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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 16.12.1968, Az.: III ZR 109/68

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 21. September 1967 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Main) vom 6. Oktober 1966 abgeändert.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittelzüge, an das Landgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, den er am 18. Oktober 1965 durch den Zusammenstoß seines Personenkraftwagens mit einem Fahrzeug der US-Streitkräfte in Frankfurt (Main) erlitten hat. Der Fahrer der Streitkräfte mißachtete auf einer durch Signalanlagen gesicherten Kreuzung die Vorfahrtsregeln. Der Kläger meldete seinen Schaden am 23. November 1965 bei dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten in Frankfurt (Main) (AVL) an. Das AVL bat noch am selben Tag bei der amerikanischen Dienststelle um Mitteilung der Versicherung und benachrichtigte hiervon den Kläger. Nachdem das AVL am 15. Dezember 1965 Mitteilung erhalten hatte, daß es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt habe, ersuchte das AVL mit Schreiben vom 21. Dezember 1965 das hierfür zuständige United States Army Claims Office in Mannheim um die Erteilung einer Bescheinigung gemäß Art. 41 Abs. 11 des Zusatzabkommens zu dem NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 - BGBl II 1961, 1218 - (ZA-NTS). Der Kläger wurde hiervon benachrichtigt und ihm mitgeteilt, daß er von dem Eingang der Bescheinigung unterrichtet werde. Am 29. April 1966 ging die Bescheinigung bei dem AVL ein, die dahin ging, daß ein Schadensfall im Sinne des Art. VIII Abs. 5 des NATO-Truppenstatuts vorliege. Mit der am selben Tag bei dem Landgericht eingegangenen und der Beklagten am 9. Mai 1966 zugestellten Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 882 DM nebst Zinsen als Ersatz seines restlichen Sachschadens sowie zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen verlangt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, daß sie verfrüht erhoben sei, nämlich bevor das AVL eine Entschließung getroffen habe; die in dem Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen vom 18. August 1961 - BGBl II 1183 - (NTS-AG) vorgesehene Frist, nach deren Ablauf Ansprüche, wegen Stationierungsschäden bereits vor der Entschließung der deutschen Behörde klageweise geltend gemacht werden können, sei erst mit dem Eingang der Bescheinigung der Streitkräfte bei dem Amt in Lauf gesetzt worden und bei Klageerhebung nicht abgelaufen gewesen.

Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.

Mit der zugelassenen Revision bittet der Kläger um Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht, hilfsweise an das Berufungsgericht. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision. Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht ist mit den Parteien zutreffend davon ausgegangen, daß die hier erhobenen Ansprüche nach Haßgabe des seit dem 1. Juli 1963 geltenden Ausführungsgesetses zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen geltend zu machen sind. Denn es handelt sich um Ansprüche aus Schäden, die nach dem 1. Juli 1963 infolge von Handlungen oder Unterlassungen der in der Bundesrepublik stationierten fremden Streitkräfte in Ausübung des Dienstes zugefügt worden sind.

Nach Art. 12 des deutschen Ausführungsgesetzes kann der Antragsteller nach ordnungsmäßiger Anmeldung seiner Ansprüche Klage grundsätzlich erst erheben, wenn die Anmeldungsbehörde eine (die Ansprüche ablehnende) Entschließung über die angemeldeten Ansprüche getroffen hat. Ergeht eine Entschließung der Anmeldungsbehörde nicht in angemessener Frist, dann ist die Klage gemäß Art. 12 Abs. 4 NTS-AG auch zulässig, wenn eine angemessene Frist verstrichen ist, die jedoch nicht weniger als fünf Monate betragen darf. Diese Frist beginnt nach Art. 12 Abs. 4 Satz 1 NTS-AG mit dem Eingang der Anmeldung bei dem AVL. Ein anderer (späterer) Zeitpunkt für den Beginn der Frist ist nach Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG jedoch "in den Fällen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1" maßgebend. Art. 10. Abs. 2 Satz 1 NTS-AG betrifft diejenigen Fälle, in denen "ein Verfahren nach Art. 41 Abs. 11 des Zusatzabkommens durchgeführt worden, (ist)". Diese in Bezug genommene Vorschrift des Art. 41 Abs. 11 des Zusatzabkommens enthält nähere Regelungen über die Bescheinigung, welche der Entsendestaat in den Fällen der sogenannten Unrechtsschäden über die Fragen abzugeben hat, ob eine zu Schadensersatz verpflichtende Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Dienstes begangen worden ist oder ob die Benutzung eines Fahrzeuges der Streitkräfte des Entsendestaates unbefugt war. Ist ein solches "Verfahren" durchgeführt worden, so tritt gemäß Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG für den Beginn der Frist, bis zu deren Ablauf der Antragsteller mit der Klageerhebung zu warten hat, an die Stelle des Zeitpunkts, in dem der Antrag bei der Anmeldungsbehörde eingegangen ist, der Zeitpunkt, "in dem das Verfahren zur Erlangung der Bescheinigung der Truppe abgeschlossen oder die Entscheidung des Schiedsrichters der Behörde zugegangen ist".

