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Bundesgerichtshof

Entscheidung vom 19.05.1958, Az.: III ZR 211/56

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 7. November 1956 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Am 3. März 1955 fuhr der Kläger, als es schon dunkel war, mit seinem Motorroller von Harff kommend, auf dem Wege nach Köln auf einer Landstraße erster Ordnung durch die Hauptstraße der beklagten Gemeinde. Auf seiner rechten Fahrbahnseite lag seit dem Vortage eine mindestens 50 × 50 cm große und 10 cm hohe Eisscholle. Beim Versuch ihr auszuweichen, geriet der Kläger mit seinem Roller ins Rutschen und Schleudern, kam zu Fall und erlitt Körper- und Sachschäden.

Der Kläger führt den Unfall darauf zurück, daß er an die Kante der Eisscholle gestoßen und dann auf dem vereisten Straßenteil neben der Eisscholle ins Rutschen gekommen sei. Er nimmt die Beklagte auf Schadensersatz mit der Begründung in Anspruch, diese habe unter Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht schuldhaft unterlassen, die Eisscholle zu beseitigen und die vereiste Straßenstelle mit abstumpfenden Stoffen zu bestreuen.

Die beklagte Gemeinde macht geltend, Glatteisgefahr habe am Unfalltage nicht bestanden. Sie habe den Fahrdamm niemals bestreut; das hätten die Straßenanlieger getan, denen die Streupflicht durch Ortsstatut übertragen worden sei oder der Landschaftsverband Rheinland, der wegeunterhaltungspflichtig und damit verkehrssicherungspflichtig auf dieser dem Durchgangsverkehr dienenden, überdies in schlechtem Zustand befindlichen, Straße gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klagforderung unter Berücksichtigung der vom Motorroller ausgehenden Betriebsgefahr zu drei Vierteln für begründet erklärt. Im Berufungsverfahren, in dem der Landschaftsverband Rheinland dem Kläger als Streitgehilfe beigetreten ist, hat die beklagte Gemeinde vorgetragen, ihre drei Straßenarbeiter hätten ihren Winterdienst immer ohne Beanstandung durchgeführt. Ihre Organe treffe kein Verschulden weil ihnen das Unrechtsbewußtsein gefehlt habe, da nach der damaligen Rechtsprechung eine Streupflicht der Gemeinden auf den Fahrdämmen ganz überwiegend verneint worden sei. Einer kleinen Gemeinde von unter 6.000 Einwohnern sei die Bestreuung ihrer Straßen im Interesse des Kraftverkehrs auch nicht zuzumuten. Überdies treffe den Kläger ein Eigenverschulden insofern, als er entgegen seiner Behauptung mit mehr als 40 bis 50 Std/km Geschwindigkeit gefahren sei.

Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision - bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 1.067,82 DM - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger und sein Streitgehilfe bitten, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.Das Berufungsgericht fährt aus, der Beklagten habe nach § 1 Abs. 1 des Preußischen Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912 (GS 187) - WKG - die Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung der in Rede stehenden Straße einschließlich der Schneeräumung und des Bestreuens mit abstumpfenden Stoffen obgelegen, und zwar auch auf der Fahrbahn. Gegen ihre Wegereinigungspflicht habe die Beklagte allein schon dadurch verstoßen, daß sie es unterlassen habe, die Eisscholle zu entfernen, die ein gefährliches Verkehrshindernis dargestellt habe.

Die Rechtsgrundlage für den Klaganspruch sieht das Berufungsgericht in § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 WRG. Es legt der Frage, ob die Fahrbahn neben der Eisscholle vereist war, keine ausschlaggebende Bedeutung bei, weil ursächlich für den Unfall des Klägers jedenfalls auch das Vorhandensein der Eisscholle gewesen sei. Das Berufungsgericht macht der Beklagten nicht zum Vorwurf, daß sie die Eisscholle - die sicher kein "Glatteis" war - und ihre Umgebung nicht mit abstumpfenden Stoffen bestreut habe, sondern daß sie sie nicht beseitigt hat.

