einer Rückzahlung der Einlage im Jahr 2008 zu erwartenden Steuerbelastung nicht erklärt habe, müsse er sich die im Zusammenhang mit seinem Beitritt erlangten Steuervorteile (32.721,40 €) in vollem Umfang anrechnen lassen.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
A. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet ist.
1. Vergeblich wendet sich die Anschlussrevision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei Abschluss des Aufnahmevertrags von der Beklagten nicht zutreffend über die Risiken der Anlage unterrichtet worden ist.
a) Nach der ständigen Rechtssprechung des Senats muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken, zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGHZ 79, 337, 344; BGH, Sen.Urt. v. 7. April 2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; v. 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Tz. 18; v. 22. März 2010 - II ZR 66/08, WM 2010, 972 Tz. 9). Dies ist hier - wie das Berufungsgericht in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung festgestellt hat - durch den verwendeten Prospekt nicht geschehen.
b) Der Prospekt ist fehlerhaft. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist dies allerdings nicht schon deshalb der Fall, weil die prospektierten Mieterträge bisher nicht erzielt worden sind. Zwar stellen die voraussichtlichen Mieterträge, von denen die künftige Entwicklung des Anlageobjekts abhängt, ein wesentliches Kriterium für die Entscheidung des Anlegers dar, sich an einem geschlossenen Immobilienfonds zu beteiligen. Ein Prospektherausgeber übernimmt aber grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt (BGH, Urt. v. 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 Tz. 19; Sen.Urt. v. 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 928). Hieran lässt der Prospekt, dem eindeutig zu entnehmen ist, dass für die Richtigkeit der Prognoserechnung nicht garantiert werde, keinen Zweifel.
c) Ein Prospektfehler liegt jedoch darin, dass die der Liquiditätsprognose zugrunde gelegte Entwicklung der Mieten nicht auf der behaupteten Grundlage beruhte. Mit der Darstellung, die im Prospekt prognostizierten Mietsteigerungen 'beruhten auf Erfahrungswerten der Vergangenheit', wird - wie das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht angreifbarer tatrichterlicher Würdigung angenommen hat - bei einem Anlageinteressenten die Vorstellung geweckt, dass in der Vergangenheit unter vergleichbaren äußeren Umständen entsprechende Mietzuwächse erzielt wurden und dass die auf derartige Erfahrungswerte gestützte Prognose der mit der Fondsimmobilie künftig erzielbaren Mieten deshalb zuverlässiger sei, als wenn sie lediglich unter Zugrundelegung verschiedener, für die Entwicklung von Mieten grundsätzlich bedeutsamer Faktoren - wie z.B. die Entwicklung des Lebenshaltungsindex der letzten 20 Jahre für einen Vierpersonenarbeitnehmerhaushalt, standort- und objektbezogene Umstände u.a. - erstellt worden wäre. Dass damit nicht zugleich gesagt wird, dass die Vergleichsobjekte in der Stadt E. liegen, ist insoweit ohne Belang. Der Eindruck, dass die Prognose sicherer sei, weil Erfahrungswerte über die Entwicklung der Mieten bestünden, wird verstärkt durch die Ausführungen auf S. 50 2. Absatz des Prospekts, wo es heißt, dass bei der Anlage in zu vermietende Immobilien - anders als bei Risikokapitalinvestitionen - die Prognoserechnungen auf einem soliden Fundament aufbauten, weil die Fortschreibung der am konkreten Markt üblichen, erzielbaren Mieten für die Zukunft, nicht zuletzt aufgrund von Erfahrungswerten der Vergangenheit, im Schätzungswege möglich sei. Dass sich diese Ausführungen im Prospekt unter der Überschrift 'Einkommensteuer' finden, steht ihrer Würdigung im vorliegenden Zusammenhang nicht entgegen. Für die Beurteilung, ob ein Emissionsprospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger vermittelt (BGH, Sen.Urt. v. 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924; Urt. v. 28. Februar 2008 - III ZR 149/07, VuR 2008, 178 Tz. 8).
Die Aussage, dass die Liquiditätsprognose und die ihr zugrunde gelegte künftige Mietentwicklung darauf beruhten, dass in der Vergangenheit bei vergleichbaren Objekten unter vergleichbaren äußeren Umständen Mietzuwächse in dieser Höhe erzielt werden konnten, ist unzutreffend. Anders als es der Prospekt suggeriert, standen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den Prospektverantwortlichen solche 'Erfahrungswerte der Vergangenheit', die die Annahme stützen konnten, dass auch für die Fondsimmobilie Mietzuwächse in der im Prospekt dargestellten Höhe zu erzielen seien, nicht zur Verfügung.