Das Berufungsgericht hat die Vorschrift des Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG auch auf den vorliegenden Fall angewandt und ist auf dieser rechtlichen Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG für eine Klageerhebung vor Entschließung der Anmeldungsbehörde nicht erfüllt seien. Hierzu hat das Berufungsgericht erwogen:

Die fünfmonatige Mindestfrist des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG habe nicht schon mit dem Eingang der Anmeldung der Ersatzansprüche bei dem AVL am 23. November 1965 gemäß Art. 12 Abs. 4 Satz 1 NTS-AG, sondern nach Satz 2 dieser Bestimmung erst mit dem Eingang der Bescheinigung der Truppe bei dem AVL am 29. April 1966 begonnen. Ein "Verfahren zur Erlangung der Bescheinigung der Truppe" im Sinne von Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG liege schon dann vor, wenn die Anmeldungsbehörde gemäß Art. 41 Abs. 11 ZA-NTS die Bescheinigung von der Truppe anfordere und nicht erst von dem Augenblick an, in dem nach Erteilung der Bescheinigung auf Grund von Meinungsverschiedenheiten über ihren Inhalt zwischen der Behörde und der Truppe der für diesen Fall in Art. 41 Abs. 11 ZA-NTS vorgesehene Verfahrensweg beschritten werde. Eine andere Betrachtungsweise würde die durch Art. 12 Abs. 4 NTS-AG eröffnete Möglichkeit der Klageerhebung von Zufälligkeiten abhängig machen und den Gedanken der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung weitgehend durchbrechen. Deshalb sei die Mindestfrist von fünf Monaten weder bei der Klageerhebung (9. Mai 1966) noch am Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (22. September 1966) verstrichen gewesen. Da dem AVL nach der Klageerhebung die Akten entzogen worden seien, habe es den Schadensfall auch nicht während des Rechtsstreits weiterbearbeiten können. Insofern könne auch vom Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aus gesehen der seit Eingang der Bescheinigung vergangene Zeitraum nicht als "angemessene Frist" im Sinne von Art. 12 Abs. 4 NTS-AG angesehen werden.

II.Das Berufungsurteil kann nicht bestehen bleiben, da die Klage durch Ablauf der Frist des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG im Berufungsrechtszug zulässig geworden, ist, so daß über sie sachlich hätte entschieden werden müssen.

1.Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Bescheinigung von der hierfür zuständigen Dienststelle der Streitkräfte ohne weitere Schwierigkeiten in angemessener Frist erteilt wird, die fünfmonatige Mindestfrist des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG nicht vor dem Eingang der Bescheinigung bei dem AVL beginnt (Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG). Erfolglos macht die Revision geltend, daß die Anforderung der Bescheinigung von der Truppe durch die Anmeldungsbehörde noch kein "Verfahren nach Art. 41 Abs. 11 ZA-NTS" im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG eröffne, der Anwendungsbereich dieser Vorschrift vielmehr auf die Fälle beschränkt werden müsse, in denen nach Erteilung der Bescheinigung Meinungsverschiedenheiten zwischen der Truppe und der deutschen Behörde über den Inhalt der Bescheinigung entständen und hierüber Verhandlungen nach Maßgabe des Art. 41 Abs. 11 ZA-NTS geführt oder der Schiedsrichter gemäß Art. VIII Abs. 8 des NATO-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 - BGBl II 1961, 1190 - (NTS) angerufen werde.

Eine solche auch im Schrifttum (Danckelmann bei Palandt BGB 26. Aufl. NTS-AG Art. 12 Anm. 6 b) befürwortete Auslegung findet weder im Wortlaut der Vorschrift noch in ihrem Zweck eine hinreichende Stütze.