In nicht revisibler Auslegung des Ortsstatutes und der einschlägigen örtlichen Polizeiverordnung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beseitigung des Eises auf der Fahrbahn nicht Sache der Straßenanlieger war. Daß es dann aber Aufgabe der Gemeinde im Rahmen ihrer Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung der Straße war, diese Eisscholle von ihrer Hauptstraße zu entfernen, hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen:

Die Frage des Umfanges der Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung von Fahrstraßen in geschlossener Ortslage wird in der Regel im Zusammenhang mit der Frage der Verkehrssicherung, insbesondere der im wesentlichen dem Kraftverkehr dienenden Streupflicht erörtert. Dabei wird der Erstreckung der Pflicht zur Wegereinigung auf die Pflicht zur Bestreuung der Fahrdämme im wesentlichen zweierlei entgegengehalten: Das Bestreuen der Fahrbahn sei erst infolge des Anwachsens des Kraftverkehrs auf den Durchgangsstraßen notwendig geworden, auf dessen Entwicklung und Lenkung die an Durchgangsstraßen liegenden Gemeinden keinen Einfluß hätten. Den kleineren Gemeinden fehlten die Mittel, den Anforderungen des durchgehenden Kraftfahrverkehrs gerecht zu werden, während den übergeordneten Körperschaften, die den Kraftverkehr auf den Durchgangsstraßen eröffnet hätten, und auf ihnen wegeunterhalts- und verkehrssicherungspflichtig seien, die finanziellen und technischen Mittel zur Sicherung des Kraftverkehrs zur Verfügung ständen.

Beide Erwägungen greifen hier nicht durch. Die Eisscholle zu beseitigen, war nicht nur zur Sicherung des durchlaufenden Kraftfahrverkehrs nötig; ein Gegenstand dieses Ausmaßes gefährdete auch Pferdefuhrwerke, Radfahrer und andere nicht motorisierte Straßenbenutzer. Seine Beseitigung lag durchaus auch im örtlichen Interesse der Gemeinde. Straßenbautechnische Probleme, Fragen der Verkehrslenkung, Belastung mit unbilligen Forderungen, - wovon die Revision spricht - alles das steht hier nicht in Frage. Daß die Beseitigung der Eisscholle keines besonderen Aufwands bedurfte, hebt das Berufungsgericht ausdrücklich hervor.

Dabei kommt es für die Frage, ob die Beseitigung der Eisschölle im Rahmen der Wegereinigung erforderlich war, gar nicht darauf an, ob sie auch ein Verkehrshindernis bildete. Der Begriff der Reinigung ist nicht eng aufzufassen. Daß dazu gerade auch die Beseitigung von Eis gehört und daß dieses wie Kehricht, Schlamm und Schnee als Unrat angesehen wird, zeigt die Fassung der Polizeiverordnung, in der bestimmt ist, in welcher Weise die Straßenenlieger die ihnen durch Ortsstatut übertragene Wegereinigungspflicht zu erfüllen haben (§ § 3 Abs. 2, 5 Abs. 1 der Polizeiverordnung vom 3. September 1937). Die Pflicht der Gemeinde - soweit sie auf ihr lasten geblieben ist - hat keinen minderen Umfang.

Die objektive, durch das Wegereinigungsgesetz begründete Pflicht der beklagten Gemeinde, die Eisscholle zu beseitigen, ist nach Vorstehendem vom Berufungsgericht also mit Recht bejaht worden.

II.Hatte die Gemeinde die Pflicht, die Eisscholle zu beseitigen, so fragt sich weiter, welche haftungsrechtlichen Folgerungen sich aus deren Nichterfüllung ergeben:

1)Der erkennende Senat hat sich im Zusammenhang mit Glatteisunfällen wiederholt mit der Haftung von Gemeinden bei Verletzung der Streupflicht befaßt und dabei auch auf § 1 WHG Bezug genommen. Er hat die Schadensersatzpflicht der Gemeinde, sofern ein Organisationsmangel vorlag, aus § § 823, 89, 31, 30 BGB hergeleitet (Urteile vom 24. April 1952 - III ZR 78 u. 79/51 insoweit in BGHZ 6, 3 nicht abgedruckt, gekürzt in NJW 1952, 1087; vom 15. Juni 1954 - III ZR 119/53 - S. 11 und vom 5. Dezember 1955 - III ZR 83/54 S. 8-12, LM BGB § 823 (Eb) Nr. 7 - Vers.R 1956, 158). Sofern schuldhaftes Verhalten der nach dem Organisationsplan zur Erfüllung der Streupflicht bestellten Beamten den Unfall verursacht hatte, hat der Senat die Haftungsgrundlage in § 831 BGB gesehen (Urt. vom 15. Juni 1954 - III ZR 119/53 - S. 12, 13).