Anders als die Anschlussrevision meint, ist ein Prospektfehler nicht deshalb zu verneinen, weil - wovon mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren auszugehen ist - die Prognose über die Steigerung der Mieterträge durch ausreichende Tatsachen (Entwicklung des Lebenshaltungskostenindex der letzten zwanzig Jahre für einen Vierpersonenarbeitnehmerhaushalt, Mietspiegel der Stadt E. , Mitteilung der Stadt E. über den voraussichtlichen Wohnungsbedarf, standort- und objektbezogene Umstände) gestützt und aus damaliger Sicht kaufmännisch vertretbar war. Zwar sind die Interessen eines Anlegers, der mit seiner Entscheidung für die Anlage das Risiko trägt, dass die prospektierte künftige Entwicklung des Anlageobjekts nicht eintritt, grundsätzlich gewahrt, wenn die Prognose diese Voraussetzungen erfüllt und die künftigen Mieterträge nach den damals gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken kalkuliert sind (BGH, Sen.Urt. v. 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 927 f.; Urt. v. 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 Tz. 19; v. 18. Juli 2008 - V ZR 71/07, WM 2008, 1798 Tz. 11).
So verhält es sich hier jedoch nicht. Auch wenn die Prognose hinreichend auf Tatsachen gestützt und kaufmännisch vertretbar war, wird dem Anlageinteressenten hier ein unzutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung vermittelt, weil im Prospekt der unrichtige Eindruck erweckt wird, das jeder Prognose - auch wenn sie den genannten Anforderungen genügt - anhaftende Risiko, dass sie sich im nachhinein als unzutreffend erweist, sei bei dem angebotenen Anlageobjekt geringer zu bewerten, weil die Schätzung 'auf Erfahrungswerten der Vergangenheit' beruhe und deshalb zuverlässiger sei.
Dieser Eindruck wird durch die im Prospekt erteilten Risikohinweise nicht entkräftet. Mit der Formulierung, dass sich die Mieten anders als im Prospekt dargestellt entwickeln können, weil es sich um künftige Sachverhalte handele, wird dem Anlageinteressenten lediglich die jeder Prognose immanente Unsicherheit vor Augen geführt. Dass die für diesen Fonds prospektierten Werte zuverlässiger sind, weil sie auf Erfahrungswerten der Vergangenheit beruhen, wird damit jedoch nicht in Frage gestellt.
2. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Prospektfehler für die Beitrittsentscheidung des Klägers ursächlich war.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (Senat, BGHZ 177, 25 Tz. 19; 79, 337, 346; Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 16; v. 1. März 2004 - II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106; v. 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Tz. 23). Diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sichert das Recht des Anlegers, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden, ob er in ein bestimmtes Projekt investieren will oder nicht (Senat, BGHZ 123, 106, 112 ff.).
Die Vermutung, dass sich der Kläger - über den unrichtig dargestellten Umstand zutreffend aufgeklärt - gegen eine Beteiligung entschieden hätte, ist nicht deshalb entkräftet, weil - wie die Anschlussrevision meint - bei einer gehörigen Aufklärung für den Kläger vernünftigerweise mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens bestanden hätten und er in einen Entscheidungskonflikt gekommen wäre. Bei einem Immobilienfonds, von dem der durchschnittliche Anleger Werthaltigkeit erwartet, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er bei richtiger Aufklärung über wichtige, die Werthaltigkeit der Anlage beeinflussende Umstände dem Fonds nicht beigetreten wäre, auch wenn er mit erheblichen Steuervorteilen geworben wurde (BGH, Sen.Urt. v. 2. März 2009 - II ZR 266/07, ZIP 2009, 764 Tz. 6; v. 22. März 2010 - II ZR 66/08, WM 2010, 972 Tz. 19; Urt. v. 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, ZIP 2006, 568 Tz. 24). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls bei hochspekulativen Geschäften in Betracht (BGHZ 160, 58, 66 f.; vgl. aber BGH, Urt. v. 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, ZIP 2009, 1264 Tz. 22 zur grundsätzlich geltenden Kausalitätsvermutung), zu denen die Beteiligung an einem Immobilienfonds grundsätzlich nicht gehört (BGH, Sen.Urt. v. 22. März 2010 aaO Tz. 19; Urt. v. 9. Februar 2006 aaO Tz. 24).