Seinem Wortlaut nach ist Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG "in den Fällen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1" anzuwenden. Die Wendung "in den Fällen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1" kehrt in Abs. 5 desselben Artikels wieder = Danach kann, wenn die Behörde "in den Fällen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1" einen Anspruch nicht anerkannt hat, weil der Inhalt der von der Truppe erteilten Bescheinigung der Anerkennung entgegenstand, das mit der Sache befaßte Gericht bei begründeten Bedenken gegen die Richtigkeit des Inhalts der Bescheinigung die Behörde ersuchen, die Entscheidung des Schiedsrichters herbeizuführen, sofern eine solche noch nicht vorliegt. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, daß nicht nur die deutsche Behörde, sondern auch das Gericht über den Anspruch nur im Einklang mit der Bescheinigung der Truppe oder gegebenenfalls der Entscheidung des Schiedsrichters erkennen darf (Art. 41 Abs. 11 c ZA-NTS) und daher auch in dem der Entschließung der Anmeldungsbehörde nachfolgenden gerichtlichen Verfahren zur Erzielung einer gerechten Entscheidung ein besonderes Bedürfnis hervortreten kann, die Abänderung einer als unrichtig erkannten Bescheinigung herbeizuführen. Die Befugnis, die Bescheinigung durch einen Schiedsrichter überprüfen zu lassen, ist den Gerichten entsprechend dem Sinn der Vorschrift ohne Rücksicht darauf eingeräumt worden, ob die Anmldungsbehörde sich bei ihrer Entschließung ohne weiteres den Inhalt der Bescheinigung der Truppe zu eigen gemacht hat oder ob zuvor zwischen der Anmeldungsbehörde und der Truppe über Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Inhalts der Bescheinigung bereits verhandelt worden ist; Voraussetzung ist lediglich, daß eine Entscheidung des Schiedsrichters nicht ergangen ist. Demgemäß bezeichnet die Bezugnahme auf die "Fälle des Art. 10 Abs. 2 Satz 1" in Art. 12 Abs. 5 NTS-AG sämtliche Fälle, in denen die Entschließung der Anmeldungsbehörde ebenso wie die gerichtliche Entscheidung nach Art. 41 Abs. 11 ZA-NTS der Bescheinigung der Truppe bedarf, beschränkt sich also nicht auf die Fälle, in denen eine besondere Verhandlung zwischen der Anmeldungsbehörde und der Truppe über den Inhalt der Bescheinigung stattgefunden hat.

Dann aber ist nicht anzunehmen, daß der gleichlautenden Bezugnahme in Abs. 4 Satz 2 desselben Artikels eine andere (einschränkende) Bedeutung zukommen sollte. Etwas anderes läßt sich auch nicht daraus gewinnen, daß diese Vorschrift von dem "Verfahren zur Erlangung der Bescheinigung der Truppe" spricht und u.a. an den Abschluß dieses "Verfahrens" den Beginn der Wartefrist für eine Klage knüpft. Begrifflich ist ein "Verfahren zur Erlangung der Bescheinigung" bereits eröffnet, wenn die Anmeldungsbehörde sich mit der zuständigen Truppendienststelle zwecks Erteilung der erforderlichen Bescheinigung ins Benehmen setzt und nicht erst in dem Augenblick, in dem über den Inhalt einer bereits abgegebenen ("erlangten") Bescheinigung oder über Bedenken gegen ihre Erteilung zwischen Behörde und Truppe verhandelt wird. Weder das NATO-Truppenstatut noch das Zusatzabkommen hierzu enthalten Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Begriffs. Art. 41 Abs. 11 des Zusatzabkommens, auf den die übrigen Bestimmungen verweisen, hat ganz allgemein die Erteilung der Bescheinigung zum Gegenstand und nicht nur die Fälle, in denen Meinungsverschiedenheiten zwischen der deutschen Behörde und der Truppe über den Inhalt der Bescheinigung entstehen. Den Begriff "Verfahren" verwendet diese Vorschrift selbst nur unter Bezugnahme auf Art. VIII Abs. 8 NATO-Truppenstatut, der die Möglichkeit vorsieht, bei einer Meinungsverschiedenheit über den Inhalt der Bescheinigung, welche selbst auf höherer Ebene nicht ausgeräumt werden kann, einen Schiedsrichter anzurufen, dessen Entscheidung endgültig und unanfechtbar ist. Auch die Revision bezweifelt nicht, daß nicht nur dieses Verfahren vor dem Schiedsrichter ein "Verfahren nach Art. 41 Abs. 11 ZA-NTS" im Sinne von Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG ist. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die ausdrücklich den Fristbeginn an den Zugang der Entscheidung des Schiedsrichters oder den Abschluß des "Verfahrens zur Erlangung der Bescheinigung der Truppe" knüpft.