Im Hinblick auf einige Ausführungen der Revision bedarf es hier einer genaueren Bestimmung des Verhältnisses der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht zur Pflicht aus dem Preußischen Wegereinigungsgesetz. Beide Pflichtenkreise sind nicht identisch. Richtig ist nur soviel, daß sich die Pflicht zur Schneeräumung und zur Bestreuung mit abstumpfenden Stoffen sowohl aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, als auch aus der Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung des Verkehrsweges ableiten läßt und im konkreten Fall ergeben kann. Daß die polizeiliche Sicherungspflicht (zu räumen und zu streuen) nicht geringer und nicht enger ist als die entsprechende aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abzuleitende Räumungs- und Streupflicht, hat der Senat im Urteil vom 5. Dezember 1955 - III ZR 83/54 - S. 9 entschieden. Soweit die Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung besteht, tritt allerdings die Pflicht des Wegebaupflichtigen - der vielfach zugleich der nach allgemeinem Recht Verkehrssicherungspflichtige sein wird (vgl. BGHZ 9, 373, 385) - zur Reinhaltung der Wege aus Verkehrsrücksichten überhaupt nicht ein (§ 1 Abs. 4 WRG).

2)Decken sich also die allgemeine Verkehrssicherungspflicht und die Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung, soweit diese auch der Verkehrssicherung dient, inhaltlich, so ist ihre Quelle doch verschieden:

a)Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht hat ihre Quelle in der Zulassung des öffentlichen Verkehrs auf einem Wege und in der Gefahrenlage, die mit der Benutzung dieses Weges entsteht (BGHZ 9, 373; 14, 83, 85). In seinem Urteil BGHZ 9, 373 hat der Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts ausgeführt, daß ein Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich eines öffentlichen Weges regelmäßig nicht nach § 839 BGB, sondern nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist, und zwar auch dann, wenn die Verantwortung eine öffentlich-rechtliche Körperschaft trifft. Daran ist auch späterhin festgehalten worden (BGHZ 14, 83; 16, 95).

b)In seinem Urteil BGHZ 9, 373, 387 f. hat der Senat aber schon darauf hingewiesen, daß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft die Wahl hat, ob sie ihrer Verkehrssicherungspflicht als Fiskus oder als Träger öffentlicher Gewalt, also hoheitsrechtlich genügen will. Durch das Preußische Wegereinigungsgesetz ist die Wegereinigungspflicht - auch soweit sie der Verkehrssicherung dient - den Gemeinden, zu deren Bezirk der Weg gehört, als eine von der Ortspolizeibehörde erzwingbare, öffentliche Last auferlegt worden. Diese Pflicht und ihre Erfüllung sind vom Gesetz als "polizeiliche Aufgabe" öffentlich-rechtlich gestaltet. Die Pflicht zur polizeimäßigen Wegereinigung wurzelt, anders als die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, nicht in der nach allgemeinen bürgerrechtlichen Bestimmungen zu beurteilenden Schaffung einer Gefahrenlage, sondern im öffentlichen Recht.

3)Ist Quelle der Pflicht zur polizeimäßigen Wegereinigung das öffentliche Recht, fällt die Wegereinigung in den Bereich der hoheitlichen Betätigung der Gemeinden, so ist die Nichterfüllung dieser Pflicht zunächst unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung zu betrachten und nach § 839 BGB i.V. mit Art. 131 WeimVerf. oder Art. 34 GG zu beurteilen:

In der Regel sind in einer Gemeinde für deren verschiedenen Aufgabenkreise Beamte im haftungsrechtlichen Sinn bestellt. Diesen liegt die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben als Amtspflicht jedem Dritten gegenüber ob, dessen Belange nach der Natur des Amtsgeschäftes durch dieses berührt werden. Wird die Amtspflicht schuldhaft nicht oder nur mangelhaft erfüllt, und erleidet ein Dritter dadurch Schaden, so erwachsen diesem Amtshaftungsansprüche. Das gilt sowohl bei Pflichtverletzung durch die ausführenden Organe als auch bei Verletzung der Aufsichtspflicht. Voraussetzung ist aber immer, daß durch Gesetz, allgemeine Dienstvorschrift, Organisationsakt, Dienstbefehl oder Anweisung im Einzelfall eine entsprechende Amtspflicht für bestimmte Behörden der Verwaltung und deren einzelne Beamte begründet worden ist. Davon ist scharf zu unterscheiden die öffentlich-rechtliche Pflicht der nach dem Gemeindeverfassungsrecht berufenen Organe der Gemeinde, die notwendigen organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen, insbes. die für die neue gemeindliche Aufgabe zuständigen Beamten zu bestimmen. Diese Pflicht ist den Organen der Gemeinde nicht im Interesse eines Einzelnen, sondern ausschließlich im "öffentlichen Interesse" auferlegt; die Verletzung dieser Pflicht ist deshalb nicht geeignet, eine Haftung aus § 839 BGB auszulösen. Erst die Erfüllung dieser Pflicht schafft die Voraussetzung, daß ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht zur Wegereinigung verletzt haben kann.

Im vorliegenden Falle hat die Gemeinde die für die Reinigung der Hauptstraße von Eis verantwortlichen Bediensteten nicht bestimmt, weil das verfassungsmäßig berufene Organ der Gemeinde sich über das Bestehen einer Eisbeseitigungspflicht - wie das Berufungsgericht ausführt - überhaupt keine Gedanken gemacht hat. Ein für die Beseitigung des Eises auf der Straße verantwortlicher Beamter, dem der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung gemacht werden könnte, war gar nicht bestellt worden. Damit entfällt hier die Möglichkeit, den Klaganspruch auf die Pflichtverletzung eines Beamten und auf Amtshaftung zu stützen.

Die Gemeinde haftet aber unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB. Daß das Wegereinigungsgesetz mit der für die beklagte Gemeinde normierten Pflicht zur Wegereinigung im Interesse auch der Verkehrssicherheit auf den Fahrdämmen ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB ist, hat der Senat wiederholt ausgesprochen. (Urt. v. 5. Dezember 1955 - III ZR 83/54 S. 9-10 mit weiteren nachweisen). Einen Verstoß gegen dieses Schutzgesetz kann die Gemeinde auch dadurch begehen, daß ihr verfassungsmäßig berufenes Organ es unterläßt, die organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Erfüllung der aus dem Schutzgesetz entspringenden Pflicht zu gewährleisten und für sie die Grundlage zu schaffen. Das ergibt sich aus § § 89, 31 BGB.

III.1)Was das Verschulden der beklagten Gemeinde anlangt, so gilt folgendes:

Da der Tatbestand der unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB mit dem Verstoß gegen das Schutzgesetz erfüllt ist, kann das Verschulden sich auch nur auf diesen Verstoß selbst beziehen. Es kommt lediglich darauf an, ob der Täter unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die gesetzlich gebotene Handlung unterlassen, also schuldhaft gesetzwidrig gehandelt hat (vgl. BGB RGRK 10. Aufl. § 823 Anm. 16). Das Verschulden besteht darin, daß der Täter sich des Verstoßes gegen das Schutzgesetz bewußt ist, oder bei gehöriger Sorgfalt bewußt werden konnte.

In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand Bedeutung zu, daß die Beklagte auch noch im vorliegenden Rechtsstreit in Abrede gestellt hat, daß ihr die gesetzliche Pflicht zur Beseitigung des Eises obgelegen habe. Die Verkennung des Inhaltes des Wegereinigungsgesetzes und des Umfanges der durch dieses Gesetz der Gemeinde auferlegten Pflichten schließt ein Verschulden für Unterlassung des nach dem Schutzgesetz Erforderlichen nicht grundsätzlich aus (vgl. Urt. v. 5. Dezember 1955 - III ZR 83/54 S. 10). Das verfassungsmäßig berufene Organ der Gemeinde konnte sich hier bei gehöriger Sorgfalt dessen bewußt werden, daß es das Schutzgesetz verletzte, wenn es unterließ, das zu dessen Durchführung Erforderliche anzuordnen. Es hätte die Pflicht zur Beseitigung von Eis auf der Hauptstraße sehr wohl erkennen können und müssen. Die Polizeiverordnung, die den Umfang der Reinigungspflicht der Straßenanlieger regelt, spricht ausdrücklich von der Eisbeseitigung und rechnet das Eis dem Unrat zu. Die Bestimmung in § 1 Abs. 4 WRG über den Wegfall der Verpflichtung des Wegebaupflichtigen zur Reinhaltung der Wege aus Verkehrsrücksichten legte es ganz besonders nahe, genau zu prüfen, was darnach Pflicht der Gemeinde sei und organisatorisch geregelt werden müsse. Sich in dieser Beziehung "gar keine Gedanken zu machen", war schuldhaft.

Was die Revision in dieser Beziehung zur Entschuldigung der beklagten Gemeinde anführt, greift nicht durch:

Sie macht geltend, daß die Streupflicht vom Landschaftsverband ausgeübt worden sei, daß die Rechtsprechung bis zum mehrfach erwähnten Urteil des Senates vom 5. Dezember 1955 ganz überwiegend eine Streupflicht zur Sicherung des allgemeinen Fahrzeugverkehrs auf Grund des Wegereinigungsgesetzes verneint habe und daß diese damals herrschende Auffassung in einem Aufsatz in der Zeitschrift "Der Gemeinderat" vom 15. Februar 1956 wiedergegeben worden sei.

Alles das mag von Bedeutung sein für die Frage, ob das verfassungsmäßig berufene Organ der beklagten Gemeinde ohne Verschulden der Auffassung sein durfte, diese brauche bei Glatteis auf der Fahrstraße nicht streuen zu lassen. Es hat aber nichts zu tun mit der hier allein zur Entscheidung stehenden Frage, ob das Organ bei Anwendung der von ihm zu fordernden und ihm zuzumutenden Sorgfalt auch der Meinung sein durfte, es brauche keine Vorsorge dafür zu treffen, daß die Straße von Fremdkörpern wie die Eisscholle gereinigt werde.

Der beklagten Gemeinde kann nach alle dem der Vorwurf einer schuldhaften Verletzung ihrer Verpflichtung zu umfassender Organisation der Wegereinigung und damit der schuldhaften Verletzung eines Schutzgesetzes nicht erspart bleiben.

Zu der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob die kleinen, an Durchgangsstraßen gelegenen Gemeinden nicht in unzumutbarer Weise belastet werden, wenn die Pflicht zur polizeimäßigen Reinigung der Straße auch auf die Streupflicht auf den Fahrdämmen erstreckt wird, braucht hier, wo es sich nicht um die Streupflicht handelt, nicht Stellung genommen zu werden. Wenn wirklich die kleinen Gemeinden untragbar belastet sein sollten, müßte im übrigen die Abhilfe im Wege des Finanzausgleiches und ggf. der Gesetzesänderung gesucht werden. Die Gerichte vermögen insoweit angesichts der Fassung des Wegereinigungsgesetzes und dessen Zielsetzung, wie sie insbesondere auch aus § 1 Abs. 4 WRG zu entnehmen ist, nicht zu helfen. Wirtschaftliche Erwägungen, wie sie die Revision anstellt, würden die Anwendung des Gesetzes, so wie es nun einmal erlassen ist und noch fortgilt, nicht zu beeinflussen vermögen.

2)Zum ursächlichen Zusammenhang zwischen der Nichtbeseitigung der Eisscholle und dem Unfall des Klägers führt das Berufungsgericht aus, der Kläger sei durch die Eisscholle veranlaßt worden, eine Ausweichbewegung zu machen, die für das Rutschen und Schleudern seines Motorrades ursächlich gewesen sei. Ob für den anschließenden Sturz des Klägers Vereisung der Fahrbahn, mitursächlich gewesen sei, sei nicht ausschlaggebend, es genüge für die Begründung der Schadensersatzforderungen, daß die Beklagte durch Nichtbeseitigung der Eisscholle eine der Ursachen des Unfalles gesetzt habe. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht angegriffen worden.

3)Hinsichtlich des Ausmaßes der Berücksichtigung der vom Motorroller ausgehenden Betriebsgefahr und der Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers an seinem Unfall lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts Rechtsfehler nicht erkennen. Insoweit werden Bedenken von der Revision auch nicht geltend gemacht.

Die Revision der Beklagten ist nach alledem unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.