3. Ohne Erfolg wendet sich die Anschlussrevision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei durch den Beitritt ein Schaden entstanden. Auf einen Schaden im Sinne fehlender Werthaltigkeit der Beteiligung kommt es nicht an; Grund für die Haftung der Beklagten ist der Eingriff in das Recht des Klägers, zutreffend informiert über die Verwendung seines Vermögens selbst zu bestimmen und sich für oder gegen die Anlage zu entscheiden (Senat, BGHZ 123, 106, 112 f.). Ist der Kläger durch die unzutreffende Aufklärung dazu veranlasst worden, dem Immobilienfonds beizutreten, kann er verlangen, im Wege der Naturalrestitution so gestellt zu werden, als wenn er sich an dem Fonds nicht beteiligt hätte, und hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der für den Erwerb der Anlage gemachten Aufwendungen abzüglich erhaltener Ausschüttungen - hier 45.939,56 € - gegen Rückgabe der Anlage.
B. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich die im Zusammenhang mit der Anlage erzielten Steuervorteile auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen.
1. Gegen eine Anrechnung der dem Kläger infolge seiner Beteiligung erwachsenen Steuervorteile bestehen schon deshalb Bedenken, weil sich der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Kenntnis des Prospektfehlers an einem anderen Steuersparmodell beteiligt und dies - wie nach der Lebenserfahrung anzunehmen ist - zu vergleichbaren steuerlichen Folgen geführt hätte. Mit seiner Auffassung, der Kläger müsse sich dennoch die erzielten Steuervorteile anrechnen lassen, weil sich seinem Vortrag nicht hinreichend entnehmen lasse, dass ihm die Alternativanlage Steuervorteile in derselben Höhe verschafft hätte und diese zudem ordnungsgemäß laufe, überspannt das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag des Klägers.
Von einem Anleger, der einem Fonds aufgrund unrichtiger Prospektangaben beigetreten ist, kann nicht erwartet werden, dass er Jahre nach Zeichnung einer Anlage im einzelnen darlegt, welche anderweitigen Anlagemöglichkeiten zum damaligen Zeitpunkt bestanden und welche steuerlichen Auswirkungen sich für ihn ergeben hätten, wenn er sich für ein Alternativinvestment entschieden hätte. Ist davon auszugehen, dass sich der Kläger in Kenntnis des Prospektfehlers an einem anderen Steuersparmodell beteiligt hätte, spricht alles dafür, dass er eine Anlage gewählt hätte, die ihm Steuervorteile in vergleichbarer Höhe gebracht hätte. Gegenteiliges kann der von der Anschlussrevision herangezogenen Entscheidung des Senats (BGH, Sen.Urt. v. 6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Tz. 21) ebenso wenig entnommen werden wie dem angeführten Urteil des XI. Zivilsenats (BGH, Urt. v. 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, ZIP 2004, 452), das sich nicht zur Anrechnung von Steuervorteilen verhält.
Dass zum damaligen Zeitpunkt gleichwertige alternative Anlagen am Markt nicht verfügbar gewesen wären oder dass ein Alternativinvestment dem Kläger ausnahmsweise lediglich geringere Steuervorteile verschafft hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Anhaltspunkte dafür sind - auf der Grundlage des Parteivortrags - auch nicht ersichtlich.
2. Eine Anrechnung von Steuervorteilen scheidet davon abgesehen aber deshalb aus, weil der Kläger nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Schadensersatzleistung zu versteuern hat.
a) Im Ansatz noch zutreffend geht das Berufungsgericht von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anrechnung von Steuervorteilen aus. Danach muss sich der Anleger im Wege des Vorteilsausgleichs die im Zusammenhang mit der Anlage erzielten, dauerhaften Steuervorteile auf seinen Schaden anrechnen lassen, sofern nicht die Ersatzleistung ihrerseits, etwa als Betriebseinnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, besteuert wird (Senat, BGHZ 159, 280, 294; 74, 103, 114 ff.; 53, 132, 138; BGH, Sen.Urt. v. 7. Dezember 2009 - II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Tz. 31; v. 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 27; v. 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 257; v. 14. Januar 2002 - II ZR 40/00, DStR 2002, 778, 779; BGH, Urt. v. 17. November 2005 - III ZR 350/04, ZIP 2006, 573 Tz. 8; Urt. v. 6. März 2008 - III ZR 298/05, ZIP 2008, 838 Tz. 28; Beschl. v. 9. April 2009 - III ZR 89/08, BeckRS 2009, 11192 Tz. 10). Trotz Versteuerung der Ersatzleistung sind die erzielten Steuervorteile demgegenüber aber anzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (z.B. BGH, Sen.Urt. v. 9. Oktober 1989 - II ZR 257/88, WM 1990, 145, 148; v. 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1654; Urt. v. 12. Februar 1986 - IVa ZR 76/84, ZIP 1986, 562, 565; v. 17. November 2005 - III ZR 350/04, ZIP 2006, 573 Tz. 8; v. 6. März 2008 - III ZR 298/05, ZIP 2008, 838 Tz. 28; Beschl. v. 9. April 2009 - III ZR 89/08, BeckRS 2009, 11192 Tz. 10; Urt. v. 19. Juni 2008 - VII ZR 215/06, WM 2008, 1757 Tz. 13).
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Anhaltspunkte für derartige außergewöhnliche Steuervorteile bestehen, trägt der Schädiger (z.B. BGH, Sen.Urt. v. 14. Juli 2003 - II ZR 202/02 aaO; Urt. v. 6. März 2008 - III ZR 298/05 aaO; Beschl. v. 9. April 2009 - III ZR 89/08 aaO; v. 12. Februar 1986 - IVa ZR 76/84 aaO). Sind danach Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Geschädigte außergewöhnliche Steuervorteile erlangt hat, ist eine konkrete Berechnung vorzunehmen, die Sache des Schädigers ist; den Geschädigten trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, weil nur er über die insoweit erforderlichen Kenntnisse verfügt. Er ist deshalb gehalten, die für die Berechnung erforderlichen Daten mitzuteilen (BGH, Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007- II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 27). Kommt er seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt die Behauptung der primär beweisbelasteten Partei als zugestanden (Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rdn. 34 c).
Von dieser Rechtsprechung abzurücken sieht der Senat trotz vereinzelt erhobener Bedenken in der Literatur (Wagner, GWR 2009, 364; Loritz/Wagner, ZfIR 2003, 753, 761 f.; Müller, EWiR 1990, 871, 872; zustimmend: Podewils, ZfIR 2008, 461, 462) und in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG München BeckRS 2008, 04917; OLG Karlsruhe GWR 2009, 68) keinen Anlass.
b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, für eine typisierende Betrachtung der mit der Anlage verbundenen Steuervorteile und Steuernachteile sei hier kein Raum, weil wegen der sukzessiven Absenkung des Einkommensteuerspitzensatzes von 53 % im Jahr 1999 auf derzeit 45 % Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Kläger einen außergewöhnlichen Steuervorteil erlangt habe. Dies trifft nicht zu.
(1) Die Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer führt für sich genommen nicht dazu, dass die mit der Anlage verbundenen Steuervorteile - erheblich - höher sind als der durch die Besteuerung der Ersatzleistung entstehende Steuernachteil. Ob und in welchem Umfang die Absenkung des Steuersatzes die Besteuerung der Ersatzleistung beeinflusst, hängt von einer Vielzahl von Faktoren des einzelnen Steuerfalls ab.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, mit der sukzessiven Absenkung des Spitzensteuersatzes als einem für die Besteuerung der Ersatzleistung maßgeblichen Faktor sei ohne weiteres ein 'Anhaltspunkt für außergewöhnliche, dem Geschädigten verbleibende Steuervorteile' gegeben mit der Folge, dass eine konkrete Berechnung der Steuervorteile vorzunehmen sei, ist mit der pauschalierenden Betrachtungsweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu vereinbaren, die es - gestützt auf § 287 ZPO - gerade hinnimmt, dass sich einzelne Umstände der konkreten Besteuerung in der Zeit zwischen der Zeichnung der Anlage und der Geltendmachung der Schadensersatzleistung ändern und Steuervorteil und Steuernachteil im Einzelfall nicht deckungsgleich sind. Der mit dieser Rechtsprechung verfolgte Zweck, bei Besteuerung der Ersatzleistung den mit einer konkreten Berechnung des Steuervorteils wegen der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Zeiträumen verbundenen unverhältnismäßigen Aufwand zu vermeiden, beansprucht auch dann Geltung, wenn eine Änderung der konkreten Besteuerung wegen der Absenkung des Spitzensteuersatzes in Betracht kommt. Dass denkbare Steuervorteile, die auf einer Absenkung des Spitzensatzes der Einkommensteuer beruhen, von vornherein derart 'außergewöhnlich' sein sollten, dass es unbillig wäre, sie dem Anleger zu belassen, ist nicht nachvollziehbar.
(2) Gegen die Sichtweise des Berufungsgerichts, schon die Absenkung des Spitzensteuersatzes zwischen dem Erwerb des Kommanditanteils und dem Schadensersatzverlangen biete Anhaltspunkte für einen dem geschädigten Anleger verbleibenden außergewöhnlichen Steuervorteil, der es ausschließe, ihm die pauschalierende Betrachtungsweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugute kommen zu lassen, sprechen außerdem die sich daraus ergebenden, den praktischen Erfordernissen schwerlich Rechnung tragenden Folgen im Schadensersatzprozess: Ist eine konkrete Berechnung vorzunehmen, trifft den Anleger die sekundäre Darlegungslast für die aus seiner Sphäre stammenden Daten, die zur Berechnung der mit der Anlage verbundenen Steuervorteile und Steuernachteile erforderlich sind (BGH, Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007- II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 27). Entsprechender Vortrag ist dem Anleger im Schadensersatzprozess jedoch nicht möglich, da ihm zu diesem Zeitpunkt die für seine Besteuerung im Jahr des Zuflusses der Schadensersatzzahlung maßgeblichen Umstände, hier insbesondere die Höhe des aus freiberuflicher Tätigkeit erzielten Einkommens, nicht bekannt sind. Kann eine exakte Berechnung der erzielten Steuervorteile unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage erst nach Ablauf desjenigen Veranlagungszeitraums vorgenommen werden, in dem die Ersatzleistung geflossen ist, müsste sich der geschädigte Anleger die beim Erwerb des Anteils erlangten Steuervorteile - ganz oder verringert um die im Zuflussjahr geschätzte Steuerlast - auf seine Schadensersatzleistung anrechnen lassen und würde auf eine spätere Nachforderung der ihm durch die Ersatzleistung entstandenen weiteren Steuernachteile verwiesen. Abgesehen davon, dass hierdurch theoretisch eine endlose Wiederholung droht, da auf die im Folgeverfahren zugesprochene Schadensersatzleistung wiederum Steuern anfallen, deren Ersatz ebenfalls beansprucht werden kann, hat diese Verfahrensweise außerdem zur Folge, dass der Anleger, der die Schadensersatzleistung erhalten will, den Fondsanteil aus der Hand geben muss, obwohl feststeht, dass ihm wegen der Besteuerung der Ersatzleistung weitere Ansprüche zustehen oder - sofern die Steuernachteile vorab geschätzt wurden - solche jedenfalls in Betracht kommen. Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die gerade auch zur Vermeidung dieser Folgen eine typisierende Betrachtung von Steuervorteil und Steuernachteil vornimmt, einem geschädigten Anleger grundsätzlich nicht zumutbar (BGHZ 53, 132, 138). Hiervon allein wegen der Absenkung des Steuersatzes von 53 % auf 45 % abzuweichen, erscheint bei einer Gesamtbetrachtung der gegebenen Umstände auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt.
(3) Einer pauschalierenden Betrachtungsweise von Steuervorteilen und Steuernachteilen steht schließlich auch nicht die Höhe des dem Kläger infolge der Absenkung des Spitzensteuersatzes möglicherweise verbleibenden abstrakten Steuervorteils entgegen. Der von der Beklagten errechnete abstrakte Differenzbetrag von 8.562,86 € ist, wie die Revision mit Recht rügt, schon nicht nachvollziehbar, weil er nicht nur auf der Absenkung des Spitzensteuersatzes von 53 % auf 45 %, sondern darauf beruht, dass für das Jahr 1999 - anders als für 2008 - nicht nur der geltende Spitzensteuersatz, sondern eine Steuerbelastung von insgesamt 60,95 % zugrunde gelegt wird. Ist der von der Beklagten berechnete Betrag somit nahezu um die Hälfte geringer, stellt sich ein auf der Absenkung des Spitzensteuersatzes beruhender möglicher Steuervorteil - jedenfalls - in der dann gegebenen Größenordnung nicht als außergewöhnlicher Vorteil im Sinne der Rechtsprechung dar, der dem geschädigten Anleger - nimmt man die Schwierigkeiten und nachteiligen Folgen einer exakten Berechnung in den Blick - billigerweise nicht belassen werden könnte.
Goette Strohn Reichart Drescher Bender Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 22.12.2006 - 2/1 O 50/06 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 20.01.2009 - 5 U 75/07 -