Die Auslegung des Artikels 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG dahin, daß in den Fällen, in denen die Anmeldungsbehörde vor ihrer Entschließung eine Bescheinigung einzuholen hat, die Wartefrist für eine Klage frühestens in dem Zeitpunkt beginnt, in dem die Bescheinigung von der Truppe erteilt worden ist, entspricht auch dem Sinn der Regelung. Der Grundsatz, daß der angemeldete Anspruch klageweise erst geltend gemacht werden kann, wenn die (negative) Entschließung der Anmeldebehörde ergangen ist, soll nicht dazu führen, daß der Antragsteller durch eine verzögerliche Bearbeitung seiner Anmeldung durch die deutsche Behörde in seinen Interessen stärker betroffen wird, als dies nach Lage der Sache und den Besonderheiten des Verfahrens geboten ist. Deshalb räumt Art. 12 Abs. 4 NTS-AG dem Antragsteller eine Klagebefugnis ein, wenn die Anmeldungsbehörde ihm nicht innerhalb einer "angemessenen" Frist nach Eingang seines Antrags ihre Entschließung mitgeteilt hat. Welche "Wartefrist" in diesem Sinne angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles; maßgebend ist der Zeitraum, in dem die Anmeldungsbehörde bei ordnungsmäßiger, zügiger Bearbeitung eine Entschließung über den Antrag treffen konnte. In denjenigen Fällen, in denen nach Art. 41 Ziff. 11 ZA-NTS eine Bescheinigung der Truppe einzuholen ist, kann die Anmeldungsbehörde über den angemeldeten Anspruch erst befinden, wenn ihr die Bescheinigung der Truppe vorliegt. Die in diesen Fällen erheblichen Fragen, ob eine zu Schadensersatz verpflichtende Handlung oder Unterlassung in Ausübung des Dienstes begangen worden ist oder ob die Benutzung eines Fahrzeugs der Streitkräfte des Entsendestaats unbefugt war, betreffen innere Angelegenheiten (Interna) der Streitkräfte, über die diese sich die Entscheidung selbst vorbehalten haben. Den deutschen Behörden und Gerichten ist eine Entscheidung über diese Fragen nicht zugestanden; sie können auf den Inhalt der Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren allenfalls in dem durch Art. 41 Ziff. 11 des Zusatzabkommens beschränkten Umfang Einfluß nehmen. Im Blick auf diese Besonderheit, die notwendig eine Verzögerung in der Bearbeitung der Anmeldung durch die deutsche Behörde zur Folge hat, läßt Art. 12 Abs. 4 Satz 2 des Ausführungsgesetzes die "angemessene" Frist, innerhalb deren die deutsche Behörde über die Anmeldung zu entscheiden hat, erst beginnen, wenn das Verfahren zur Erlangung der Bescheinigung der Truppe abgeschlossen oder die Entscheidung des Schiedsrichters der Behörde zugegangen ist, d.h. wenn die die Interna der Streitkräfte betreffenden Fragen von der hierfür zuständigen Stelle des Entsendestaats abschließend beantwortet sind.

Nach dem ihr zugrunde liegenden Gedanken muß die Vorschrift des Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG somit grundsätzlich auf alle Fälle angewendet werden, in denen für die Entschließung der Anmeldungsbehörde "Interna" der Streitkräfte betreffende Fragen im Sinne von Art. VIII Abs. 8 NTS zu beantworten sind und zu diesem Zweck die zuständige Dienststelle des Entsendestaates in das Anmeldungsverfahren eingeschaltet werden muß. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob die Beantwortung der Fragen durch die Truppendienststelle bei der Anmeldungsbehörde auf Zustimmung oder Ablehnung stößt (so auch Rieger. Stationierungsschädenrecht 1963 NTS-AG Art. 10 Randn. 3, Art. 12 Randn. 15). Eine solche Beschränkung der Bestimmung würde im übrigen zu dem für die Rechtssicherheit unannehmbaren Ergebnis führen, daß bis zur Erteilung der Bescheinigung der Truppe Ungewißheit über den Beginn der "Wartefrist" des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG herrschen würde, da vor diesem Zeitpunkt nicht feststehen kann, ob es zu Verhandlungen über den Inhalt der Bescheinigung kommen wird oder nicht.

Durch diese Auslegung des Art. 12 Abs. 4 Satz 2 NTS-AG wird auch nicht die Bestimmung des Art. 12 Abs. 4 Satz 1 NTS-AG gegenstandslos, nach der die Wartefrist für eine vorzeitige Klage bereits vom Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung bei der Anmeldungsbehörde beginnt. Diese Bestimmung behält ihre Bedeutung für diejenigen Fälle, in denen die Anmeldungsbehörde ihre Entschließung treffen kann, ohne daß eine Bescheinigung der Truppe vorliegen muß. Das gilt insbesondere für Ansprüche wegen sogenannter Belegungsschäden und für Ansprüche aus Unrechtsschäden in denjenigen Fällen, in denen nicht festgestellt werden kann, welche von den in Betracht kommenden Truppen für den Verlust oder Schaden verantwortlich ist (Art. 41 Abs. 11 a ZA-NTS).

Es kann dahinstehen, ob die Frist für eine Klageerhebung nach Art. 12 Abs. 4 NTS-AG anders zu berechnen ist, wenn die zuständige Dienststelle der Streitkräfte die Erteilung der Bescheinigung unangemessen verzögert, da eine solche Fallgestaltung hier nicht gegeben ist. Jedenfalls für den in Art. 12 Abs. 4 NTS-AG vorausgesetzten Regelfall, daß sich die Streitkräfte loyal verhalten und sich im Interesse des Geschädigten um eine zügige Bearbeitung des Schadensfalls bemühen, beginnt die Wartefrist des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG nicht vor dem Eingang der Bescheinigung der Truppe bei dem AVL nach Maßgabe von Satz 2 dieser Vorschrift, Deshalb war die Frist, nach deren Ablauf eine Klage vor der Entschließung des AVL zulässig war, im vorliegenden Fall erst mit dem Eingang der Bescheinigung bei dem AVL am 29. April 1966 in Lauf gesetzt worden.

2.Da die angemessene Wartezeit für die Klage nach Art. 12 Abs. 4 NTS-AG mindestens 5 Monate beträgt, war die Frist im Augenblick der Klageerhebung am 9. Mai 1966 noch nicht verstrichen. Mit dem Berufungsgericht ist jedoch davon auszugehen, daß auch eine zu früh erhobene Klage noch während des gerichtlichen Verfahrens zulässig werden kann, wenn die deutsche Behörde die Entschließung bei zügiger Bearbeitung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls noch vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht hätte herbeiführen können. Da es sich um eine Prozeßvoraussetzung handelt, hat das Revisionsgericht die hierzu erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen, ohne insoweit an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden zu sein. Diese Würdigung ergibt, daß die Wartefrist des Art. 12 Abs. 4 NTS-AG zwar noch nicht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22. September 1966, wohl aber bei der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 21. September 1967 verstrichen gewesen ist. Seit dem Eingang der Bescheinigung der Stationierungsstreitkräfte am 29. April 1966 hatte das AVI bis zu diesen Zeitpunkt fast 17 Monate Zeit, eine Entschließung über den Schadensfall herbeizuführen, der weder seinem Sachverhalt nach noch rechtlich besondere Schwierigkeiten bot. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Akten des AVL über die angemeldeten Ansprüche vom Landgericht alsbald nach der Klageerhebung angefordert worden sind, hätte das AVL in diesem Zeitraum bei zügiger Bearbeitung über die angemeldeten Ansprüche befinden können, da die Akten von den Gerichten nicht wahrend des ganzen Verfahrens, sondern nur zeitweise benötigt worden sind und der zuständige Sachbearbeiter des AVL somit auch nach Klageerhebung ohne Schwierigkeiten und besonderen Zeitverlust Einsicht in die Akten hatte nehmen können.

Daraus folgt, daß die Klage während des Berufungsrechtszuges zulässig geworden ist und deshalb über sie sachlich hätte entschieden werden müssen.

Auf die Revision der Landesbaubehörde Ruhr ist daher das Berufungsurteil, soweit es der auf die Zulässigkeit der Enteignung zielenden Berufung der Stadt Herbede nicht stattgegeben hat, aufzuheben; in diesem Umfang ist die Sache an das Berufungsgericht zur erneuter. Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Zugleich ist den Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen.